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Sachverständigenablehnung wegen Befangenheit

Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen: Landshuter Gerichtsbeschluss klärt die Grenzen

In einem komplexen Fall, der vor dem Landgericht Landshut verhandelt wurde, ging es um die Ablehnung eines Sachverständigen im Kontext eines selbständigen Beweisverfahrens. Der Antragsteller hatte Mängel an einem von der Antragsgegnerin gelieferten und vom Antragsgegner eingebauten Swimmingpool geltend gemacht. Das Gericht hatte daraufhin ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Die Antragsgegnerin stellte jedoch einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, da sie der Meinung war, dass dieser in seinem Gutachten einseitig und ohne ausreichende Begründung agiert habe. Das Hauptproblem lag in der Frage, ob der Sachverständige tatsächlich befangen war oder ob die Antragsgegnerin lediglich versuchte, das Gutachten zu diskreditieren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 55 OH 42/20  >>>

Die Zulässigkeit des Ablehnungsantrags

Der Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin war zulässig und nicht verfristet. Das Gericht stellte fest, dass die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Gutachten endete. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und stellt sicher, dass die Parteien ausreichend Zeit haben, sich mit dem Inhalt des Gutachtens auseinanderzusetzen.

Die Gründe für die Ablehnung

Die Antragsgegnerin brachte vor, dass der Sachverständige sich in seinem Gutachten einseitig auf die Aussagen des Antragstellers gestützt habe, insbesondere in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit des Swimmingpools. Sie argumentierte, dass der Sachverständige nicht den Eindruck einer objektiven Beurteilung hinterlassen habe und ihm der bodentechnische Sachverstand fehle.

Die Stellungnahme des Sachverständigen

Der Sachverständige nahm zu den Vorwürfen Stellung und wies sie zurück. Er argumentierte, dass er sich auf seine Erfahrung und sein Fachwissen gestützt habe und dass die Antragsgegnerin die Möglichkeit habe, ein Ergänzungsgutachten einzuholen oder ihn mündlich anzuhören.

Das Urteil: Ablehnungsantrag unbegründet

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Ablehnungsantrag unbegründet sei. Es stellte klar, dass Mängel im Gutachten oder Unzulänglichkeiten in der Argumentation des Sachverständigen nicht ausreichen, um seine Befangenheit zu begründen. Das Gericht betonte, dass die Besorgnis der Befangenheit auf objektiven Tatsachen beruhen muss und nicht auf subjektiven Eindrücken einer Partei.

Der Ablehnungsantrag wurde daher als unbegründet zurückgewiesen, und das Gericht machte deutlich, dass die Antragsgegnerin ausreichende Möglichkeiten habe, eventuelle Mängel im Gutachten zu adressieren, ohne die Integrität des Sachverständigen in Frage zu stellen.

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Ablehnung Sachverständiger kurz erklärt

Ein Sachverständiger kann in Deutschland gemäß § 406 Abs. 1 ZPO aus denselben Gründen wie ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden. Dies gilt sowohl für zivilrechtliche als auch für strafrechtliche Verfahren (§ 74 StPO). Befangenheit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Sachverständige in enger Beziehung zu einer der Parteien steht oder durch seine Äußerungen den Eindruck der Parteilichkeit erweckt.

Die Ablehnung eines Sachverständigen kann erst nach seiner offiziellen Ernennung durch den Beweisbeschluss erfolgen. Ein vor diesem Zeitpunkt eingelegtes Ablehnungsgesuch wird vom Gericht als Anregung betrachtet, auf die Ernennung des Sachverständigen zu verzichten.

Es ist wichtig, den Ablehnungsantrag so früh wie möglich zu stellen und diesen ausreichend zu begründen. Die Begründung muss konkrete tatsächliche Behauptungen enthalten, die die Befangenheit des Sachverständigen nahelegen.

Wenn der Antrag auf Ablehnung erfolgreich ist, darf der Sachverständige nicht mehr am Verfahren teilnehmen, was in der Regel zu einer Verzögerung des Verfahrens führt, da ein neuer Sachverständiger bestellt werden muss.


Das vorliegende Urteil

LG Landshut – Az.: 55 OH 42/20 – Beschluss vom 23.09.2020

Die Ablehnung des Sachverständigen SV durch die Antragsgegnerin zu 1) wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragte im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die Feststellung diverser Mängel an der von der Antragsgegnerin zu 1) an den Antragsteller gelieferten und von dem Antragsgegner zu 2) dort eingebauten Swimmingpools.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 21.02.2020 die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu angeordnet. Als Sachverständiger wurde SV bestimmt.

Das Gutachten des Sachverständigen vom 09.07.2020 ging am 14.07.2020 bei Gericht ein, woraufhin den Beteiligten eine Stellungnahmefrist bis zum 05.08.2020 gesetzt wurde. Mit Schriftsatz vom 22.07.2020 stellte die Antragsgegnerin zu 1) Befangenheitsantrag. Als Gründe führte die Antragsgegnerin zu 1) an, dass der Sachverständige sich in seinem Gutachten insbesondere hinsichtlich der Frage der Bodenbeschaffenheit einseitig auf Aussagen des Antragstellers gestützt und diese ungeprüft übernommen habe. Zudem fehle dem Sachverständigen der bodentechnische Sachverstand. Eine Aufwölbung des Schwimmbadbodens habe der Sachverständige nicht selbst wahrgenommen, sondern sich darauf gestützt, dass er bereits mehrfach bei anderen Schwimmbecken ähnliche Schadensbilder festgestellt habe. Mängelbeseitigunsmaßnahmen und -kosten sowie Verursachungsanteile seien ohne Begründung lediglich postuliert worden.

Zum Ablehnungsantrag hat der Sachverständige mit Schriftsätzen vom 17.08.2020 und 22.08.2020 Stellung genommen.

II.

Der zulässige Ablehnungsantrag ist unbegründet.

1. Der Ablehnungsantrag vom 22.07.2020 ist zulässig und insbesondere nicht nach § 406 Abs. 2 ZPO verfristet. Muss sich die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinander setzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 IV ZPO ab (BGH, Beschluss vom 15. 3. 2005 – VI ZB 74/04). Die Frist endete vorliegend erst am 05.08.2020.

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2. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen allerdings gegenüber dem Sachverständigen die Annahme der Befangenheit nicht. Nach den §§ 406 Abs. 1 S. 1, 41, 42 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen.

a) Eine persönliche Beziehung zu einer Partei gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 41 ZPO wurde nicht vorgetragen.

b) Es liegt auch keine Besorgnis der Befangenheit gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO vor. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich jedoch auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, IBR 2009, 53). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen zu zweifeln; rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (BVerfG, NJW 1993, 2230; BHG, Beschluss vom 02.10.2003, Az.: VI ZB 2/03).

Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt eine Besorgnis der Befangenheit nicht in Betracht.

aa) Der Ablehnungsantrag wird zum einen darauf gestützt, dass der Sachverständige sich hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit ausschließlich auf die im Ortstermin getätigten Äußerungen des Antragstellers verlassen und sich kein eigenes Bild gemacht habe.

Diese Argumentation greift jedoch nicht durch, da der Sachverständige aus Sicht eines objektiven Dritten nicht den Eindruck erweckte, eine streitige Behauptung zulasten einer Partei für bewiesen zu halten. An den Sachverständigen dürfen nicht die Maßstäbe angelegt werden, die für prozessgewandte Anwälte oder Richter angemessen wären, insbesondere wenn ihm der Sachverhalt, von dem er auszugehen hat, nicht eindeutig vorgegeben ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 16.09.2010 – 1 W 2046/10). Ob die Frage der Bodenbeschaffenheit streitig war oder nicht, war für den Sachverständigen nicht zweifelsfrei zu beantworten. Der Beweisbeschluss enthält hierzu keine Ausführungen. Zudem war der Antragsgegner zu 2) bei dem Ortstermin zugegen ohne die Angaben des Antragstellers zu bestreiten. Der Eindruck der Voreingenommenheit des Sachverständigen entstand daher durch sein Verhalten nicht. Die Frage, ob das Gutachten hinsichtlich der Thematik der Bodenbeschaffenheit unvollständig ist und weiterer Klärungsbedarf besteht, ist kein Fall der Befangenheit des Sachverständigen. Diesbezüglich besteht die Möglichkeit der mündlichen Anhörung des Sachverständigen bzw. der Einholung eines Ergänzungsgutachtens.

bb) Im Übrigen wird der Ablehnungsantrag ausschließlich auf Umstände gestützt, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen haben. Hierzu wird ausgeführt, dass der Sachverständige die Aufwölbung des Schwimmbadbodens nicht selbst am konkreten Fall geprüft, sondern auf von ihm bereits festgestellte vergleichbare Sachverhalte Bezug genommen habe. Die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und -kosten habe er lediglich postuliert und nicht näher begründet. Zudem seien diese unklar formuliert und damit missverständlich.

Auch diese Rügen greifen nicht durch. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (BGH, Beschluss vom 15. 3. 2005 – VI ZB 74/04 m.w.N.). Dem Sachverständigen wird mit den vorgetragenen Rügen mangelnde Sorgfalt im Rahmen der Erstellung des Gutachtens vorgeworfen. Dieser Vorwurf begründet aber nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft. Der mangelnden Sorgfalt eines Sachverständigen sehen sich beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Das Prozessrecht gibt in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Parteien ausreichende Mittel an die Hand, solche Mängel zu beseitigen und auf ein Gutachten hinzuwirken, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung geeignet ist (BGH, Beschluss vom 15. 3. 2005 – VI ZB 74/04).

Der Ablehnungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

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