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Recht des Auftraggebers zur fristlosen Kündigung bei Verdacht auf Schwarzarbeit

LG Potsdam – Az.: 6 O 352/13 – Urteil vom 15.02.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 49.492,49 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. März 2014.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Beweisaufnahme. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin fünf Sechstel und die Beklagte ein Sechstel zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird abschließend festgesetzt

– auf anfänglich 34.448,36 €,

– auf 96.943,46 € ab dem 12. März 2014 und

– auf 84.632,92 € ab dem 15. April 2014.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Werklohn für Fassadenarbeiten nach Kündigung des Werkvertrages, die Beklagte widerklagend Schadensersatz in Form kündigungsbedingter Mehraufwände.

Die Klägerin bot der Beklagten unter dem 14. Mai 2012 die Ausführung von Arbeiten im Los 08 – Fassadenarbeiten / WDVS / vorgehängte Fassade – beim Bauvorhaben zum Umbau und Sanierung des Gymnasiums in der … in Potsdam an. Die VOB/B werden für anwendbar erklärt. Nach Nr. 4.1 und 4.2 des Angebots stellt der Auftragnehmer Sicherheit für Mängelansprüche des Auftraggebers in Höhe von 3 % der Abrechnungssumme einschließlich Nachträge, zu leisten durch Einbehalt oder Hinterlegung oder durch Bürgschaft; der Auftragnehmer kann die von ihm gewählte Form durch eine andere ersetzen. Nach Nr. 10.13 der gleichfalls für anwendbar erklärten Weiteren Besonderen Vertragsbedingungen bedarf der Austausch einer im Bieter – Nachunternehmerverzeichnis benannten Firma der ausdrücklichen Zustimmung des Auftraggebers. Nach Ziffer 10.22.07 beteiligt sich der Auftragnehmer mit 0,6 % der Abrechnungssumme an den Kosten für Sanitäreinrichtung, Baustrom etc. Beigefügt war eine „Erklärung zur Verhinderung von Schwarzarbeit“, ausweislich derer die Klägerin zusichert, weder selbst noch durch Nachunternehmer illegale Arbeitskräfte zu beschäftigen und die Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu beachten. Beigefügt waren ferner von der Klägerin gezeichnete Vereinbarungen zur Einhaltung der Mindestanforderungen nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz betreffend den Auftragnehmer und Nachunternehmer, ausweislich derer sie den Mindestlohn nach diesem Gesetz zahlen werde, die Löhne über Gehaltskosten überweisen werde und dem Auftraggeber zur Prüfung Unterlagen über die Beschäftigungsverhältnisse auf Aufforderung vorlegen werde. Das Nachunternehmerverzeichnis enthält lediglich den Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, Arbeiten an der hinterlüfteten Vorhangfassade zu erbringen, und benennt insoweit die Fa. K .

Die Beklagte beauftragte die Klägerin hierauf am 9. Juli 2012 mit Ausnahme der Arbeiten an der hinterlüfteten Vorhangfassade und zur Kellerdeckendämmung zu einem Gesamtpreis von 160.896,12 € netto = brutto 191.466,38 €; die Arbeiten sind danach auszuführen vom 2. Juli 2012 bis zum 7. Dezember 2012. Mit Nachtrag vom 17. September 2012 erweiterte die Beklagte den Auftrag um die Arbeiten zur Kellerdeckendämmung auf eine Gesamtauftragssumme von 180.684,09 € netto = brutto 215.014,07 €.

Mit Schreiben vom 4. und 12. Oktober sowie 1. November 2012 rügte die Beklagte einen ungenügenden Arbeitskräfteeinsatz auf der Baustelle. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 rügte sie zudem den Einsatz von Nachunternehmern und wies auf die möglichen Folgen nach § 8 Abs. 3 VOB/B hin. Die Klägerin zeigte daraufhin mit Schreiben vom 20. Oktober 2012 den Einsatz einer „R GmbH“ an und bat um Bestätigung, die die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 verweigerte. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 sicherte die Klägerin hierauf den Einsatz eigener Mitarbeiter zu.

Recht des Auftraggebers zur fristlosen Kündigung bei Verdacht auf Schwarzarbeit
(Symbolfoto: Von Christian Schwier/Shutterstock.com)

Bereits mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 forderte die Beklagte die Vorlage von Arbeitsbescheinigungen, Sozialversicherungsnachweisen und Nachweise zur Zahlung von Tariflohn, nachdem sie Arbeiter mit geringen Deutschkenntnissen auf der Baustelle festgestellt habe. Sie wiederholte dies mit Schreiben vom 25. Oktober 2012.

Mit Schreiben vom 5. November 2012 erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Werkvertrages. Die Klägerin wies dies zurück und erklärte, sie betrachte die Kündigung als eine freie, und werde entsprechend abrechnen, wenn die Beklagte ihre – nochmals angebotenen – Leistungen nicht abnehme. Am 13. November 2012 stellten die Parteien den Stand der klägerischen Arbeiten fest. Am 20. November 2012 nahm die Beklagte die Leistungen der Klägerin teilweise ab. Die Klägerin stellte unter dem 28. Dezember 2012 Schlussrechnung über noch offene 46.647,83 €. Die Rechnungsprüfung der Beklagten ergab einen noch offenen Betrag von 22.841,79 € netto, abzüglich eines Gewährleistungseinbehalts von 815,45 € sowie von Zahlungen der Beklagten in Höhe von 11.115,29 €, abzüglich weiterer Positionen wie die Kostenbeteiligung für Baustrom etc. von 163,09 €, einer Bauwesenversicherung von 27,18 und für die Entsorgung eines beschädigten Baumes von 95,20 €. Die Klägerin widersprach den Kürzungen teilweise.

Die Beklagte beauftragte am 12. März 2013 die … B GmbH mit Fassadenarbeiten nebst Wärmedämmverbundsystem entsprechend ihrem Angebot vom 11. Januar 2013. Die Arbeiten sind danach auszuführen im Zeitraum 4. Kalenderwoche bis 18. Kalenderwoche 2013, das heißt vom 21. Januar 2013 bis zum 3. Mai 2013. Die Nachunternehmerin erstellte unter dem 1. November 2013 ihre Schlussrechnung über gesamt 246.655,93 €, nach Prüfung durch die Beklagte 244.863,16 €.

Die Klägerin hat am 2. September 2013 Klage erhoben, der Beklagten zugestellt am 9. Oktober 2013. Sie ist der Auffassung, die Beklagte sei zur fristlosen Kündigung des Vertrages nicht berechtigt gewesen, weshalb eine freie Kündigung vorliege. Infolgedessen könne sie einerseits nach § 649 BGB abrechnen und schulde sie zudem keinen Schadensersatz. Hierzu behauptet sie, nach dem Vertrag habe sie am 2. Juli 2012 beginnen sollen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber Baufreiheit nicht vorgelegen. Diese sei letztlich erst im Oktober 2012 geschaffen worden. Sie habe dann kurzfristig Arbeitnehmer binnen müssen. Den deswegen notwendigen Nachunternehmereinsatz habe sie angezeigt. Die Beklagte habe dies nicht ablehnen dürfen. Nach dem maßgeblichen 25. Oktober 2012 habe sie keine Subunternehmer mehr eingesetzt, sondern nur noch eigene Leute. Für alle Arbeitnehmer – die Herren M , A , H , W und K – hätten Sozialversicherungsnachweise vorgelegen, Schwarzarbeit sei nicht geleistet worden.

Auch sei die Kostenberechnung der Beklagten nicht nachvollziehbar; sie berücksichtige nicht die offenbar aufgetretenen Massenmehrungen. Zulagen für Produkte für feuchtkalte Witterung seien nicht geschuldet; sie, die Klägerin, habe die erheblichen Verzögerungen im Bauablauf nicht zu vertreten; sie habe erst drei Monate später leisten können als vertraglich vorgesehen. Entsprechendes gelte für die vermeintlichen weiteren Gerüstvorhaltekosten. Der Dachdeckerfangschutz hätte sogleich demontiert werden können. Die Nachunternehmerin habe ihrerseits den Auftrag erst im März 2013 bestätigt, so dass keine Winterbaustelle mehr vorgelegen habe und entsprechende Mehrkosten nicht entstanden seien. Das Leistungsverzeichnis der Nachunternehmerin weiche erheblich von ihrem ab und umfasse offenbar nicht nur Restarbeiten; eine Leistungsabgrenzung habe die Beklagte offenbar nicht vorgenommen. Die Beklagte mache daher zu einem erheblichen Teil Sowieso-Kosten geltend.

Die Klägerin hat zunächst Zahlung von 24.188,04 € Werklohn und von 9.036,77 € Schadensersatz jeweils nebst Zinsen beantragt sowie Zahlung des Sicherheitseinbehalt in Höhe von 1.224,24 € Zug um Zug gegen Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft. Im Folgenden hat die Klägerin die Kürzungen der Schlussrechnung durch die Beklagte akzeptiert und damit einen Restwerklohn von netto 11.115,30 € brutto unstreitig gestellt, zuzüglich des hieraus berechneten Gewährleistungseinbehalts von 815,45 €.

Sie hat die Klage infolgedessen teilweise zurückgenommen und zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie

1. Werklohn in Höhe von 11.930,75 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2013;

2. Schadensersatz in Höhe von 9.391,62 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2013;

3. den Sicherheitseinbehalt in Höhe von 815,45 € zu zahlen Zug um Zug gegen Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft in gleicher Höhe für das Bauvorhaben „Umbau und Sanierung Gymnasium … Potsdam, Los 08 – Fassadenarbeiten / WDVS / vorgehängte Fassade“.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen; und widerklagend, zugestellt am 11. März 2014, die Klägerin zu verurteilen, an sie 62.495,10 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Die Klägerin beantragt insoweit, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Werkvertrages berechtigt gewesen. Hierzu behauptet sie, die Klägerin habe die Baustelle nur unzureichend besetzt und habe sodann unerlaubterweise Nachunternehmer beschäftigt und hierbei zudem gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz verstoßen. Nachweise zur Zahlung des Tariflohns habe sie auch auf wiederholte Aufforderung nicht vorgelegt. Bei einer Baustellenkontrolle durch das Hauptzollamt am 2. November 2012 hätten sich alle eingesetzten Arbeiter der Kontrolle durch Flucht entzogen und bei einer zweiten Kontrolle am 6. November 2012 angegeben, für eine B Hoch- und Tiefbau aus Berlin zu arbeiten.

Ihr seien kündigungsbedingt Mehrkosten von 37.266,66 € infolge neuer Ausschreibung, von 12.683,22 € für verzögerungsbedingt erforderliche Produkte für feuchtkalte Witterung, für die erforderliche Neueinrichtung der Baustelle und dergleichen, und von 23.660,52 € für die notwendig verlängerte Vorhaltung der Gerüste entstanden, gesamt 73.610,40 €, mit dem sie gegen den fälligen Restwerklohn in Höhe von 11.115,30 € aufrechne und den sie im Übrigen im Wege der Widerklage geltend macht. Sie habe der sodann beauftragten D GmbH ausschließlich Leistungen übertragen, die ursprünglich der Klägerin übertragen gewesen, von dieser aber nicht ausgeführt worden seien. Einzige Ausnahme sei die Position 08.03.1, die Verdübelung mit Thermodübeln. Die Klägerin habe die – so auch nicht ausgeschriebenen – Dämmplatten derart mangelhaft verklebt, dass sie nachträglich gedübelt hätten werden müssen. Aus diesem Grunde habe sie insoweit Minderaufwand allenfalls in Höhe der ursprünglich hier angesetzten 428,19 m² gehabt. Im Übrigen seien alle von der D GmbH abgerechneten Mengen und Massen so erforderlich gewesen und erbracht worden.

Die D GmbH habe die Baustelle neu einrichten und neu prüfen etc. müssen, das Gerüst habe entsprechend länger vorgehalten werden müssen. Die Dacharbeiten hätten erst nach dem Abschluss der Fassadenarbeiten abgeschlossen werden können.

Nicht fällig sei dagegen der Sicherheitseinbehalt; seine Auszahlung setze die vorherige Ausreichung der Bürgschaft voraus.

Entscheidungsgründe

I.

Die Sache ist entscheidungsreif im Sinne des § 300 Abs. 1 ZPO. Die Säumnis der im Sinne der §§ 78 und 87 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß geladenen Klägerin im Termin vom 25. Januar 2019 steht dem nicht entgegen. Die Beklagte hat eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a ZPO beantragt. Die Sache ist hinreichend geklärt. Die Voraussetzungen des § 251a ZPO liegen vor, insbesondere wurde in dieser Sache bereits zuvor einmal mündlich verhandelt.

II.

Die ohne weiteres zulässige Klage ist im Ergebnis unbegründet.

1.

Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen unstreitigen Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn gemäß geprüfter Schlussrechnung in Höhe von 11.930,86 € einschließlich des Gewährleistungseinbehalts von 3 %, das heißt von 815,45 €. Diesen kann die Beklagte jedenfalls jetzt nicht mehr zurückhalten, nachdem die Gewährleistungsfrist jedenfalls abgelaufen ist, ohne dass die Beklagte noch Gewährleistung geltend macht. Auf eine mögliche Ablösung vor Ablauf der Frist kommt es daher nicht an.

2.

Der Anspruch ist aber durch Aufrechnung erloschen gemäß § 389 BGB. Denn der Beklagten steht ein Schadensersatzanspruch in übersteigender Höhe zu, konkret in Höhe von 61.383,24 €.

a)

Der Anspruch der Beklagten gründet sich auf § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/B 2009. Danach kann der Auftraggeber nach der – berechtigten – Kündigung des Auftrags den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen lassen.

b)

Die Beklagte hat der Klägerin zurecht den Auftrag entzogen.

aa)

Dies folgt zwar nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B. Danach kann der Auftraggeber den Auftrag unter anderem dann kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Absatz 8 Nummer 1 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist. Diese Vorschrift verpflichtet den Auftragnehmer, die Leistung im eigenen Betrieb auszuführen. Nur mit schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers darf er sie an Nachunternehmer übertragen. Die Zustimmung ist nicht notwendig bei Leistungen, auf die der Betrieb des Auftragnehmers nicht eingerichtet ist. Erbringt der Auftragnehmer ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers Leistungen nicht im eigenen Betrieb, obwohl sein Betrieb darauf eingerichtet ist, kann der Auftraggeber ihm eine angemessene Frist zur Aufnahme der Leistung im eigenen Betrieb setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe.

Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen indes nicht vor. Die Klägerin hat zwar ohne die auch einzelvertraglich vereinbarte ausdrücklich erforderliche Zustimmung der Beklagten Nachunternehmer eingesetzt. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 eine entsprechende Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt und dies erneuert mit Schreiben vom 22. Oktober 2012, jeweils unter Hinweis auf § 8 Abs. 3 VOB/B. Die Klägerin kam dem allerdings innerhalb der Frist nach.

bb)

Darüber hinaus ist aber in entsprechender Anwendung der Vorschrift dem Auftraggeber die Entziehung des Auftrags zulässig bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes. Ein solcher liegt in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 314 BGB vor, wenn es für den Auftraggeber aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des Auftragnehmers unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, weiter am Vertrag festzuhalten, und der Auftragnehmer entsprechend abgemahnt worden ist (Ganten/Jansen/Voit, VOB/B, VOB/B § 8 Rn. 21 f, 25; BeckOK VOB/B/Keke VOB/B § 8 Rn. 5 ff, bes. 7 und 7.1). Das ist etwa der Fall bei einem dringen Verdacht auf Schwarzarbeit und einen Verstoß gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, dem der Auftragnehmer auch auf Abmahnung hin nicht entgegentritt etwa dadurch, dass er die erforderlichen Unterlagen vorlegt (Keke ebd.; LG Lübeck, Urteil vom 29.04.2008 – 11 O 20/08, BeckRS 2011, 02800). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat, nachdem ihr auf der Baustelle nur ungenügend deutsch sprechende Beschäftigte aufgefallen waren, die Klägerin mehrfach um Aufklärung und Unterlagenvorlage ersucht, dies allerdings fruchtlos. Das begründete nicht nur, doch gerade bei ihr als einem Betrieb der öffentlichen Hand, das Recht zur fristlosen Kündigung.

c)

In der Folge ist die Klägerin verpflichtet, der Beklagten die erforderlichen Drittkosten in Höhe der kündigungsbedingten Mehrkosten zu ersetzen. Hierzu gehören die mit der Ausführung der Ersatzvornahme notwendig verbundenen Kosten abzüglich der infolge der Kündigung nicht mehr an den Auftragnehmer zu zahlenden Vergütung. Das sind hier die erwähnten 61.383,24 €.

Die Beklagte hat die ihr entstandenen Nachunternehmerkosten von 244.863,13 € anhand der von ihr vorgelegten Schlussrechnung der Fa. … B hinreichend substantiiert. Nicht alle darin abgerechneten Kosten sind aber kündigungsbedingte Mehrkosten. Abzusetzen sind etwa in Ermangelung eines hierauf bezogenen weiteren Vortrags der Beklagten all diejenigen Leistungen bzw. Leistungsteile, die bereits von der Klägerin erbracht wurden und von der Nachunternehmerin übernommen werden konnten. Ihr Ausmaß ergibt sich aus der von der Beklagten geprüften Schlussrechnung der Klägerin. Danach sind Kürzungen in den Positionen 08.01.3, 08.01.7, 08.01.17, 08.02.2, 08.02.10, 08.02.11, 08.07.6, 08.07.12, 08.07.13 und 08.07.14 geboten:

…………………….

Von besonderer Bedeutung ist hierbei vor allem die Position 08.02.2. Bei dieser hat der Sachverständige in seinem 1. Ergänzungsgutachten die Erforderlichkeit der Arbeiten der Nachunternehmerin nur in einem Ausmaß von 929,22 m² festzustellen vermocht. Die von ihm ebenfalls untersuchten Positionen 08.06.1 und 08.07.9 durften hingegen jedenfalls in voller Höhe abgerechnet werden. Keine Bedenken bestehen auch gegen den (erneuten) Ansatz der Positionen 08.01.1 und 08.01.2 zur Einrichtung der Baustelle und zum Prüfen des Untergrundes. Denn nachvollziehbarerweise musste die später mit den Arbeiten beauftrage Nachunternehmerin ihrerseits die beräumte Baustelle einrichten und den von ihr zu bearbeitenden Untergrund (erneut) prüfen. Die Erforderlichkeit einer erneuten Befreiung des Untergrundes von Metallteilen gemäß Pos. 08.01.17 ist hingegen weder dargetan noch ersichtlich.

Im Ergebnis sind als erforderlich nur Arbeiten im Wert von 219.451,71 € anzusehen. Hierzu gehören auch die Massenmehrung in Position 08.03.1, denn diese ist mangelbedingt. Der Zeuge R hat überzeugend ausgeführt, dass die stichprobenweise Überprüfung der klägerischen Arbeiten gravierende Mängel bei der Anbringung der Platten des WDVS ergaben. Diese waren nicht, wie vom Hersteller vorgesehen, großflächig verklebt, sondern nur punktuell und lösten sich daher teils von allein, teils unter nur sehr leichter Beanspruchung. Sie waren daher vollständig neu anzubringen.

Von diesem Betrag sind freilich als Sowieso-Kosten abzuziehen:

o die nicht von der Klägerin angebotenen Beräumungskosten, die auch so von dieser hätten erbracht werden müssen; und

o die aufgrund der späteren Leistungserbringung angefallenen Winter- bzw. Kältezuschläge. Denn diese sind nicht nachweislich auf die Kündigung zurückzuführen, sondern ebenso wahrscheinlich auf die erst spätere Baufreimachung.

Das betrifft die Positionen 08.02.3, 08.02.6, 08.04.2, 08.05.2, 08.07.10, 08.07.11 und 08.07.17 in einem Gesamtumfang von 11.663,01 € sowie die Nachtragspositionen von gesamt 12.962,70 €. Damit verbleiben erforderliche Kosten der Nachunternehmerin von 194.826 €. Dagegen zu rechnen sind als Ohnehin-Kosten die Kosten, die die Klägerin hierfür nach ihrem Angebot hätte fordern können. Das sind in der Summe 153.658,24 €. Die Differenz beträgt 41.167,76 € netto = brutto 48.989,63 €.

Hinzu kommen die zusätzlichen Gerüststandkosten. Diese können der Klägerin freilich erst ab dem 7. März 2013 zur Last fallen und nicht bereits ab dem 7. Dezember 2012. Nach dem Bauvertrag war der 7. Dezember 2012 zwar der vorgesehene Fertigstellungstermin. Nach dem nicht widersprochenen Vortrag der Klägerin war das Baufeld aber nicht, wie zunächst vorgesehen, am 2. Juli 2012 frei, sondern erst ab Oktober 2012. Die damit verbundene Verzögerung um drei Monate sind mithin der Beklagten anzulasten. In entsprechender Anwendung der Berechnungsmethoden des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 24. Juni 2016 (Anlage 11) sind damit kündigungsbedingte Mehraufwendungen für 99 Tage bzw. 14 Wochen verbunden, was angesichts der jeweiligen Mengen und Einzelpreise pro Woche kündigungsbedingten Mehraufwendungen von (3.999,12 € + 3.119,49 € + 1.233,94 € + 929,37 + 161,23 € + 537,43 € + 434,21 € =) 10.414,79 € netto = brutto 12.393,61 € entspricht.

In der Summe sind dies 61.383,24 € und damit ein den klägerischen Anspruch übersteigender Betrag.

2.

Der mit dem Antrag zu 2 geltend gemachte Anspruch besteht nicht. Er hätte Grundlage in § 649 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Auftragnehmer im Falle einer freien Kündigung den versprochenen Werklohn zu zahlen, muss sich aber der Auftragnehmer das infolge der Kündigung Ersparte anrechnen lassen. Hier liegen schon die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Denn die Kündigung der Beklagten war nach dem Gesagten keine freie, sondern eine berechtigte fristlose Kündigung.

3.

Der Antrag zu 3 ist unzulässig. Insoweit liegt doppelte Rechtshängigkeit vor. Denn der Zahlungsantrag der Klägerin im Antrag zu enthält den Sicherheitseinbehalt bereits. Der Betrag von 11.930,75 € ist die Summe aus dem unstreitigen Restwerklohn von 11.115,30 € und dem Gewährleistungseinbehalt von 815,45 €.

III.

Die ebenfalls ohne weiteres zulässige Widerklage ist in Höhe von 49.452,49 € nebst Zinsen begründet und im Übrigen unbegründet.

Der Beklagten kommt wie oben ausgeführt ein Anspruch auf Schadensersatz in dieser Höhe zu, gegründet auf § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/B 2009. Er bestand ursprünglich in Höhe von 61.383,24 €, ist aber infolge der Aufrechnung mit dem Anspruch der Klägerin von 11.930,75 € in dieser Höhe erloschen. Somit verblieben der Beklagten 49.452,49 €. Für diesen Betrag kann die Beklagte Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB fordern, nicht aber den höheren Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB. Denn bei dem Anspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/B 2009 handelt es sich nicht um einen Entgeltanspruch im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 96 und 92 Abs. 1 ZPO. Die Beweisaufnahme erbrachte, soweit sie sich auf sie erstreckte, im Wesentlichen die Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten zur Erforderlichkeit der Nachunternehmerkosten, so dass das Verteidigungsmittel der Klägerin insoweit ohne Erfolg blieb.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 sowie 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 40, 43 Abs. 1 und 45 Abs. 1 Satz 1 sowie 48 Abs. 1 GKG. Zu berücksichtigen waren insoweit zunächst die anfänglichen Klageanträge über gesamt 34.448,36 €, sodann zudem die Widerklage über 62.495,10 € und schließlich die anteilige Klagerücknahme durch die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. April 2014.

 

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