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Auftragnehmeranspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek

LG Tübingen – Az.: 20 O 65/18 – Beschluss vom 04.09.2018

1. Zugunsten der Antragstellerin ist in Gesamthaft auf dem Grundstück in Flst. Nr. …, eingetragen in Grundbuch von Reutlingen, GB-Nr. Nummern … bis …, eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen einer Werklohnforderung in Höhe von € 239.630,49 einzutragen.

2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

3. Der Antragstellerin wird Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache gesetzt bis 30.10.2018. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird auf Antrag der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung aufgehoben.

4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Der Streitwert wird auf 79.876,83 € festgesetzt.

6. Mit dem Beschluss ist zuzustellen:

Antragsschrift vom 23.08.2018, Schriftsatz vom 30.8.2018 jeweils nebst Anlagen

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht einen Anspruch auf Sicherung ihrer Werklohnforderung geltend.

Die Antragstellerin schloss am 13.1.2017 mit der … (künftig nur: …) u.a. einen Teil- Pauschalvertrag über Rohbauarbeiten betr. die Errichtung von Studentenappartements auf dem im Tenor näher bezeichneten Grundstück der Antragsgegnerin.

Die … ist Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin und die Geschäftsführer der Antragsgegnerin sind auch Geschäftsführer der ….

Nach Fertigstellung und Abnahme stellte die Antragstellerin Schlussrechnung über einen restlichen Betrag in Höhe von insgesamt 471.489,69 Euro. Im Rahmen von zwei Schlussrechnungsbesprechungen mit der … am 4.7.2018 und 11.07.2018 klärten die Vertragsparteien mit Ausnahme eines Betrages von 231.85920 Euro (betr. Pos. 5.7.20, NA 13, 14) die übrigen Positionen in Höhe von insgesamt 239.630,49 Euro einverständlich. Die … „erbrachte keine weiteren Zahlungen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die fehlende Identität zwischen Vertragspartnerin … und der Eigentümerin des Baugrundstücks (Antragsgegnerin) sei gem. § 242 BGB unschädlich.

Die Antragstellerin beantragt im Wege der der einstweiligen Verfügung zu erkennen:

Zugunsten der Antragstellerin ist in Gesamthaft auf dem Grundstück in Flst. Nr. … eingetragen im Grundbuch von Reutlingen, GB-Nr. Nummern … bis … eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen einer Werklohnforderung in Höhe von € 239.630,49 nebst Verzugszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten seit dem 24. Mai 2018 sowie einer Pauschale für die Eintragung der Vormerkung und der Sicherungshypothek von € 1.000,00 und der Kosten des Verfahrens in Höhe von € 2.931,90 einzutragen.

Die Antragsgegnerin, der vor Verweisung des Rechtsstreits an die KfH rechtliches Gehör gewährt worden war, beantragt,

der Antragstellerin Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zu setzen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück zu weisen.

Die Antragsgegnerin rügt die örtliche Zuständigkeit des LG Tübingen im Hinblick auf eine Gerichtsstandsklausel im Bauvertrag der Klägerin und der … . Sie sei ferner nicht passiv legitimiert, da sie nicht Vertragspartei sei. Der Antrag sei im Übrigen rechtsmißbräuchlich im Hinblick auf bereits eingetragene Auflassungsvormerkungen und auf die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat überwiegend Erfolg. Lediglich hinsichtlich des geltend gemachten Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek hinsichtlich der Nebenforderungen ist der Antrag zurückzuweisen.

1.

Das Landgericht Tübingen ist örtlich gem. § 26 ZPO zuständig. Die Kammer schließt sich der Rechtsauffassung an, wonach die erweiterte Zuständigkeit des § 26 ZPO insbesondere auch für Klagen auf die Einräumung einer Bauhandwerkerhypothek durch den Besteller/Eigentümer gilt. Dem steht auch die Gerichtsstandsklausel im Bauvertrag nicht entgegen. Dabei kann dahin stehen, ob diese überhaupt wirksam ist, denn jedenfalls wirkt sie nicht im Verhältnis zur Antragsgegnerin, die gerade nicht Partei des Vertrages, in den die AGBs einbezogen sind, geworden ist.

2.

Der Antrag hat auch überwiegend Erfolg.

A) Die Antragstellerin hat mit der Antragsschrift vom 23.8.2018 nebst Anlagen dargetan und glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Antragsgegnerin gem. §§ 648, 883, 885, 1132, 935 ff ZPO ein Anspruch auf Anordnung der Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang zusteht. Zwar liegen die Voraussetzungen unter denen ein Unternehmer nach § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. die Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek verlangen kann, im Verhältnis zur Antragsgegnerin nicht vor, gleichwohl hat sie sich gem. § 242 BGB so behandeln zu lassen, als sei sie Bestellerin der Werkleistungen der Antragstellerin. Gemäß § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. kann der Unternehmer eines Bauwerks oder eines einzelnen Teiles eines Bauwerks für seine Forderungen aus dem Vertrag die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers verlangen. Der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek richtet sich grundsätzlich gegen den Besteller der Werkleistung und setzt voraus, dass dieser zugleich Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem die Werkleistung erbracht werden soll. Die Antragsgegnerin war nicht Besteller der von der Klägerin ausgeführten Werkleistungen. Die Antragsgegnerin hat sich aber gem. § 242 BGB so behandeln zu lassen, als wäre sie Besteller der Werkleistungen der Antragstellerin. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Durchbrechung des Grundsatzes der Personenidentität von Besteller und Eigentümer in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 – VII ZR 12/87, BGHZ 102, 95, 102 ff.; vgl. auch an dieser Rechtsprechung festhaltend BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – VII ZR 139/13 -), liegen vor.

Auch im Verhältnis zwischen dem Bauunternehmer und dem Grundstückseigentümer, der nicht Auftraggeber ist, gelten die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Wenn jedoch § 242 BGB grundsätzlich anwendbar ist, so muß, wie in den Fällen gesellschaftsrechtlicher Durchgriffshaftung, das Identitätserfordernis nach Treu und Glauben jedenfalls dann zurücktreten, wenn „die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen“ es dem Richter gebieten (BGHZ 54, 222, 224; 78, 318, 333), die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit von Besteller und Eigentümer hintanzusetzen. Die förmliche Verschiedenheit darf nicht dazu führen, dem Bauhandwerker die ihm redlicherweise zustehende Sicherheit vorzuenthalten. Alsdann muß sich der Grundstückseigentümer gemäß § 242 BGB zumindest im Bereich der dinglichen Haftung wie ein Besteller behandeln lassen (BGH, Urteil vom 22.10.1987 a.a.O).

Vorliegend hat die Antragstellerin Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, nach denen sich die Berufung des Beklagten auf die Personenverschiedenheit von Besteller und Grundstückseigentümer als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Die … beherrscht die Antragsgegnerin nach dem Vorbringen der Parteien wirtschaftlich und auch rechtlich. Sie ist Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin und zudem besteht weitgehende Identität in der Geschäftsführung beider Gesellschaften. Die beherrschende Position der … als Bestellerin kann allein allerdings nicht dazu führen, die Antragsgegnerin über § 242 BGB als Besteller im Sinne von § 648 BGB a.F. zu behandeln. Vielmehr ist entscheidend darauf abzustellen, dass die Antragsgegnerin einen erheblichen Vorteil aus der von der Antragstellerin erbrachten Werkleistung gezogen hat, indem auf ihrem Grundstück 105 Appartements errichtet wurden und das Grundstück insoweit eine ganz erhebliche Wertsteigerung erfahren hat. Diese Wertsteigerung ist gerade auch mit der von der Antragstellerin übernommenen Werkleistung bewirkt worden. Der BGH (a.a.O) führt aus: „Zog der Beklagte damit als Grundstückseigentümer (vgl. § 946 BGB) über die von ihm beherrschte KG tatsächlich Vorteil aus der von der Klägerin erbrachten Werkleistung, dann ist es mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn er zugleich der Klägerin verwehrt, sich wegen des verdienten restlichen Werklohns aus dem Grundstück zu befriedigen. Das wäre in hohem Maße unbillig und würde dem mit § 648 BGB a.F. verfolgten Zweck zuwiderlaufen, dem Werkunternehmer den Zugriff auf das Baugrundstück zu gestatten, weil er mit seiner Werkleistung regelmäßig den Wert des Grundstücks erhöht und so auch dessen Nutzungsmöglichkeiten verbessert hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 68, 180, 183 m.w.N.; 91, 139, 146)“. Gemessen an diesem Maßstab, hat die Antragsgegnerin sich wie der Besteller der Werkleistung behandeln zu lassen, soweit die Antragstellerin Befriedigung aus dem Grundstück sucht. In einem solchen Fall muß die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit von Besteller und Eigentümer hintangesetzt werden, um dem Unternehmer zu der ihm nach Treu und Glauben zustehenden Leistung zu verhelfen (vgl. BGHZ 54, 222, 224; 78, 318, 333).

B)

Dem stehen auch die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Bedenken nicht entgegen:

Wird durch einstweilige Verfügung die Grundbucheintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek an mehreren Grundstücken oder Wohnungseigentumsrechten des Schuldners angeordnet, ist dies dem Fall gleichzustellen, daß der Schuldner die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Gesamthypothek auf den mehreren Grundstücken oder Wohnungseigentumsrechten bewilligt hat. Daraus folgt, daß die Vormerkung auf jedem Grundstück oder Wohnungseigentumsrecht zur Sicherung des einheitlichen ungeteilten Anspruchs auf Eintragung der Bauhandwerkersicherungshypothek zur Gesamthaft eingetragen werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Mai 1995 – 20 W 79/95 -, juris).

Der Antrag ist auch nicht rechtsmißbräuchlich, soweit bereits Auflassungsvormerkungen zu Gunsten der Käufer im Grundbuch eingetragen sind. Denn es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig offen, ob die jeweiligen Kaufverträge vollzogen werden. Ebenso offen ist auch, ob das Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin eröffnet wird oder nicht.

C) Die Dringlichkeit wird widerleglich vermutet, § 885 Abs. 1 S. 2 BGB.

3.

Die Nebenforderungen sind von der Antragstellerin weder im Einzelnen dargelegt noch glaubhaft gemacht, so dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung insoweit ohne Erfolg bleibt.

4.

Die Kammer wird den Antrag auf Eintragung nicht direkt bei Grundbuchamt einreichen. Ein solches Ersuchen an das Grundbuchamt steht nach § 941 ZPO im Ermessen des Gerichts und erscheint vorliegend nicht geboten. Titel im einstweiligen Rechtsschutz sind grundsätzlich vom Gläubiger selbst zu vollziehen und vorliegend wird durch ein Ersuchen an das Grundbuchamt auch keine wesentliche Beschleunigung erreicht.

5.

Auf Antrag der Antragsgegnerin – den die Kammer sachgerecht dahin auslegt, dass er vorsorglich für den Fall des Erlasses der einstweiligen Verfügung gestellt ist – war der Antragstellerin gem. § 926 ZPO eine Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zu setzen, die mit 7 Wochen angemessen erscheint.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Den Streitwert hat die Kammer in Höhe von 1/3 des Betrages der glaubhaft gemachten Werklohnforderung angesetzt, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO.

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