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Bauvertrag: Gebäude ist so zu errichten das Mindestluftwechsel sichergestellt ist

LG Heilbronn, Az.: 5 O 298/09

Beschluss vom 01.08.2013

Gründe

I.

Dem Unterzeichner ist die Akte des hiesigen Verfahrens vorgelegt worden, nachdem der Referatsvorgänger weitere Verfügungen nicht mehr vorgenommen und sich einer Einschätzung enthalten hat. Dabei wird diesseits darauf hingewiesen, dass nicht zwingend sein wird, dass der Unterzeichner diesen Rechtsstreit in erster Instanz abschließen wird. Die diesseitige Verweildauer auf diesem Referat ist unbestimmt und wird gegebenenfalls unter einem Jahr betragen.

II.

Bauvertrag: Gebäude ist so zu errichten das Mindestluftwechsel sichergestellt ist
Symbolfoto: Phushutter/Bigstock

1. Der hier anzulegende Maßstab bestimmt sich nach den anerkannten Regeln der Technik. DIN-Normen und ähnliche technische Regelungswerke mit Empfehlungscharakter geben einen Anhaltspunkt für die Einzelheiten des einzuhaltenden Standards. Dabei wird in der Regel die Missachtung der anerkannten Regeln der Technik unabhängig von einer feststellbaren Funktionsbeeinträchtigung einen Mangel begründen. Ändern sich die DIN-Normen zwischen Planung, Herstellung und dem für die Bestimmung der Mangelhaftigkeit maßgebenden Zeitpunkt, so sind regelmäßig die DIN-Normen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs maßgeblich.

Allerdings zeigt die Klägerin bisher nur vereinzelte abweichende Stimmen – so auch mit Schriftsatz vom 24. Juli 2013 auf, die die bisher bei der sachverständigen Begutachtung zugrunde gelegte DIN 1946-6:2009-5 in Zweifel ziehen. Dass andere Methoden und Grundlagen bestünden, eine § 6 Abs. 2 EnEV genügende nutzerunabhängige Lüftung zu gewährleisten, wird nicht aufgezeigt. So greift der Aufsatz von … bereits im Ansatz Sinn und Zweck einer nutzerunabhängigen Lüftung an.

2. Der Besteller kann redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertiggestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen. Der Unternehmer sichert üblicherweise stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung dieses Standards zu. Es kommt deshalb im Allgemeinen – und so auch hier – auf den Stand der anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der Abnahme an.

3. Die Frage, ob eine ausreichende Planung der Wohnung vorliegt, ist daher für die Entscheidung dieses Rechtsstreites nicht von Relevanz und hat bei der Begutachtung keine Rolle zu spielen. Genauso wenig hat eine Beurteilung lediglich an Planunterlagen zu erfolgen. Es ist vielmehr der tatsächliche Ist-Zustand zu überprüfen und dabei zu beurteilen, ob die tatsächliche Ausführung den anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der Abnahme entspricht. Die Beklagten haben nicht nur einen Anspruch auf eine Wohnung, die – lediglich – nach den anerkannten Regeln der Technik geplant worden ist.

III.

Als Konsequenz des Vorstehenden haben die Sachverständigen diejenigen technischen Regelwerke zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Abnahme vorgelegen haben.

Betreffend das Sondereigentum der Beklagten bezieht sich das im Grundsatz auf den 29. April 2009, bezogen auf das Gemeinschaftseigentum auf den 15. Mai 2009. Das erweist sich insofern als problematisch, als die hier diskutierte DIN 1946-6:2009-5 zwischen beiden Zeitpunkten in Kraft getreten ist. Mit Blick auf den Entstehungsprozess dieser DIN-Norm wird – davon ausgehend, dass damit bestehende anerkannte Regeln der Technik festgeschrieben, nicht aber erst neu definiert werden – insgesamt auf diese DIN-Norm abzustellen sein.

IV.

Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Diese Vermutung kann jedoch entkräftet werden. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können, weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnis in einem ständigen Wandel begriffen sind. Von daher liegt es in der Natur der Sache, dass in DIN-Normen empfohlene Maßnahmen nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik beschreiben, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse andere – geeigneter erscheinende – Methoden an deren Stelle treten. Ob es sich so verhält, kann – bei Vorliegen der beschriebenen Voraussetzungen – zuverlässig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 182/12, BeckRS 2013, 10830 Rn. 26; zum Ganzen bezogen auf die DIN 1946-6:2009-5: Breiholdt/Nierhaus, NZM 2012, 329).

Allerdings zeigt die Klägerin bisher nur vereinzelte abweichende Stimmen – so auch mit Schriftsatz vom 24. Juli 2013 – auf, die die bisher bei der sachverständigen Begutachtung zugrunde gelegte DIN 1946-6:2009-5 in Zweifel ziehen. Dass andere Methoden und Grundlagen bestünden, eine § 6 Abs. 2 EnEV genügende nutzerunabhängige Lüftung zu gewährleisten, wird nicht aufgezeigt. So greift der Aufsatz von … bereits im Ansatz Sinn und Zweck einer nutzerunabhängigen Lüftung an.

V.

1. Bei der weiteren Beurteilung ist indes zu beachten, dass die vertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit nicht durch die DIN 1946-6:2009-5 bestimmt wird, sondern durch den die in diesem Verfahren in Bezug genommenen § 6 Abs. 2 EnEV. Danach ist das streitgegenständliche Gebäude im Grundsatz so zu errichten (gewesen), dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist.

2. Nachdem wiederum die Energieeinsparverordnung selbst keine Grenzwerte oder ähnliches vorgibt, vermag zur Bestimmung dessen, was als Mindestluftaustausch anzusehen ist, eine Anknüpfung an technische Regelwerke zu helfen. Das führt nunmehr doch zur DIN 1946-6:2009-5. Der Sachverständige … hat dazu verschiedene Lüftungsarten, die sich aus dieser DIN-Norm ergeben können, im Rahmen des ergänzenden Gutachtens vom 23. November 2012 (GA III 316 ff.) aufgezeigt.

Nachdem in der DIN 1946-6:2009-5 lediglich die Lüftung zum Feuchteschutz als eine solche angesehen wird, die nutzerunabhängig durchzuführen ist, wird vom Sachverständigen – bei der hier gewählten Bauausführung der freien Lüftung – wohl nur diese als tauglicher, aus der DIN-Norm abgeleiteter Maßstab angenommen.

Wäre das zutreffend, blieben jedoch die nach den zugrunde zu legenden technischen Regelwerken anzunehmenden Maßstäbe jedoch aufgrund der Art und Weise der Bauausführung von vornherein hinter den Anforderungen des § 6 Abs. 2 EnEV zurück. Die nach dieser Regelung erforderliche „Sicherstellung“ des zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderlichen Mindestluftwechsels führt nach Einschätzung des Unterzeichners daher dazu zu fordern, dass die Anforderungen an eine reduzierte Lüftung und damit eine Luftwechselrate von 0,36/h gewahrt werden können.

Dass auch weitergehende Anforderungen – wie die Orientierung an der Nennlüftung – zu stellen wären, ist nach diesseitigem Dafürhalten allerdings nicht ersichtlich. § 6 Abs. 2 EnEV fordert nur die Erfüllung der Standards an einen Mindestluftwechsel, nicht aber einen nutzerunabhängigen Luftaustausch, der an den Maßstäben des Normalbetriebes zu messen wäre.

Können die Werte für eine reduzierte Lüftung mit dem hier gewählten System der freien Lüftung ohne Schachtlüftung nicht gewährleistet werden, kann sich folglich bereits diese Entscheidung als fehlerhaft erweisen. Denn die Erwerber werden nicht eine bestimmte Art und Weise der Entlüftung zur Grundlage ihrer Kaufentscheidung gemacht haben, sondern allgemein, dass sich die Wohnung zur gewöhnlichen Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann, mithin eine Ausführung, die den Anforderungen des § 6 Abs. 2 EnEV genügt wird. Wie das im Einzelnen erreicht wird, ist zunächst nicht von weiterem Belang, so es keine diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung gibt.

VI.

Vorstehendes zugrunde legend, wäre nach Dafürhalten des Unterzeichners nunmehr wie folgt vorzugehen. Der Sachverständige … wird

1. seine bisherige Bewertung am Maßstab nach vorstehender Ziff. 3 zu verifizieren haben – wobei davon ausgegangen wird, dass er zu einer Mangelhaftigkeit bei Anlegung der vorbenannten Umstände gelangen wird -,

2. gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Ingenieurbüros und unter Beachtung der Ausführungen im Schriftsatz der Klägerseite vom 31. Januar 2013 (GA III 339 f. [S. 3 f.]) zu ergänzen haben, auf welche Art und Weise die Anforderungen an eine reduzierte Lüftung nach DIN 1946-6:2009-5 erfüllt werden können und eine Luftwechselrate von 0,36/h erreicht werden kann, sowie mitzuteilen haben, welche Kosten hierfür anfallen würden,

3. in Abhängigkeit von den Maßnahmen nach Ziff. 2 festzustellen haben, ob auch unter Berücksichtigung etwaiger baulicher Veränderungen der KfW-40-Standard bezüglich der Energieeinsparungen – weiterhin – erreicht werden kann.

VII.

Darüber hinaus wird – zunächst – der Sachverständige … die nach seinem ergänzenden Gutachten vom 29. Oktober 2012 seitens der Klägerin bereits im Schriftsatz vom 28. November 2012 aufgeworfenen beiden Fragekomplexe (GA III 313 [S. 2]) zu beantworten haben, die ihrerseits wiederum Bezug zum Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2012 haben (GA III 310 f.). Zudem wird der Gutachter um Mitteilung gebeten werden, auf welche konkrete Art und Weise ein aus seiner Sicht ordnungsgemäßer Zustand hergestellt werden kann und welche Kosten hierfür anfallen werden.

Da etwaige diesbezügliche Umbauten o.ä. gegebenenfalls auch Einfluss auf die Begutachtung durch den Sachverständigen … haben werden, soll die Stellungnahme des Sachverständigen … zunächst abgewartet werden. Im Anschluss kann den Einwendungen im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 29. November 2012 (GA III 314 f.) nachgegangen werden, sofern dies noch erforderlich sein sollte.

VIII.

Die Parteien können hierzu Stellung nehmen. Mit dem Hinweis, dass der Unterzeichner sich im Zeitraum vom 24. August 2013 bis zum 15. September 2013 in seinem Jahresurlaub befinden wird, erscheint eine Frist bis Dienstag, den 17. September 2013, (Eingang bei Gericht) sinnvoll.

Es wird darum gebeten – wenn möglich – die Schriftsätze nur im Original hierher zu übersenden. So wird die Übersichtlichkeit der Akte deutlich gefördert.

Sollen beide Parteien indes bereits bis zum 20. August 2013 Stellung genommen haben, wird gegebenenfalls bereits vor dem diesseitigen Urlaub Weiteres in die Wege geleitet werden.

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