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Selbstvornahme – Erforderlichkeit der Kosten

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 9 U 73/17 – Urteil vom 08.03.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.08.2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau – Einzelrichterin – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die der Beklagten mögliche Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages als Sicherheit leistet.

Streitwert: 68.043,36 € EUR

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatzvornahmekosten für die Wiederherrichtung von Feldwegen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss mit der Klägerin am 20.12.2001 einen notariellen Gestattungsvertrag. Danach war die Rechtsvorgängerin bzw. ist jetzt die Beklagte berechtigt, auf Teilen der Pachtfläche Windkraftanlagen und ein Umspannenwerk zu errichten und zu betreiben. Die Windkraftanlagen wurden ab 2002 errichtet und in Betrieb genommen. Um die Anlagen erreichen zu können, mussten entsprechende Wege gebaut werden. In § 2 des Gestattungsvertrages heißt es wörtlich:

„Die Standorte für 13 Windkraftanlagen… werden sämtlich unmittelbar an dem bestehenden „H. Weg “ sowie an zwei neu zu erstellenden Feldwegen errichtet.

Diese beiden neuen Feldwege werden parallel zum H. Weg im Abstand von jeweils 500 m auf Kosten der Gesellschaft errichtet und zwar mit einer Tragfähigkeit von mindestens 12 t Achslast in ortsüblich guter Bauweise hergestellt und durchgehend von der Straße P. .

Die Gesellschaft verpflichtet sich, die von ihr genutzten Wege in einem für landwirtschaftliche Zwecke ortsüblichen, befahrbaren Zustand eines Feldweges zu halten. Geschieht dies trotz Aufforderung und Fristsetzung durch die KG nicht, so kann die KG im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten der Gesellschaft die Reparatur und die Unterhaltung der Wege durchführen lassen. Mit dieser Kostentragung erklärt sich die Gesellschaft ausdrücklich einverstanden.“

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete zunächst die Wege – jedenfalls teilweise – in einer Breite von 6 m (4 m Fahrbahn und jeweils 1 m Randstreifen).

In der Folgezeit erhob die Klägerin gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klage da die Wege nicht ordnungsgemäß hergerichtet worden sind.

Mit Urteil vom 07.03.2011 wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 102.767,13 € nebst Zinsen als Vorschuss für die Sanierung der Wege zu zahlen. In den Gründen des Urteils ist aufgeführt, dass die Klägerin nach Erledigung der Sanierung eine Abrechnung gem. § 637 Abs. 3 BGB analog (vgl. Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 07.03.2011 zu 4 O 194/07 Seite 10) vorzunehmen habe.

Die Klägerin ließ die Wege durch die H. Baugesellschaft GmbH S. (im Folgenden: H. ) herrichten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.09.2013 hat die Klägerin die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf den Beginn der Arbeiten hinweisen lassen und ihr freigestellt, sie vor Ort zu begleiten und zu überprüfen. Am 07.10.2013 hat die Klägerin die Beklagte darauf hinweisen lassen, dass sie bei einer Erhöhung der Kosten auch diese höheren Kosten in Rechnung stellen werde.

Am 10.12.2013 hat die H. der Klägerin hierfür 170.810,49 € in Rechnung gestellt.

Die Beklagte hat an die Klägerin nur den Betrag von 102.767,13 €, der ihr in dem vor Prozess zugesprochen war, gezahlt.

Die Klägerin hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 13.01.2014 zur Begleichung der Differenz i.H.v. 68.043,36 € bis zum 20.01.2014 aufgefordert. Mit Schreiben vom 6. 20.03.2014 setzte sie eine erneute Zahlungsfrist bis zum 04.04.2014.

Die Klägerin hat behauptet, dass die abgerechneten Arbeiten zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Weges im Sinne des Gestattungsvertrages notwendig gewesen sein. Insbesondere seien die eingebauten Massen erforderlich und angemessen. Die berechnete Vergütung sei ortsüblich und angemessen. Die Wegsanierung sei unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W. aus dem Vorprozess erfolgt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 68.043,36 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2014 zu zahlen sowie die Klägerin von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte We. & Partner GbR i.H.v. 2.085,95 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die von dem Sachverständigen im Vorprozess geschätzten Kosten ausreichend sein um einen vertragsgemäßen Zustand der Feldwege herzustellen.

Die Arbeiten an den Wegen hätten bereits ab dem Jahr 2011 beginnen können.

Sie hat mit Nichtwissen bestritten, dass eine Ausschreibung der Arbeiten, die Einholung mehrerer Angebote sowie die Vergabe an den günstigsten Bieter stattgefunden habe.

Die Positionen 1.5 und 2.5 der Rechnung der H. vom 10.12.2013 hinsichtlich des Randstreifens und des Abtragens des Bodens seien nicht erforderlich gewesen. Außerdem sei eine Angleichung der erhöhten Wegflächen an die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen nicht notwendig gewesen.

Die Beklagte hat bestritten, dass die H. die abgerechneten Leistungen erbracht habe. Sie hat die angesetzten und eingebauten Massen bestritten sowie die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der abgerechneten Vergütung. Insbesondere hat sie behauptet, dass der Weg nur mit einer Breite von 3 m unter Randstreifen nur mit einer Breite von jeweils 0,5 m anzusetzen sei.

Schließlich hat sie bestritten, dass die Klägerin die Rechnung vom 10.12.2013 tatsächlich bezahlt habe.

Nach umfänglicher Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Urteil vom 11.08.2017 einen Betrag i.H.v. 45.440,90 € zugesprochen.

Für den ersatzfähigen Betrag käme es darauf an, welche Arbeiten zu welchen Kosten objektiv notwendig gewesen wären, um die Feldwege mit einer Tragfähigkeit von mindestens 12 t Achslast in ortsüblicher guter Bauweise und Erhaltung in einem für landwirtschaftliche Zwecke ortsüblich befahrbaren Zustand eines Feldweges herzustellen. Insoweit sei es unerheblich, ob die Arbeiten ausgeschrieben und mehrere Angebote eingeholt worden seien.

Nach Vernehmung des Zeugen R. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Firma H. die streitgegenständlichen Wege saniert und die in Rechnung gestellten Leistungen erbracht habe. Die Klägerin habe die Rechnung auch bezahlt.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. W. habe die Positionen 1.1,1.2 und 1.5. Rechnung vom 10.12.2013 zur ordnungsgemäßen Herstellung der Wege für objektiv erforderlich gehalten. Allerdings sei die Position 1.2 in der beschriebenen Form bereits in der Position 1.1 enthalten gewesen. Die Position 2.1 habe der Sachverständige nicht nachvollziehen können. Ein tiefer Abtrag der alten Wegkonstruktion sei nicht angezeigt gewesen. Außerdem habe der Sachverständige die neue 25 cm starke Schottertragschicht nicht nachvollziehen können. Der Sachverständige sei von einer Regelbreite von 3 m und für die Seitenstreifen im ländlichen Wege Bau von 0,5 m ausgegangen. In seiner mündlichen Erläuterung hat der Sachverständige ausgeführt, dass von einer Breite von 4 m auszugehen sei, wenn dies vereinbart gewesen sei. Er sei von 4 m insgesamt, also mit einem Randstreifen von je einem halben Meter auf beiden Seiten ausgegangen.

Mit dem weiteren Gutachten vom 09.11.2016 hat der Sachverständige nach Vorlage einer Fotodokumentation durch die Klägerin den Abtrag des Bodens (Position 2.1.) Grundsätzlich für notwendig erachtet. Aufgrund der Fotos habe der Sachverständige auch festgestellt, dass der Weg – jedenfalls teilweise – ursprünglich eine Breite von 4 m gehabt habe.

Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Firma H. die abgerechneten Leistungen erbracht habe. Die Tragschicht sei notwendig gewesen. Allerdings könne die Klägerin nur die Bezahlung für ein zertifiziertes Material beanspruchen. Wenn die Klägerin höherwertiges Material eingebaut habe, so sei der Ersatz der Mehrkosten nicht geschuldet. Für den Weg sei von einer Breite von 4 m und von den Randstreifen von jeweils 1 m auszugehen. Außerdem sei aufgrund der Aussage des Zeugen R. eine Fläche von 13.432,22 m2 zugrunde zu legen. Die Berechnung für das Planum auf der wassergebundenen Deckschicht könne nicht separat erfolgen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe aber ein Bodenaustausch nur auf einem Drittel der Fläche erfolgen müssen.

Auf Basis dieser Annahmen hat das Landgericht – nach Berichtigung durch Beschluss vom 04.10.2017 – einen Anspruch i.H.v. 29.841,06 € als begründet angesehen.

Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung sowie auf den Berichtigungsbeschluss vom 04.10.2017 (Bd. II, Bl. 57 der Akten) Bezug.

Die Beklagte hat gegen die ihr am 16.08.2017 (Bd. II, Bl. 38 der Akten) zugestellte Entscheidung am 15.09.2017 (Bd. II, Bl. 69 der Akten) Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 03.11.2017 (Bd. II, Bl. 84 der Akten) begründet.

Sie vertritt die Auffassung, dass das Landgericht zu rechtsirrig eine Breite des Weges von 4,00 m zuzüglich eines Randstreifens von jeweils 1,00 m Breite zugrunde gelegt habe. Der Sachverständige selbst sei von einer Regelbreite von 3 m und einem Seitenstreifen von 0,5 m ausgegangen.

Weiter sei das Landgericht aufgrund einer falschen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass es erforderlich gewesen sei auf einer Wegfläche von 13.432,2 itf eine Frostschutzschicht mit einer Stärke von 25 cm einzubauen.

Der Zeuge R. habe bekundet, dass die neuen Druckmessungen erst nach dem Abtragen einer Schicht von 10-30 cm durchgeführt worden sein. Damit habe das bauausführende Unternehmen durch den Abtrag der vorhandenen Tragschicht eine Verschlechterung der ursprünglichen Tragfähigkeit der Wege selbst herbeigeführt. Außerdem habe der Sachverständige Dr. W. die Lage der 9 Messpunkte der Firma H. nicht gekannt. Deshalb habe er Umkehrschluss auch nicht zu einem tragfähigen Ergebnis im Hinblick auf die erforderliche Stärke der aufzubringen Tragschicht gelangen können.

Insgesamt würden sich folgende vom Landgericht nicht berücksichtigte Abzüge ergeben:

Position 1.1. 43.529,18 € brutto

Position 1.5. 27.384,37 € brutto

Position 2.1. 5.914,20 € brutto

Unter Berücksichtigung dieser Abzüge und dem vom Beklagten bereits gezahlten Betrag ergebe sich kein Ersatzanspruch der Klägerin.

Die Beklagte beantragt, das am 11.10.2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau – Einzelrichterin – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.10.2017 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

Sie vertritt die Auffassung, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahre 2011 zur vertragsgemäßen Herrichtung der vorhandenen Wege verurteilt worden sei. Diese Wege hätten eine Fahrbahnbreite von 4 m gehabt. Dies sei durch die Aussage des Zeugen R. belegt. Aus dem gleichen Grund habe die Beklagte die Herstellung eines beiderseitigen Randstreifens von je 1 m Breite geschuldet. Im Übrigen sei die Herstellung eines 1 m breiten Randstreifens zur Angleichung der erhöhten Wegefläche anders umliegende Gelände auch erforderlich gewesen. Die vorgefundene Schicht aus losem Ziegelbruch habe keineswegs Herstellung der Tragfähigkeit der Wegefläche für eine Achslast von 12 t ausgereicht.

Die Klägerin hat nach Vorliegen des Berichtigungsbeschlusses am 09.11.2017 Berufung eingelegt und diese am 23.11.2017 begründet.

Sie hat die Auffassung vertreten dass weder der Abzug von dem berechneten Quadratmeterpreis von 6,51 € netto zu Position 1.1 noch die Kürzung des Preises pro laufendem Meter zu Position 1.5 berechtigt seien. Beide Kürzungen seien zu Unrecht erfolgt.

Bei der Position 1.1 habe das Landgericht den Abzug damit begründet, dass die Klägerin höherwertiges Material habe einbauen lassen. Zum damaligen Zeitpunkt sei allerdings unstreitig kein zertifiziertes Material am Markt lieferbar gewesen. Entscheidend sei insoweit die Verfügbarkeit in der Region. Müsse recyceltes Material von weit her beschafft werden so kämen so hohe Frachtkosten hinzu. Der Endpreis sei dann nicht mehr günstiger als der vorliegend erfolgte Einbau des verbauten Materials L. Porphyr.

Außerdem habe der Sache gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass die Verwendung zertifizierten Recyclingsmaterials nicht der vereinbarten Herstellung der Feldweg in ortsüblicher Bauweise entspreche.

Der vom Sachverständigen verwendete Wert von 4,92 €, den das Landgericht übernommen habe, sei fehlerhaft. Vorliegend sei ein Abtrag von 10-30 cm zur Regulierung der Höhe und zur ordentlichen Sanierung – Angleichung der Wegefläche an das umgebende Gelände – sowie eine Breite von jeweils 1 m an jeder Weg Seite erforderlich gewesen.

Hilfsweise stützt die Klägerin ihre Berufung auch noch auf folgende – ihrer Meinung nach – zu Unrecht abgesprochen Erstattungsforderung: Das Landgericht habe die Position für den Abtransport des vorhandenen alten Ziegelbodens um 1/3 gekürzt, da insoweit ein Bodenaustausch nicht erforderlich gewesen sei. Diese Kürzung sei willkürlich und unberechtigt. Denn die gesamte Schicht sei matt marode und nicht tragfähig gewesen. Sie hätte ausgetauscht werden müssen.

Die Klägerin bittet außerdem um die Einholung eines fachlichen Obergutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO. Außerdem bittet sie hilfsweise um eine ergänzende Anhörung des erstinstanzlich bestellten gerichtlichen Gutachters Dr. W. .

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin verweist darauf das keineswegs unstreitig sei, dass zum damaligen Zeitpunkt zertifiziertes Recyclingmaterial nicht beschafft gewesen wäre. Diese Behauptung sei bereits erstinstanzlich bestritten worden. Die weitere Behauptung der Klägerin, das zur Beschaffung von zertifizierten Recycling-Material derart hohe Frachtkosten hinzugekommen wären, dass die Verwendung des tatsächlich ein gebauten Materials günstiger gewesen sei, sei unsubstantiiert. Es sei unklar was die Klägerin mit einer Beschaffung von „von weit her“ meine. Die Region, in der das Material nicht verfügbar gewesen sein solle, werde von der Klägerin nicht definiert.

Im Gutachten des Sachverständigen vom 15.12.2015 werde erläutert, dass nach den Richtlinien für den ländlichen Wegebau (RLW) die Fahrbahnbreite von Feldwegen in der Regel 3 m bei einer Kronenbreite von 4 m betragen. Wenn die Fahrbahn somit 3 m der Breite des Weges von 4 m einnehmen soll verblieben für die Randstreifen rechts und links des Weges jeweils 0,5 m. Weiter habe die Klägerin in keiner Weise begründet, warum die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Werte der D. GmbH fehlerhaft sein sollten. Außerdem könnten die unter Position 2.1 der Rechnung ausgewiesenen Kosten insgesamt nicht beansprucht werden.

B.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, während die zulässige Anschlussberufung der Klägerin erfolglos bleibt.

Die Klägerin hat insgesamt einen Anspruch auf Ersatzvornahmekosten in Höhe von 88.704,40 €. Da die Beklagte bereits einen Betrag, diese Summe übersteigt, entrichtet hat, ist dieser Anspruch bereits durch Erfüllung erloschen.

Im Einzelnen:

II.

1. Die Auffassung des Landgerichtes, dass die Klägerin nur die objektiv erforderlichen Kosten zur Wiederherrichtung bzw. Neuerstellung der Feldwege beanspruchen kann, ist nicht zu beanstanden.

a) Dafür, was an Kosten zur Selbstvornahme erforderlich ist, ist auf den Aufwand und die damit verbundenen Kosten abzustellen, die der Besteller im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung aufwenden kann und muss, wobei es sich jedoch um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Es besteht keine Pflicht, im Rahmen der Mangelbeseitigung den billigsten Bieter zu beauftragen bzw. eine vorherige Ausschreibung vorzunehmen. Der Auftraggeber kann ein Unternehmen seines Vertrauens beauftragen. Der Besteller kann die Kosten einer nochmaligen Herstellung (Neuherstellung) verlangen, wenn nur auf diese Weise Mängel nachhaltig zu beseitigen sind. (Genius in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 637 BGB, Rn. 19 m.w.N.)

b) Hieraus folgt zweierlei: Die Klägerin war einerseits nicht verpflichtet, eine Ausschreibung zu veranstalten und den billigsten Bieter zu berücksichtigen.

Andererseits entsprachen hier die Kosten der Herrichtung der Wege den Kosten, für eine Neuerstellung der Wege hätten verlangt werden können. Denn nach den Ausführungen des Gutachters mussten die Wege komplett neu erstellt werden.

2. Die Kosten der Neuerstellung beziehen sich auf eine Wegbreite von 4 m Kronenbreite, d.h. 3 m Fahrbahn und jeweils 0,5 m Randstreife. Dies ergibt die Auslegung der Formulierung „in ortsüblich guter Bauweise“ des § 2 Abs. 2 des Gestattungsvertrages vom 20.12.2001.

a) Die Auslegung hat sich danach zu richten, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war, es kommt daher darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste (BGH vom 12. März 1992, Az.: IX ZR 141/91, zitiert nach juris Rz. 19 m.w.N.). Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Inhalt der auszulegenden Urkunde. Die Partei muss die in der Urkunde enthaltene Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für sie erkennbaren Umstände objektiv zu verstehen ist (BGH, a.a.O.).

b) Der Sachverständige Dr.-Ing. W. hat in seinem Gutachten vom 15.12.2015, Seite 7 wörtlich ausgeführt:

„Nach den Richtlinien für den ländlichen Wegebau beträgt die Fahrbahnbreite in der Regel 3 m bei einer Kronenbreite von 4 m. Das heißt, die Breite der Seitenstreifen beträgt jeweils 0,5 m.“

c) Nach diesen Ausführungen bedeutet eine „gute Bauweise“ für einen Feldweg eine Fahrbahnbreite von 3 m und Seitenstreifen von jeweils 0,5 m. Weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den eingeholten Sachverständigengutachten ergibt sich, dass eine größere Breite der Feldwege im Bereich ihres Errichtungsorts ortsüblich gewesen wäre.

d) Anders, als es das Landgericht offenbar angenommen hat, spielt auch keine Rolle, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Wege ursprünglich wohl selbst breiter errichtet hat. Denn dies war nach dem Vertragstext überobligatorisch. Außerdem haben im vorliegenden Fall die Instandhaltungsarbeiten den Umfang einer Neuerstellung. Es geht nicht nur um die Reparatur einzelner Schlaglöcher. Stattdessen wurde die gesamte Tragschicht neu erstellt. Insoweit kamen im Rahmen dieser tiefgreifenden Reparatur, die nach ihrem Umfang einer Neuanlage gleichkommt, nicht mehr gefordert werden, als die Klägerin im Rahmen der ursprünglichen Anlage der Wege hätte verlangen können.

e) Der Senat sieht sich an dieser Auslegung auch nicht durch die Rechtskraft des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 07.03.2011 gehindert.

Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Zu den Rechtskraftwirkungen gehört aus diesem Grunde die Präklusion nicht nur der im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, die zu einer Abweichung von der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen, sondern auch der nicht vorgetragenen Tatsachen, sofern sie nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind. Das entspricht gefestigter, vom Reichsgericht begründeter höchstrichterlicher Rechtsprechung (siehe Nachweise bei Stein/Jonas/Leipold, § 322 FN. 252 zu Rdnr. 229), die der Bundesgerichtshof zuletzt im Urteil vom 15. Oktober 1986 (BGHZ 98, 353, 359) bestätigt hat, und zwar generell und nicht nur für den seinerzeit vorliegenden Fall der Unterhaltsabänderungsklage. Ausgeschlossen sind danach also Tatsachen, die bei einer natürlichen vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtung zu dem durch ihren Sachvortrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört hätten. Wird ein beendetes Factoring-Verhältnis abgerechnet, so gehören sämtliche den Saldo beeinflussenden Vorgänge – Ankäufe, Vergütungen, Rückbelastungen, Provisionen, Spesen u.ä. – zu dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt, ob sie vorgetragen worden sind oder nicht. Mit dem Rechtsfrieden stiftenden Zweck der Rechtskraft wäre es unvereinbar, wenn eine Vertragspartei nach rechtskräftiger Feststellung eines Abrechnungsergebnisses dieses sogleich wieder – etwa mit der Behauptung, eine angekaufte Forderung sei nicht in die Abrechnung eingestellt worden – in Frage stellen dürfte (BGH, Urteil vom 07. Juli 1993 – VIII ZR 103/92 -, BGHZ 123, 137-142, Rn. 10).

bb) Im vorliegenden Fall betraf der Vorprozess eine Vorschussklage. Die Höhe des Vorschusses war ausdrücklich nur vorläufiger Natur. Im gesamten Urteil ist außerdem die Breite der herzustellenden Wege nicht erwähnt.

Weiter ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. vom 15.12.2015, dass er in der Kostenberechnung in seinem Gutachten vom 15.09.2008 im Vorprozess auch nur von einer Gesamtwegbreite von 4 m (incl. Randstreifen) ausgegangen ist (vgl. Gutachten vom 15.12.2015 Seite 10).

3. Die Klägerin kann hinsichtlich der Position 1.1 nur einen Betrag von 58.291,39 € beanspruchen.

a) Davon eine gesamte Breite des Weges einschließlich Randstreifen nur von 4 m statt von 6 m auszugehen ist, können unter der Position 1.1 nur 2/3 der abgerechneten Quadratmeter als erstattungsfähig anerkannt werden. Dies sind 8.954,13 m2 (= 13.432,22 m2 x2/3).

b) Anders als das Landgericht sieht der Senat die Klägerin als berechtigt an, die Erstattung der Kosten für Löbejüner Porphyr anstelle der Kosten für zertifiziertes Recyclingmaterial zu verlangen.

Der Sachverständige hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 09.11.2016 ausdrücklich ausgeführt, dass die Verwendung von zertifiziertem Recyclingmaterial nicht der Herstellung der Feldwege üblicher Bauweise entsprechen würde (vgl. Gutachten Seite 9).

Es ist daher in der Position 1.1 von einem Einheitspreis von 6,51 €/m2 auszugehen. Denn der Sachverständige hat diesen Einheitspreis für das verwendete Material in seinem Gutachten vom 15.12.2015 als ortsüblich und angemessen angesehen.

4. Hinsichtlich der Position 1.5 sind nur 3.302,87 m a 4,92 €/m erstattungsfähig.

a) Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 15.12.2015 (Seite 9) bezieht sich der von ihm als ortsüblich und angemessene Einzelpreis für das Anlegen von Randstreifen i.H.v. 4,92 € netto auf 1 m2 Seitenstreifen. Die bauausführende Firma H. ging von 1 m Seitenstreifenbreite aus. Sie konnte daher den Einheitspreis je Meter Weglänge ansetzen. Bei einem Seitenstreifen von nur einem halben Meter Breite ist daher entweder die Zahl der anzusetzenden Meter zu halbieren oder der Einheitspreis. Der Senat hat sich dafür entschieden, bei der Berechnung bei unverändertem Einheitspreis nur die Hälfte der abgerechneten Meter anzusetzen.

b) Der Senat folgt bei der Festsetzung des Einheitspreises den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen. Letztlich bleibt auch unklar, warum die Klägerin im Rahmen ihrer Anschlussberufung den tatsächlich abgerechneten höheren Einheitspreis für ortsüblich hält.

5. Der Senat vermag sich der Auffassung des Landgerichtes, dass auf einem Drittel der Fläche ein Bodenaustausch erforderlich gewesen sei nicht anzuschließen.

a) Die Beklagte rügt insoweit zu Recht, dass der Sachverständige von den Tragfähigkeitsmessungen der H. ausgegangen ist, die aber erst nach Abtrag der vorhandenen alten Tragschicht vorgenommen worden sind. Über die Tragfähigkeit vor dem Abtrag gibt es keine Erkenntnisse. Deshalb bleibt die Notwendigkeit des Erdabtrags offen. Dies geht zulasten der Klägerin da sie insoweit beweisbelastet ist.

b) Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte um gegebenenfalls einen Anspruch gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Eine solche Schätzung würde ins Blaue hinein erfolgen, da – wie bereits ausgeführt – über die Tragfähigkeit der Wege vor dem Abtrag der alten Tragschicht nichts bekannt ist.

Damit ergibt sich folgende Abrechnung:

Pos.

EP

1.1

8.954,13 m2

Frostschutzschicht

6,51 €/m2

58.291,39 €

1.2

entfällt

0,00 €

1.5

3.302,87 m

Randstreifen

4,92 €/m

16.250,12 €

2.1

0

Bodenabtrag

0,00 €

Summe (netto)

74.541,51 €

zzgl. MwSt 19 %

14.162,89 €

Summe (brutto)

88.704,40 €

Der von der Beklagten bereits entrichtete Betrag übersteigt diese Summe.

C.

I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

II. Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.

III. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung des Einzelfalles gebietet auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.

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