Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wie kann ein Weg gleichzeitig befahrbar und nicht befahrbar sein?
- Was wollten die Bauherren errichten und woran scheiterte es zunächst?
- Warum sah das erste Gericht die Zufahrt als nicht gesichert an?
- Mit welchen Argumenten kämpften die Bauherren um ihr Recht?
- Welches Recht wiegt schwerer: das private Fahrtrecht oder die öffentliche Widmung als Fußweg?
- Könnte die Zufahrt nicht einfach über den Rathausvorplatz erfolgen?
- Warum half den Bauherren auch ein „Wegerecht aus Not“ nicht weiter?
- Wie lautete die endgültige Entscheidung des Gerichts?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was versteht man unter einer gesicherten Erschließung für ein Baugrundstück?
- Wie verhält sich ein im Grundbuch eingetragenes privates Wegerecht zu einer späteren öffentlichen Widmung eines Weges?
- Können rein faktisch genutzte Wege als gesicherte Zufahrt für ein Bauvorhaben dienen?
- Welche Bedeutung hat ein Notwegerecht im Kontext der bauplanungsrechtlichen Erschließung?
- Welche Rolle spielt die ausreichende Erschließung im Bauantragsverfahren?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ZB 23.1655 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
- Datum: 02.06.2025
- Aktenzeichen: 1 ZB 23.1655
- Verfahren: Zulassungsverfahren zur Berufung
- Rechtsbereiche: Baurecht (Genehmigung von Bauvorhaben), Wegerecht (Nutzung öffentlicher Wege), Privatrechtliche Wege- und Durchfahrtsrechte
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Kläger sind Personen, die ein Vierfamilienhaus bauen wollten. Sie beantragten eine vorläufige Baugenehmigung für ihr Grundstück.
- Beklagte: Das Landratsamt ist die zuständige Baubehörde. Es lehnte die vorläufige Baugenehmigung wegen fehlender Erschließung ab.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Die Kläger wollten ein Mehrfamilienhaus bauen und beantragten eine vorläufige Baugenehmigung. Die zuständige Baubehörde lehnte dies ab, weil das Grundstück angeblich keinen gesicherten Zugang für Fahrzeuge hatte.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Ist ein Baugrundstück ausreichend an das öffentliche Wegenetz angeschlossen, wenn die geplante Zufahrt über einen reinen Fußweg führt, selbst wenn für diesen Weg ein altes privates Durchfahrtsrecht für Autos besteht?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Der Antrag der Kläger, das Urteil der Vorinstanz überprüfen zu lassen, wurde abgelehnt.
- Zentrale Begründung: Die geplante Zufahrt über den öffentlichen Fußweg ist nicht ausreichend, da die öffentliche Widmung für Fußgänger Vorrang vor einem älteren privaten Fahrrecht hat.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Kläger dürfen ihr geplantes Bauvorhaben nicht wie beantragt umsetzen und müssen die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Wie kann ein Weg gleichzeitig befahrbar und nicht befahrbar sein?
Im Zentrum dieses Falles steht ein scheinbar unauflösbarer Widerspruch: Ein Wegerecht, das 1951 in das Grundbuch eingetragen wurde, erlaubte den Eigentümern eines Grundstücks ausdrücklich, einen bestimmten Weg „mit Fahrzeugen aller Art“ zu befahren. Jahrzehnte später jedoch erklärte die zuständige Gemeinde genau diesen Weg zu einem öffentlichen Fußweg.

Für eine Familie, die auf dem angrenzenden Grundstück ein Mehrfamilienhaus bauen wollte, wurde dieser Widerspruch zur entscheidenden Hürde. Ihr Bauvorhaben hing an einer einzigen Frage: Gilt das alte, private Recht zu fahren, oder hat die neue, öffentliche Widmung als Fußweg Vorrang? Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof musste diesen juristischen Knoten entwirren.
Was wollten die Bauherren errichten und woran scheiterte es zunächst?
Die Kläger, eine bauwillige Familie, planten auf ihrem Grundstück in der Gemeinde H. die Errichtung eines modernen Vierfamilienhauses. Ihr Grundstück lag in einer ruhigen Gegend, umgeben von einem Rathaus mit Parkplatz und anderen Flächen. Die einzige geplante Zufahrt zu ihrem zukünftigen Zuhause sollte über einen schmalen Weg namens „U…weg“ erfolgen.
Um sicherzugehen, dass ihr Projekt grundsätzlich genehmigungsfähig ist, beantragten sie beim zuständigen Landratsamt einen sogenannten Vorbescheid. Ein Vorbescheid ist eine Art vorläufige Zusage der Baubehörde zu einzelnen, wichtigen Fragen eines Bauvorhabens, noch bevor ein vollständiger Bauantrag eingereicht wird. In diesem Fall wollten die Bauherren wissen, ob ihr Vorhaben bauplanungsrechtlich, also nach den allgemeinen Regeln für die Bebaubarkeit von Grundstücken, zulässig ist.
Doch der Plan stieß auf Widerstand. Die Gemeinde, der der „U…weg“ gehört, verweigerte ihre Zustimmung. Sie argumentierte, die Erschließung des Grundstücks sei nicht gesichert. Unter Erschließung versteht man die Anbindung eines Grundstücks an die öffentliche Infrastruktur, wozu zwingend auch eine befahrbare Straße gehört. Ohne eine gesicherte Zufahrt für Autos, Müllabfuhr oder Rettungsfahrzeuge darf in der Regel kein Wohnhaus gebaut werden. Das Landratsamt folgte der Argumentation der Gemeinde und lehnte den Vorbescheid mit Bescheid vom 4. Juni 2020 ab.
Warum sah das erste Gericht die Zufahrt als nicht gesichert an?
Die Bauherren gaben nicht auf und zogen vor das Verwaltungsgericht. Doch auch dort erlitten sie eine Niederlage. Nach einer Besichtigung vor Ort kam das Gericht in seinem Urteil vom 20. April 2023 zu dem Schluss, dass die Erschließung tatsächlich nicht gesichert sei.
Der Knackpunkt war die rechtliche Natur des „U…wegs“. Dieser Weg war zwar ein öffentlicher Weg, aber er war durch die Gemeinde offiziell als Beschränkt-öffentlicher Weg ausschließlich für den Fußgängerverkehr gewidmet worden. Eine Widmung ist ein formaler Rechtsakt, mit dem eine Gemeinde eine private Fläche für einen bestimmten öffentlichen Zweck bestimmt – in diesem Fall zum Spazierengehen. Das Befahren mit Autos war auf diesem Weg damit grundsätzlich verboten. Das Gericht stellte klar: Eine Zufahrt, die über einen reinen Fußweg führt, erfüllt nicht die Anforderung an eine gesicherte verkehrsmäßige Erschließung. Ein Baugrundstück muss für Kraftfahrzeuge erreichbar sein, und das war hier rechtlich nicht der Fall.
Mit welchen Argumenten kämpften die Bauherren um ihr Recht?
Gegen dieses Urteil legten die Bauherren Rechtsmittel ein und beantragten die Zulassung zur Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Sie waren überzeugt, dass das erste Urteil fehlerhaft war. Ihr stärkstes Argument war das alte Recht aus dem Jahr 1951. Damals wurde zu ihren Gunsten eine sogenannte Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen. Das ist ein im Grundbuch verankertes, dauerhaftes Recht, ein fremdes Grundstück auf eine bestimmte Weise zu nutzen – hier, es „mit Fahrzeugen aller Art“ zu überqueren. Dieses Recht, so argumentierten die Bauherren, könne nicht einfach durch die spätere Widmung als Fußweg ausgehebelt werden.
Zudem warfen sie der Gemeinde vor, ihre Monopolstellung als Eigentümerin der Wege missbräuchlich auszunutzen, um ihr Bauvorhaben zu verhindern. Es sei doch nur eine kurze Zufahrt über wenige Meter geplant. Des Weiteren brachten sie vor, dass die Zufahrt auch über den angrenzenden Rathausvorplatz und dessen Parkplatz möglich sei. Diese Flächen seien zwar nicht offiziell als Straße gewidmet, würden aber wie öffentliche Straßen genutzt und seien somit „tatsächlich öffentliche Wege“. Schließlich führten sie an, dass ihnen zumindest ein Notwegerecht zustehe – ein Recht, das ein Eigentümer beanspruchen kann, wenn sein Grundstück sonst gar nicht erreichbar ist.
Welches Recht wiegt schwerer: das private Fahrtrecht oder die öffentliche Widmung als Fußweg?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag der Bauherren zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Richter zerlegten die Argumentation der Bauherren Stück für Stück und legten den Kern des Problems frei: das Aufeinandertreffen von privatem Recht und öffentlichem Recht.
Das Gericht erklärte, dass die öffentliche Widmung eines Weges eine sehr starke Rechtswirkung entfaltet. Sie legt einen öffentlichen Zweck fest, dem sich private Interessen unterordnen müssen. Das alte, private Fahrtrecht der Bauherren aus dem Jahr 1951 existiert zwar weiterhin auf dem Papier, es wird aber durch die spätere öffentliche Widmung als Fußweg überlagert.
Man kann es sich wie folgt vorstellen: Jemandem gehört ein privater Garten (das entspricht dem alten Fahrtrecht). Die Stadt beschließt nun, diesen Garten als öffentlichen Spielplatz auszuweisen (das entspricht der Widmung). Der Eigentümer verliert sein Eigentum nicht, aber er darf seinen Garten nicht mehr so nutzen, dass es dem Zweck als Spielplatz widerspricht. Er dürfte also zum Beispiel kein Gemüsebeet mehr anlegen oder einen privaten Schuppen bauen.
Genauso verhält es sich mit dem „U…weg“. Das private Recht, den Weg zu befahren, besteht zwar noch, aber es darf nicht ausgeübt werden, weil es dem öffentlichen Zweck – ein Weg nur für Fußgänger zu sein – widerspricht. Das öffentliche Recht hat hier Vorrang. Die Gemeinde ist durch die Widmung sogar verpflichtet, Autoverkehr auf dem Weg zu unterbinden.
Könnte die Zufahrt nicht einfach über den Rathausvorplatz erfolgen?
Auch das Argument, die Zufahrt könne über den Rathausvorplatz und dessen Parkplatz erfolgen, verfing nicht. Zum einen, so das Gericht, müsste selbst bei dieser Variante immer noch das kurze Stück des als Fußweg gewidmeten „U…wegs“ überquert werden, um auf das Baugrundstück zu gelangen. Das Problem bliebe also dasselbe.
Zum anderen machten die Richter deutlich, dass es im bayerischen Recht keine „faktische“ oder „tatsächlich öffentliche“ Straße gibt. Eine Verkehrsfläche ist nur dann eine öffentliche Straße mit allen Rechten und Pflichten, wenn sie förmlich gewidmet wurde. Die Tatsache, dass der Rathausvorplatz von der Öffentlichkeit genutzt wird, macht ihn nicht zu einer öffentlichen Straße. Die Gemeinde als Eigentümerin könnte die Nutzung durch die Allgemeinheit jederzeit widerrufen und den Platz sperren. Eine Zufahrt, die von der reinen Duldung eines Eigentümers abhängt, ist nicht auf Dauer rechtlich gesichert und genügt daher nicht den strengen Anforderungen der Erschließung für ein Bauvorhaben.
Warum half den Bauherren auch ein „Wegerecht aus Not“ nicht weiter?
Als letzten Strohhalm hatten die Bauherren ein Notwegerecht ins Spiel gebracht. Dieses Recht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch soll verhindern, dass ein Grundstück komplett von der Außenwelt abgeschnitten ist. Das Gericht stellte jedoch klar, dass auch dieses Recht im Baurecht nicht weiterhilft. Die Anforderungen an eine gesicherte Erschließung im öffentlichen Baurecht sind strenger und auf Dauerhaftigkeit ausgelegt als das zivilrechtliche Notwegerecht. Ein Notwegerecht ist eine Lösung für den Notfall, aber keine solide, dauerhafte Grundlage für die Erschließung eines neuen Mehrfamilienhauses.
Wie lautete die endgültige Entscheidung des Gerichts?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Fehler aufwies. Die Richter fassten ihre zentrale Begründung zusammen:
- Öffentliche Widmung hat Vorrang: Die Erschließung über den „U…weg“ ist nicht gesichert, da dieser Weg wirksam nur für den Fußgängerverkehr gewidmet ist. Das Befahren mit Kraftfahrzeugen ist dort unzulässig.
- Privates Recht wird überlagert: Das ältere, private Geh- und Fahrtrecht ändert daran nichts. Es wird durch die öffentliche Widmung überlagert und darf nicht so ausgeübt werden, dass es dem öffentlichen Zweck widerspricht.
- Keine Alternativen: Eine Zufahrt über andere, nicht-gewidmete Flächen ist rechtlich nicht gesichert, da es im bayerischen Recht keine „tatsächlich öffentlichen“ Wege gibt und ein Notwegerecht für die bauplanungsrechtliche Erschließung nicht ausreicht.
Der Antrag der Bauherren auf Zulassung der Berufung wurde daher abgelehnt. Damit wurde das Urteil der ersten Instanz rechtskräftig. Der Traum vom Vierfamilienhaus war an der rechtlichen Natur eines schmalen Fußwegs endgültig gescheitert.
Wichtigste Erkenntnisse
Die öffentliche Widmung einer Verkehrsfläche verdrängt private Nutzungsrechte, selbst wenn diese jahrzehntelang bestanden haben.
- Öffentliches Recht bricht privates Recht: Eine Grunddienstbarkeit aus dem Jahr 1951, die das Befahren „mit Fahrzeugen aller Art“ erlaubte, wird durch die spätere öffentliche Widmung als Fußweg überlagert und kann nicht mehr ausgeübt werden.
- Formelle Widmung schlägt faktische Nutzung: Verkehrsflächen gelten nur dann als öffentliche Straßen, wenn sie förmlich gewidmet wurden – die bloße Nutzung durch die Öffentlichkeit begründet keine dauerhaften Erschließungsrechte.
- Zivilrechtliche Notlösungen genügen nicht den bauplanungsrechtlichen Anforderungen: Ein Notwegerecht aus dem BGB kann die strengeren Erschließungsanforderungen im öffentlichen Baurecht nicht erfüllen.
Private Rechte müssen dem öffentlichen Zweck weichen, wenn Gemeinden ihre Verkehrsflächen widmen – selbst alte Grundbucheinträge können diese Rangfolge nicht durchbrechen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wird Ihr Bauprojekt wegen Zufahrt über einen Fußweg nicht genehmigt? Erhalten Sie eine erste Orientierung zu Ihrem Fall: unverbindlich Ersteinschätzung anfragen.
Das Urteil in der Praxis
Für jeden, der im Immobilienbereich tätig ist, sendet dieses Urteil ein unmissverständliches Signal. Es zementiert gnadenlos: Ein privates Wegerecht, selbst wenn grundbuchlich gesichert, kann im Baurecht ins Leere laufen, wenn es einer späteren öffentlichen Widmung widerspricht. Wer eine sichere Erschließung benötigt, darf sich nicht auf „faktisch öffentliche“ Wege oder zivilrechtliche Notlösungen verlassen. Dieses Urteil unterstreicht, dass die förmliche öffentliche Widmung einer Fläche für den Verkehr das A und O für die Baugenehmigung bleibt. Hier zählt allein die juristische Realität der Widmung, nicht die gelebte Nutzung oder alte Rechte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was versteht man unter einer gesicherten Erschließung für ein Baugrundstück?
Eine gesicherte Erschließung bedeutet, dass ein Baugrundstück dauerhaft und zuverlässig an die öffentliche Infrastruktur angebunden ist, ohne die ein Bauvorhaben nicht genehmigt wird. Dies umfasst insbesondere die Anbindung an das öffentliche Straßennetz für Fahrzeuge, Rettungsdienste und Müllabfuhr sowie an Versorgungseinrichtungen wie Wasser, Abwasser und Strom.
Man kann sich ein Haus ohne gesicherte Erschließung wie einen Körper ohne Blutzirkulation vorstellen – es kann nicht existieren und genutzt werden.
Die Anbindung an das öffentliche Straßennetz muss rechtlich gesichert und für Kraftfahrzeuge befahrbar sein. Eine reine Duldung der Nutzung durch einen Eigentümer oder eine Widmung des Weges ausschließlich als Fußweg reichen für die baurechtliche Erschließung nicht aus. Es ist entscheidend, dass die Verkehrsfläche förmlich für den entsprechenden Zweck, also als befahrbare Straße, gewidmet wurde. Ohne eine solche gesicherte Zufahrt für alle notwendigen Dienste, von der Müllabfuhr bis zu Rettungsfahrzeugen, ist der Bau eines Wohnhauses in der Regel nicht zulässig.
Diese strenge Anforderung schützt die dauerhafte Nutzbarkeit und die öffentliche Sicherheit des Grundstücks. Daher ist die sorgfältige Prüfung der Erschließungssituation eines Grundstücks ein absolutes Muss, bevor man es kauft oder einen Bauantrag stellt.
Wie verhält sich ein im Grundbuch eingetragenes privates Wegerecht zu einer späteren öffentlichen Widmung eines Weges?
Ein im Grundbuch eingetragenes privates Wegerecht wird durch eine spätere öffentliche Widmung eines Weges als Fußweg in seiner Ausübung stark eingeschränkt und kann sogar überlagert werden. Obwohl das private Recht formal bestehen bleibt, hat der öffentliche Zweck des gewidmeten Weges oft Vorrang.
Stellen Sie sich vor, Ihnen gehört ein privater Garten. Wenn die Stadt diesen Garten nun offiziell zum öffentlichen Spielplatz widmet, bleibt er zwar Ihr Eigentum. Sie dürfen ihn jedoch nicht mehr so nutzen, dass es dem Zweck als Spielplatz widerspricht, beispielsweise indem Sie dort ein privates Gemüsebeet anlegen oder einen Schuppen bauen.
Ähnlich verhält es sich mit dem privaten Wegerecht und der öffentlichen Widmung. Eine öffentliche Widmung legt einen bestimmten Zweck für eine Fläche fest, dem sich private Interessen unterordnen müssen. Wenn ein Weg also öffentlich nur für den Fußgängerverkehr gewidmet wird, ist das Befahren mit Kraftfahrzeugen dort grundsätzlich unzulässig. Die zuständige Stelle ist sogar verpflichtet, Autoverkehr zu unterbinden.
Daher ist es wichtig, bei der Prüfung von Grundstücksrechten immer auch die öffentlich-rechtliche Widmung von angrenzenden Flächen zu berücksichtigen, da diese die praktische Ausübbarkeit privater Rechte massiv beeinflussen kann.
Können rein faktisch genutzte Wege als gesicherte Zufahrt für ein Bauvorhaben dienen?
Auch wenn ein Weg tatsächlich genutzt wird, kann er in Bayern nicht als rechtlich gesicherte Zufahrt für ein Bauvorhaben dienen. Eine bloße Nutzung, die auf Duldung beruht, erfüllt die hohen Anforderungen an die Erschließung nicht.
Man kann es sich vorstellen wie bei einem Privatparkplatz: Nur weil ein Platz jahrelang von der Öffentlichkeit genutzt wurde, bedeutet dies nicht, dass die Nutzer ein dauerhaftes Recht darauf haben. Der Eigentümer könnte die Nutzung jederzeit untersagen oder den Platz sperren.
Für die bauplanungsrechtliche Erschließung eines Grundstücks ist eine dauerhaft gesicherte Zufahrt für Kraftfahrzeuge zwingend erforderlich. Dies bedeutet, dass eine Fläche entweder förmlich als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet sein muss oder ein anderes rechtlich abgesichertes privates Nutzungsrecht, wie eine im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit oder eine Baulast, vorliegen muss. Eine Widmung ist ein formaler Rechtsakt einer Gemeinde, der eine Fläche für einen bestimmten öffentlichen Zweck bestimmt. Ohne eine solche formelle Sicherung ist eine Zufahrt, die lediglich auf der Duldung des Eigentümers basiert, nicht ausreichend, da dieser die Duldung jederzeit widerrufen könnte.
Diese Regelung soll die langfristige und zuverlässige Erreichbarkeit von Grundstücken für alle notwendigen Zwecke, inklusive Rettungs- und Versorgungsfahrzeuge, gewährleisten.
Welche Bedeutung hat ein Notwegerecht im Kontext der bauplanungsrechtlichen Erschließung?
Ein zivilrechtliches Notwegerecht reicht in der Regel nicht aus, um die strengen Anforderungen an eine bauplanungsrechtlich gesicherte Erschließung für ein Bauvorhaben zu erfüllen. Es handelt sich um eine Notlösung im Zivilrecht, um die Nutzung eines bereits bestehenden Grundstücks zu ermöglichen, falls dieses von der Außenwelt abgeschnitten ist.
Man kann es sich wie folgt vorstellen: Ein Notwegerecht ist wie ein Erste-Hilfe-Kit – es hilft in einem akuten Problemfall. Eine gesicherte Erschließung hingegen ist wie eine voll ausgestattete Notaufnahme; sie bietet die umfassende, dauerhafte und rechtlich abgesicherte Infrastruktur, die für ein großes Bauprojekt erforderlich ist.
Die bauplanungsrechtliche Erschließung stellt die Anbindung eines Grundstücks an die öffentliche Infrastruktur sicher. Dazu gehört zwingend eine dauerhaft befahrbare Straße für Fahrzeuge aller Art, wie Autos, Müllabfuhr oder Rettungsdienste. Ohne eine solche gesicherte Zufahrt darf ein neues Wohnhaus in der Regel nicht gebaut werden. Die Anforderungen des öffentlichen Baurechts sind viel strenger und auf Dauerhaftigkeit ausgelegt als das private Notwegerecht. Letzteres ist für eine neue Bebauung keine solide, langfristige Grundlage.
Daher sollte man bei der Planung eines Bauvorhabens unbedingt die Anforderungen an die gesicherte Erschließung nach dem Bauplanungsrecht beachten, da ein Notwegerecht allein diese nicht ersetzen kann.
Welche Rolle spielt die ausreichende Erschließung im Bauantragsverfahren?
Die ausreichende Erschließung eines Grundstücks ist eine zwingende gesetzliche Voraussetzung für die Genehmigung eines Bauantrags. Ohne den Nachweis einer gesicherten Anbindung an die öffentliche Infrastruktur, insbesondere einer befahrbaren Straße, kann ein Bauvorhaben nicht zugelassen werden.
Man kann sich die Erschließung wie die Lebensadern eines Hauses vorstellen: Nur wenn alle Verbindungen – insbesondere die Zufahrt für Fahrzeuge – dauerhaft und rechtlich gesichert sind, kann das Bauvorhaben überhaupt funktionieren und genehmigt werden.
Unter Erschließung versteht man die Anbindung eines Grundstücks an die notwendige öffentliche Infrastruktur, wozu zwingend eine für Kraftfahrzeuge nutzbare Straße gehört. Dies umfasst den Zugang für Autos, die Müllabfuhr oder Rettungsfahrzeuge. Gerichte lehnen Bauvorhaben ab, wenn eine solche Zufahrt nicht gesichert ist, etwa wenn ein Weg ausschließlich für den Fußgängerverkehr gewidmet wurde.
Es reicht nicht aus, wenn ein Weg lediglich faktisch genutzt wird oder eine Zufahrt von der Duldung eines Eigentümers abhängt, da dies keine auf Dauer rechtlich gesicherte Lösung darstellt. Auch private Wegerechte oder Notwegerechte sind für die Erschließung eines neuen Bauvorhabens im öffentlichen Baurecht in der Regel nicht ausreichend, da die öffentliche Widmung eines Weges Vorrang hat. Diese strenge Regelung stellt sicher, dass Bauvorhaben funktionsfähig sind und die öffentliche Sicherheit und Ordnung jederzeit gewährleistet ist. Bauherren sollten daher stets die Erschließungssituation ihres Grundstücks vorab klären, um Ablehnungen, unnötige Kosten und Zeitverluste zu vermeiden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beschränkt-öffentlicher Weg
Ein beschränkt-öffentlicher Weg ist eine öffentliche Verkehrsfläche, die nur von bestimmten Verkehrsteilnehmern genutzt werden darf. Anders als bei einer normalen Straße ist hier nicht der gesamte Verkehr zugelassen, sondern nur bestimmte Gruppen – zum Beispiel nur Fußgänger oder nur Radfahrer. Die Gemeinde legt durch die Widmung fest, wer den Weg nutzen darf und wer nicht.
Beispiel: Der „U…weg“ war als beschränkt-öffentlicher Weg ausschließlich für den Fußgängerverkehr gewidmet, weshalb das Befahren mit Autos dort grundsätzlich verboten war.
Erschließung
Erschließung bedeutet die dauerhafte Anbindung eines Grundstücks an die öffentliche Infrastruktur, ohne die kein Bauvorhaben genehmigt wird. Dazu gehört vor allem eine befahrbare Zufahrt für Autos, Müllabfuhr und Rettungsfahrzeuge, aber auch Anschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom. Die Zufahrt muss rechtlich gesichert sein – eine bloße Duldung durch einen Eigentümer reicht nicht aus.
Beispiel: Die Gemeinde verweigerte ihre Zustimmung zum Bauvorhaben, weil die Erschließung des Grundstücks nicht gesichert war – der einzige Zufahrtsweg war nur als Fußweg gewidmet.
Grunddienstbarkeit
Eine Grunddienstbarkeit ist ein ins Grundbuch eingetragenes, dauerhaftes Recht, ein fremdes Grundstück auf eine bestimmte Weise zu nutzen. Dieses Recht „klebt“ am Grundstück und geht bei einem Verkauf automatisch auf den neuen Eigentümer über. Es kann nicht einfach gekündigt werden, sondern besteht so lange, wie es im Grundbuch steht.
Beispiel: Die Bauherren hatten seit 1951 eine Grunddienstbarkeit im Grundbuch stehen, die ihnen erlaubte, den „U…weg“ mit „Fahrzeugen aller Art“ zu befahren.
Notwegerecht
Ein Notwegerecht ist ein gesetzliches Recht, über ein fremdes Grundstück zu gehen oder zu fahren, wenn das eigene Grundstück sonst gar nicht erreichbar wäre. Es ist eine Art Notlösung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, die verhindert, dass ein Grundstück komplett von der Außenwelt abgeschnitten wird. Für neue Bauvorhaben reicht es aber meist nicht aus.
Beispiel: Die Bauherren argumentierten mit einem Notwegerecht als letzte Option, doch das Gericht stellte klar, dass dies für die bauplanungsrechtliche Erschließung eines Mehrfamilienhauses nicht ausreicht.
Vorbescheid
Ein Vorbescheid ist eine Art vorläufige Zusage der Baubehörde zu wichtigen Einzelfragen eines geplanten Bauvorhabens, bevor der vollständige Bauantrag gestellt wird. Er gibt Bauherren Rechtssicherheit zu kritischen Punkten und hilft, teure Planungen zu vermeiden, wenn das Projekt später doch nicht genehmigungsfähig ist. Der Vorbescheid ist rechtlich bindend.
Beispiel: Die Familie beantragte einen Vorbescheid, um zu klären, ob ihr geplantes Vierfamilienhaus bauplanungsrechtlich überhaupt zulässig ist, bevor sie die teuren Detail-Planungen beginnt.
Widmung
Eine Widmung ist ein formaler Rechtsakt, mit dem eine Gemeinde eine Fläche für einen bestimmten öffentlichen Zweck bestimmt. Durch die Widmung wird festgelegt, wofür ein Weg oder Platz genutzt werden darf – zum Beispiel als Straße für alle Fahrzeuge oder nur als Fußweg. Diese Entscheidung ist rechtlich sehr stark und kann private Nutzungsrechte überlagern.
Beispiel: Die Gemeinde hatte den „U…weg“ offiziell als Fußweg gewidmet, wodurch das private Fahrtrecht der Bauherren praktisch nicht mehr ausgeübt werden konnte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Gesicherte Erschließung (Bauplanungsrechtliches Prinzip)
Ein Grundstück für ein Bauvorhaben muss dauerhaft und zuverlässig an öffentliche Straßen und Versorgungsnetze angebunden sein.
→ Bedeutung vorliegenden: Die geplante Zufahrt über den „U…weg“ wurde nicht als gesicherte Erschließung anerkannt, da der Weg rechtlich nur für Fußgänger zugelassen war und somit keine Zufahrt für Kraftfahrzeuge bot, was für ein Mehrfamilienhaus aber zwingend erforderlich ist.
Vorrang der öffentlichen Widmung (Öffentlich-rechtliches Prinzip)
Wenn eine Gemeinde einen Weg für einen bestimmten öffentlichen Zweck widmet, müssen private Nutzungsrechte dem übergeordneten öffentlichen Zweck weichen oder dürfen diesem nicht widersprechen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Bauherren ein privates Fahrtrecht aus dem Jahr 1951 besaßen, hatte die spätere öffentliche Widmung des „U…wegs“ als reiner Fußweg Vorrang, sodass das private Fahrtrecht für die Erschließung mit Fahrzeugen nicht mehr ausgeübt werden durfte.
Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB)
Eine Grunddienstbarkeit ist ein im Grundbuch eingetragenes Recht, das es dem Eigentümer eines Grundstücks erlaubt, ein anderes Grundstück auf bestimmte Weise zu nutzen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bauherren besaßen eine Grunddienstbarkeit, die ihnen das Befahren des „U…wegs“ mit Fahrzeugen aller Art erlaubte, doch dieses private Recht wurde durch die öffentliche Widmung des Weges als Fußweg überlagert und war im Kontext des öffentlichen Baurechts nicht mehr ausschlaggebend.
Fehlende Anerkennung „tatsächlich öffentlicher Wege“ (Bayerisches Baurechtliches Prinzip)
Eine Verkehrsfläche gilt im bayerischen Baurecht nur dann als öffentliche Straße mit dauerhaft gesichertem Zugang, wenn sie förmlich als solche gewidmet wurde.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bauherren konnten ihre Zufahrt nicht über den Rathausvorplatz und dessen Parkplatz sichern, da diese Flächen nicht förmlich gewidmet waren und daher trotz tatsächlicher Nutzung durch die Öffentlichkeit nicht als rechtlich gesicherte Erschließung im Sinne des Baurechts galten.
Das vorliegende Urteil
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 1 ZB 23.1655 – Beschluss vom 02.06.2025
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