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Verjährung der Bürgschaft bei Insolvenz des Hauptschuldners: Gilt 1 Jahr?

Die Forderung aus einer Bau-Bürgschaft sollte die Verjährung bei Insolvenz des Hauptschuldners überdauern, doch der Gläubiger versäumte eine kritische Einjahresfrist. Das Landgericht Bonn musste klären, ob diese kurze Verjährungsfrist nach dem Insolvenzplan auch gegen den Bürgen geltend gemacht werden konnte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 O 302/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Bonn
  • Datum: 08.08.2025
  • Aktenzeichen: 7 O 302/24
  • Verfahren: Zahlungsklage aus Bürgschaft
  • Rechtsbereiche: Insolvenzrecht, Bürgschaftsrecht

  • Das Problem: Eine Auftraggeberin forderte von der Bürgin eines insolventen Bauunternehmens die Zahlung aus einer Bürgschaft wegen hoher Fertigstellungsmehrkosten. Die Bürgin berief sich auf die Verjährung der Hauptforderung, da die Gläubigerin ihren Anspruch im Insolvenzverfahren nicht angemeldet hatte.
  • Die Rechtsfrage: Gilt die verkürzte Verjährungsfrist des Insolvenzrechts auch für die Forderung gegen den Bürgen, wenn die Hauptforderung gegen das insolvente Unternehmen nicht zur Tabelle angemeldet wurde?
  • Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Die Hauptforderung war verjährt, weil eine spezielle Regelung des Insolvenzrechts eine Verjährungsfrist von nur einem Jahr vorsieht. Diese kurze Frist gilt wegen des Prinzips der Akzessorietät auch für die Bürgschaftsforderung.
  • Die Bedeutung: Ist ein Bauunternehmen insolvent und wird ein Insolvenzplan rechtskräftig, müssen Gläubiger ihre Ansprüche aus dem Vertrag innerhalb eines Jahres geltend machen. Diese kurze Frist wirkt sich direkt auf die Durchsetzbarkeit der Ansprüche gegen den Bürgen aus, auch wenn der Bürge nachträglich einen Verzicht auf die Verjährung erklärt.

Verjährung der Bürgschaft bei Insolvenz: Warum eine 400.000-Euro-Sicherheit wertlos wurde

Eine selbstschuldnerische Bürgschaft gilt im Geschäftsleben als Fels in der Brandung. Sie verspricht Sicherheit, falls ein Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Doch was geschieht, wenn dieser Partner Insolvenz anmeldet und ein Sanierungsverfahren durchläuft? Ein Urteil des Landgerichts Bonn vom 08. August 2025 (Az. 7 O 302/24) zeigt auf dramatische Weise, wie das Insolvenzrecht die Spielregeln verändert und eine vermeintlich sichere Bürgschaftsforderung über 405.240 Euro zunichtemachen kann. Der Fall offenbart eine juristische Falle, die entsteht, wenn Gläubiger im Insolvenzverfahren eines Schuldners untätig bleiben – mit direkten Folgen für ihre Sicherheiten.

Was war der Auslöser für den Rechtsstreit?

Insolvenzverfahren kann Bürgschaftsansprüche durch Verjährung stilllegen. | Symbolbild: KI

Die Geschichte beginnt mit einem großen Bauvorhaben der öffentlichen Hand. Ein Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt beauftragte im Mai 2016 eine Baufirma mit Arbeiten im Wert von über acht Millionen Euro. Wie bei solchen Projekten üblich, verlangte der öffentliche Auftraggeber eine Sicherheit für die Vertragserfüllung und eventuelle Mängelansprüche. Diese Sicherheit wurde in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft über 405.240 Euro von einem Finanzdienstleister, der späteren Beklagten, gestellt.

Noch vor Fertigstellung des Bauwerks geriet die Baufirma jedoch in wirtschaftliche Schieflage. Im März 2020 beantragte sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung – ein Verfahren, das auf die Sanierung und Fortführung des Unternehmens abzielt. Kurz darauf stellte die Firma die Arbeiten auf der Baustelle ein. Der öffentliche Auftraggeber forderte die Baufirma zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf, doch ohne Erfolg. Daraufhin kündigte er den Bauvertrag im Mai 2020 aus wichtigem Grund.

Es folgte ein komplexes Insolvenzplanverfahren, das im März 2021 mit einem rechtskräftigen Sanierungsplan endete. Das Insolvenzverfahren wurde daraufhin im Juni 2021 aufgehoben und die Baufirma konnte ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen.

Für den öffentlichen Auftraggeber war die Sache damit aber nicht erledigt. Er musste die unvollendeten Arbeiten neu ausschreiben und beauftragte erst im August 2023 ein neues Unternehmen mit der Fertigstellung. Die dadurch entstandenen Mehrkosten bezifferte er auf über 3,5 Millionen Euro. Um einen Teil dieses Schadens zu decken, wandte er sich im Dezember 2023 an die Bürgin und forderte die Auszahlung der vollen Bürgschaftssumme. Die Bürgin zahlte jedoch nicht. Stattdessen erhob sie, beraten durch den Anwalt der sanierten Baufirma, die Einrede der Verjährung. Sie argumentierte, der Anspruch des Auftraggebers sei längst erloschen.

Welche Gesetze prallten hier aufeinander?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie das Zusammenspiel von drei zentralen Rechtsprinzipien verstehen: der Bürgschaft, der allgemeinen Verjährung und den Sonderregeln des Insolvenzrechts.

Das Wesen der Bürgschaft ist ihre Akzessorietät, was so viel wie „Abhängigkeit“ bedeutet. Nach § 768 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist die Verpflichtung des Bürgen untrennbar mit der Existenz der Hauptforderung verbunden. Der Bürge kann dem Gläubiger alle Einwendungen entgegenhalten, die auch dem Hauptschuldner zustehen. Die wichtigste dieser Einwendungen ist die Einrede der Verjährung. Verjährt die ursprüngliche Forderung gegen den Hauptschuldner, verjährt automatisch auch der Anspruch gegen den Bürgen.

Die allgemeine Verjährung nach den §§ 195 und 199 BGB beträgt in der Regel drei Jahre. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger davon Kenntnis erlangt hat. Der Auftraggeber argumentierte, sein Anspruch sei 2020 entstanden, die dreijährige Frist hätte also erst am 31. Dezember 2023 geendet.

Hier kommt jedoch das Insolvenzrecht ins Spiel, das eigene, schärfere Regeln aufstellt. § 259b der Insolvenzordnung (InsO) ist eine Spezialvorschrift für Forderungen, die ein Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens nicht zur sogenannten Insolvenztabelle anmeldet. Die Anmeldung zur Tabelle ist der formale Akt, mit dem ein Gläubiger seine Ansprüche im Verfahren geltend macht. Versäumt er dies, gewährt ihm das Gesetz nach Rechtskraft des Sanierungsplans nur noch eine sehr kurze Verjährungsfrist von einem Jahr, um seine Forderung doch noch durchzusetzen. Diese Regel soll dem sanierten Unternehmen Planungssicherheit geben und es vor unerwarteten Altforderungen schützen.

Der Kernkonflikt des Falles war also die Frage: Gilt die reguläre Dreijahresfrist des BGB oder die radikal verkürzte Einjahresfrist des Insolvenzrechts? Und falls die kurze Frist gilt: Wirkt sie sich auch auf die scheinbar unabhängige Bürgschaft aus?

Warum entschied das Gericht gegen den Auftraggeber?

Das Landgericht Bonn wies die Klage des öffentlichen Auftraggebers vollständig ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Anspruch auf die Bürgschaftssumme tatsächlich verjährt war. Ihre Argumentation folgte einer klaren Kette von logischen Schritten, die auch die Gegenargumente des Auftraggebers systematisch entkräfteten.

Der entscheidende Faktor: Die verkürzte Verjährung des Insolvenzrechts

Das Gericht stellte fest, dass der Anspruch auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten mit der Kündigung des Bauvertrags im Jahr 2020 fällig wurde. Eine exakte Bezifferung des Schadens war für die Fälligkeit nicht erforderlich. Der Auftraggeber hatte diesen Anspruch jedoch nicht zur Insolvenztabelle der Baufirma angemeldet. Damit griff nach Ansicht des Gerichts die Spezialregelung des § 259b InsO.

Diese Vorschrift legt fest, dass die einjährige Verjährungsfrist mit der Rechtskraft des Insolvenzplans beginnt. Der Plan wurde am 31. März 2021 rechtskräftig. Da die Forderung zu diesem Zeitpunkt bereits fällig war, begann die Uhr an diesem Tag zu ticken. Die Verjährungsfrist endete folglich exakt ein Jahr später, am 31. März 2022. Als der Auftraggeber die Bürgin im Dezember 2023 in Anspruch nahm, war diese Frist bereits seit über anderthalb Jahren abgelaufen.

Warum galt diese kurze Frist auch für die Bürgin?

Dies ist der juristische Kern der Entscheidung. Der Auftraggeber hatte argumentiert, dass § 259b InsO nur das Verhältnis zwischen ihm und der sanierten Baufirma betreffe, nicht aber seinen direkten Anspruch gegen die Bürgin. Das Gericht widersprach dem vehement und stützte sich auf das bereits erwähnte Prinzip der Akzessorietät (§ 768 BGB).

Die Bürgschaft ist kein eigenständiges Versicherungsversprechen, sondern hängt am Schicksal der Hauptforderung. Wenn die Hauptforderung gegen die Baufirma verjährt ist, kann die Bürgin genau diese Verjährung wie ein Schutzschild vor sich halten. Das Gericht sah keinen Grund, warum die spezielle Verjährungsregel des Insolvenzrechts eine Ausnahme von diesem fundamentalen Prinzip darstellen sollte. Im Gegenteil: Der Zweck des § 259b InsO – die schnelle Herstellung von Rechtssicherheit für das sanierte Unternehmen – würde unterlaufen, wenn Gläubiger die kurze Frist einfach umgehen könnten, indem sie sich an Bürgen halten, die dann wiederum bei der sanierten Firma Rückgriff nehmen würden. Die „Altlast“ käme so durch die Hintertür wieder ins Unternehmen.

War der Verzicht auf die Verjährungseinrede unwirksam?

Ein besonders bitteres Detail für den Auftraggeber war, dass die Bürgin ihm gegenüber sogar einen befristeten Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede erklärt hatte. Solche Vereinbarungen sind üblich, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Doch dieser Verzicht enthielt eine entscheidende Einschränkung: Er galt nur unter dem Vorbehalt, dass die Ansprüche „zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nicht bereits verjährt“ seien.

Da die Verjährung nach Ansicht des Gerichts bereits am 31. März 2022 eingetreten war, ging dieser Verzicht, der erst im Dezember 2023 erklärt wurde, ins Leere. Man kann nicht auf die Geltendmachung einer bereits eingetretenen Verjährung verzichten, wenn man sich genau dieses Recht vorbehält. Die Erklärung konnte eine bereits vollendete Verjährung nicht heilen.

Wieso schützte der Insolvenzplan die Bürgschaft nicht?

Der Auftraggeber stützte seine Hoffnung auch auf eine andere Vorschrift der Insolvenzordnung. § 254 Abs. 2 InsO besagt, dass die Rechte der Gläubiger gegen Bürgen des Schuldners durch den Insolvenzplan nicht berührt werden. Das klingt zunächst wie ein starkes Argument. Das Gericht interpretierte diese Regelung jedoch anders. Sie schützt zwar den grundsätzlichen Bestand der Forderung gegen den Bürgen, ändert aber nichts an der Frage ihrer Durchsetzbarkeit. Die Verjährung betrifft nicht die Existenz eines Anspruchs, sondern nur die Möglichkeit, ihn gerichtlich durchzusetzen. Da § 259b InsO eine klare Regelung zur Verjährung trifft, ohne eine Ausnahme für Bürgen vorzusehen, geht diese spezielle Vorschrift vor.

Hätte der Auftraggeber anders handeln müssen?

Das Gericht machte deutlich, dass der Auftraggeber nicht schutzlos war. Er wusste von der Insolvenz und hatte nach Rechtskraft des Sanierungsplans ein ganzes Jahr Zeit zu handeln. Obwohl die Fertigstellungsmehrkosten noch nicht exakt beziffert waren, hätte er mehrere Möglichkeiten gehabt, die Verjährung zu hemmen. Er hätte die Forderung auf Basis einer Schätzung zur Insolvenztabelle anmelden oder nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine sogenannte Feststellungsklage erheben können. Mit einer solchen Klage hätte er gerichtlich feststellen lassen können, dass sein Anspruch dem Grunde nach besteht. Beides unterließ er und nahm damit das Risiko der kurzen Verjährung in Kauf.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieses Urteil enthält zwei zentrale Botschaften für jeden, der im Geschäftsleben Sicherheiten wie Bürgschaften nutzt. Es geht dabei nicht um konkrete Handlungsanweisungen, sondern um ein tieferes Verständnis für die Prinzipien, die hier wirken.

Die erste Lehre ist, dass die Insolvenz eines Vertragspartners die Spielregeln fundamental verändert. Gläubiger können sich nicht mehr auf die gewohnten Fristen und Abläufe des normalen Wirtschaftsrechts verlassen. Das Insolvenzrecht ist ein eigenes Universum mit scharfen Fristen und strengen formellen Anforderungen. Wer von einem Insolvenzverfahren seines Schuldners erfährt, ist alarmiert und muss aktiv werden. Das bloße Abwarten und Hoffen, dass Sicherheiten wie eine Bürgschaft unberührt bleiben, kann sich als fataler Irrtum erweisen. Die Pflicht zur Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren ist kein bürokratischer Selbstzweck, sondern eine entscheidende Weichenstellung für die spätere Durchsetzbarkeit.

Die zweite Lehre betrifft das wahre Wesen einer Bürgschaft. Sie ist kein Fels in der Brandung, sondern eher ein Schiff, das fest mit einem anderen vertäut ist. Sinkt das Hauptschiff – weil die Forderung gegen den Hauptschuldner nicht mehr durchsetzbar ist –, wird das angebundene Bürgschaftsschiff unweigerlich mit in die Tiefe gezogen. Das Prinzip der Akzessorietät ist keine juristische Finesse, sondern der harte Kern jeder Bürgschaft. Eine Sicherheit ist immer nur so stark wie die Forderung, die sie absichert. Wenn diese Hauptforderung durch die besonderen Regeln des Insolvenzrechts geschwächt wird, schwächt dies unmittelbar auch die Position des Gläubigers gegenüber dem Bürgen.

Die Urteilslogik

Das Insolvenzverfahren eines Hauptschuldners entwertet einst sichere Bürgschaften, indem es die gewohnten Regeln der allgemeinen Verjährung radikal verändert und Gläubiger zum sofortigen Handeln zwingt.

  • Das Schicksal der Akzessorietät: Verjährt die Hauptforderung gegen den Schuldner, weil die kurze Verjährungsfrist des Insolvenzrechts greift, kann der Bürge diese Verjährung als Abwehrschild erfolgreich dem Gläubiger entgegenhalten.
  • Verkürzte Verjährungspflicht: Wer Forderungen gegen einen Schuldner nicht zur Insolvenztabelle anmeldet, unterwirft sich der radikal verkürzten Verjährungsfrist von einem Jahr, um Rechtssicherheit für das sanierte Unternehmen herzustellen.
  • Der Startschuss der Frist: Die kurze Verjährungsfrist beginnt mit der Rechtskraft des Sanierungsplans zu laufen; die Fälligkeit des Anspruchs tritt bereits mit der Kündigung des Vertrages ein, eine exakte Bezifferung des tatsächlichen Schadens ist für den Fristbeginn unerheblich.

Nur aktive Handlungen und die strikte Beachtung der kurzen Spezialfristen des Insolvenzrechts bewahren Gläubiger davor, Sicherheiten wie Bürgschaften unwiederbringlich zu verlieren.


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Experten Kommentar

Wer eine Bürgschaft in der Hand hält, wähnt sich schnell in Sicherheit, weil das Geld ja von einem Dritten garantiert wird. Doch dieses Urteil liefert die harte Wahrheit: Im Falle einer Sanierung durch einen Insolvenzplan schlägt das Insolvenzrecht die vertrauten Regeln des BGB konsequent. Die extrem kurze Jahresfrist für nicht angemeldete Forderungen nach Rechtskraft des Plans trifft die Hauptforderung wie ein Geschoss. Wegen der Abhängigkeit muss sich der Bürge nicht selbst in Sicherheit wiegen, sondern kann erfolgreich auf die Verjährung des Hauptschuldners berufen. Praktisch bedeutet das: Wer im Insolvenzverfahren untätig bleibt, verliert selbst vermeintlich bombensichere Sicherheiten.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Schützt eine selbstschuldnerische Bürgschaft auch bei Insolvenz des Hauptschuldners?

Obwohl die selbstschuldnerische Bürgschaft die stärkste Form der Sicherheit bietet, schützt sie im Falle einer Insolvenz des Hauptschuldners nicht bedingungslos. Die vermeintliche Sicherheit wackelt, sobald das Insolvenzverfahren in ein Sanierungsplanverfahren mündet. Der Anspruch gegen den Bürgen hängt zwingend am Schicksal der ursprünglichen Hauptforderung, da die Bürgschaft kein unabhängiges Versprechen ist. Wenn diese Hauptforderung juristisch verjährt, fällt die Sicherheit gegen den Bürgen automatisch weg.

Dieses Risiko entsteht durch das Prinzip der Akzessorietät (§ 768 BGB). Die Verpflichtung des Bürgen ist untrennbar mit der Hauptforderung verbunden. Deswegen darf der Bürge alle Einwendungen gegen den Gläubiger vorbringen, die auch dem Hauptschuldner zustehen. Die wichtigste Einwendung ist die Verjährung. Obwohl ein Insolvenzplan die Rechte gegen Bürgen grundsätzlich schützt (§ 254 Abs. 2 InsO), bezieht sich dieser Schutz nur auf den Bestand der Forderung, nicht aber auf ihre Durchsetzbarkeit.

Die größte Gefahr liegt in der Sonderregel des § 259b InsO. Meldet der Gläubiger seine Forderung nicht zur Insolvenztabelle an, unterliegt die Hauptforderung einer radikal verkürzten Verjährungsfrist von nur einem Jahr. Wird diese kurze Frist versäumt, kann die Bürgin genau diese erfolgreiche Verjährung der Hauptschuld wie ein Schutzschild nutzen. Der Bürge zieht die Bürgschaftsforderung unweigerlich mit in die Tiefe, um den Sanierungszweck des Insolvenzrechts nicht zu unterlaufen.

Rufen Sie sofort Ihren Sicherheitenvertrag und die Mitteilung über das Insolvenzverfahren auf, um das Datum der Rechtskraft des Sanierungsplans festzustellen, da dies den Startpunkt der verkürzten Frist markiert.


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Muss ich die Forderung zur Insolvenztabelle anmelden, um meine Bürgschaft zu erhalten?

Die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle ist zwingend notwendig, besonders in Sanierungs- und Insolvenzplanverfahren. Viele Gläubiger verlassen sich fälschlicherweise auf die Bürgschaft und werden untätig. Allerdings ist die formelle Geltendmachung gegenüber dem Hauptschuldner der einzige Weg, die Verjährung der Hauptforderung zu hemmen. Versäumen Sie diesen entscheidenden Schritt, geraten Sie in eine gefährliche Rechtsfalle.

Bleibt die Forderung im Verfahren unberücksichtigt, tritt nach der Rechtskraft des Insolvenzplans automatisch eine verkürzte Frist in Kraft. Die Spezialvorschrift § 259b der Insolvenzordnung (InsO) reduziert die normale Verjährung von drei Jahren radikal auf nur ein Jahr. Diese kurze Frist soll dem sanierten Unternehmen maximale Planungssicherheit geben und es vor unerwarteten Altforderungen schützen. Die Anmeldung zur Tabelle gilt als formaler Akt der Geltendmachung, der die Verjährung hemmt.

Die Verjährung der Hauptforderung schlägt über das Prinzip der Akzessorietät unmittelbar auf die Bürgschaft durch. Der Anspruch gegen den Bürgen kann nicht dazu dienen, die strengen Regeln des Insolvenzrechts zu umgehen. Wenn die Hauptforderung gegen das insolvente Unternehmen verjährt, kann der Bürge diese Verjährungseinrede ebenfalls nutzen. Die Folge der Untätigkeit ist, dass eine vermeintlich sichere Bürgschaftsforderung trotz ihres Bestands nicht mehr durchsetzbar ist.

Kontaktieren Sie sofort den Sachwalter oder Insolvenzverwalter, um die Fristen für eine nachträgliche Anmeldung zur Tabelle oder eine mögliche Feststellungsklage zu prüfen.


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Wann beginnt die Verjährung der Bürgschaftsforderung nach Rechtskraft des Sanierungsplans?

Die Verjährung einer Bürgschaftsforderung unterliegt in einem Insolvenzplanverfahren einer Spezialregelung. Die Frist des § 259b InsO startet exakt mit der Rechtskraft des Insolvenzplans. Diese Regel betrifft alle Forderungen, die Gläubiger nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Die extrem verkürzte Frist beträgt dann nur ein Jahr.

Der Gesetzgeber hat die Dauer radikal auf ein Jahr verkürzt, um dem sanierten Unternehmen nach Abschluss des Verfahrens rasche Planungssicherheit zu garantieren. Diese kurze Dauer stellt eine drastische Abweichung von der allgemeinen dreijährigen Regelverjährung des BGB dar. Die Uhr beginnt zu ticken, sobald das Gericht die Rechtskraft des Plans offiziell festgestellt hat, unabhängig davon, wann der Gläubiger davon Kenntnis erhält.

Für den Fristbeginn ist es nicht erforderlich, dass der Schaden bereits exakt beziffert ist. Voraussetzung ist lediglich, dass die Forderung gegen den Hauptschuldner bereits fällig war, beispielsweise durch die Kündigung des zugrunde liegenden Bauvertrags. Wurde der Sanierungsplan am 31. März 2021 rechtskräftig, endete die Verjährungsfrist für die Hauptforderung und somit auch für die akzessorische Bürgschaft am 31. März 2022.

Suchen Sie umgehend das gerichtliche Dokument über den Sanierungsplan, um das Datum der Rechtskraft zu ermitteln und Ihre kritische Einjahresfrist zu berechnen.


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Kann der Bürge die kurze Verjährungsfrist des Insolvenzrechts gegen mich verwenden?

Ja, der Bürge darf die kurze Verjährungsfrist des Insolvenzrechts nutzen. Obwohl die Bürgschaft ein separater Vertrag ist, hängt sie untrennbar am Schicksal der Hauptforderung. Diese strenge Abhängigkeit – die sogenannte Akzessorietät – ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 768 BGB) festgelegt. Dadurch kann der Bürge alle Einwendungen des Hauptschuldners gegen den Gläubiger verwenden, einschließlich der Einrede der erfolgreichen Verjährung.

Durch die Akzessorietät wird der Bürge automatisch in die Rechtsposition des ursprünglichen Hauptschuldners versetzt. Verjährt die Hauptforderung gegen das sanierte Unternehmen aufgrund der verkürzten Einjahresfrist des § 259b InsO, zieht dies automatisch den Anspruch gegen den Bürgen mit sich. Gerichte betrachten die kurze Frist als ein wichtiges Verteidigungsrecht des Hauptschuldners, das dem Schutz des Sanierungszwecks dient.

Eine Umgehung dieser kurzen Frist durch die Inanspruchnahme des Bürgen ist nicht zulässig, da dies den Erfolg der Sanierung gefährden würde. Sucht der Gläubiger Rückgriff beim Bürgen, würde dieser wiederum Regress beim sanierten Unternehmen nehmen. Die ursprüngliche Altlast käme somit durch die Hintertür wieder in die Firma. Der Anspruch gegen den Bürgen ist direkt an die formalen Pflichten des Gläubigers im Insolvenzverfahren geknüpft.

Prüfen Sie alle Schriftstücke zum Verjährungsverzicht des Bürgen auf exakte Einschränkungen, besonders, wenn dieser Verzicht unter den Vorbehalt gestellt wurde, dass die Ansprüche zum Zeitpunkt der Abgabe nicht bereits verjährt waren.


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Wie sichere ich meine Bürgschaftsforderung, wenn der Schaden noch nicht beziffert ist?

Wenn der Schaden dem Grunde nach feststeht, müssen Sie sofort handeln, auch wenn die exakte Summe noch unklar ist. Die Verjährungsfrist für Ihre Forderung beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs, nicht erst mit seiner Bezifferung. Um die extrem kurze einjährige Frist im Insolvenzfall zu stoppen, müssen Sie die Verjährungshemmung aktiv herbeiführen.

Gläubiger dürfen nicht abwarten, bis alle Ersatzleistungen erbracht und die genauen Mehrkosten ermittelt sind. Tritt die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs bereits mit der Kündigung des Bauvertrags ein, läuft die Frist unaufhaltsam. Befindet sich der Hauptschuldner im laufenden Insolvenzverfahren, erfolgt die einfachste Hemmung durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle. Dabei ist es zulässig, die Höhe des Schadens auf einer fundierten Basis zu schätzen.

Ist das Insolvenzverfahren bereits rechtskräftig beendet oder aufgehoben, ist eine Tabellenanmeldung nicht mehr möglich. Dann müssen Sie dringend eine gerichtliche Feststellungsklage erheben. Mit dieser Klage beantragen Sie die gerichtliche Feststellung, dass Ihr Anspruch dem Grunde nach besteht. Diese gerichtliche Feststellung stoppt die laufende Verjährungsfrist. So sichern Sie Ihren Anspruch, bis Sie die endgültige Schadenssumme beziffern und eine Leistungsklage einreichen können.

Lassen Sie umgehend prüfen, welche dieser Maßnahmen in Ihrem spezifischen Verfahrensstadium (vor oder nach Rechtskraft des Sanierungsplans) noch rechtssicher möglich ist.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Akzessorietät

Juristen bezeichnen die Akzessorietät als die grundlegende rechtliche Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der Existenz und dem Schicksal der Hauptschuld. Dieses Prinzip stellt sicher, dass der Bürge dem Gläubiger alle Einwände entgegenhalten darf, die auch dem Hauptschuldner zustehen. Das Gesetz will damit vermeiden, dass eine Sicherheit stärker ist als die Forderung, die sie eigentlich absichern soll.

Beispiel: Das Landgericht Bonn entschied, dass wegen der Akzessorietät die verkürzte Einjahresfrist des Insolvenzrechts gegen die Baufirma auch direkt die Bürgschaftsforderung des öffentlichen Auftraggebers betraf.

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Einrede der Verjährung

Die Einrede der Verjährung ist das Recht des Schuldners oder Bürgen, die Leistung einer an sich bestehenden Forderung dauerhaft zu verweigern, wenn die gesetzliche Frist abgelaufen ist. Sobald die Verjährung eintritt, wandelt sich die Forderung in eine sogenannte Naturalobligation um, die gerichtlich nicht mehr durchsetzbar ist. Das Recht schafft diesen Mechanismus, um nach Ablauf langer Zeit Rechtsfrieden und Planungssicherheit zu gewährleisten.

Beispiel: Die Bürgin konnte die Einrede der Verjährung erfolgreich gegen den öffentlichen Auftraggeber vorbringen, weil dieser seine Forderung nicht fristgerecht zur Insolvenztabelle angemeldet hatte.

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Feststellungsklage

Eine Feststellungsklage ist eine Klageart, mit der ein Kläger die gerichtliche Klärung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses, oft zur Hemmung der Verjährung, beantragt. Dieses Instrument nutzen Gläubiger, wenn der Anspruch dem Grunde nach feststeht, die genaue Höhe des Schadens aber noch nicht beziffert werden kann. Sie verhindert, dass wertvolle Zeit bis zur vollständigen Schadensermittlung abläuft und die Verjährung eintritt.

Beispiel: Der Auftraggeber hätte nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Feststellungsklage erheben müssen, um seine Ansprüche auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten dem Grunde nach zu sichern.

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Insolvenzplanverfahren

Das Insolvenzplanverfahren ist eine spezialisierte Form des Insolvenzrechts, die es einem finanziell angeschlagenen Unternehmen ermöglicht, sich durch einen Sanierungsplan selbst zu verwalten und so die Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Ziel dieses Verfahrens ist die Restrukturierung des Unternehmens außerhalb einer Zerschlagung, wobei die Gläubigergruppen über den Plan abstimmen müssen. Nach der Rechtskraft des Plans erlangt das Unternehmen maximale Rechtssicherheit, was die Grundlage für die radikal verkürzte Einjahresfrist schafft.

Beispiel: Nach Abschluss des Insolvenzplanverfahrens der Baufirma erlangte der Sanierungsplan am 31. März 2021 Rechtskraft, wodurch die verkürzte Verjährungsfrist für Altforderungen ausgelöst wurde.

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Insolvenztabelle

Die Insolvenztabelle ist das amtliche Verzeichnis, in das Gläubiger ihre Ansprüche gegen das insolvente Unternehmen formal und schriftlich anmelden müssen, um im Verfahren berücksichtigt zu werden. Die Anmeldung zur Insolvenztabelle dient als notwendiger Geltendmachungsakt, der die Verjährung der angemeldeten Forderungen hemmt. Wer diese Pflicht im Rahmen eines Sanierungsplanverfahrens versäumt, riskiert, dass die Forderung nach Aufhebung des Verfahrens der radikal verkürzten Einjahresverjährung unterliegt.

Beispiel: Weil der öffentliche Auftraggeber seine Forderung auf Ersatz der Mehrkosten nicht zur Insolvenztabelle anmeldete, konnte die Bürgin erfolgreich argumentieren, die Ansprüche seien verjährt.

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Das vorliegende Urteil


LG Bonn – Az.: 7 O 302/24 – Urteil vom 08.08.2025


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