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Gewährleistungsbürgschaft bei Bauvertrag – Unwirksamkeit der Sicherungsabrede

LG Potsdam – Az.: 10 O 454/10 – Urteil vom 21.10.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Gewährleistungsbürgin auf Zahlung eines Mängelbeseitigungskostenvorschusses in Anspruch.

Am 22.10.2004 schloss die Klägerin – zum damaligen Zeitpunkt noch Gesellschaft bürgerlichen Rechts – mit der P. Bau- und Gerüstbau GmbH (im Folgenden: Firma P.), über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 01.12.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, einen VOB-Bauvertrag über die Ausführung von Bauarbeiten am Bauvorhaben H.-E.-Straße … in P..

In § 8 der von der Klägerin gestellten Vertragsbedingungen war ein Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 5% der Bruttoschlussrechnungssumme vorgesehen, wobei es unter §“8 Abs. 3 des Vertrages heißt:

„Der Gewährleistungseinbehalt kann durch Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderrufbaren Bürgschaft einer Deutschen Großbank abgelöst werden. Die Bürgschaft muss dem Verzicht auf die Einreden der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit einhalten und eine Hinterlegung ausdrücklich ausschließen.“

In § 9 des Vertrages war eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren, beginnend mit der Abnahme, vorgesehen. In § 7 Abs.1 des Vertrages heißt es:

„Es wird eine förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 4 VÜB/B vereinbart. Eine Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B ist ausgeschlossen.“

Nach Abschluss der Arbeiten rechnete die Firma P. mit Schlussrechnung vom 12.12.2005 ab. Die in § 7 des Bauvertrages vereinbarte förmliche Abnahme fand nicht statt. Die Klägerin, der zum damaligen Zeitpunkt keine Mängel bekannt waren, leistete Zahlung auf die Schlussrechnung.

Unter dem 13.3.2006 erteilte die Beklagte unter Bezugnahme auf die Bedingungen des Vertrages vom 22.10.2004 eine Bürgschaft bis zu einer Gesamthöhe von 15.440,72 € unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage.

Die Klägerin zahlte daraufhin am 24.03.2006 den Gewährleistungseinbehalt an die Firma P. aus.

Im Sommer 2009 schaltete die Klägerin den Sachverständigen Prof. Dr. Ing. P. zur Feststellung vorhandener Mängel ein. Der beauftragte Gutachter hielt mit Gutachten vom 18.06.2009 verschiedene Mängel der Bauleistungen fest. Die Klägerin forderte die Firma P. mit Schreiben der Firma S. Immobilien Management GmbH vom 22.06.2009 und vom 27.07.2009 unter Fristsetzung und Nachfristsetzung ergebnislos zur Mängelbeseitigung auf. Auf der Grundlage einer als Anlage K9 zur Klageschrift eingereichten Kostenzusammenstellung forderte sie die Firma P. sodann zur Zahlung eines Mangelbeseitigungskostenvorschusses in Höhe von 5.930,32 € auf. Die Firma P. leistete hierauf keine Zahlung.

Die Klägerin beansprucht nunmehr gemäß § 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB bzw. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B in Verbindung mit der Bürgschaftszusage der Beklagten von dieser Zahlung.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 5.930,32 € riebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 04.10.2009 als Mängelbeseitigungskostenvorschuss an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Sicherungsabrede in § 8 des Bauvertrages .sei unwirksam, weswegen ihr gemäß §§ 768, 821 BGB ein Konditionseinwand zur Seite stehe.

Im Übrigen sei sie als Gewährleistungsbürgin in vollem Umfang von der Leistung freigeworden, nachdem sie eine Bürgschaft bereit gestellt habe für einen Vertrag, in dem -unstreitig- eine förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B vereinbart war. Von dem Abnahmeerfordernis seien die Parteien nach eigenem Vortrag der Klägerin abgewichen. Auf eine Unwirksamkeit der dahingehenden Vertragsbedingung könne die Klägerin sich als unstreitige – Verwenderin der Vertragsbedingungen nicht berufen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch gem. § 765 BGB wegen der von der Beklagten am 13.3.2006 erteilten Gewährleistungsbürgschaft zu.

Die Beklagte kann die Zahlung gem. §§ 768 Abs.l Satz 1, 821 BGB unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin verweigern.

Gem. § 768 Abs.l Satz 1 BGB kann der Bürge die Einreden des Hauptschuldners aus seinem Rechtsverhältnis zum Gläubiger in dem Umfang, in dem sie dem Hauptschuldner zustehen, geltend machen, und zwar auch dann, wenn der Schuldner auf die Einrede verzichtet. Hierzu gehört auch die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung, insbesondere wenn die Bürgschaft der Erfüllung einer Sicherungspflicht des Hauptschuldners dienen soll, der Gläubiger aber wegen unwirksamer Sicherungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner keinen Anspruch auf die Bürgschaft hat ( Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl., § 768 Rdn.6 m.w.N.).

So liegen die Dinge hier.

Die der Hingabe der Bürgschaft zugrundeliegende Vereinbarung in § 8 des Bauvertrages vom 22.10.2004 ist gem. § 306 Abs.3 BGB unwirksam.

Bei der Vertragsklausel handelt es sich -was zwischen den Parteien unstreitig ist- um eine von der Klägerin gestellte und für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung. Diese benachteiligt den Vertragspartner der Klägerin als Verwenderin -die Firma P.- in unangemessener Weise, mit der Folge ihrer Gesamtnichtigkeit.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung (u.a. BGHZ 136, 27 ; BGHZ 157, 29, BGH, WM 2007, 1625), der das erkennende Gericht folgt, ist anerkannt, dass ein in einem Vertrag über Bauleistungen formularmäßig vereinbarter Sicherungseinbehalt von 5% der Auftragssumme nur dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers führt, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er den Werklohn nicht sofort ausgezahlt erhält, das Bonitätsrisiko des Bestellers für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen und ihm die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird. Ausreichend ist es danach, dem Werkunternehmer das Recht einzuräumen, den Einbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen unbefristeten Bürgschaft abzulösen ( BGH, a.a.O. sowie BGH, WM 2004, 718).

Die Vereinbarung einer Sicherung von Gewährleistungsansprüchen mit der Ablösungsmöglichkeit durch eine Gewährleistungsbürgschaft ist eine konzeptionelle Einheit, die zu einer einheitlichen , die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des Regelungsgefüges zwingt. Der unauflösbare wechselseitige Bezug der Teile der Klausel wird dadurch deutlich, dass die Ablösungsbefugnis durch eine Bürgschaft den Auftragnehmer für sich genommen nicht belastet. Ein Nachteil entsteht erst dadurch, dass die Ablösungsbefugnis mit einem Einbehalt von Entgelt verknüpft wird und der Auftragnehmer die vereinbarte Sicherheit stellen muss, um den davon betroffenen Teil des Werklohns zu erhalten. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken zwischen Sicherungseinbehalt und vereinbarter Ablösungsmöglichkeit.

Gemessen hieran ist der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen Sicherungsvereinbarungen die Ablösung des Gewährleistungseinbehaltes durch Bürgschaftsverpflichtungen auf erstes Anfordern oder unter Verzicht auf die Einreden nach § 768 BGB vorsahen, von einer Gesamtnichtigkeit der zugrundeliegenden Sicherungsvereinbarung ausgegangen ( BGH , U.v. 8.3.2001, Aktz: IX ZR 236/00; U.v. 22.1 1.2001,Aktz: VII ZR 208/00; U. v. 16.6.2009, Aktz: XI ZR 145/08).

Eine ergänzende Vertragsauslegung in der Weise, dass zur Ablösung des Gewährleistungseinbehaltes die Stellung einer einfachen selbstschuldnerischen Bürgschaftsverpflichtung vereinbart ist, kommt danach nicht in Betracht.

Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass die Sicherungsvereinbarung die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs.2 BGB vorsieht.

Der in einem Bürgschaftsformular vorformulierte Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770Abs.2 BGB ohne Beschränkung auf diejenigen Fälle, in denen die Gegenforderung des Schuldners nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist, ist nach § 307 Abs.1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit den wesentlichen Grundgedanken der Subsidiarität der Bürgschaft nicht zu vereinbaren ist und den Bürgen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt ( Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 307 Rdn. 80 m. Hinweis auf BGH, NJW2003, 1521 ).

Der Auftraggeber kann von dem Auftragnehmer aber nicht verlangen, dass dieser ihm eine Bürgschaft mit einem unzulässigen Regelungsgehalt verschafft (OLG Düsseldorf, IBR 2008, 442; Thüringer Oberlandesgericht, IBR 2010, 82).

Dabei ist es für die Beurteilung der Sicherungsvereinbarung ohne Belang, dass die beklagte Versicherung die Bürgschaftsverpflichtung unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit auf der Grundlage eines von ihr selbst gestellten Bürgschaftsformulars übernommen hat, welches selbst möglicherweise nicht der Kontrolle nach den Vorschriften der §§ 307 ff BGB unterliegt.

Bei der Beurteilung, ob die Sicherungsvereinbarung in dem Bauvertrag vom 22.10.2004 gegen § 307 BGB verstößt, ist ebenso wie bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der maßgeblichen Vereinbarung abzustellen.

Mit dem Thüringischen Oberlandesgericht ( a.a.O.) geht das erkennende Gericht auch davon aus, dass die Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Gewährleistungsausschluss die Wirksamkeit der Sicherungsvereinbarung insgesamt erfasst (anders: OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Zwar betrifft der Ausschluss der Aufrechenbarkeit auch mit unbestrittenen und rechtskräftigen Forderungen -anders als der Ausschluss von Einreden nach § 768 BGB oder das Erfordernis einer Bürgschaft auf erstes Anfordern- nicht den Grundsatz der Akzessorietät, sondern „nur“ denjenigen der Subsidiarität der Bürgschaft und das dem Bürgen auferlegte Insolvenzrisiko mag in diesen Fällen auch geringer sein als in Fällen eines Einredeausschlusses nach § 768 BGB.

Die Gesamtnichtigkeit der Sicherungsvereinbarung auch in diesem Fall folgt jedoch aus der oben dargestellten Einheitlichkeit der Sicherungsabrede und daraus, dass ein angemessener Ausgleich für den Gewährleistungseinbehalt nicht mehr vorgesehen wird, wenn dem Auftragnehmer die Gestellung einer Bürgschaft mit einem unzulässigen Regelungsgehalt -welcher Art auch immer- abverlangt wird.

Der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung sieht auch nicht eine Hingabe der Bürgschaft in Kenntnis der Unwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung entgegen, § 814 BGB.

Die Vorschrift des § 814 BGB gilt nur für Bereicherungsansprüche aufgrund von Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die im Zeitpunkt der Leistung in Wirklichkeit nicht bestand. Leistende war im Hinblick auf die zwischen den Parteien des Bauvertrages getroffene Sicherungsvereinbarung die Firma P., wobei die Beklagte mit der Hingabe der Bürgschaftsverpflichtung wiederum eine Leistung gegenüber der Firma P. im Hinblick auf mit dieser getroffene Vereinbarungen erbracht hat. Eine positive Kenntnis der Firma P. von der Unwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung im Zeitpunkt der Bürgschaftshingabe hat die Klägerin nicht behauptet und eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Beklagte wäre zudem von ihrer Bürgschaftsverpflichtung frei geworden, nachdem die Parteien des Bauvertrages die in dem Vertrag vereinbarte förmliche Abnahme nicht durchgeführt haben sondern -was grds. möglich ist- die Regelung durch eine konkludente Abnahme abbedungen haben. Eine solche Modifizierung muss der Bürge nicht gegen sich gelten lassen. Die Klägerin als Verwenderin der Vertragsbedingungen des Bauvertrages kann sich auch nicht auf eine Unwirksamkeit der Abnahmeregelung nach §§ 307 ff BGB berufen. Die Bürgschaftserklärung vom 13.3.2006, die auf den Vertrag vom 22.10.2004 Bezug nimmt, kann auch nicht dahin verstanden werden, dass es den Parteien des Bauvertrages überlassen sein sollte, die Modalitäten der Abnahme nachträglich anders als in dem der Bürgschaft zugrunde gelegten Vertrag zu regeln, mit der Wirkung, dass die Bürgschaft von vorn herein auch im Falle einer auf diese Weise vereinbarten Abnahme gelten sollte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Bürgschaftsverpflichtung Kenntnis von einer konkludent erfolgten Abnahme hatte, bestehen nicht.

Mit der Anknüpfung der Abnahmewirkungen an eine konkludente Abnahme handelt es sich auch nicht um eine unwesentliche Änderung, die hinzunehmen einem Bürgen zumutbar wäre ( vgl. hierzu OLG Rostock, IPR 2006, 618 ).

Ist eine – nach alledem erforderliche – förmliche Abnahme nicht erfolgt und kann diese auch nicht mehr nachgeholt werden, führt dies faktisch zum Erlöschen der Haftung des Bürgen (OLG Frankfurt, 1BR 2007, 134).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§708 Nr. 111, 711 ZPO.

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