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VOB-Vertrag – fristlose Kündigung bei Forderung einer nicht geschuldeten Abschlagszahlung

OLG München – Az.: 9 U 1731/10 – Urteil vom 22.02.2011

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Teilurteil des Landgerichts München I vom 17.12.2009 aufgehoben und die Beklagten gesamtschuldnerisch dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin den Aufwand und Schaden zu ersetzen, der ihr nach ihrer berechtigten außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 19.02.2005 entstanden ist.

Wegen der Anspruchshöhe wird das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 708.205,39 € festgesetzt.

Gründe

I.

Nach Entziehung des Auftrags durch Kündigung mit Schreiben vom 19.02.2005 macht die Klägerin Ansprüche i.H.v. 708.205,39 € netto aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B gegen die beklagte Auftragnehmerin und ihre beiden Gesellschafter geltend. Die Beklagten halten die Kündigung für nicht begründet. Aus abgetretenem Recht begehrt der Beklagte zu 3) widerklagend Restwerklohn von 660.148,28 € netto.

Am 04.06.2004 beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1) mit der Planung und Durchführung der Montage der Stahlunterkonstruktion der textilen Unterdecke für die A… Arena zum Pauschalpreis Von 739.000,- € netto (Anlagen K1 und K 2). Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B sowie in Ziff. 7.4 des Auftrags vom 04.06.2004 wörtlich (Anlage K 2):

„Für die Durchführung sieht der AN eine Mannschaftsstärke von durchschnittlich 20 Personen vor.“

Die zu montierenden Stahlteile sollte die Klägerin beistellen. Die Beklagte zu 1) sollte sie nach Vormontage am Boden mit Hilfe von Kletterern an der Unterdecke der A… Arena befestigen.

Unabhängig von diesem Auftrag erhielt die Beklagte zu 1) auch von der Fa. O… GmbH einen Auftrag. Danach sollte die Beklagte zu 1) mittels Kletterern die von der Fa. O… GmbH bereitgestellten textilen Membranen an der Stahlunterkonstruktion befestigen, deren Montage Gegenstand des streitgegenständlichen Auftrags mit der Klägerin war.

Auf Seite 8 des Vertrags vom 04.06.2004 vereinbarten die Parteien wörtlich:

„Zahlungsziel: 14 Tage 1 % Skonto, 30 Tage rein netto nach Rechnungseingang Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es auf die Erteilung des Überweisungsauftrages oder bei Scheckzahlung auf den postalischen Abgang bei M… S… an.“

Der vertraglich vorgesehene Fertigstellungstermin zum 10.12.2004 konnte nicht eingehalten werden, weil der Klägerin zuzurechnende Verzögerungen auftraten.

In der Folgezeit gerieten die Parteien wegen Mehrkosten und Einhaltung des Zahlungsziels in Streit. Durch Faxschreiben vom 09.02.2005 (der Klägerin zugegangen am gleichen Tag um 14.02 Uhr; Anlage K 10) schrieb der Beklagte zu 3) der Klägerin u.a. wörtlich:

„Da in der Vergangenheit die Zahlungen schleppend, teilweise auch außerhalb der Zahlungsziele bei uns eingegangen sind, bestehen wir ab sofort, abweichend von allen bisherigen vertraglichen Vereinbarungen auf eine wöchentliche Abrechnung mit 7 Kalendertagen Zahlungsziel.“

Mit Faxschreiben vom 10.02.2005 (eingegangen am gleichen Tag um 16.34 Uhr bei der Klägerin; Anlage K 12) teilte der Beklagte zu 2) wörtlich mit:

„…, daß wir die Kosten für die Beschleunigungsmaßnahme, die dazugehörige reguläre Abrechnung der Leiterelemente und die bereits überfälligen Rechnungen vom 04.01.05 benötigen. Um den weiteren Montagebetrieb aufrecht zu erhalten, müssen bis morgen Mittag 13:00 Uhr mindestens 350.000,00 € an uns angewiesen sein.

Anderen Falls müssen wir unser Personal auf der Baustelle drastisch reduzieren. Für diesen Fall melden wir schon einmal Bedenken für die Einhaltung der Fertigstellungstermine an.“

Dieses Ansinnen wies die Klägerin mit Faxschreiben vom 11.02.2005 zurück unter Hinweis auf die vertraglich vereinbarten Zahlungsziele (Anlage K 13).

Am 14.02.2005 gegen 14.30 Uhr fand eine Besprechung der Parteien auf der Baustelle statt, über die sofort ein handschriftliches Besprechungsprotokoll gefertigt wurde (Anlage K 11). Mit Faxschreiben vom 17.02.2005 (Anlage K 5) beanstandete die Klägerin bei der Beklagten zu 1), dass die Montagearbeiten fast zum Erliegen gekommen seien und die Personalstärke der Beklagten lediglich noch 5 bis 6 Mann betrage (Anlage K 5). Der kaufmännische Geschäftsführer der Klägerin Sch… rief in dieser Sache am 18.02.2005 gegen 11.00 Uhr den Beklagten zu 3) an, und wiederholte das Angebot einer raschen Zahlung von 150.000,- € als letzte Zahlung vor der Schlussrechnung. Dieses Angebot lehnte der Beklagte zu 3) als ungenügend ab. Am 21.02.2005 fertigte die Klägerin über diese telefonische Besprechung eine Aktennotiz (Anlage K 34).

Mit Faxschreiben vom 18.02.2005 (zugegangen am gleichen Tag um 14.45 Uhr bei der Beklagten; Anlage B 4) teilte die Klägerin wörtlich mit:

„bedauerlicherweise sind Sie unserer gestrigen Aufforderung nach Aufstockung Ihres Montagepersonals nicht nachgekommen.

Wir setzen Ihnen hiermit eine Nachfrist von 24 Stunden ab Zugang dieses Schreibens. Sollten Sie auch nach Ablauf der Nachfrist unserer Aufforderung nicht nachgekommen sein, werden wir den Bauvertrag kündigen.“

Am Nachmittag des 19.02.2005 fand erneut eine Besprechung der Parteien im Baustellencontainer der Beklagten statt. Inhalt und Verlauf der Besprechung sind zwischen den Parteien streitig. Durch Faxschreiben vom 19.02.2005 (zugegangen der Klägerin am gleichen Tag um 18.06 Uhr; Anlage zum Protokoll des Landgerichts vom 12.05.2009) übermittelte der Beklagte zu 3) der Klägerin ein „Gesprächsprotokoll“, wonach sich die Parteien auf die rasche Zahlung von 150.000,- € und die Weiterarbeit der Beklagten zu 1) geeinigt hätten. Nach der Darstellung der Klägerin trifft dies nicht zu; eine Einigung hätte nicht stattgefunden und die Beklagten hätten auf der Zahlung eines weitaus höheren Betrages bestanden. Mit Schreiben vom 19.02.2005 (persönlich ausgehändigt am 20.02.2005 gegen 12.00 Uhr auf der Baustelle; Anlage K 4) führte die Klägerin wörtlich aus:

„hiermit kündigen wir den Bauvertrag vom 04.06.2004. Bitte räumen Sie sofort die von uns zur Verfügung gestellten Baustellenflächen.

Diese Kündigung betrifft, um dies hervorzuheben, nur den mit uns geschlossenen Bauvertrag vom 04.06.2004. Andere Vertragsverhältnisse sind von dieser Kündigung nicht berührt“.

Mit Faxschreiben vom 21.02.2005 (der Beklagten zugegangen am gleichen Tag um 15.16 Uhr; Anlagen K 29 und K 30) widersprach die Klägerin der Richtigkeit des Gesprächsprotokolls der Beklagten vom 19.02.2005.

Durch Teilurteil vom 17.12.2009 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Widerklage hat es noch keine Entscheidung getroffen. Die Klageabweisung hat das Landgericht damit begründet, dass die Parteien sich in der Besprechung am 19.02.2005 geeinigt hätten und daher die Klägerin ein Recht zur außerordentlichen Kündigung jedenfalls verloren hätte.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie beantragt:

I. Das Teilurteil des Landgerichts München I vom 17.12.2009 wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 708.205,39 € nebst 8 % Punkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.12.2005 zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 2.454,90 € zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 09.11.2010 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg. als das Teilurteil aufzuheben und die Beklagten dem Grunde nach zu verurteilen waren. Da der Streit über die Höhe des Anspruchs nicht zur Entscheidung reif ist, war die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben sich die Parteien bei der Besprechung vom 19.02.2005 nicht auf eine bestimmte Beilegung ihrer Streitpunkte geeinigt. Für eine solche Einigung darlegungs- und beweisbelastet sind die Beklagten.

a)

Bei der Annahme einer Einigung am 19.02.2005 stützt sich das Landgericht im Wesentlichen auf die Aussage des Zeugen H… den es für ganz besonders glaubwürdig hält. Der Senat schließt sich der Bewertung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen an und muss ihn daher nicht erneut vernehmen(BGH NJW 1997, 466). Bei seiner letzten Vernehmung am 12.05.2009 hat der Zeuge ausweislich des Vernehmungsprotokolls u.a. folgende Aussagen gemacht:

„Es war ein Angebot von Herrn W… € 150.000,– am Montag zu zahlen, wenn die Arbeiten am Sonntag und an den Folgetagen fortgeführt werden. Zu diesem Angebot sollte sich die Beklagte binnen einer Frist äußern. Diese Frist, binnen der sich die Beklagte äußern sollte, war eine Frist von Stunden, die noch am selben Tag ablief.

Ich meine, dass Herr G… noch am selben Tag das Angebot von Herrn W… akzeptiert hat. Ich war aber nicht dabei und weiß es nicht aus eigener Wahrnehmung. …

Wenn hier wiederholt von einer Zusage des Herrn W… gesprochen worden ist, € 150.000,– zu zahlen, so meine ich, wie schon gesagt, ein Angebot des Herrn W…, das angenommen werden konnte von der Beklagten.“

Aus diesen Angaben des Zeugen H… kann keine Einigung bei der Besprechung vom 19.02.2005 entnommen werden. Er bekundet zwar, dass der Verhandlungsführer der Klägerin, der Zeuge W… eine rasche Zahlung von 150.000,– € angeboten habe. Er bekundet aber ausdrücklich, dass der Verhandlungsführer der Beklagtenseite, der Beklagte zu 3), während der Besprechung das Angebot nicht akzeptiert hat. Vielmehr sei dies erst später geschehen und er wisse es nicht aus eigener Wahrnehmung.

Folgt man diesen glaubwürdigen Angaben des Zeugen H… hat es bei der Besprechung am 19.02.2005 gegen 12.00 Uhr auf der Baustelle keine Einigung gegeben. Als weitere Folge davon ist das Faxschreiben der Beklagten vom 19.02.2005 (überschrieben mit „Gesprächsprotokoll“) inhaltlich, unrichtig, weil in dieser Besprechungsniederschrift das Zustandekommen einer Einigung wiedergegeben wird. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestätigen sich nicht die Angaben des Zeugen H… und die Ausführungen im Faxschreiben vom 19.02.2005 gegenseitig; vielmehr widersprechen sich diese beiden Beweismittel.

Der Zeuge H… bekundet auch nicht, die Besprechung vom 19.02.2005 vor deren Ende verlassen zu haben. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

b)

Nimmt man an, wie der Zeuge H… bekundet hat, dass die Besprechung vom 19.02.2005 ohne Einigung aber mit dem kurzfristig anzunehmenden Angebot der Klägerin (rasche Zahlung von 150.000,– € als letzte Zahlung vor der Schlussrechnung, Weiterarbeit der Beklagten) geendet hat, kann dem Faxschreiben der Beklagten vom 19.02.2005 keine Annahme dieses Angebots entnommen werden.

Denn ausdrücklich ist die Zielrichtung des Faxschreibens nicht die Abgabe einer Erklärung, sondern vielmehr die Niederlegung eines bereits abgeschlossenen Gesprächsverlaufs. Ein Bewußtsein des Verfassers, dass für das Zustandekommen eines Vertrags zumindest möglicherweise noch eine Erklärung notwendig ist, ergibt sich aus dem Faxschreiben gerade nicht (BGH NJW 2010, 2873). Dies steht einer Auslegung des Faxschreibens als Annahmeerklärung entgegen (§§ 133, 157 BGB).

c)

Selbst wenn man dem Faxschreiben vom 19.02.2005 durch Auslegung den Rechtswillen einer Annahmeerklärung beimisst, würde keine vertragliche Einigung der Parteien daraus zu entnehmen sein. Denn der Eingang des Faxschreibens vom 19.02.2005 um 18.06 Uhr bei der Klägerin stellt keinen rechtswirksamen Zugang i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 130 Rn. 6 m.w.N.). Dieser Zugang erfolgte außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, selbst wenn der 19.02.2005 ein gewöhnlicher Werktag gewesen wäre. Die übliche Geschäftszeit endet vor 18.00 Uhr. Darüber hinaus war der 19.02.2005 kein gewöhnlicher Werktag, sondern ein Samstag. Eine Faxmitteilung der vorliegenden Weise war auch nicht konkret verabredet. Demzufolge ging das Faxschreiben der Beklagten vom 19.02.2005 der Klägerin im Rechtssinne erst am nächsten Werktag zu, d.h. am Montag, den 21.02.2005 (BGH NJW 2008, 843). Zu diesem Zeitpunkt war das vom Zeugen H… berichtete Angebot der Klägerin aus der Besprechung vom 19.02.2005 durch die persönliche Übergabe der Kündigung am 20.02.2005 überholt und bereits wieder zurückgenommen. Die Rücknahme des Angebots durch die Klägerin war nach § 145 BGB wirksam, weil ausweislich der Angaben des Zeugen H… das Angebot der Klägerin nur binnen Stunden angenommen werden konnte, also nicht mehr nach knapp 2 Tagen (§§ 147 Abs. 1, 148 BGB).

d)

Anlässlich der persönlichen Aushändigung des Kündigungsschreibens vom 19.02.2005 am Sonntag, den 20.02.2005 gegen 12.00 Uhr auf der Baustelle haben die Parteien zunächst miteinander geredet. Keiner der Zeugen berichtet, dass dabei eine Einigung erzielt worden wäre. Auch bei dieser Zusammenkunft bestand der Streit der Parteien fort.

e)

Somit konnten die Beklagten keine vertragliche Einigung der Parteien über ihre Streitpunkte darlegen und beweisen, so dass auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB etwaige Rechte der Klägerin aus Vertragsverletzungen der Beklagten aus der Zeit vor dem 19.02.2005 nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen sind (BGH NJW 2010, 3299). Die Rechte der Klägerin sind daher uneingeschränkt zu prüfen.

2. Wegen der angekündigten starken Reduzierung des Montagepersonals durch die Beklagten in der Zeit vom 11.02. bis zum 18.02.2005 und des darin – nach den Gesamtumständen – liegenden schweren Vertragsverstoßes war die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages berechtigt. Die Reduzierung des Personals verletzte die vertraglich vereinbarte „Mannschaftsstärke“ und das Kooperationsgebot in einer Weise, die die weitere Zusammenarbeit unzumutbar machte, insbesondere wegen der Erschütterung des Vertrauens der Klägerin in die Vertragstreue der Beklagten zu 1).

a)

Die Beklagte verfugte nur über eigenes Bodenpersonal, das Vormontagen ausführte, nicht jedoch über Kletterer. Die Kletterer leitete auf der Baustelle der Zeuge S… in der Zeit vom 10.02. bis etwa 17.02.2005, danach der Zeuge H…. Bei seiner Zeugenvernehmung vom 16.10.2007 bekundete der Zeuge S… dass am 10.02.2005 fünfundzwanzig Kletterer auf der Baustelle gewesen seien, am 11.02. dreizehn Kletterer, am 12.2. elf Kletterer, am 13.2. zehn Kletterer, am 14. und 15.02. keine Kletterer, am 17.02. elf Kletterer und am 18.02. zwölf Kletterer. Die Beklagte habe etwa fünf bis sechs Leute für Montagearbeiten am Boden auf der Baustelle beschäftigt.

Am Ende seiner Vernehmung vom 16.01.2007 führte der Zeuge S… wörtlich aus:

„Die erhebliche Verringerung der Personalstärke ab dem 11.02. beruhte darauf, dass wir kein Geld hatten, um alle Kletterer zu bezahlen, weil wir unsererseits kein Geld von unserem Auftraggeber, der hiesigen Beklagten, erhalten hatten, die wiederum kein Geld von M… S… erhalten hat. Deswegen sind zahlreiche Kletterer ab dem 11.02. nicht mehr auf der Baustelle gewesen. Wir haben mit dem restlichen Personal uns vor allen Dingen bemüht, die Baustelle zu sichern, damit sie nicht von der Berufsgenossenschaft eingestellt wird.“

Zur Personalstärke gab der Zeuge H… bei seiner Vernehmung am 03.07.2007 wörtlich an:

„Ich bin am 17.02.2005 turnusgemäß auf die Baustelle gekommen, um die Bauleitung von Herrn S… zu übernehmen. Herr S… war meines Wissens auch noch am 17. auf der Baustelle. Meinen Unterlagen kann ich entnehmen, dass am 17.02. dreizehn Kletterer, am 18.02. zwölf Kletterer, am 19.02. zehn Kletterer und am 20.02. zehn Kletterer auf der Baustelle gearbeitet haben. Außerdem war die Bodencrew vorhanden und außerdem waren die Herren G… und W… auf der Baustelle, zumindest am 17. und 18. Am 19. und 20. war nur Herr G… da.“

b)

Daraus folgt, dass die Beklagten tatsächlich ab dem 11.02.2005 die Kletterer auf der Baustelle stark vermindert haben, wie in ihrem Faxschreiben vom 10.02.2005 angekündigt (Anlage K 12). Berücksichtigt man die Angaben des Zeugen S… zur Anzahl der Kletterer am 10.02.2005 einerseits und in der Zeit vom 11.02. bis 18.02.2005 andererseits, ist von einer Verringerung der Anzahl der Kletterer um rund 50 % auszugehen. Wie im Schreiben vom 10.02.2005 der Beklagten zu 1) dargelegt, sollte die drastische Reduzierung die Folge davon sein, dass die Klägerin nicht bis 11.02.2005, 13.00 Uhr, mindestens 350.000,– € angewiesen habe und allgemein für künftige Fälle wesentlich kürzere Zahlungsziele akzeptiert habe.

Die Beklagten haben weder einen Rechtsanspruch auf die Zahlung von 350.000,– € substantiiert dargelegt, noch einen Rechtsanspruch auf eine Verkürzung der vertraglichen Zahlungsziele. Bereits durch Beschluss vom 25.11.2008 hat das Landgericht die Beklagten darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag zu den angeblichen Zahlungsrückständen der Klägerin unsubstantiiert sei. Der Vortrag ist nach wie vor nicht ausreichend substantiiert.

c)

Soweit die Beklagten behaupten, trotz Reduzierung der Anzahl der Kletterer ab dem 11.02.2005 sei der Durchschnitt der eingesetzten Kletterer über der vertraglich vereinbarten Zahl von 20 Personen gelegen, trifft dies nicht zu. Denn unstreitig herrschte großer Zeitdruck auf der Baustelle und unstreitig haben die Beklagten durch Halbierung des eingesetzten Kletterpersonals das mögliche und geschuldete Arbeitstempo in einem erheblichen Zeitraum stark vermindert.

d)

Es kommt hinzu, dass die auf der Baustelle anwesenden Kletterer nicht notwendig im Rahmen des streitgegenständlichen Vertrages eingesetzt waren. Denn die Beklagte zu 1) war ebenfalls an der Fa. O… GmbH mit Kletterarbeiten beauftragt, die aus dem gleichen Pool der auf der Baustelle anwesenden Kletterer zu erledigen waren. In welchem Umfang dies konkret in der Zeit vom 11.02. bis zum 20.02.2005 der Fall war, kann jedoch offen bleiben.

e)

Selbst wenn eine wirtschaftliche Notlage der Beklagten zu 1) Motiv ihrer Handlungsweise war, bleibt es dennoch dabei, dass ein Rechtsgrund dafür nicht bestand. Die Beklagte zu 1) hatte weder Anspruch auf eine Abkürzung der vereinbarten Zahlungsziele, noch auf die von ihr begehrte sofortige Zahlung von über 300.000,– €, noch ein Recht zur Verminderung oder Einstellung ihrer Leistungen aufgrund Zahlungsverzuges der Klägerin. Ein solcher Zahlungsverzug ist nicht dargelegt. Im Übrigen berechtigen Streitfälle den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen (§ 18 Nr. 4 VOB/B).

3. Somit war die außerordentliche Kündigung der Klägerin berechtigt und löste Ansprüche nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/ B aus. Deren Höhe ist aber nicht entscheidungsreif, zumal die Klägerin noch nicht ausreichend zur Frage der Sowieso-Kosten vorgetragen hat. Darauf wurde sie bislang noch nicht hingewiesen. Sie kann von der Beklagten nicht ihre Aufwendungen zur Fertigstellung des streitgegenständlichen Gewerks vollständig verlangen, sondern nur nach Abzug der Kosten, die sie für die theoretisch vertragsgemäße Fertigstellung durch die Beklagte zu 1) an diese einschließlich Mehrungen hätte ohnehin bezahlen müssen. Deshalb war die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht der Klageanspruch in irgendeiner Höhe (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 304 Rdnr. 4).

Durch das vorliegende Teilgrundurteil zum Anspruch nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ist das Landgericht nicht gehindert, andere Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Klageanspruch zu prüfen.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 09.12.2010 wurde für die vorliegende Entscheidung nicht mehr berücksichtigt. Die Entscheidungsreife der Anspruchshöhe würde er darüber hinaus nicht bewirken.

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 63 Abs. 2, 45, 47, 48 GKG.

 

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