OLG München – Az.: 9 U 3774/18 Bau – Urteil vom 05.11.2019
In dem Rechtsstreit erlässt das Oberlandesgericht München – 9. Zivilsenat – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2019 folgendes Endurteil:
I. Auf die Berufung der Klägerin vom 29.10.2018 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.10.2018, Az.: 11 O 16422/14, in Ziffer 2. wie folgt abgeändert:
I. Die Klägerin wird auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 14.817,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.11.2014 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits sowie die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin des Beklagten zu tragen. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 33.572,57 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um restlichen Werklohn der Klägerin für ein Bauvorhaben in der M.-Straße in M. sowie um Leistungsverweigerungsrechte und Schadensersatzansprüche des Beklagten wegen Mängeln und verspäteter Fertigstellung des Bauvorhabens.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 05.10.2018, Az.: 11 O 16422/14, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit oben genannter Entscheidung wies das Erstgericht die Klage als derzeit unbegründet ab. Auf die Widerklage hin wurde die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 15.279,00 Euro nebst Zinsen unter Widerklageabweisung im Übrigen zu bezahlen. Tragend stellte dabei das Erstgericht darauf ab, dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung eines Werklohns in Höhe von noch 18.293,57 Euro habe, der Werklohn allerdings deshalb noch nicht fällig sei, weil das Werk noch nicht abnahmefähig sei. Es lägen wesentliche Mängel sowohl des Sondereigentums des Beklagten als auch des Gemeinschaftseigentums vor. Dem Beklagten stünde wegen der verspäteten Benutzbarkeit von Wohnung und Tiefgaragenstellplatz ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 33,00 Euro pro Tag für 463 Tage zu. Die Tiefgarage sei erst am 22.08.2014 fertiggestellt worden. Zwar habe die Klägerin nicht die Bauzeitverzögerung wegen des Bombenfundes zu vertreten, allerdings sehr wohl die Probleme hinsichtlich des Grundwassers.
Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin am 10.10.2018 zugestellte Urteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 29.10.2018, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 30.10.2018, Berufung ein (Bl. 648/649 d.A.), die er mit Schriftsatz vom 10.01.2019 (Bl. 657/678 d.A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, begründete. Er argumentierte, der Werklohnanspruch sei fällig, da sowohl Sonder- wie auch Gemeinschaftseigentum vollständig fertiggestellt seien. Im Übrigen hätten die Wohnungseigentümergemeinschaften die Geltendmachung von Mängeln, was das gemeinschaftliche Eigentum anbelangt, an sich gezogen, so dass der Beklagte insoweit kein Leistungsverweigerungsrecht mehr geltend machen könne. Die vereinbarte Vertragsstrafe habe sich nur auf die Wohnung bezogen, hinsichtlich der Tiefgarage sei eine reduzierte Pauschale anzunehmen. Im Übrigen habe die Tiefgarage bereits seit Frühjahr 2014 tatsächlich genutzt werden können.
Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. das Urteil des Landgerichts München I, Az.: 11 O 16422/14, verkündet am 05.10.2018, zugestellt am 10.10.2018, aufzuheben,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 18.293,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.372,62 Euro seit 30.01.2014 sowie aus weiteren 1.508,42 Euro seit Klagezustellung sowie aus weiteren 1.412,53 Euro seit Zustellung der Klageerweiterung zu bezahlen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 442,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen,
4. die Widerklage des Beklagten insgesamt abzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 08.10.2019 (Bl. 728/731 d.A.).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist hinsichtlich der Klage unbegründet, hinsichtlich der Widerklage weitestgehend unbegründet.
1. Das Erstgericht hat die Klage zutreffend als derzeit unbegründet abgewiesen. Der Werklohn in Höhe von noch unstreitig 18.293,57 Euro ist deshalb noch nicht fällig, weil die Abnahmemängel noch nicht beseitigt worden sind. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht auch auf Mängel des Gemeinschaftseigentums stützen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die WEG die Geltendmachung der hier gegenständlichen Mängel am Gemeinschaftseigentum an sich gezogen hat und diese in einem separaten Prozess verfolgt. Dies betrifft nämlich nur die Prozessführungsbefugnis in Aktivprozessen, nicht die Aktivlegitimation. Der einzelne Erwerber kann daher Zurückbehaltungsrechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend machen oder einwenden, das Objekt sei noch nicht fertiggestellt und mit dieser Begründung die Zahlung der Fertigstellungsrate verweigern. Wie sich im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 08.10.2019 herausgestellt hat, wohnt der Beklagte in einem sogenannten „Haus im Haus“ und ist Sondereigentümer der im Erdgeschoss gelegenen Eigentumswohnung. Diese Wohnungseigentümergemeinschaft, die aus ihm und einem weiteren Wohnungseigentümer besteht, hat hinsichtlich der Mängel am Gemeinschaftseigentum dieser WEG noch keine Klage eingereicht. Die WEG hat auch die Geltendmachung der Mängel am Gemeinschaftseigentum noch nicht an sich gezogen. Lediglich hinsichtlich der Mängel an Tiefgarage und Heizung hat diese (andere) Wohnungseigentümergemeinschaft die Geltendmachung an sich gezogen und sind selbständige Beweisverfahren vor dem Landgericht München I (Az.: 11 OH 7478/18 und 5 OH 3101/18) anhängig.
2. Hinsichtlich des Leistungsverweigerungsrechts gilt:
Die Wohnung mit Außenanlagen und das Gemeinschaftseigentum im „Haus im Haus“ weisen jedenfalls Mängel auf hinsichtlich der Terrassentreppe sowie hinsichtlich der Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke, der Hebepumpenanlage in der Nachbarwohnung und hinsichtlich der Wohnungstrenndecke auf. Anders als die Klägerin meint, sind für die Beseitigung des Mangels an der Terrassentreppe vom Sachverständigen 1.500,00 Euro brutto veranschlagt. Der Beklagte muss sich nämlich nicht auf eine optisch mangelhafte Ausbesserung, die nur 300,00 Euro kosten würde, einlassen.
Hinsichtlich der Trittschalldämmung haben die Parteien zwar hinsichtlich des Wohngebäudes ausdrücklich vereinbart, dass der Schallschutz nach DIN 4109 Tabelle 3 ausgeführt werden soll. Der Senat teilt allerdings die Ausführungen des Erstgerichts, dass trotz dieser ausdrücklichen Vereinbarung die erhöhten Schallschutzanforderungen gemäß dem 2. Beiblatt der DIN 4109 hier maßgebend sind, weil die Klägerin die Herstellung des Bauvorhabens nach den anerkannten Regeln der Technik schuldete (Ziffer II. 1. des Kaufvertrages, Anlage K 1). Haben die Parteien zumindest den im heutigen Wohnungsbau üblichen Qualitäts- und Komfortstandard sowie die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik vereinbart, gehört ein über den Mindestanforderungen liegender Schallschutz zum Vertragsinhalt. Es muss eine gegenüber dem Mindeststandard spürbare, deutlich wahrnehmbare Erhöhung erreicht werden (Senat, Urteil vom 19.05.2009 – 9 U 4198/08, IBRRS 2010, 4423). Die Trittschalldämmung der Wohnungstreppe erfüllt ohnehin nicht den Mindestschallschutz gemäß DIN 4109 Tabelle 3, somit auch nicht die Werte des 2. Beiblattes der DIN 4109. Sie ist daher – unabhängig von der oben dargestellten Rechtsfrage – mangelhaft ausgeführt, wobei die Kosten der Sanierung auf bis zu 100.000,00 Euro vom Sachverständigen geschätzt worden sind.
Die Hebepumpenanlage in der Nachbarwohnung erfüllt ebenfalls nicht den Mindestschallschutz gemäß DIN 4109 Tabelle 3. Selbst wenn, wie von der Klagepartei vorgetragen, nur Mangelbeseitigungskosten zwischen 400,00 und 1.000,00 Euro anfallen, so ist doch ein Gesamtbetrag von weit über 100.000,00 Euro anzusetzen. Darüber hinaus liegt auch ein Mangel hinsichtlich der Parkettabsenkung in der Wohnung des Beklagten vor, den der Sachverständige mit ca. 18.000,00 Euro brutto angesetzt hat. Die festgestellten Mängel sind auch wesentlich. Angesichts dieser Mängel kommt es für die Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle nicht mehr darauf an, ob sich die Klagepartei hinsichtlich des auf dem Sondernutzungsbereich des Beklagten errichteten Lüftungshäuschens auf mangelnde Verantwortlichkeit deshalb berufen kann, weil die Pläne sowie die Entlüftungsgenehmigung vom 27.07.2012 (Anlage K 10) von der Streithelferin des Beklagten vorgegeben wurden.
3. Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich der Widerklage in Höhe von 462,00 Euro begründet. Dem Beklagten steht gegen die Klägerin lediglich ein pauschaler Schadensersatzanspruch in Höhe von 15.279,00 Euro wegen der verspäteten Fertigstellung von Wohnung und Tiefgarage zu. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach hier von einem pauschalierten Schadensersatzanspruch auszugehen ist. Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der Regelung in Ziffer C. II. 4 des Kauf- und Werkvertrages vom 19.04.2012 (Anlage K 1) sowie der zum Ausdruck gekommene Zweck, die verspätete Fertigstellung pauschal zu sanktionieren. Wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend erörtert hat, ist angesichts des klaren Wortlauts der vertraglichen Regelung nicht nur die Wohnung, sondern auch die Tiefgarage erfasst. Die Klägerin hätte durchaus den Wortlaut der Regelung anders fassen bzw. vorschlagen können. Eine Unklarheit kann nicht zu ihren Gunsten gehen, § 305 c Abs. 2 BGB. Auch wenn nicht die Klägerin, sondern die Streithelferin des Beklagten den Notar beauftragt und das Gesamtkonzept des Vertrages entwickelt haben mag, so ist die Verwendereigenschaft der Klägerin zu bejahen, da Formulierer und Verwender nicht identisch sein müssen. §§ 305 ff. BGB können deshalb auch anwendbar sein, wenn eine Vertragspartei die von Dritten vorformulierten Vertragsbedingungen stellt (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 3. Teil Rn. 10 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat deshalb die Klägerin in dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag, welcher Bestandteil des Kauf- und Werkvertrages vom 19.04.2012 ist, somit die von der Firma ### vorformulierten Vertragsbedingungen gegenüber dem Beklagten gestellt. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts, wonach die Tiefgarage erst am 22.08.2018 fertiggestellt wurde, begegnet aus Sicht des Senats keinen Bedenken. Die Angriffe der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts schlagen nicht durch. Das Erstgericht hat sich umfassend mit den Aussagen der verschiedenen Zeugen auseinandergesetzt und hat rechtsfehlerfrei den Beweis der Klägerin für ihre Behauptung, Benutzungsfertigkeit habe schon am 25.03.2014 vorgelegen, als nicht geführt angesehen. Soweit das Erstgericht allerdings davon ausgeht, der Klägerin sei nicht gelungen, nachzuweisen, dass sie die Probleme hinsichtlich des Grundwassers nicht zu vertreten habe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die Klägerin durfte sich auf die Richtigkeit der Angaben im Erläuterungsbericht zum wasserrechtlichen Antrag hinsichtlich der Grundwassersituation verlassen. Diesen hatte die Firma B. als Bauherrin im Rahmen des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 WHG vorgelegt und die notwendige Erlaubnis erhalten. Ob der Erläuterungsbericht zum wasserrechtlichen Antrag Bestandteil der durch die Firma B. an die Beklagten mitverkauften Baupläne ist, dürfte irrelevant sein, da jedenfalls die aufgrund dieses Berichts erteilte wasserrechtliche Erlaubnis auf den Beklagten als Rechtsnachfolger der Firma B. übergegangen ist. Der Beklagte hat demnach auch die wasserrechtliche Erlaubnis mitgekauft. Etwaige Fehler im Rahmen des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens liegen nicht im Verantwortungsbereich der Klägerin. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn sich für die Klägerin aufdrängen musste, dass die Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung zu Unrecht erfolgt war bzw. auf unzutreffenden Annahmen bezüglich der Grundwasserverhältnisse beruhte. In diesem Fall hätte die Klägerin Bedenken anmelden müssen. Der diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten, wonach die Klägerin mit Grundwasserproblemen habe rechnen müssen, weil dies in dem fraglichen Gebiet allgemein bekannt sei bzw. weil die Klägerin dort bereits mehrere Bauvorhaben durchgeführt habe, ist in seiner Allgemeinheit nicht geeignet, derartige Umstände darzulegen, das beklagtenseits hierfür angebotene Sachverständigengutachten ist in der Ermangelung konkreter Anknüpfungspunkte nicht zu erholen. Allerdings können für diese Verzögerung nur 14 Tage angesetzt werden. Die Behauptung der Klägerin, dies habe sie zwei Monate gekostet, haben die Zeugen nicht bestätigt. Der Zeuge R. (Protokoll vom 14.06.2017, Bl. 485/503 d.A.) hat in seiner Zeugeneinvernahme ausgeführt, dass nach seiner Schätzung allein für die Duplexparker zwei Wochen an Mehrzeit angefallen seien. Auf den Vorhalt, dass wegen des Problems der Wasserhaltung zwei Monate Verzug eingetreten sein sollen, hielt er das für lang. Er meinte allerdings, es könnten auch vier Wochen statt nur zwei gewesen sein. Der Zeuge Ro. meinte, dass sich durch die Probleme mit dem Grundwasser eine Bauvorhabenverlängerung um drei oder vier Monate ergeben hätte. Das habe er nach dem Gefühl geschätzt. Angesichts der vagen Angaben der Zeugen kann nach Auffassung des Senats nur der sichere Mindestzeitraum, also zwei Wochen zugrunde gelegt werden, d.h. 14 Tage. Damit ergibt sich ein Anspruch für 449 Tage in Höhe von 33,00 Euro pro Tag, insgesamt also ein Betrag in Höhe von 14.817,00 Euro.
III.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 92, 101 ZPO.
IV.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert war gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 GKG, 3 ff. ZPO auf 33.572,57 Euro festzusetzen.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.