Rücktritt vom Bauträgervertrag: Wann ist er zulässig?
Ein kürzlich ergangenes Urteil des OLG Dresden (Az.: 6 U 2182/20) vom 08.06.2021 befasst sich mit den Voraussetzungen und Konsequenzen eines Rücktritts von einem Bauträgervertrag.
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Kern des Streits: Zahlungsansprüche und Mängel
Im Zentrum des Streits standen Zahlungsansprüche des Bauträgers und behauptete Mängel am Sondereigentum sowie am Gemeinschaftseigentum. Der Kläger legte diverse Gutachten vor, die Mängel am Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum belegen sollten. Er argumentierte, dass aufgrund dieser Mängel und einer signifikanten Minderung der Wohnfläche die Zahlungsansprüche des Bauträgers nicht gerechtfertigt seien.
Abnahme und Besitzübergang
Gemäß dem Bauträgervertrag verpflichteten sich beide Parteien zur Abnahme nach bezugsfertiger Herstellung des Vertragsgegenstandes. Der Besitz und die Gefahr eines zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung sollten am Tag der Schlüsselübergabe auf den Käufer übergehen.
Bewertung des Gerichts
Das OLG Dresden stellte fest, dass die beiden Rücktrittserklärungen des Bauträgers das Vertragsverhältnis nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben. Es wurde jedoch betont, dass der Kläger einen Kostenvorschuss beanspruchen könne, allerdings in geringerer Höhe als ursprünglich gefordert.
Das Gericht stützte sich auf ein vom Kläger vorgelegtes Wohnflächengutachten, welches eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Vertrag vereinbarten Fläche zeigte. Die Beklagte trat diesem Gutachten nicht konkret entgegen.
Mängel und Zahlungsansprüche
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger berechtigte Gegenforderungen aufgrund von Mängeln geltend machen konnte. Es wurde betont, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelfreiheit trug, insbesondere da der Kläger zahlreiche Mängel geltend gemacht hatte.
Schlussbetrachtung
Insgesamt unterstrich das Urteil die Komplexität von Bauträgerverträgen und die Notwendigkeit, klare Vereinbarungen über Zahlungen, Mängel und Abnahmen zu treffen. Es betonte auch die Bedeutung von Gutachten und Beweisen bei der Geltendmachung von Ansprüchen. Das Urteil bietet eine klare Richtschnur für zukünftige Fälle, in denen ähnliche Streitigkeiten auftreten könnten.
Das vorliegende Urteil
Übersicht
OLG Dresden – Az.: 6 U 2182/20 – Urteil vom 08.06.2021
I. Auf die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 22.10.2020 – 2 O 2476/19 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen – unter Abweisung der weitergehenden Klage – wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben der Beklagten vom 01.10.2019 erklärte Rücktritt vom Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### unwirksam ist und der Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### hierdurch nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
2. Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben der Beklagten vom 29.07.2020 erklärte Rücktritt vom Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### unwirksam ist und der Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### hierdurch nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.565,59 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.12.2019 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.706,94 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2021 zu zahlen.
II. Die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten sowie die weitergehende Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 8 % und die Beklagte 92 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 148.612,99 Euro festgesetzt, zusammengesetzt aus den Feststellungsanträgen i.H.v. 123.612,99 Euro sowie dem begehrten Kostenvorschuss i.H.v. 25.000,00 Euro.
Gründe:
I.
Der Kläger als Käufer einer von der Beklagten als Bauträgerin errichteten Eigentumswohnung in einer aus 3 sogenannten Riverhouses (gelegen direkt an der … in O1) bestehenden Wohnanlage mit insgesamt 3 8 Eigentumswohnungen nimmt die beklagte Bauträgerin auf Feststellung, dass deren zwei Rücktrittserklärungen unwirksam sind sowie auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung an seinem Sondereigentum in Anspruch.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 06.09.2016 (Anlage K 1) erwarb der Kläger von der Beklagten die im 6. Obergeschoss des Hauses …straße … zu errichtende Wohnung Nr. 25 (Wohnungseigentum) sowie den PKW-Stellplatz Nr. .. zum Kaufpreis von 907.000,00 Euro. Von diesem Kaufpreis entfielen 22.000,00 EUR auf den PKW-Stellplatz.
Im notariellen Kaufvertrag heißt es u. a.:
„§ 4
…
(2) (Kaufpreis als Festpreis)
Hinsichtlich der Wohn- und Nutzflächen sind die sich aus den Einzeichnungen in den Plänen ergebenden Flächengrößen, errechnet nach der 2. BerechnungsVO i.d.F. der WohnFlVO, maßgebend. Balkone und Loggien sind dabei mit 1/2 berücksichtigt. Für Abweichungen haftet der Verkäufer nur dann, wenn sie nicht durch Sonderwünsche des Käufers veranlasst sind und soweit sie von der vorgenannten Flächengröße mehr als zwei vom 100 nach unten abweichen.
§ 5 (Fälligkeit des Kaufpreises)
(1) (Allgemeine Fälligkeitsvoraussetzungen)
Der Kaufpreis ist gemäß Absatz 2 in Raten zu zahlen.
…
(2) (Fälligkeit der Kaufpreisraten nach Baufortschritt)
Liegen die allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen … vor, so ist der Kaufpreis in Höhe von 30 % der vereinbarten Summe … fällig und die weiteren Raten innerhalb von 21 Tagen, nachdem der Verkäufer hierzu unter Vorlage einer Bestätigung des verantwortlichen Bauleiters über den Baufortschritt schriftlich sowie per E-Mail … aufgefordert hat.
…
j) 2,1 % für die Fassadenarbeiten
k) 8,4 % nach Bezugsfertigkeit u. Zug um Zug gegen Besitzübergabe
l) 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung.
…
§ 632a Abs. 3 BGB bleibt unberührt. Auf Verlangen des Verkäufers ist die Sicherheitsleistung nach § 632a Abs. 3 Satz 3 BGB durch Einbehalt zu erbringen. Der Notar hat die Parteien auf die Bedeutung des § 632a BGB hingewiesen, insbesondere auf die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer entweder eine Sicherheit i.H.v. 5 % der Vergütung für die rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel zu stellen oder diesem einen entsprechenden Einbehalt von der ersten darauf entfallenden Kaufpreisrate einzuräumen. Der Verkäufer ist jederzeit zum Austausch der Sicherheit berechtigt.
§ (6 Finanzierung)
…
(3) (Zahlung)
Kaufpreiszahlungen können mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das im Freigabeversprechen … der Finanzierungsbank des Verkäufers angegebene Bausonderkonto geleistet werden.
…
§ 7 (Bauausführung)
…
(4) (Fristen)
Das Bauvorhaben wird zügig durchgeführt. Der Verkäufer stellt dem Käufer die vollständige Fertigstellung unverbindlich zum 30.06.2017 in Aussicht und verpflichtet sich, diese bis zum 30. September 2017 herzustellen.
…
§ 8 (Abnahme)
Die Vertragsteile verpflichten sich gegenseitig zur Abnahme nach bezugsfertiger Herstellung des Vertragsgegenstandes (Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum, soweit es ausschließlich im Bereich des Sondereigentums des Käufers liegt).
…
Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt nach vollständiger Fertigstellung des Gebäudes.
…
§ 9 (Besitzübergang)
Der Besitz, die Nutzungen und Lasten sowie die Gefahr eines zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung sowie die Verkehrssicherungspflicht gehen am Tag der Schlüsselübergabe auf den Käufer über; die Schlüssel werden dem Käufer nach bezugsfertiger Herstellung des Vertragsgegenstandes und Abnahme Zug um Zug mit Zahlung der bis dahin fälligen Kaufpreisraten ausgehändigt.
…
§ 12 (Rücktritt)
(1) (Ergänzende Vereinbarungen zur gesetzlichen Regelung)
Rücktrittsrechte richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Im Falle des Rücktritts gilt folgendes: Der Rücktritt ist in allen Fällen schriftlich an den Vertragspartner zu erklären.
…
§ 14 (Grundbucherklärungen, Auflassungsvormerkung und Auflassung)
…
(2) (Löschung der Auflassungsvormerkung)
Der Notar darf die Löschung der Vormerkung … bewilligen und beantragen, wenn … der Verkäufer die Löschung verlangt, und dazu vorträgt, dass er … rechtswirksam vom Vertrage zurückgetreten ist, und der Käufer dem Notar nicht innerhalb von 4 Wochen nach dessen schriftlicher Aufforderung (Datum des Poststempels) nachweist, dass er Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Rücktritts erhoben hat.
…“
In der Anlage zum Bauträgerkaufvertrag vereinbarten die Parteien eine Vielzahl von Sonderregelungen und Sonderausstattungsmerkmalen in Abweichung von der Baubeschreibung (vgl. im Einzelnen Anlage zum Kaufvertrag, Anlage K 1). Am Ende dieser Anlage zum Bauträgervertrag heißt es:
„Alle Änderungswünsche zur Baubeschreibung werden durch den Bauträger dem Käufer gegenüber in Mehr- und Minderkosten tabellarisch gegenübergestellt und saldiert berechnet“.
Vertragsbestandteil wurden ebenfalls zwei dem Bauträgervertrag angehängte Grundrisse (Plan A: Grundriss der Wohnung 25 mit einer Wohnfläche von 187,55 m², Plan B: Geschossplan).
Am 29.01.2018 nahm der Kläger die Wohnung Nr. … mit Stellplatz Nr. .. mit zahlreichen Mängeln entsprechend dem Mängelprotokoll (Anlage K 4) ab.
Mit Rechnung vom 05.09.2018 forderte die Beklagte für Sonderausstattungen einen Restbetrag von 59.215,99 Euro (Anlage B 3).
Die Beklagte stellte dem Kläger mit Schreiben vom 09.11.2018 die Rate für die Fassadenarbeiten in Höhe von 19.047,00 Euro in Rechnung (Anlage B 2). In dem entsprechenden Schreiben heißt es u. a.:
„Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die Fassadenarbeiten fertig gestellt wurden. Eine entsprechende Bautenstandsanzeige vom 09.11.2019 haben wir Ihnen als Anlage beigefügt,“.
In der Bautenstandsanzeige (Anlage B1) bestätigt Frau ###
„als Projektleiterin für das oben genannte Bauvorhaben die Fertigstellung der Fassadenarbeiten in der …-Straße …“.
Frau ### zeichnete das Schreiben im Auftrag.
Mit Schreiben vom 01.08.2019 (Anlage B6) verlangte die Beklagte vom Kläger, den Einbehalt von der 1. Abschlagsrechnung i.H.v. 5 % des Kaufpreises (45.350,00 Euro) gegen Erhalt einer Bürgschaft auszuzahlen.
Nachdem der Kläger die ihm gesetzte Nachfrist zur Zahlung der Beträge von 59.215,99 Euro und 19.047,00 Euro hatte verstreichen lassen und auch den Einbehalt von der 1. Abschlagsrechnung i.H.v. 45.350,00 Euro nicht auszahlte, erklärte die Beklagte am 01.10.2019 den Rücktritt vom abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag (Anlage K 2).
Im laufenden Prozess hat die Beklagte erneut mit Schriftsatz vom 29.07.2020 den Rücktritt erklärt (siehe auch Bl. 262 d.A.).
Der Kläger hat zahlreiche Privatsachverständigengutachten zu seines Erachtens bestehenden Mängeln am Sondereigentum sowie am Gemeinschaftseigentum, das er unstreitig nicht abgenommen hat, vorgelegt (siehe Anlagen K 8 f.) und hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte könne die Zahlung von
– 19.047,00 Euro für die Fassadenarbeiten,
– 45.350,00 Euro (Auszahlung des 5%igen Gewährleistungseinbehalts) und
– 59.215,99 Euro (Rechnung über die Sonderausstattung abzüglich geleisteter Abschlagszahlung)
nicht verlangen. Zum einen seien die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch nicht gegeben, zum anderen stünden zahlreiche Mängel sowohl am Sonder- als auch am Gemeinschaftseigentum sowie eine beachtliche Minderung der Wohnfläche dem Zahlungsanspruch entgegen. Von daher sei der Rücktritt der Beklagten unberechtigt. Vielmehr könne der Kläger Kostenvorschuss, nachdem er eine Vielzahl – mehr als 50 – erfolgloser Mangelbeseitigungsversuche der Beklagten geduldet habe, i.H.v. 25.000,00 Euro für die Mängelbeseitigung am Sondereigentum verlangen.
Der Kläger hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben der Beklagten vom 01.10.2019 erklärte Rücktritt vom Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### unwirksam ist und der Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### hierdurch nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
2. Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben der Beklagten vom 29.07.2020 erklärte Rücktritt vom Bauträgervertrag vom 06.09.2016 UR-Nr.: …, des Notars ### unwirksam ist und der Bauträgervertrag vom 06.09.2016, UR-Nr.: …, des Notars ### hierdurch nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.000,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Die Beklagte hat den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.291,46 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe sich in Verzug mit der Zahlung i.H.v. zusammen 123.612,99 Euro befunden. Soweit der Kläger mit Gegenforderungen gegenüber den Kaufpreisraten aufrechne, stünde dieser Aufrechnung bereits das Aufrechnungsverbot in § 6 Abs. 3 des Bauträger-Kaufvertrages entgegen.
Der Zahlung des 5 %igen Gewährleistungseinbehalts könne der Kläger nicht im Wege der Aufrechnung eine Kaufpreisminderung wegen einer Minderfläche von 7,502 m² entgegenhalten. Bei Vergleich mit dem Aufmaßgrundriss der Architekten der Beklagten mit der dortigen Fläche von 185,23 m² ergäbe sich lediglich eine Abweichung von 1,24 % gegenüber dem Vertragsgrundriss von 187,55 m².
Die Rate für die Fassadenarbeiten sei fällig und hänge insbesondere nicht von der Abnahme des Gemeinschaftseigentums ab. Die Fassadenarbeiten seien zudem fertigstellt und etwaige Mangelbehauptungen hinsichtlich der Fassade mittlerweile überholt.
Auch die Rechnung über die vereinbarte Sonderausstattung sei mit Bezugsfertigkeit der Wohnung fällig geworden. Alle Leistungen seien vollständig und mangelfrei. Den Kostenvorschuss von 25.000,00 Euro könne der Kläger zudem vor Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht geltend machen.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 22.10.2020 vollumfänglich stattgegeben (Bl. 303 f. d.A.).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, der Rücktritt – mit Erklärung vom 01.10.2019 sowie der im Rechtsstreit erfolgte 2. Rücktritt vom 19.07.2020 – sei aufgrund des Zahlungsverzugs des Klägers mit den drei offenen Raten berechtigt.
Gegen den geforderten Gewährleistungseinbehalt von 5 % i.H.v. 45.350,00 Euro könne der Kläger nicht mit Gegenforderungen aufrechnen. Einer Aufrechnung stehe der Aufrechnungsausschluss gemäß § 6 Abs. 3 des Kaufvertrages entgegen. Ein (zumindest) stillschweigendes Aufrechnungsverbot sei auch darin zu sehen, dass die Beklagte für den Sicherheitseinbehalt eine Bürgschaft als Sicherheit gestellt habe. Die Wohnflächenabweichung sei streitig. Bei Berechnung der Minderfläche sei entsprechend der vertraglichen Regelung eine Toleranz von 2 % zu berücksichtigen.
Gleichermaßen sei die Fassadenrate i.H.v. 19.047,00 Euro fällig gewesen. Die Fälligkeitsvoraussetzungen hätten – durch Abgabe der Bauleitererklärung (Anlage B 1) – vorgelegen. Zudem habe die Beklagte unter Beweis gestellt, dass die Fertigstellungsmitteilung vom verantwortlichen Bauleiter stamme. Nach tatsächlicher Fertigstellung der Fassadenarbeiten durch die Beklagte sei das Abstellen auf eine entsprechende Mitteilung des Bauleiters ohnehin reine Förmelei.
Auch die Rechnung über die Zusatzausstattung von 59.215,99 Euro sei fällig. Auf eine Abnahme komme es insoweit nicht an. Entscheidend sei die Bezugsfertigkeit der Wohnung.
Weiter müsse im Rahmen des Rücktritts eine Interessenabwägung, die hier zugunsten der Beklagten ausfalle, stattfinden.
Einen Kostenvorschuss i.H.v. 25.000,00 Euro könne der Kläger mangels Gesamtabnahme, insbesondere wegen fehlender Abnahme des Gemeinschaftseigentums, nicht verlangen. In Bezug auf den Kostenvorschussanspruch habe das Landgericht zudem verkannt, dass die behaupteten Mängel und der vorgetragene Mangelbeseitigungsaufwand streitig seien.
Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen, die er überdies schon für unzulässig hält und
2. (in Erweiterung des erstinstanzlichen Klageantrags zu Ziffer 3 – richtigerweise zuletzt Klageantrag Ziffer 4) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 5.355,36 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.291,46 Euro seit Rechtshängigkeit der Klageschrift vom 05.11.2019 sowie aus 3.063,90 Euro seit Rechtshängigkeit der Berufungserwiderung zu zahlen.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat allein im tenorierten Umfang Erfolg. Während die landgerichtliche Entscheidung dahingehend Bestand hat, dass die Feststellungsanträge des Klägers begründet sind, somit die beiden Rücktrittserklärungen der Beklagten das Vertragsverhältnis nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben, kann der Kläger allein einen Kostenvorschuss – statt der geltend gemachten 25.000,00 Euro – i.H.v. 13.565,59 Euro beanspruchen.
1. Der durch die Beklagte erklärte Rücktritt mit Schreiben vom 01.10.2019 (Anlage K 2) und der weitere Rücktritt im Schriftsatz vom 29.07.2020 sind – wie der Kläger mit den beiden erstinstanzlichen Klageanträgen unter Ziffern 1 und 2 festzustellen begehrt hat – unberechtigt. Die Klage ist insoweit also begründet, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Wie das Landgericht im Einzelnen ausgeführt hat und wie dezidiert in der Berufungserwiderung dargestellt,
– lag kein Zahlungsverzug des Klägers in Bezug auf die drei Teilbeträge von 19.047,00 Euro, 45.350,00 Euro und 59.215,99 Euro vor,
– konnte der Kläger den Zahlungen zahlreiche Gegenansprüche im Wege der Aufrechnung bzw. eines Zurückbehaltungs-/Leistungsverweigerungsrechtes entgegenhalten und
– war der Rücktritt aufgrund Nichterreichens der Erheblichkeitsschwelle nicht berechtigt.
a) Der Forderung der Beklagten auf Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes gegen Gestellung einer entsprechenden Bürgschaft i.H.v. 45.350,00 Euro kann der Kläger das – jedenfalls überwiegende – Erlöschen dieser Forderung aufgrund zahlreicher (in der Klageschrift auf Seite 10 in der dort genannten Reihenfolge) zur Aufrechnung gestellter Gegenforderungen entgegengehalten.
aa) Soweit die Beklagte der erklärten Aufrechnung des Klägers mit einer Forderung auf Kaufpreisminderung wegen einer Minderfläche von 7,502 m² i.H.v. 36.280,00 Euro entgegenhält, die Flächenabweichung sei schon nicht unstreitig gewesen, verkennt die Beklagte, dass es insoweit nicht auf den von ihr genannten Aufmaßgrundriss ihres Architekten mit der dort ausgewiesenen Fläche von 185,23 m² (Anlage K 4 – 2) ankam, sondern auf die tatsächliche Wohnfläche, welche der Kläger in dem von ihm hierzu eingeholten Wohnflächengutachten mit 180,57 m² ermittelt hat. Diesem Privatgutachten ist die Beklagte nicht konkret entgegengetreten, was aber erforderlich gewesen wäre, um die ermittelte Wohnflächenabweichung konkret zu bestreiten.
Die Berechnung der Kaufpreisminderung ist allerdings nicht korrekt erfolgt. Der Kläger legt insoweit den vollständigen Kaufpreis von 907.000,00 Euro zugrunde, ohne zu berücksichtigen, dass hiervon 22.000,00 Euro auf den TG-Stellplatz entfallen. Der Kaufpreis für die Wohnung, die eine vertraglich vereinbarte Wohnfläche von 187,55 m² aufweisen sollte, beträgt daher lediglich 885.000,00 Euro. Daraus ergibt sich ein Kaufpreis von 4.718,74 Euro/m². Bezogen auf eine Wohnfläche von 180,57 m² (Ergebnis der gutachterlichen Wohnflächenermittlung, vgl. Anlage KA 1) errechnet sich ein Kaufpreis von 852.062,88 Euro und daher lediglich eine Differenz von 32.937,12 Euro (und nicht 36.280,00 Euro).
Auch die Anschaffungsnebenkosten hat der Kläger nicht richtig berechnet.
Die Grunderwerbssteuer (3,5 % des Kaufpreises) hätte – bei einem ermittelten Kaufpreis von 852.062,88 Euro – 29.822,20 Euro statt der festgesetzten 30.975,00 Euro (Anlage KA 24) betragen (Differenz: lediglich 1.152,80 Euro statt geltend gemachter 1.627,55 Euro).
Die Kosten für die Eintragung der Vormerkung und die Notarkosten berechnen sich anhand des Geschäftswertes. Daher verbietet sich ein prozentualer Abzug von den vorgelegten Kostenrechnungen (Anlage KA 26 und KA 27). Bei einem Geschäftswert von 850.000,00 Euro bis 900.000,00 Euro beträgt die entsprechende Gebühr der Tabelle B nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 3 GNotKG 1.575,00 Euro, die Gebühr für einen Geschäftswert bis 950.000,00 Euro 1.655,00 Euro.
Die 0,5fache Gebühr für die Eintragung der Vormerkung würde bei einem herabgesetzten Kaufpreis daher lediglich 787,50 Euro statt festgesetzter 827,50 Euro betragen, die in Rechnung gestellten Notargebühren würden sich um 160,00 Euro für die Gebührennummer 21100 und um je 40,00 Euro für die Gebührennummern 22110 und 22200 reduzieren.
Die Anschaffungsnebenkosten hätten sich daher bei Zugrundelegung eines Kaufpreises von 852.062,88 Euro richtigerweise um 1.432,80 Euro (1.152,80 Euro + 40,00 Euro + 160,00 Euro + 80,00 Euro = 1.432,80 Euro) und nicht wie geltend gemacht um 1.627,55 Euro verringert.
bb) Die weiteren vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Positionen, wie
– Kosten für das Gutachten zur Minderfläche über 673,66 Euro,
– Bereitstellungszinsen von insgesamt 1.449,00 Euro (1.345,50 Euro und 103,50 Euro)
sind ebenfalls nicht konkret bestrittene Gegenansprüche des Klägers, mit denen er gegen die Forderung auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts aufrechnen kann.
Die Rechnung für das Gutachten zur Ermittlung der Minderfläche in Höhe von 673,66 Euro hat der Kläger vorgelegt. Ebenso hat er die ihm entstandenen Bereitstellungszinsen konkret dargelegt und belegt, ohne dass die Beklagte dem konkret entgegengetreten wäre. Hinzu kommt, dass die Beklagte, worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat, dem Kläger für andere Zeiträume wiederholt Bereitstellungszinsen erstattet hat.
cc) Anders als die Beklagte meint, steht der Aufrechnung kein Aufrechnungsausschluss nach § 6 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages oder ein stillschweigendes Aufrechnungsverbot entgegen.
(1) Ein Aufrechungsausschluss ergibt sich gerade nicht aus § 6 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages. Dort ist von einem Aufrechnungsausschluss nicht die Rede und die Regelung ist auch nicht so zu verstehen. In diesem Paragraf heißt es lediglich, dass Kaufpreiszahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das im Freigabeversprechen der Finanzierungsbank des Verkäufers angegebene Bausonderkonto geleistet werden können. Ein Aufrechnungsverbot folgt hieraus nicht. Im Übrigen hat der Kläger zu Recht darauf verwiesen, dass ein anderweitiges Verständnis von § 6 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages eine den Kläger benachteiligende und damit unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne eines unzulässigen Aufrechnungsverbotes darstellte.
(2) Ebenso wenig folgt ein stillschweigendes Aufrechnungsverbot daraus, dass die Beklagte gleichzeitig mit dem Verlangen der Auszahlung der 5 %igen Gewährleistungssicherheit dem Kläger eine Bürgschaft gestellt hat. Diese Bürgschaft war allein Voraussetzung dafür, dass die Beklagte überhaupt die Auszahlung des 5 %igen Gewährleistungseinbehalts verlangen konnte, hinderte aber die Aufrechnung des Klägers mit berechtigten Gegenforderungen nicht.
(3) Kein Aufrechnungsverbot folgt schließlich daraus – was die Beklagte auch nicht geltend macht -, dass der Kläger im Rahmen der „Sondervereinbarung“ unter „c“ im Abnahmeprotokoll vom 29.01.2018 die „unverzügliche Zahlung“ zugesagt hat. Das galt nämlich nur dann, wenn sich nicht weitere, über die im Abnahmeprotokoll genannten Mängel hinausgehende Gegenansprüche des Klägers ergaben.
dd) Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen des Klägers von jedenfalls 32.937,12 Euro (Kaufpreisminderung – Minderfäche), 1.432,80 Euro (Anschaffungsnebenkosten – Minderfläche), 673,66 Euro (Kosten Sachverständigengutachten), 1.449,00 Euro (Bereitstellungszinsen) – vgl. Klageschrift Seite 10, Bl. 11 d.A. – ergeben zusammen schon einen Betrag von 36.492,58 Euro, womit von der Sicherheitseinbehaltsforderung von 45.350,00 Euro dann nur noch 8.857,42 Euro offen wären, wenn die weiteren zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht noch im Einzelnen berücksichtigt werden.
b) Die Fassadenrate i.H.v. 19.047,00 Euro ist schon nicht fällig.
aa) Zu Recht hat das Landgericht drauf verwiesen, dass es an einer Bauleitererklärung fehle, die nicht in der Erklärung der Mitarbeiterin der Beklagten lag, welche die Fertigstellungsmitteilung allein mit „i. A.“ unterschrieben hat und die unstreitig keine Bauleiterin ist (s. Anlage B 1). Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt im Rechtsstreit eine Bauleitererklärung vorgelegt, in der es heißt, die Fassadenarbeiten seien fertiggestellt und abgeschlossen. Dies dürfte am ehesten damit zu erklären sein, was die unter bb) erwähnten Lichtbilder bekräftigen, dass die Fassadenarbeiten tatsächlich nicht fertiggestellt sind.
bb) Aus den mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.07.2020 vorgelegten Lichtbildern von der Fassade, denen die Beklagte auch nicht konkret entgegengetreten ist, ergibt sich, dass die Fassadenarbeiten nach wie vor nicht fertiggestellt sind. Zum einen zeigt das Foto (Seite 4 des genannten Schriftsatzes, Bl. 217 d.A.), dass an den Balkonen von Haus 2 und 3 an der flussseitigen Seite der vordere Farbauftrag fehlt.
Zum anderen lässt das zweite Lichtbild (Seite 5 des genannten Schriftsatzes, Bl. 218 d.A.), ohne dass es hierauf tragend noch ankäme, darauf schließen, dass der unstreitig nur einfach (statt wie offenbar geschuldet: zweifach) erfolgte Farbanstrich ungenügend deckend ist und auch insofern die Fassadenarbeiten nicht vollständig erbracht, also nicht fertiggestellt sind.
cc) Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Senat der Sichtweise des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 25.10.2016 zum Az.: 6 U 34/16 (vgl. auch Anlage B 1) zur Unwirksamkeit des Ratenplans wegen der Besitzübergaberegelung in § 9 des Kaufvertrages, die den Regelungen im notariellen Kaufvertrag zum Ratenzahlungsplan widersprechen könnte, folgt oder eher – wozu der Senat neigt – der Auffassung ist, dass die Ratenzahlungsvereinbarung und die Besitzübergaberegelung im Bauträgervertrag sich nicht widersprechen.
dd) Dem Kläger ist zusätzlich dahin Recht zu geben, dass er gegenüber der Kaufpreisrate für die Fassadenarbeiten ein Zurückbehaltungsrecht/Leistungsverweigerungsrecht wegen umfangreicher, vom Kläger im Einzelnen dargelegter Mängel des Gemeinschaftseigentums geltend machen kann, wobei die Beklagte wegen der fehlenden Abnahme des Gemeinschaftseigentums die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelfreiheit trägt, also im Einzelnen vortragen müsste, dass und welche seitens des Klägers behaupteten Mängel des Gemeinschaftseigentums gerade nicht (mehr) bestehen, was die Beklagte aber nicht getan hat. Bekräftigt wird dies dadurch, dass der Kläger mit der Berufungserwiderung ein weiteres Sachverständigengutachten zu Mängeln an Heizung, Lüftung und Sanitär des Gemeinschaftseigentums mit darin ermittelten Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 224.326,90 Euro brutto und damit ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des Doppelten (wegen des Druckzuschlags) geltend gemacht hat (Bl. 366 d.A.), dem die Beklagte ebenso wenig substantiiert entgegen getreten ist.
c) Die Forderung aus der Zusatzausstattung über (noch) 59.215,99 Euro (Anlage B 3) kann die Beklagte dem Kläger nicht als offene Forderung entgegenhalten und kann darauf nicht den erklärten Rücktritt stützen.
aa) Die Beklagte hat schon versäumt, den Zusatzauftrag und die Zusatzausstattung wie mit dem Kläger vereinbart, unter Darstellung der Mehr- und Minderkosten und tabellarischer Gegenüberstellung und Saldierung, abzurechnen. Dies ist in keiner der vorgelegten diversen Abrechnungen der Mehr- und Minderkosten der Zusatzausstattung der Beklagten geschehen, insbesondere nicht in der Abrechnung vom 05.09.2018 (Anlage B 3), da die Beklagte bei den diversen Abrechnungen, die sie in Bezug auf die Zusatzausstattung vorgenommen hat, die unterschiedlichen Gesamtaufstellungen hätte plausibel erläutern und insbesondere die Abrechnung vom 05.09.2018 (Anlage B 3) unter Berücksichtigung der vom Kläger bestätigten Aufstellung der Mehr- und Minderkosten vom 08.08.2017 (Anlage K 20) hätte vornehmen müssen.
Damit war aber, wie der Kläger berechtigterweise einwendet, die gesamte Abrechnung über die Zusatzausstattung für den Kläger nicht prüfbar und damit nicht fällig.
bb) Im Rahmen der Abnahme des Sondereigentums am 29.01.2018 (siehe Anlage K 4) haben die Parteien zudem vereinbart, dass die Beklagte dem Kläger bis zum 30.01.2018 eine vollständige Auflistung der Kosten der beauftragten Zusatzleistungen auf der Basis der Angebote zur Prüfung aushändigt. Die Rechnung sollte auf Basis des Prüfergebnisses erstellt werden, vgl. Anlage K 4, Seite 5, Sondervereinbarung lit. b. Zu einer Übergabe dieser Auflistung ist es ausweislich des Vortrags des Klägers bislang nicht gekommen.
cc) Das Landgericht hat richtig erkannt, dass keine anerkannte Forderung in Bezug auf die Zusatzausstattung i.H.v. 30.797,45 Euro vorlag. Insoweit hat der Kläger allein erläutert, dass sich bei Berücksichtigung der von ihm bestätigten Mehr-/Minderkosten aus der Aufstellung vom 08.08.2017 über 89.740,67 Euro abzüglich der für die Sonderausstattung geleisteten Zahlungen von 67.779,00 Euro allenfalls für den Fall vollständiger und mangelfreier Leistung ein Mehrbetrag von 30.797,45 Euro ergeben könne.
2. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass dem Rücktritt der Beklagten – bei Vornahme einer Interessenabwägung – die fehlende Erheblichkeit der ausstehenden Zahlungen entgegenstehe. Dabei kommt es zwar nicht auf einen feststehenden Prozentsatz von ausstehenden Zahlungen, etwa von 10 %, an. Vielmehr ist der Einzelfall entscheidend.
Vorliegend machten die 5 %ige Gewährleistungsrate und die 2,1 %ige Fassadenrate nur 7,1 % des (Grund-)Kaufpreises aus und lag damit die nach Auffassung der Beklagten offene Forderung noch deutlich unterhalb von 10 %.
Hinzu kommt, dass der Kläger mit berechtigten Gegenforderungen in Höhe von 36.492,58 Euro wirksam die Aufrechnung erklärt hat und zudem den weiteren Zahlungsforderungen der Beklagten umfangreiche Mängel entgegenhalten kann, so dass auch insoweit, ohne dass es auf die Mängel im Einzelnen ankommt, ein Rücktritt bei Berücksichtigung einer Interessenabwägung ausscheidet.
Allerdings war ein Rücktritt nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er wegen zwischenzeitlich geführter Vergleichsgespräche treuwidrig gewesen wäre.
3. Der Kläger kann einen Kostenvorschuss i.H.v. 13.565,59 Euro für die Mängelbeseitigung in Bezug auf sein Sondereigentum gelten machen.
Das Sondereigentum ist abgenommen; auf die fehlende Abnahme des Gemeinschaftseigentums kommt es insoweit nicht an. Von daher kann der Kläger infolge der Abnahme des Sondereigentums einen Kostenvorschuss in Bezug auf Mängel des Sondereigentums verlangen, nachdem bislang mehr als 50 Mängelbeseitigungsversuche der Beklagten gescheitert sind.
Der Kläger hat zahlreiche Mängel durch Vorlage entsprechender Privatgutachten und konkreter Kostenaufstellungen im Einzelnen dargelegt. Dabei hat er auf das Abnahmeprotokoll und die dort vorbehaltenen Mängel bei der Abnahme Bezug genommen (siehe Anlagen K 4 = K 28a und K 19 = K 28b). Der Kläger hat seiner Berechnung (vgl. Aufstellung der Mängel und des dort ermittelten Kostenvorschusses, Anlage K 22) dabei nur 50 % der ermittelten Kosten zugrunde gelegt.
Ausreichend wäre bei einem Kostenvorschuss schon gewesen, dass der Kläger die erforderlichen Kosten für die Mängel nur grob schätzt. Auf die substantiiert vom Kläger dargelegten Mängel ist die Beklagte aber nicht im Einzelnen eingegangen. Angesichts der bei der Abnahme des Sondereigentums vorbehaltenen zahlreichen Mängel hätte das aber der Beklagten oblegen, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast für das Beseitigen der bei Abnahme vorbehaltenen Mängel trägt. Die Beklagte hätte – indem sie auf die in den Privatgutachten dargelegten Mängel und auf die vom Kläger dezidiert Mängel ausweisenden Anlagen eingeht – konkret ausführen müssen, welche Mängel wann und wie behoben worden sind. Dies gilt umso mehr, als unstreitig nicht nur bei der Abnahme im Abnahmeprotokoll eine Vielzahl von Mängeln festgehalten wurde, sondern die Beklagte in der Folgezeit mehrfache Versuche zur Mangelbeseitigung unternommen hat. Einen solchen Vortrag hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren unterbreitet.
Der Kläger hat in der Berufungserwiderung konkret ausgeführt, dass sich der Kostenvorschussantrag auf die Mängel der Anlage K 22 unter Position 3a, 3b, 4, 5, 6, 8 bis 10, 12, 13, 17 bis 21, 23 und Seite 12/13 der Position 24 beziehe.
Unter Berücksichtigung dieser konkret zum Gegenstand des Kostenvorschussanspruches weiter verfolgten Kostenvorschusspositionen und unter Klarstellung der Nummerierung der einzelnen noch geltend gemachten Mängeln (vgl. auch Seite 2 des Senatsprotokolls vom 20.04.2021) gilt für den Anspruch des Klägers auf Kostenvorschuss nachfolgendes (vgl. auch Anlagen K 6 und K 22):
– Für den Programmierungsfehler KNX-System („falsche und fehlende Tastenbelegung“) hat der Kläger im Schreiben vom 10.09.2019 (Anlage K 6) einen Betrag von 4.403,00 Euro brutto geltend gemacht. In der ebenfalls in Bezug genommenen Aufstellung der Anlage K 22 (Bewertung der Mängel Sondereigentum per 01.10.2019) hat der Kläger allerdings nur einen Betrag von 1.950,00 Euro angesetzt. Dass und warum der höhere Betrag (4.403,00 Euro) zu berücksichtigen sein sollte, hat der Kläger nicht erläutert, so dass lediglich der geringe Betrag in Ansatz zu bringen ist.
– Der geltend gemachte Kostenvorschussanspruch für die nicht vertragsgemäß hergestellte Loggia betrifft das Gemeinschaftseigentum. Abgesehen davon, dass eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums bislang unstreitig nicht stattgefunden hat, könnte der Kläger einen Anspruch auf Kostenvorschuss in Bezug auf Mängel des Gemeinschaftseigentums nur zu Händen der Eigentümergemeinschaft fordern und nicht selbst verlangen. Mängel des Gemeinschaftseigentums sind in Bezug auf Vorschussansprüche daher nicht zu berücksichtigen.
– Kostenvorschuss für die Position 4 aus der Anlage K 6 („nicht funktionierende Lichtschalter im Flur“) kann der Kläger, wie in der Anlage K 22 ausgewiesen, der die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, in Höhe des dort angesetzten Betrags von 5.000,00 Euro verlangen. (Anlage K 22, Seite 4).
– Bei dem Mangel unter 5. der Anlage K 6 („Fremdsteuerung von zwei Außenmarkisen Velux-DFF im Wohnzimmer sowie Sonnenschutzstore im Büro aufgrund von Fehlprogammierung“) handelt es sich wiederum um Gemeinschaftseigentum. Kostenvorschuss kann der Kläger insoweit nicht zu eigenen Händen verlangen.
– Für den Mangel unter 6. der Anlage K 6 („Verlegefehler Parkett im Schlafzimmer“) kann der Kläger die in der Anlage K 22, dort Seite 12 nachvollziehbar ausgewiesenen 1.000,00 Euro geltend machen. Auch dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
– Der Mangel unter 8. der Anlage K 6 („mehrfach beschädigte und nicht funktionstaugliche Wohnungseingangstüre“) betrifft wiederum das Gemeinschaftseigentum.
– Der Mangel unter 9. der Anlage K 6 („Materialfehler Küchenfliesen“) ist ausweislich der Anlage K 22 und dem dort genannten Betrag mit 800,00 Euro, der Mangel unter 10. der Anlage K 6 („Flecken, Streifen, Malerarbeiten“) mit einem Betrag von 500,00 Euro zu berücksichtigen.
– Für den unter 12. der Anlage K 6 („Leckage Dusch-Seitbrause Gästebad“) geltend gemachten Mangel kann der Kläger einen Betrag von 300,00 Euro (vgl. Anlage K 22) ansetzen.
– Der in Anlage K 6 unter Nummer 13 aufgeführte Punkt („vertragswidrig nicht übergebene Restfliesen“) stellt keinen Mangel der Werkleistung der Beklagten dar. Nach dem Bauträgervertrag hat der Kläger keine Restfliesen zu beanspruchen. Auf die im Rahmen der Abnahme des Sondereigentums geschlossene Zusatzvereinbarung, wonach sich die Beklagte verpflichtet hat, etwaig vorhandene Restfliesen und vorhandenes Restparkett zu übergeben – kann der Kläger einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung nicht stützen.
– Der unter Punkt 17. der Anlage K 6 geltend gemachte Mangel („Materialfehler Parkett“) ist ausweislich der substantiierten Darlegungen der Anlage K 22 auf Seite 12 mit 500,00 Euro zu bewerten.
– Der Mangel unter 18. der Anlage K 6 („nicht funktionierende Sitzheizung Bank im Masterbad und Steuergerät nicht entsprechend Farbkonzept“) ist ausweislich der Anlage K 22 mit einem Betrag von 589,05 Euro zu berücksichtigen.
– Die geltend gemachten Mängel Nummern 19. bis 21. der Anlage K 6 („Glasbrüstung Balkon verzogen“, „verkratzte Glasscheiben Wohnzimmer und Büro“, „Balkonaußenleuchten verrostet“) betreffen das Gemeinschaftseigentum und begründen daher keinen vom Kläger in eigener Person geltend zu machenden Kostenvorschussanspruch.
– Der geltend gemachte Mangel unter 23. der Anlage K 6 („12 Berka KNX-3er Schalter ohne korrekte beidseitige Halterung“) begründet nach den substantiierten Darlegungen in der Anlage K 22, dort Seite 5, einen Kostenvorschussanspruch i.H.v. 1.200,00 Euro.
– Der unter Punkt 24. der Anlage K 6 behauptete Mangel ist nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Darauf hat die Beklagte mehrfach hingewiesen. Welche konkreten Mängel unter der Bezeichnung „Sammelposition“ erfasst werden sollen, erschließt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht.
– Die weiteren in der Berufungserwiderung zusätzlich genannten Mängel, nämlich der gestohlene Generalschlüssel und die Funktionslosigkeit der sich vorzeitig ausschaltenden Dusch-WC-Anlage im Masterbad, sind wie folgt zu berücksichtigen:
Der gestohlene Generalschlüssel betrifft das Gemeinschaftseigentum und begründet keinen Kostenvorschussanspruch des Klägers.
Etwas anderes gilt für den vorgetragenen Mangel der Dusch-WC-Anlage im Masterbad. Die hierfür vom Kläger der Beklagten gesetzten Frist zur Mangelbeseitigung ist mittlerweile verstrichen, ohne dass die Beklagte den Mangel beseitigt hätte. Für den anzusetzenden Kostenvorschussanspruch war die Position 24 der Anlage B 3 zu berücksichtigen, nämlich der Betrag von 1.726,54 Euro.
Daraus ermittelt sich insgesamt ein Kostenvorschuss von 13.565,59 Euro, den der Kläger beanspruchen kann.
4. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe der vom Landgericht zugesprochenen 2.291,46 Euro nicht zu.
Diese Kosten stellen – soweit sie wegen des Rücktritts der Beklagten vom 01.10.2019 angefallen sind – keinen Verzugsschaden, sondern einen Schaden wegen Verletzung von Pflichten aus dem Bauträgervertrag gemäß § 280 Abs. 1 BGB dar. Der Schadensersatzanspruch umfasst dabei grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachte Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 18. Juli 2017 – VI ZR 465/16).
Eine außergerichtliche Vertretung des Klägers war im Zusammenhang mit dem erklärten Rücktritt vom Bauträgervertrag weder erforderlich noch zweckmäßig. Nach § 14 Abs. 2 des Bauträgervertrages war der Kläger gezwungen, eine Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Rücktritts zu erheben, wollte er der ansonsten mit dem Rücktritt einhergehenden Löschung der Auflassungsvormerkung entgehen. Spielraum für eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreites bestand daher nicht.
Anhaltspunkte dafür, dass die im Zusammenhang mit der ersten Rücktrittserklärung der Beklagten erfolgte anwaltliche Beratung zunächst allein der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage gedient hätte, sind nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger solches zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, insbesondere nicht behauptet hat, er hätte seinem Prozessbevollmächtigten anfänglich nur den Auftrag erteilt, die Rechtsmäßigkeit des Rücktritts zu prüfen und gegebenenfalls außergerichtliche Verhandlungen mit der Beklagten zu führen, spricht auch das außergerichtliche Verhalten des Klägers, der verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt, die Aufrechnung erklärt und Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht hat, klar dagegen, dass der Kläger bei entsprechender anwaltlicher Beratung die Rückabwicklung des Bauträgervertrages akzeptiert und von der Erhebung einer entsprechenden Feststellungsklage abgesehen hätte. Die geltend gemachte außergerichtliche Vertretung des Klägers war daher weder erforderlich noch zweckmäßig. Von daher steht dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten – weder in Höhe der geltend gemachten Gebühren von 2.743,43 Euro noch der vom Landgericht zugesprochenen Rechtsanwaltsgebühren von 2.291,46 Euro – zu.
5. Die mit der so bezeichneten „Klageerweiterung“ in Höhe von 3.063,90 Euro (einerseits die Differenz zwischen den vom Landgericht zugesprochenen 2.291,46 Euro und den begehrten 2.743,43 Euro, also 451,97 Euro, und andererseits weitere Rechtsanwaltsgebühren wegen der außergerichtlichen Beratung über Aufrechnungsforderungen in Höhe von 2.611,93; also 451,97 Euro + 2.611,93 Euro = 3.063,90 Euro) geltend gemachten weiteren Anwaltsgebühren (worin eine Anschlussberufung zu sehen ist) sind lediglich in einem Umfang von 2.611,93 Euro wegen einer außergerichtlichen Beratung zu Aufrechnungspositionen begründet.
Dies gilt allerdings nicht für den gesamten insoweit zur Berechnung der Anwaltskosten herangezogenen Betrag von 138.450,56 Euro, zusammengesetzt aus Aufrechnungspositionen in Höhe von
- 55.132,56 Euro (vgl. Bl. 11 d. A.),
- 7.518,00 Euro (Mängel M 2.6-6, M 2.5-2 und M 2.6.4 aus dem Gutachten des Sachverständigen SV1 vom 01.02.2018, Bl. 15 und 16 d.A.),
- 50.000,00 Euro (Minderung des Kaufpreises wegen Altlastenverdachts, Bl. 16 – 18 d.A.),
- 25.000,00 Euro (weiterer Kostenvorschuss wegen Mängeln des Sondereigentums, Bl. 18 – 22 d.A.) und
- 800,00 Euro (Schadensersatz wegen wertloser Anschaffung eines KNX-Moduls für die Küchenumlufthaube, Bl. 22 d.A.).
Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger nämlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist.
Im Rahmen des anzusetzenden Streitwertes für die Beratung zu Aufrechnungsforderungen zu berücksichtigen sind die – wie schon oben unter II. 1. ausgeführt – berechtigterweise zum Gegenstand einer Aufrechnung gemachten Positionen i.H.v. 36.492,58 Euro (32.937,12 Euro, 1.432,80 Euro, 673,66 Euro, 1.449,00 Euro).
Dagegen sind die vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen wegen Minderung des Kaufpreises aufgrund eines Altlastenverdachts i.H.v. 50.000,00 Euro sowie wegen eines weiteren Kostenvorschusses von 25.000,00 Euro nicht berechtigt.
Wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Stadt O1 vom 02.05.2019 (vgl. Anlage B 12) ergibt, besteht ein Altlastenverdacht auf den überbauten Flurstücken nicht (mehr). Die Flurstücke wurden daher durch die Abfall-/Bodenschutzbehörde im Sächsischen Altlastenkataster archiviert.
Zudem ergeben sich – wie oben unter II. 3. ausgeführt und nach zwischenzeitlicher Beseitigung weiterer Mängel – allein Kostenvorschussansprüche des Klägers i.H.v. 13.565,59 Euro. Von daher konnte der Kläger nicht wirksam mit weiteren 25.000,00 Euro die Aufrechnung erklären.
Die Beträge von 7.518,00 Euro wegen der Mängel M 2.6-6, M 2.5-2 und M 2.6.4 aus dem Gutachten des Sachverständigen SV1 vom 01.02.2018 und von 800,00 Euro wegen der wertlosen Anschaffung eines KNX-Moduls für die Küchenumlufthaube aufgrund fehlerhafter Elektroinstallation in der Küche sind dem Betrag von 36.492,58 Euro jedoch hinzuzurechnen. Damit ergibt sich ein zu berücksichtigender Streitwert wegen Aufrechnungspositionen i.H.v. 44.810,58 Euro, was bei einem Gebührenansatz von 1,3 einen Betrag von netto 1.414,40 Euro zuzüglich 20,00 Euro Telefonpauschale, zuzüglich Mehrwertsteuer einen Betrag von 1.706,94 Euro brutto ausmacht.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da es vorliegend um höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen und deren Anwendung auf einen zur Entscheidung stehenden Einzelfall geht, womit Zulassungsgründe ersichtlich nicht bestehen.