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Rücktritt von Werklieferungsvertrag aufgrund Sachmangel

LG Aurich – Az.: 3 O 479/15 – Urteil vom 03.08.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 89.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2015, Zug um Zug gegen Übergabe der im Oktober 2011 gelieferten und mit Rechnung vom 15.08.2011 in Rechnung gestellten Verpackungsanlage, zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme im Annahmeverzug befindet.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf bis zu 95.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche bezüglich einer Verpackungsanlage.

Die Klägerin ist eine Produzenten von Heimtier- und Wildvogelfutter mit Sitz in L. Im Jahre 2011 beauftragte sie die Beklagte mit der Konstruktion, Lieferung und Montage einer Verpackungsanlage zur Abfüllung von Futterbeuteln mit Füllinhalten von 1 kg, 2,5 kg, 4 kg oder 5 kg. Mit Auftragsbestätigung vom 04.05.2011 führte die Beklagte eine zu erzielende Geschwindigkeit insbesondere hinsichtlich der 5kg-Beutel von 14-40 Takten/min. aus. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Nach der Bestellung erfolgten Änderungen der konkreten Ausgestaltung der Anlage. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Anlage B21 Bezug genommen. Die Rechnung der Beklagten vom 15.08.2011 für die Lieferung und Montage der Verpackungsanlage in Höhe von 89.250,00 € beglich die Klägerin vor Lieferung in voller Höhe. Im Oktober 2011 wurde die Verpackungsanlage von der Beklagten geliefert und installiert. In der Folge standen die Parteien in Kontakt per E-Mail und Telefon. Die Klägerin beanstandete insbesondere die mit der Anlage zu erzielenden Stückzahlen bei der Beklagten. Es erfolgten weitere Technikereinsätze der Beklagten bei der Klägerin, zuletzt vom 09.12.2011 bis zum 21.12.2011. Unter dem 02.01.2012 rügte die Klägerin die Geschwindigkeit der Anlage hinsichtlich der 5kg-Beutel.

Unter dem 21.03.2012 strengte die Klägerin die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Aurich an. Unter dem 10.05.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der Mängel bis zum 07.06.2013 unter Hinweis auf das bis dahin vorliegende Gutachten des Sachverständigen aus dem selbständigen Beweisverfahren auf. Je eine weitere Aufforderung erging unter dem 03.06.2013 und dem 21.11.2014. Die Beklagte lehnte die Beseitigung der Mängel ab. Unter dem 25.02. 2015 erklärte die Klägerin Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte bis zum 27.03.2015 zur Rücknahme der Anlage auf.

Die Klägerin behauptet, die Anlage habe sich in keiner Weise benutzen lassen. Es hätten sich keine Beutel gleich welcher Größe befüllen lassen, ohne dass diese bei der Befüllung aufplatzten bzw. aufgerissen sind und die Maschine angehalten werden musste. Die Anlage habe mängelbedingt nicht ansatzweise für die Produktion verwendet werden können. Es lägen technische wie auch sicherheitsrelevante Mängel bei der Anlage aufgrund der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten vor. Insbesondere sei auch eine CE-Kennung nicht an der Anlage vorhanden gewesen. Eine Konformitätserklärung sei bei Übergabe nicht ausgehändigt worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei zum Rücktritt vom Vertrag mit der Beklagten berechtigt. Sie habe von der mangelnden Konformität hinsichtlich der CE-Zertifizierung mangels eigener Sachkenntnis nichts wissen können. Auch nach der Nachbesserung der Beklagte hätten sich keine Beutel mit der Anlage befüllen lassen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 89.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2015 Zug um Zug gegen Übergabe der im Oktober 2011 gelieferten und mit Rechnung vom 15.08.2011 in Rechnung gestellten Verpackungsanlage zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Mängel hätten bei Lieferung nicht vorgelegen. Sofern nunmehr Mängel vorhanden seien, seien diese auf unsachgemäße Verwendung der Anlage zurückzuführen. Die Beseitigung der von den Sachverständigen festgestellten Mängel sei möglich. Eine CE-Kennzeichnung/CE-Erklärung sei bei Auslieferung der Maschine vorhanden gewesen. Ein ordnungsgemäßer Ortstermin sei im selbständigen Beweisverfahren nicht durchgeführt worden. Ein solcher sei von der Klägerin vereitelt worden. Sie sei unvorbereitet gewesen und keiner ihrer Mitarbeiter hätte eine Zuarbeit geleistet. Die Anlage sei verschmutzt und „verstellt“ gewesen. Beanstandungen hinsichtlich der von den Sachverständigen angegebenen „Mängeln“ habe es zuvor von der Klägerin nicht gegeben.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger sei mit dem Rücktritt aufgrund des § 377 HGB ausgeschlossen. Ferner seien die Ansprüche der Klägerin verjährt. Dies folge schon aus den AGB der Beklagten. Die Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren stützten die Ausführungen der Klägerin nicht.

Das Gericht hat Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Akten des Landgerichts Aurich zum Aktenzeichen 3 OH 14/12 wurden beigezogen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

1. Rücktritt

Der Klägerin steht ein Anspruch im Rückgewährschuldverhältnis nach § 346, 323, 433, 434 BGB gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der gelieferten Anlage zu.

Die Klägerin konnte durch vorgerichtliches Schreiben vom 25.02.2015 den zwischen den Parteien geschlossenen Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB) wirksam widerrufen. Das Vertragsverhältnis wandelte sich somit in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 BGB um. Somit sind die jeweiligen Leistungen zurückzugewähren.

Bei der hier gegenständlichen Anlage liegt ein nicht unerheblicher Sachmangel im Sinne des § 434 BGB vor.

Zwar konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die Anlage vollständig unbrauchbar wäre, wie von ihr behauptet. Dieser Annahme stehen bereits die zur Akte gereichten E-Mails der Parteien entgegen. Bei verständiger Würdigung des Inhalts geht jedenfalls aus der E-Mail der Klägerin vom 05.01.2012 (Anlage B3) hervor, dass die Anlage – wenn auch nicht mit hoher Geschwindigkeit – in Betrieb genommen werden konnte. Dies wird zudem bestätigt durch die E-Mail vom 27.01.2012 (Anlage B5), in der die Klägerin mitteilen ließ, dass etwa die Produktion von 2,5 kg Beuteln korrekt erfolge. Diese Angaben in den E-Mails stehen den Bekundungen des Zeugen A. entgegen. Dieser führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2016 aus, dass die Anlage nie tatsächlich in den Produktionsbetrieb habe gehen können. Ein ganzer Karton habe damit nicht fertiggestellt werden können. Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht den Angaben des Zeugen A. im Ergebnis nicht zu folgen. Die Annahme des Gerichts wird zudem bestätigt und durch die nachvollziehbaren Angaben des Zeugen T. Dieser konnte ausführen, dass die Maschine dann tatsächlich, nach seinem zweiten Aufenthalt im Dezember 2011bei der Klägerin, lief, gleichwohl langsam. Er wäre nicht weggefahren, ohne dass sie zum Laufen gebracht worden wäre.

Gleichwohl ist zwischen den Parteien im Ergebnis unstreitig, dass die Anlage die in der Auftragsbestätigung vom 04.05.2011 angegebene Menge von 14-40 Takten pro Minute jedenfalls hinsichtlich der 5 kg-Beutel nicht erreicht. Gerade hierin liegt eine Abweichung der Ist- von der vereinbarten Sollbeschaffenheit.

Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Beklagten. Ausweislich der zur Akte gereichten Anlage B 21 (Anlagenband Beklagte) ergibt sich der Ablauf aus Sicht der Beklagten. Hiernach geht selbst die Beklagte davon aus, dass ein Unterschied von 1/3 in der Geschwindigkeit bei den 5 kg Portionen auf den Anlagenaufbau zurückzuführen sei. Gleichwohl ergibt sich aus dem Eintrag zum 04.05.2011, dass zwar erörtert wurde, dass bei einer Maschine die Outputmengen nicht erreicht werden könnten. Gleichwohl wird dort weiter ausgeführt dass durch die weitere Investition in eine kleine Quad-Seal-Maschine der Outputverlust wieder zumindest minimiert werden kann. Die Zufuhr durch diese 2. Maschine sei von vornherein berücksichtigt und auch schon eingebaut worden.

Bereits hieraus ergibt sich das allenfalls eine minimale Abweichung von den vereinbarten zu erzielenden Takten erwartbar gewesen wäre. Hieran ändert auch der Eintrag unter dem 27.07.2011 nichts, in dem angegeben wird, dass hierauf nochmals schriftlich hingewiesen wurde. Eine weitere Reduzierung der zu erwartenden Takte enthält dieser Umstand nicht. Dies gilt auch für den unter dem 26.04.2011 veränderten Aufbau, da dieser im Eintrag vom 04.05.2011 ebenfalls berücksichtigt ist („Verteilung/4m Rutschbahn“). Ausgehend von der Vereinbarung zwischen den Parteien von jedenfalls 14 Takten stellt die Abweichung nach unten in Höhe von 9 Takten einen nicht unerheblichen Mangel dar, nämlich von tatsächlich über 1/3. Diese Abweichung ist auch unter dem Gesichtspunkt der erwartbaren „minimalen“ Abweichung nicht unerheblich. Der Geschwindigkeitsverlust sollte gerade durch den zusätzlichen Einsatz der kleinen Quad-Seal Maschine minimiert werden. Bei verständiger Würdigung erfasst dies jedoch keine Abweichung von einem Drittel. Gerade bei Hochrechnung auf eine Tagesproduktion der Klägerin ergibt dies eine erhebliche Abweichung hinsichtlich der 5kg Portionen. Es hätte gerade der Beklagten oblegen, diesbezüglich einen konkreten Bedenkenhinweis zu erteilen, wenn absehbar gewesen wäre, wie sie vortragen lässt, dass eine höhere Abweichung als lediglich „minimal“ zu erwarten gewesen wäre. Dass ein solcher Hinweis erfolgt wäre, ist nicht hinreichend ersichtlich.

Die diesbezügliche Rüge ist auch vor dem Hintergrund des § 377 HGB – noch – rechtzeitig jedenfalls am 02.01.2012 gegenüber der Beklagten erfolgt. Die hiernach bestehende Rügeobliegenheit – im vorliegenden Fall handelt es sich für beide Seiten um ein Handelsgeschäft – hat hinsichtlich des Zeitpunktes sowohl bei schwer erkennbaren Mängeln unverzüglich zu erfolgen und führt nicht zum Hinausschieben des Ablieferungszeitpunktes. Insbesondere bei Nachbesserungen im Machtbereich des Käufers – wie im vorliegenden Fall – hat dieser nach Beendigung der Nachbesserungsarbeiten erneut zu untersuchen und zu rügen (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 377, Rn. 6).Folglich begann die Frist zur Untersuchung und Rüge für die Klägerin am 22.12.2011 erneut. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Feiertage und des Jahreswechsels war an den übrigen Tagen diese Untersuchung zu beschleunigen (vgl. BGH MDR 1964, 412). Der hier gegenständliche Ablauf und die Rüge, jedenfalls am 02.01.2012, genügt nach Ansicht des Gerichts diesen Anforderungen.

Der erklärte Rücktritt der Klägerin war auch nicht gemäß § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin ist nicht weit überwiegend für den hier gegenständlichen Mangel der Anlage, nämlich die verminderte Geschwindigkeit hinsichtlich der 5 kg Portionen, verantwortlich. Ein hinreichender Hinweis der Beklagten ist diesbezüglich nicht erfolgt. Hier geht diese vielmehr noch am 04.05.2011 (Anlage B21) davon aus, dass ein etwaiger Geschwindigkeitsverlust durch den Einsatz einer weiteren Maschine minimiert werden kann, was bereits von vornherein berücksichtigt worden sei. Ergänzend wird diesbezüglich auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Einer Fortsetzung der Beweisaufnahme aus dem selbständigen Beweisverfahren bedurfte es daher im hiesigen streitigen Verfahren nicht.

Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Klägerin die behaupteten sicherheitsrelevanten Mängel überhaupt rechtzeitig gerügt hat oder ggf. nicht diesbezüglich schon ein Sachverständiger im Rahmen der Untersuchung hätte hinzugezogen werden müssen, insbesondere da der Klägerin – nach eigenem Vortrag – die erforderliche Sachkunde fehlt (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 377, Rn. 28). Es kann ebenfalls dahinstehen, ob die mit E-Mail vom 26.01.2012 gerügte unzureichende Schweißnaht an der Rückseite der 5kg-Beutel in Bezug auf § 377 HGB ebenfalls rechtszeitig erfolgte.

2. Feststellung

Daneben ergibt sich für die Klägerin auch ein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Nach Fristsetzung zur Abholung mit dem vorgerichtlichen Rücktrittsschreiben befand sich die Beklagte jedenfalls nach dem 28.03.2015 im Verzug der Annahme (§§ 293, 294, 295 BGB). Da der Vertrag zwischen den Parteien auch die Lieferung umfasste, hat die Beklagte die Anlage auch nach Rücktritt wieder bei der Klägerin abzuholen.

3.

Die klägerischen Ansprüche sind auch nicht verjährt. Der Rücktritt der Klägerin erfolgte in unverjährter Zeit. Die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens führte zu einer Hemmung der Verjährung. Die von der Klägerin eingereichten Beweisfragen sind hinreichend bestimmt und zulässig. Es sind im selbständigen Beweisverfahren entsprechende Beweisbeschlüsse des Gerichts ergangen. Die Hemmung endete erst 6 Monate nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs. 2 BGB). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen dem ebenfalls nicht entgegen. Nach der Durchführung der Nachbesserung der Beklagten bis zum 21.12.2011 (einem Mittwoch) bestand schon nach den AGB der Beklagten eine Rügefrist von 10 Tagen. Diese begann – jedenfalls – erneut zu laufen. Diese endete damit am 31.12.2011 (einem Samstag). Nach § 193 BGB endete die Frist mithin am 02.01.2012, dem nächsten Werktag. An diesem Tag rügte die Klägerin die Geschwindigkeit der Anlage hinsichtlich der 5kg-Beutel gegenüber der Klägerin, wie sich aus der von der Beklagten vorgelegten E-Mail vom 05.01.2012 der Klägerin ergibt (Anlage B3, Anlagenband Beklagte), in der ein Verweis auf die erfolgte Reklamation erfolgte.

Das Gericht hatte in der Sache auch keinen – weiteren – Hinweis nach § 139 ZPO zu erteilen. Insoweit wird auf die Kommentierung bei Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 139, Rn. 12a Bezug genommen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 u. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung umfasst auch die Kosten aus dem durchgeführten selbständigen Beweisverfahren.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.

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