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Nachbarklage gegen Mobilfunkantenne

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Az: 8 A 11308/13

Beschluss vom 28.02.2014

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 24. September 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Nachbarklage gegen Mobilfunkantenne
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Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Antennenmastes für Mobilfunk- und Richtfunkantennen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt werde. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Dies gelte auch hinsichtlich der vom Betrieb der Mobilfunk- und Richtfunkantennen ausgehenden thermischen oder nicht-thermischen Wirkungen. Denn die Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) würden auf dem Grundstück des Klägers unstreitig eingehalten. Diese Grenzwertregelung könne auch nicht wegen Verstoßes gegen verfassungsrechtliche Schutzpflichten unbeachtet bleiben. Eine Verletzung von Art. 13 GG scheide schon deshalb aus, weil das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nicht gegen das Eindringen nichtstofflicher Substanzen, wie etwa elektromagnetischer Felder, schütze. Schließlich seien durch die Erteilung der Baugenehmigung auch keine Rechte verletzt worden, die dem Kläger aus dem im Jahr 2004 mit dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2) abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich zustünden. An der Regelung der für die Nutzung des Schützenhauses erforderlichen Stellplätze habe sich durch die Genehmigung des Antennenmastes keine Änderung zum Nachteil des Klägers ergeben.

Die Darlegungen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 und § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1. Zunächst teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Baugenehmigung für die Errichtung des Antennenmastes nicht wegen der mit der Nutzung der Mobilfunk- und Richtfunkantennen einhergehenden Wirkungen versagt werden durfte.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, finden auf die Errichtung und den Betrieb von Hochfrequenzanlagen – wie hier – die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) und die Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) Anwendung. In der danach notwendigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 25. September 2009 wird der Beigeladenen zu 1) attestiert, dass außerhalb eines Sicherheitsabstandes von 13 m die für den Betrieb der Antennen festgelegten Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 16. BImSchV i.V.m. § 3 BEMFV eingehalten, mithin auch auf dem ca. 30 m entfernten Hausgrundstück und auch in dem ca. 60 m entfernten Wohnhaus des Klägers nicht überschritten werden. Damit sind Verstöße sowohl gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot als auch gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BayVGH, Urteil vom 19. Mai 2011 – 2 B 11.397 –, NVwZ-RR 211, 851 und juris, Rn. 31; VGH BW, Beschluss vom 2. März 2004 – 8 S 243/04 –, NuR 2005, 37 und juris, Rn. 2; OVG RP, Beschluss vom 28. März 2011 -8 B 10284/11-, S. 3 d.U.).

Der Kläger hat nicht dargetan, dass die Grenzwerte nach § 2 der 26. BImSchV wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unbeachtlich wären. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, die in der 26. BImSchV normierten Anforderungen an den Betrieb von Hochfrequenzanlagen verletzten die Pflicht des Staates zum Schutz der menschlichen Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese staatliche Schutzpflicht nicht bereits dann verletzt, wenn einzelne Stimmen im fachwissenschaftlichen Schrifttum ein schärferes Vorgehen des Staates, etwa in Form strengerer Grenzwerte oder weitergehender Vorsorgepflichten, verlangen. Gerade weil es um die Bewertung komplexer Wirkungszusammenhänge geht und bei der Erfüllung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass hierfür in erster Linie der in § 23 BImSchG ermächtigte Verordnungsgeber in einem Verfahren unter parlamentarischer Beteiligung (§ 48 b BImSchG) berufen ist (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805 und juris, Rn. 18). Wörtlich heißt es in dem Beschluss:

 „Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht [nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG] gebietet nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. … Liegen noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen – wie hier die schädlichen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder – vor, verlangt die staatliche Schutzpflicht auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist.“ (a.a.O., juris, Rn. 18).

Dem hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 2010 – 4 B 46/10 -, BauR 2011, 1150 und juris, Rn. 11).

Gemessen hieran hat der Kläger nicht dargetan, dass die Einschätzung des Verordnungsgebers bei der erst am 14. August 2013 erfolgten Novellierung der 26. BImSchV (BGBl. I S. 3266), es könne hinsichtlich der von Hochfrequenzanlagen ausgehenden elektromagnetischen Felder bei den bislang festgelegten Grenzwerten verbleiben, aufgrund neuer Erkenntnisse evident untragbar geworden ist und sich der Betrieb des hier angegriffenen Antennenmastes aufgrund dieser Erkenntnisse für die Nutzung seines Hausgrundstücks als unzumutbar erweist.

Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend erläutert hat, ist der Novelle zur 26. BImSchV eine umfassende Sichtung des aktuellen Forschungsstandes zu den Auswirkungen von Mobilfunk vorausgegangen (vgl. die Begründung zur Änderungsverordnung der Bundesregierung vom 8. Mai 2013 [BT-Drs. 17/13421], den 5. Bericht der Bundesregierung vom 3. Januar 2013 über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen [BT-Drs. 17/12027] sowie die Antwort der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen zu „Mobilfunktechnik und Gesundheitsschutz“ vom 26. August 2013 [BT-Drs. 17/14646]). Unterstützt wurde die Bundesregierung bei der Bewertung des aktuellen Forschungsstandes von staatlichen Beratergremien, wie zum Beispiel der Strahlenschutzkommission. Diese lässt in ihrer Stellungnahme vom 29./30. September 2011 über „Biologische Auswirkungen des Mobilfunks – Gesamtschau –“ auch kritische Stimmen nicht unerwähnt, wie zum Beispiel die Bewertung der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) vom Mai 2011 über „möglicherweise krebserregende“ Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder, auf die auch der Kläger über die in Bezug genommenen Ausführungen von Budzinski in NVwZ 2013, 404 [405] hinweist; die Strahlenschutzkommission hält diese Bewertung angesichts anderer Untersuchungen indes nicht für so belastbar, dass sie strengere Vorgaben für das Mobilfunknetz für geboten hält (vgl. die Zusammenfassung der Stellungnahme vom 29./30. September 2011, a.a.O., S. 36 ff. [insbesondere S. 37]). Gleichwohl halten sowohl die Strahlenschutzkommission als auch daran anschließend die Bundesregierung weitere Forschungen zur Bewertung der Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks für notwendig, etwa zur Risikobewertung der Exposition von Kindern oder zur Langzeitwirkung hochfrequenter Felder (vgl. BT-Drs. 17/12027, S. 3 ff.). Vor diesem Hintergrund kann eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Verordnungsgeber nicht angenommen werden.

Weitergehende Schutzpflichten als diejenigen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben sich auch nicht aus dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK), so dass dahingestellt bleiben kann, ob der Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 GG hier neben der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überhaupt berührt ist. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2007 – 32015/02 – zwar festgestellt, dass Art. 8 EMRK auch vor nicht räumlichen Einwirkungen auf die Wohnung schützt (NVwZ 2008, 1215 und juris, Rn. 62). Hinsichtlich der geltend gemachten Beeinträchtigung durch den Betrieb von Mobilfunkanlagen hat er aber eine Verletzung des Grundrechts als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, weil die in Deutschland festgelegten Grenzwerte auf übereinstimmenden Empfehlungen verschiedener nationaler und internationaler Beratergremien beruhten und verlässliche Beweise für schädliche Folgen trotz Einhaltung der Grenzwerte nicht vorlägen (a.a.O., juris, Rn. 72 bis 76).

2. Der Senat teilt darüber hinaus ebenfalls die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Baugenehmigung den Kläger auch nicht in Rechten verletzt, die ihm aus dem im Verfahren des Verwaltungsgerichts – 5 K 1273/00.NW – abgeschlossenen Vergleich zustehen.

Gegenstand dieses zwischen dem Kläger, dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2) abgeschlossenen Vergleichs war vor allem die Nutzung des Schützenhauses. Darüber hinaus heißt es unter Ziffer I.2. des Vergleichsvorschlags im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 2004, „er [der Schützenverein] wird bemüht sein, primär die Stellplätze südlich des Schützenhauses zu nutzen.“ Hinsichtlich dieser Verpflichtung hat sich durch die hier angegriffene Baugenehmigung keine Änderung ergeben. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hinsichtlich der Lage der Stellplätze durch die hier angefochtene Baugenehmigung keine Änderung zur früheren Genehmigungslage eingetreten. Weiterhin sind südlich des Schützenhauses 7 Stellplätze ausgewiesen; durch den Antennenmast hat sich lediglich deren Lage und Anordnung geringfügig geändert. Die Einhaltung der von dem Beigeladenen zu 2) im Vergleich unter Ziffer I.2. übernommenen Verpflichtung unterliegt nach wie vor bauaufsichtsbehördlicher Kontrolle.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es besteht kein Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit dem Kläger aufzulegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese mangels Antragstellung ihrerseits kein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG).

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