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Vergütungsanspruch des Unternehmers nach Werkvertragskündigung durch Besteller

LG Berlin – Az.: 57 S 283/12 – Urteil vom 26.09.2012

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres Rechtsmittels im übrigen das am 15.10.12 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte -113 C 29/12 – geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1540,95 EUR (einschließlich der bereits rechtskräftig titulierten 24,95 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.11 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen mit Ausnahme der für den Abschluss des Zwischenvergleichs entstandenen Kosten haben die Klägerin zu 36% und der Beklagte zu 64% zu tragen. Die Kosten für den Zwischenvergleich (Einigungsgebühr) werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist teilweise aus § 649 Abs. 2 BGB begründet.

1. Die Parteien haben ein Internetsystemvertrag geschlossen, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Werkvertrag im Sinne von § 631 BGB darstellt.

a) Dass der Vertrag wirksam geschlossen wurde, insbesondere auch in ausreichend bestimmter Form die wesentlichen gegenseitigen Vertragspflichten (essentialia negotii) vereinbart sind, der Beklagte den Vertrag auch nicht wirksam angefochten und ihm kein Anspruch aus §§ 311 und 826 BGB auf Aufhebung des Vertrages zustehen, steht zwischen

den Parteien bereits rechtskräftig fest, weil das amtsgerichtliche Urteil im Umfang der Verurteilung des Beklagten von diesem nicht (z.B. mit einer Anschlussberufung) angefochten wurde, er somit die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts nicht wirksam angegriffen hat und diese Umstände insoweit feststehen.

b) Abgesehen davon geht die Kammer ebenfalls von der Wirksamkeit des Vertrages aus.

aa) Die essentialia negotii ergeben sich schon ausreichend aus dem Vertrag selbst nebst einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Erhalt der Beklagte im Vertrag mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Aus ihnen ergibt sich, dass die Klägerin gegen Entgelt (100,– € monatlich für 48 Monate und Anschlussgebühr von 399,– €) einen Internetauftritt/eine Website einschließlich Domain und E-Mail-Adresse für den Beklagten zu erstellen und 4 Jahre vorzuhalten hatte, 4 x jährlich eine Aktualisierung schuldete und die Website bei verschiedenen Suchmaschinen anzumelden hatte (vgl. §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 3, 8 Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

Damit ist der geschuldete Erfolg der klägerischen Tätigkeiten ausreichend konkret umschrieben. Dass genauere Angaben zum Umfang des Internetauftritts fehlen, steht der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen, da dies nicht „wesentlicher“ Vertragspunkt ist und ggf. durch (ergänzende) Auslegung des Vertrages hätte bestimmt werden können.

Demnach kommt es auch nicht darauf an, ob die Leistungsbeschreibung „New Media Partner“, die die oben genannten Leistungspflichten weiter konkretisieren und deren Erhalt der Beklagte ebenfalls mit seiner Unterschrift unter dem Vertrag bestätigt hat, tatsächlich übergeben worden sind. Davon wäre aber angesichts der Vermutung und der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde auszugehen, zumal der Beklagte diese Leistungsbeschreibung – mit einer allerdings abweichenden Überschrift – durch seinen Prozessbevollmächtigten einreichen ließ und dazu erklärte, diese sei ihm, dem Beklagten, vorgelegt worden (vgl. Schriftsatz vom 18.04.2013, Seite 3 unten). Dass genauere Leistungsinhalte Gegenstand der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien waren, ergibt sich zudem aus dem Vortrag des Beklagten selbst, wonach ihm ein Marketingbogen (vgl. Bl. 60 d.A.) vorgelegt worden und anhand dessen die (unterschiedlichen) Kosten für die dort genannten Tätigkeiten/Leistungen verdeutlich worden seien (vgl. Schriftsatz vom 30.04.12, Seite 3 zu 3.).

bb) Der Behauptung des Beklagten, es sei Kostenfreiheit für ihn vereinbart worden, steht schon der Inhalt des vom Beklagten als Ergebnis der Vertragsverhandlungen unterschriebenen Vertrages entgegen, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit aufweist, so dass etwa vorher erörterte Möglichkeiten, die keinen Eingang in die Vertragsurkunde gefunden haben, nicht Vertragsgegenstand geworden sind.

Im Übrigen tritt der Beklagte keinen tauglichen Beweis für diese Behauptung an. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten selbst liegen nicht vor, insbesondere fehlt es an einem sogenannten „Anbeweis“. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gebietet auch nicht der Grundsatz der Waffengleichheit die Parteivernehmung oder Anhörung des Beklagten im Rahmen einer Beweisaufnahme. Das käme nur in Betracht, wenn der Beklagte seinen Verhandlungspartner als Zeugen benennen würde und dieser vernommen würde. Der Grundsatz der Waffengleichheit gebietet aber nicht die Vernehmung der beweisbelasteten Partei als einziges Beweismittel, wenn Zeugen vorhanden sind.

cc) Anfechtungsgründe gemäß §§ 119, 123 BGB sind nicht ausreichend vorgetragen oder sonst ersichtlich. Soweit der Beklagte infolge Unterzeichnung eines zuvor nicht gelesenen Vertragsdokuments dessen Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hat, begründet das keinen Irrtum im Rechtssinne. Als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB genießt der Beklagte auch keinen erhöhten Schutz als Verbraucher, für den z.B. ein Widerrufsrecht gegolten hätte. Zudem wird insoweit auch auf die Ausführungen zu bb) in Ansehung des untauglichen Beweisantritts hingewiesen.

dd) Gleiches gilt für die Geltendmachung eines Anspruchs aus cic bzw. §§ 311 Abs. 2 und 3, 826 BGB.

ee) Der Vertrag zwischen den Parteien ist auch nicht wegen seiner vereinbarten Laufzeit von 48 Monaten (ganz oder in Teilen) unwirksam. Bei dem Beklagten handelt es sich nicht um einen Verbraucher im Sinne von § 13 BGB, sondern um einen Unternehmer im Sinne von § 14 BGB mit der Folge, dass die Vertragsklauseln der Klägerin nur der Überprüfung gemäß § 307 BGB unterliegen. Verträge mit Unternehmern/Kaufleuten sind auch wirksam, wenn sie weit über 2 Jahre Bindung aufweisen (vgl. dazu nur Palandt/Grüneberg, 70 Aufl., § 307 Rdn. 91, 92, 132, 151, 166). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zum Aktenzeichen XII ZR 111/10 keinerlei Veranlassung gesehen, die dort ebenfalls 48 Monate betragende Vertragsdauer eines ebensolchen Internetsystemvertrages zu beanstanden.

2. Den somit wirksamen Vertrag hat der Beklagte gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt. Die – freie – Kündigungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift bleibt bei Verträgen wie dem vorliegenden stets und unabhängig von Regelungen zur Kündigung im Vertrag und seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. nur XII ZR 111/10).

Die Kündigung bewirkt, dass die Klägerin gemäß § 649 Satz 2 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen hat. Letzteres muss der Beklagte dartun und beweisen, nachdem die Klägerin zuvor im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vertragsbezogen die ersparten Kosten in Ansehung der nicht erbrachten Leistungen dargelegt und eine schlüssige Abrechnung vorgelegt hat. Hierbei muss die Klägerin ihre Kalkulation offenlegen, also insbesondere dartun, welche Tätigkeiten für die Erfüllung ihrer vertraglich geschuldeten Leistungen sie mit welchem Zeit- und Kostenaufwand kalkuliert hat. Eine Kalkulation ist notwendigerweise eine im Vorfeld eines Vertragsschlusses erfolgende Schätzung des anstehenden Aufwandes, d.h. in die Zukunft gerichtet.

Die erforderliche Vertragsbezogenheit ist gegeben, wenn die Klägerin ihren Aufwand für die im Einzelfall mutmaßlichen Leistungen darstellt. Dass der genaue Leistungsumfang der zu erbringenden Tätigkeiten bei einer Kündigung des Vertrages vor Erbringung jeglicher Leistungen nicht feststeht und nicht feststehen kann, kann dem Vergütungsanspruch der Klägerin aus § 649 Satz 2 BGB und seiner Berechnung nicht entgegenstehen, sondern ist einem vorzeitig gekündigten Werkvertrag immanent.

Die Berechnung der Klägerin ist ausreichend schlüssig.

Auszugehen ist von der vereinbarten Gesamtvergütung für die beauftragten Leistungen bezogen auf die 4 Jahre Vertragsdauer, die mit der vorzeitigen Beendigung des Vertrages und Übergang in ein Abrechnungsverhältnis fällig geworden ist. Da die Klägerin noch keine Leistungen erbracht hatte, entfällt eine Unterscheidung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen.

Die Klägerin hat die regelmäßig bei Erstellung einer Website anfallenden Tätigkeiten sowie den entsprechenden Zeitaufwand im Einzelnen dargestellt. Demgegenüber kann der Beklagte sich angesichts seiner Darlegungs- und Beweislast nicht mit einem Bestreiten begnügen, sondern hätte konkreter insbesondere zu den erforderlichen Stunden vortragen können und müssen. Daran fehlt es. Soweit der Beklagte die Berechnung für nicht prüfbar und damit nicht einlassungsfähig erachtet, insbesondere weil nachvollziehbare Angaben zu Personalkosten sowie zur Frage von Brutto- oder Nettokosten fehlten, setzt er sich mit dem gegnerischen Vortrag nicht ausreichend auseinander. Aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Klägerin in I. Instanz steht fest, dass sie für die vorgesehenen Leistungen freie Mitarbeiter eingesetzt hätte, ansonsten sie die entsprechenden Kosten nicht als erspart angesetzt hätte. Würde die Klägerin nämlich nur mit fest angestellten Mitarbeitern arbeiten, würde sie insoweit keine Personalkosten erspart haben, da die Gehälter – nebst Sozialabgaben – unabhängig von Aufträgen des Beklagten oder anderer Kunden hätten fortgezahlt werden müssen. Nur wenn ein Unternehmer sich darauf beruft, keine Personalkosten erspart zu haben, muss er, um den Vertragspartner in die Lage zu versetzen, die entsprechende Behauptung zu prüfen, die Anzahl und die Namen der Arbeitnehmer dartun sowie Arbeitsverträge einreichen.

Soweit der Beklagte allerdings ausreichend einen anderen durchschnittlichen Stundensatz dargetan und erläutert hat, ist er seiner Behauptungslast im Sinne von § 649 Satz 2 BGB nachgekommen. Insoweit hatten sich die Parteien allerdings zur Vermeidung der Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Aufrechterhaltung ihrer jeweiligen Rechtsstandpunkte auf einen Wert von 20,50 € pro Stunde verglichen.

Danach ergibt sich unter Berücksichtigung dieses vereinbarten Stundensatzes und auf der Grundlage der von der Klägerin dargestellten und nicht bestrittenen 155 Stunden (rechnerisch bei den Serviceterminen á 3 Stunden x 4 Jahre richtigerweise 12 Stunden statt der angesetzten 9 Stunden) zuzüglich der Fahrtkosten von 120,– € und 360,- € und eines Briefportos von 0,55 € eine Gesamtersparnis von 3.658,08 €, womit der Klägerin eine restliche Vergütung von 1.540,95 € zusteht (einschließlich der bereits rechtskräftig titulierten 24,95 €).

3. Der Zinsanspruch ist aus §§ 280, 286, 288 Abs. 2 BGB i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz begründet, allerdings erst ab dem 18.12.2011. Denn die Klägerin hat mit ihrer Abrechnung vom 30.11.2011 erstmals ihren Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, und zwar als Folge der vom Beklagten zuvor ausgesprochenen Loslösung/Kündigung vom Vertrag. Die in dem Abrechnungsschreiben enthaltene einseitige Fristsetzung zur Zahlung begründet keinen Verzugseintritt, dieser kann zu einem kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt nur dann eintreten, wenn das entsprechende Datum vertraglich, d.h. beidseitig vereinbart worden ist.

Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung handelt es bei dem Abrechnungsschreiben auch nicht um eine – gleichzeitige – Mahnung in Ansehung des unter Umständen zwar zuvor fällig gewordenen Vergütungsanspruchs, der jedoch der Höhe nach noch in keiner Weise feststand. Die im genannten Schreiben enthaltene Bitte, den nunmehr berechneten Betrag innerhalb von wenigen Tagen zu zahlen, ist eine, erstmalige Zahlungsaufforderung und nicht dahin auszulegen, dass damit zugleich auch eine Mahnung ausgesprochen werden sollte. Dies hätte nach Auffassung der Kammer eine „Nachfristsetzung“ erforderlich gemacht.

Mithin ist der Beklagte erst infolge der Zahlungsaufforderung der Klägervertreter im Schreiben vom 16.12.2011, zugegangen mutmaßlich 2 Tage später, in Verzug geraten.

Mangels Verzuges des Beklagten vor Einschaltung der klägerischen Prozessbevollmächtigten sind damit auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten kein verzugsbedingter und damit erstattungsfähiger Schaden.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 98, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

 

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