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VOB-Vertrag – Nachfristsetzung zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts

Der Streit um den Sicherheitseinbehalt: Ein Fall von Nachfristsetzung in der Baubranche

Eine Rechtsstreitigkeit im Bereich des Baurechts hat kürzlich eine neue Wende genommen. Der zentrale Punkt in diesem Disput war der Sicherheitseinbehalt in einem VOB-Bauvertrag, speziell im Rahmen eines Großbauprojektes namens „38 EFH A-Straße“. Die Beteiligten sind ein Bauunternehmen und der Insolvenzverwalter eines Spezialisten für Kunststofffenster, Möbel- und Innenausbau. Das Bauunternehmen war für die Herstellung von 38 Einfamilienhäusern verantwortlich und hatte den Insolvenzschuldner mit dem Fensterbau beauftragt. Doch nach Abschluss der Arbeiten gab es Auseinandersetzungen über die Auszahlung eines Sicherheitseinbehalts für Mängelansprüche.

Direkt zum Urteil Az: I-7 U 158/20 springen.

Eine Kontroverse, die sich zu einem Rechtsstreit entwickelt

Die Kontroverse entbrannte, als es um die abschließende Zahlung für die durchgeführten Arbeiten ging. Im Verhandlungsprotokoll vom 28.08.2018, das den Auftrag regelte, war festgehalten worden, dass 5 % des Nettorechnungsbetrages als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung einbehalten werden. Als jedoch die Zeit für die Schlusszahlung kam, war die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts ein strittiger Punkt.

Der Gang vor Gericht: Veränderungen und Konsequenzen

Das Landgericht Aachen hatte zunächst ein Urteil gefällt, gegen das jedoch Berufung eingelegt wurde. Nun hat das OLG Köln eine Änderung des ursprünglichen Urteils vorgenommen. Die Beklagte, also das Bauunternehmen, wurde verurteilt, einen bestimmten Betrag an den Kläger, den Insolvenzverwalter, zu zahlen. Die Zahlung ist mit Zinsen seit dem 25.04.2020 zu leisten. Die Kosten des Rechtsstreits wurden aufgeteilt, wobei der Großteil von der Klägerin zu tragen ist.

Was das Urteil bedeutet: Einblicke und Auswirkungen

Die Urteilsverkündung bietet wertvolle Einblicke in das Baurecht und speziell in Fragen rund um den Sicherheitseinbehalt in einem VOB-Bauvertrag. Es zeigt die Komplexität dieser Rechtsbereiche und verdeutlicht, wie wesentlich eine eindeutige Vertragsausgestaltung und das Verständnis der geltenden Regulierungen sind. Das Urteil hat möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Verträge in der Bauindustrie, insbesondere in Bezug auf Sicherheitseinbehalte und Nachfristsetzungen.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-7 U 158/20 – Urteil vom 24.06.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.10.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – Az. 4 O 100/20 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.727,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 94 %, die Beklagte zu 6 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für den Rechtsstreit erster Instanz wird auf 28.440,13 EUR festgesetzt. Für den Rechtsstreit zweiter Instanz wird der Streitwert auf 26.712,33 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über restlichen Werklohn aus einem VOB-Bauvertrag bei dem Großbauprojekt „38 EFH A-Straße“ in B. Im Berufungsverfahren streiten die Parteien lediglich noch über die Auszahlung eines Sicherheitseinbehalts für Mängelansprüche.

Kläger ist der mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.07.2019 bestellte Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gebrüder C GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin war spezialisiert auf die Herstellung von Kunststofffenstern, Möbel- und Innenausbau.

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen, welches von der GAG Immobilien AG als Hauptunternehmerin (HU) mit der Herstellung von 38 Einfamilienhäusern in der Straße „A-Straße“ in B-E beauftragt wurde.

Mit Verhandlungsprotokoll vom 28.08.2018 beauftragte die Beklagte die Insolvenzschuldnerin als Nach-/“Mitunternehmerin“ (MIU) mit dem Gewerk Kunststofffenster zu einem Pauschalfestpreis i.H.v. 490.000,00 EUR netto. Gemäß Ziff. 4.1.12 des Verhandlungsprotokolls wurde die VOB/B in den Vertrag einbezogen. Weiter heißt es in dem Vertrag auszugsweise:

Ziff. 18.1 ZVB [= Zusätzliche Vertragsbedingungen im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten]: Bei der Schlusszahlung wird als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung 5 % des Nettorechnungsbetrages einbehalten […]

Ziff. 18.2 ZVB: Der MIU kann den Sicherheitseinbehalt durch eine unbefristete Bürgschaft ablösen […]

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018 nebst Anlagen wird auf die Anlage HWD2, Bl. 11ff. d.A., Bezug genommen.

Die Insolvenzschuldnerin führte die beauftragten Leistungen nebst weiterer Zusatzleistungen aus und stellte unter dem 16.12.2019 ihre Schlussrechnung i.H.v. 569.288,02 EUR abzüglich diverser Abzüge und erhaltener Zahlungen, woraus noch ein Zahlbetrag i.H.v. 179.990,04 EUR verblieb (Bl. 42 ff. d.A.). Die Schlussrechnung ging der Beklagten am 19.12.2019 zu. Eine förmliche Abnahme erfolgte nicht.

Die Beklagte prüfte die Schlussrechnung und übersandte dem Kläger am 13.03.2020 das Prüfexemplar (Anlage HWD3, Bl. 42-46 d.A.) mit folgendem Ergebnis:

Leistung Netto 534.246,63 EUR

  • abzügl. 1,8 % (Bauleistungsvers./Strom etc.) 9.616,44 EUR
  • abzügl. von Bekl. verauslagte Beträge 100.578,90 EUR
  • abzügl. Sicherheitseinbehalt für Mängelansprüche 26.712,33 EUR
  • abzügl. Einbehalt für bei Abnahme festgestellte Mängel 12.000,00 EUR
  • abzügl. Einbehalt fehlende Unterlagen 13.000,00 EUR
  • abzügl. Abschlagszahlungen 285.948,81 EUR

Zwischensumme 86.390,15 EUR

  • abzügl. 2% Skonto aus 86.390,15 EUR    1.727,80 EUR

Unstreitiger Restwerklohn 84.662,35 EUR

Mit Schreiben vom 16.03.2020 (Anlage HWD4, Bl. 47 ff. d.A.) nahm der Kläger zu der geprüften Schlussrechnung der Beklagten Stellung und forderte diese u.a. zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto bis zum 27.03.2020 auf.

Den unstreitigen Restwerklohn i.H.v. 84.662,35 EUR zahlte die Beklagte am 17.03.2020 an den Kläger aus.

Mit Schreiben vom 31.03.2020 (Anlage HWD5, Bl. 50  f. d.A.) antwortete die Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 16.03.2020 und teilte unter Ziff. 4 mit: „Der Sicherheitseinbehalt wurde wunschgemäß am 25.03.2020 separiert. Einen entsprechenden Nachweis fügen wir bei. Zur Einrichtung eines Sperrkontos sind weitergehende Formalitäten auch Ihrerseits notwendig. Zur Abstimmung der weiteren Details bitten wir höflich um Kontaktaufnahme mit […]“.

Mit Schreiben vom 07.04.2020 (Anlage HWD6, Bl. 53 ff. d.A.) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos u.a. zur Auszahlung des Sicherheitseinbehalts i.H.v. 26.712,33 EUR bis zum 24.04.2020 auf. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass die Separierung des Sicherheitseinbehalts nicht den Anforderungen nach § 17 Abs. 6 VOB/B genüge.

Mit Schreiben vom 24.04.2020 (Anlage  B1, Bl. 78 f. d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger u.a. mit, welche konkreten Unterlagen bzw. Angaben zur Vorbereitung der Kontoeröffnungsunterlagen für das Sperrkonto vom Kläger an die Sparkasse F weiterzuleiten seien (Bl. 78 d.A.).

Mit der Klage begehrt der Kläger u.a. die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts i.H.v. 26.712,33 EUR zzgl. Verzugszinsen.

Soweit hier von Bedeutung hat der Kläger in 1. Instanz die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu. Die Beklagte habe es versäumt, den Sicherheitseinbehalt von sich aus auf ein Sperrkonto i.S.v. § 17 Abs. 5 S. 1 VOB/B einzuzahlen. § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B sei vorliegend nicht anwendbar. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setze voraus, dass der Auftraggeber vereinbarungsgemäß die Sicherheit in Teilbeträgen von seinen Zahlungen einbehalten dürfe. Davon, dass die Beklagte die Sicherheit für die Gewährleistung vereinbarungsgemäß in Teilbeträgen von ihren Zahlungen einbehalten dürfe, sei in Ziff. 14 des Verhandlungsprotokolls keine Rede. Die Beklagte hätte den Sicherheitseinbehalt also von sich aus auf ein Sperrkonto einzahlen müssen, was sie unterlassen habe. Der Kläger habe daher berechtigterweise mit Schreiben vom 16.03.2020 gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 1 VOB/B eine angemessene Nachfrist zur Erfüllung dieser Verpflichtung bis zum 27.03.2020 setzen können, welcher die Beklagte nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 28.440,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat in 1. Instanz die Ansicht vertreten, es bestehe kein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, da es an einer wirksamen Nachfristsetzung fehle. Nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Sicherheitseinbehalt binnen 18 Werktagen nach Mitteilung des einbehaltenen Betrages an die Insolvenzschuldnerin auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Die Mitteilung des einbehaltenen Betrages i.H.v. 26.712,33 EUR gegenüber der Insolvenzschuldnerin sei am 13.03.2020 mit der Übersendung des Prüfexemplars der Schlussrechnung erfolgt. Dementsprechend sei die Frist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts am 03.04.2020 abgelaufen. Zum Zeitpunkt des Schreibens des Klägers vom 16.03.2020 sei die Frist daher noch nicht abgelaufen und die Nachfristsetzung damit unwirksam.

Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in 1. Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 114 ff. der Akte).

Das Landgericht hat der Klage weit überwiegend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 28.440,13 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 26.712,33 EUR seit dem 02.07.2020 und aus 1.727,70 EUR seit dem 25.04.2020. Wegen der weitergehenden Zinsforderungen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns i.H.v. 28.440,13 EUR gemäß § 631 Abs. 1 BGB,  §§ 2, 16 Abs. 5, 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B i.V.m. § 80 InsO habe. Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten sei ein Pauschalpreisvertrag unter Einbeziehung der VOB/B geschlossen worden. Der restliche Werklohn sei fällig und der Kläger habe einen Anspruch auf Auszahlung sowohl des Sicherheitseinbehalts als auch des Skontoabzugs. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der Sicherheit i.H.v. 26.712,33 EUR kraft seines Amtes als Insolvenzverwalter aus § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu. Die Beklagte habe es versäumt, den Sicherheitseinbehalt innerhalb der ihr gesetzten Nachfrist auf ein Sperrkonto einzuzahlen.

Die Vertragsparteien hätten mit der Regelung in Ziff. 18 der ZVB zum Verhandlungsprotokoll vom 28.08.2018 wirksam vereinbart, dass die Beklagte für die Dauer der Gewährleistungsverpflichtung 5 % des Nettorechnungsbetrages einbehalten durfte und der Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft abgelöst werden konnte. Ausdrückliche Regelungen darüber, wie mit dem Sicherheitseinbehalt zu verfahren sei, enthalte die vertragliche Vereinbarung nicht. Da nach der vertraglichen Vereinbarung allerdings ergänzend die VOB/B Geltung haben sollte, habe die Beklagte hinsichtlich des Sicherheitseinbehalts gemäß § 17 Abs. 6 VOB/B die Verpflichtung getroffen, den einbehaltenen Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen. § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B gelte dabei einheitlich für jede Art des Sicherheitseinbehalts, unabhängig davon, ob die Sicherheit in Teilbeträgen von jeder Zahlung oder – wie im vorliegenden Fall – nur in einer Summe von der Schlusszahlung abgezogen werde (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 17. Dezember 2003 – 2 U 384/03 -, juris 2. Leitsatz; Joussen, in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 30 mwN). Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung des Einbehaltes auf ein Sperrkonto entstehe dabei auch unmittelbar. § 17 VOB/B schließe den schlichten Einbehalt der Sicherheit ohne Einverständnis des Vertragspartners aus. Zur Sicherheit einbehaltener Werklohn sei stets auf ein Sperrkonto einzuzahlen, ohne dass es dazu einer Aufforderung durch den Auftragnehmer bedürfe (KG Berlin, Urteil vom 02. August 2002 – 7 U 38/02, juris Rn. 6; KG Berlin, Urteil vom 23. April 2010 – 7 U 117/09, juris Rn. 34). Indem die Beklagte ihr Recht zum Einbehalt i.H.v. 26.712,33 EUR wahrgenommen habe, sei sie daher ohne Weiteres zur Einzahlung dieses Einbehaltes auf ein Sperrkonto verpflichtet gewesen.

Der Kläger habe der Beklagten wirksam mit Schreiben vom 16.03.2020 eine Nachfrist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts i.S.d. § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B gesetzt. Die Fristsetzung sei nicht – wie von der Beklagten vorgetragen – unwirksam, weil zum Zeitpunkt des Schreibens vom 16.03.2020 die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B noch nicht abgelaufen gewesen sei. § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B setzte nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der Auftraggeber überhaupt berechtigt sei, die Sicherheit in Teilbeträgen und nicht nur in einem Betrag oder in bestimmten Beträgen einzubehalten. Vorliegend hätten die Parteien in Ziff. 18.1 der ZVB abweichend vom § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B gerade keinen Einbehalt in Teilbeträgen vereinbart, sondern klar und eindeutig den Sicherheitseinbehalt auf die Schlusszahlung begrenzt. Dass die Klausel in Ziff. 18.1 der ZVB unwirksam ist, sei weder dargelegt noch ersichtlich. Hätten die Bauvertragsparteien aber zulässigerweise – abweichend von § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B – vereinbart, dass der Sicherheitseinbehalt auf eine bestimmte Zahlung begrenzt sein solle, finde § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B von vornherein keine Anwendung (vgl. Joussen, in Ingenstau/Korbion Rn. 7.; BeckOK VOB/B/Hildebrandt/Abu Saris, 40. Ed. 31.7.2020, VOB/B § 17 Abs. 6 Rn. 4). Damit gelte auch nicht die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B. Soweit der BGH mit Beschluss vom 10.11.2005 – VII ZR 11/04 – und das KG Berlin mit Urteil vom 02.08.2002 – 7 U 38/02 – ohne jede Begründung § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B auch bei Begrenzung des Sicherheitseinbehalts auf eine einmalige Zahlung anwende, vermöge die Kammer dem bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts und der Systematik des § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B nicht zu folgen. Vielmehr hätte es den Bauvertragsparteien freigestanden, eine solche Einzahlungsfrist in Ziff. 1 8.1 der ZVB zu vereinbaren. Dass das Fehlen einer solchen Einzahlungsfrist die Beklagte unangemessen benachteilige, sei weder dargelegt noch ersichtlich. Folglich wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den Einbehalt bereits bei der Schlusszahlung auf ein Sperrkonto einzubezahlen, was sie unstreitig nicht getan habe.

Die zu kurz bemessene Nachfrist habe eine angemessene Frist in Gang gesetzt. Selbst wenn man – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B – auch für den Schlusszahlungseinbehalt eine angemessene Frist von insgesamt 18 + 7 Werktagen annehme, ergebe sich eine wirksam gesetzte Frist zum 16.04.2020, die die Beklagte habe verstreichen lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, soweit sie verurteilt worden ist, an den Kläger 26.712,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2020 zu zahlen. Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, dass die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B nicht gelte. Dies widerspreche der Rechtsprechung des BGH (NZBau 2006, 106).

Die Beklagte beantragt, das am 20.10.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – Az 4 O 100/20 – abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.727,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2020 verurteilt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Der Kläger ist der Ansicht, die Entscheidung des BGH, NZBau 2006, 106, könne vorliegend nicht herangezogen werden. Anders als im vorliegenden Fall sei dort eine Bürgschaft zum Austausch gegen den Sicherheitseinbehalt gestellt worden. Schon allein deshalb sei der Auftraggeber zur Auszahlung des Sicherheiteinbehaltes verpflichtet gewesen. Auf die Frage, ob der Sicherheitseinbehalt binnen 18 Werktagen auf ein Sperrkonto einzuzahlen gewesen sei, sei es dort nicht angekommen.

§ 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B betreffe zudem nur Einbehalte für eine Vertragserfüllungssicherheit und nicht für eine Gewährleistungssicherheit.

Bei Fälligkeit des Werklohns sei der als Sicherheit einbehaltene Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Auftraggeber berechtigt sein solle, für 18 weitere Tage den Werklohn in seinem Vermögen zu belassen.

§ 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B passe nicht für einen einmaligen Einbehalt aus der Schlussrechnung. Der Fristbeginn sei abhängig von einer Mitteilung des Auftraggebers. Anders als beim Einbehalt von einer Abschlagsrechnung, könne der Auftragnehmer nach Erteilung der Schlussrechnung den Auftraggeber nicht durch Zurückbehaltung seiner Leistung zur Zahlung bzw. Mitteilung veranlassen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zur Akte gereichten Unterlagen

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des als Sicherheit einbehaltenen Betrages in Höhe von 26.712,33 EUR gemäß § 631 Abs. 1 BGB, §§ 2, 16 Abs. 5, 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B, § 80 InsO.

Gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B kann der Auftragnehmer die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages verlangen und braucht dann keine Sicherheit mehr zu leisten, wenn der Auftraggeber den Sicherheitsbetrag nicht rechtzeitig auf ein Sperrkonto einzahlt und eine hierfür gesetzte angemessene Nachfrist verstreichen lässt. Diese Voraussetzungen sind entgegen der Einschätzung des Landgerichts vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 16.03.2020 (Anlage HWD4, Blatt 47 ff. der Akte) keine wirksame Nachfrist zu Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto im Sinne von § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B gesetzt. Die Fristsetzung war unwirksam, weil zum Zeitpunkt des Schreibens vom 16.03.2020 die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B noch nicht abgelaufen war. Den jeweils einbehaltenen Betrag hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer mitzuteilen und binnen 18 Werktagen nach dieser Mitteilung auf ein Sperrkonto bei dem vereinbarten Geldinstitut einzuzahlen. Mit Schreiben vom 13.3.2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass als Sicherheit für Mängelansprüche ein Betrag von 26.712,33 EUR einbehalten werden (Anlage HWD4, Blatt 42 ff, insbesondere Blatt 45 f. der Akte). Zwar haben die Parteien vorliegend – wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – in Ziff. 18.1 der ZVB abweichend vom § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B gerade keinen Einbehalt in Teilbeträgen vereinbart, sondern klar und eindeutig den Sicherheitseinbehalt auf die Schlusszahlung begrenzt. Jedoch führt dies, anders als vom Landgericht mit Blick auf die Kommentarliteratur angenommen, nicht zur Unanwendbarkeit von § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B für den vorliegenden Fall. So befürwortet bereits Joussen, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 19. Auflage, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 7, lediglich die Unanwendbarkeit von § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B, nicht hingegen der Nr. 1 insgesamt, entsprechend dürften auch die auf Joussen verweisenden Ausführungen von Hildebrandt/Abu Saris, in: BeckOK VOB/B, Stand 31.07.2009, VOB/B § 17 Abs. 6 Rn. 4, zu verstehen sein. Insbesondere aber stünde der Verzicht auf die Voraussetzung des § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B nicht im Einklang mit dem Vorgehen des BGH im Beschluss vom 10.11.2005, VII ZR 11/04, NZBau 2006, 106, 107. Dort ging es ebenfalls um einen einmaligen Einbehalt bezogen auf die Schlussrechnung und der BGH hat als im zu beurteilenden Fall erfüllte Anspruchsvoraussetzung ohne weiteres § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B zugrunde gelegt. Die Beklagte kann insoweit nicht mit Erfolg einwenden, der vom BGH entschiedene Fall sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil dort der Auftragnehmer dem Auftraggeber vertragsgemäß eine Bürgschaft zum Austausch des Sicherheitseinbehalts gestellt hatte. Der BGH hat insoweit entschieden, dass der Auftraggeber auch die Bürgschaft herausgeben musste, weil er nicht innerhalb der nach Ablauf von 18 Werktagen ab Mitteilung des Einbehalts gesetzten Nachfrist den als Sicherheit einbehaltenen Betrag auf ein Sperrkonto eingezahlt hatte. Damit habe der Auftraggeber ein Recht auf jede Sicherheit verloren. Dass der BGH als zusätzliche Rechtsfolge des Anspruchs nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B den Verlust des Rechts auf jede Sicherheit erkannt hat, ändert nichts daran, dass er bei der Prüfung der Wirksamkeit der gemäß 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 VOB/B gesetzten Nachfrist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto die Voraussetzungen von § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B geprüft hat (BGH NZBau 2006, 106, 107).

Für die Berücksichtigung der 18-Werktages-Frist sprechen auch die folgenden systematischen Erwägungen: Nach § 17 Abs. 2 VOB/B kann Sicherheit durch Einbehalt oder Hinterlegung oder Bürgschaft geleistet werden. Ausschließlich § 17 Abs. 6 VOB/B betrifft den Einbehalt, geht in Nr. 1 S. 1 vom Einbehalt in Teilbeträgen aus und trifft für diesen weitere Regelungen, u.a. in S. 3 die hier in Rede stehende Frist zur Einzahlung auf ein Sperrkonto. Nr. 3 eröffnet dem Auftragnehmer sodann bei Nichteinzahlung die Möglichkeit, eine Nachfrist zu setzen und nach deren Ablauf die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrags zu verlangen. Das normsystematische Argument des Landgerichts, angesichts dieser Regelungsstruktur könne sich die 18-werktägige Frist nur auf den Einbehalt in Teilbeträgen beziehen, überzeugt nicht. Die Parteien haben, soweit sie einen einmaligen Einbehalt von der Schlusszahlung vereinbarten, eine (nur) von Abs. 6 Nr. 1 S. 1 abweichende Regelung getroffen, was nicht zwingend zur Unanwendbarkeit der folgenden Sätze dieses Absatzes führen muss. Im Gegenteil deutet der in Abs. 6 Nr. 1 S. 5 enthaltene Verweis auf Abs. 5 darauf hin, dass die übrigen Anordnungen der Abs. 6 Nr. 1 auch bei einem einheitlichen Einbehalt von der Schlussrechnung gelten müssen. Ansonsten wären die Regelungen für den einheitlichen Einbehalt hinsichtlich der Ausgestaltung des Sperrkontos und der Zuordnung der Zinsen lückenhaft. Weshalb hinsichtlich der Einzahlungsfrist zwischen dem Einbehalt in Teilbeträgen und einem einheitlichen Einbehalt von der Schlussrechnung zu differenzieren sein sollte, erschließt sich auch materiell nicht. Dementsprechend heißt es auch in der Kommentarliteratur, § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B gelte für jede Form des Sicherheitseinbehalts (Joussen, in: Ingenstau/Korbion, 19. Auflage, § 17 Nr. 6 Rn. 14). Somit haben die Partei en mit der Vereinbarung eines einmaligen Sicherheitseinbehalts lediglich eine von § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B abweichende Vereinbarung getroffen, während es im Übrigen bei sämtlichen Regelungen von § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B bleibt.

Soweit die Berufungserwiderung (Ziffer 4., Blatt 175 f. der Akte) der Heranziehung der 18-Werktages-Frist entgegensetzen möchte, in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B gehe es um einer Vertragserfüllungssicherheit, überzeugt schon der damit behauptete Gegensatz zur Gewährleistungssicherheit nicht. Die Gewährleistungssicherheit zielt letztlich auch auf die Sicherstellung der Vertragserfüllung ab. Vor allem aber ist nicht erkennbar, inwieweit ein unterschiedlicher Sicherungszweck auf die Modalitäten der Sicherheitsleistung durchschlagen müsste. Ohne Zweifel sind jedenfalls andere Vorgaben der Abs. 6 Nr. 1 auch für den Sicherheitseinbehalt von der Schlussrechnung heranzuziehen (z.B. der oben erwähnte Verweis von Abs. 6 Nr. 1 Satz 5 auf Abs. 5), was bei Zugrundelegung der aus der Berufungserwiderungssicht notwendigen Differenzierung ebenfalls nicht zu erklären wäre.

Aus denselben Gründen verfängt auch die Auffassung der Berufungserwiderung (Ziffer 5., Blatt 176 f.) nicht, die Gewährung einer 18-Werktages-Frist stehe im Widerspruch zur Fälligkeit der Werklohnforderung. Auch beim Einbehalt von Teilzahlungen kann die Einzahlung auf ein Sperrkonto bis zu 18 Tagen nach Fälligkeit der Teilzahlung erfolgen.

Soweit die Berufungserwiderung (Ziffer 5., Blatt 177 f. der Akte) die Notwendigkeit einer Differenzierung daraus herleiten möchte, dass der Auftragnehmer beim Sicherheitseinbehalt von Teilzahlungen auf die unterbliebene Einzahlung auf das Sperrkonto mit einem Zurückbehaltungsrecht bezüglich seiner noch ausstehenden Leistungen reagieren könne, ändert dieses tatsächliche Druckmittel nichts daran, dass auch in dieser Situation die 18-Werktages-Frist dem Auftragnehmer ein erweitertes Insolvenzrisiko hinsichtlich von ihm erbrachter Vorleistungen auferlegt. Wenn die Berufungserwiderung argumentiert, der Auftragnehmer sei ohne Druckmittel hinsichtlich der Mitteilung ggfs. auf jahrelange Rechtsstreitigkeiten unter Tragung des Insolvenzrisikos verwiesen, ist dies keine Besonderheit des Sicherheitseinbehalts. Ein entsprechendes Risiko trägt der Auftragnehmer ebenso, wenn der Auftraggeber die Schlusszahlung verweigert.

III.

Die Kostenentscheidung für die erste und zweite Instanz beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs.  2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist höchstrichterlich entschieden. Der BGH hat in seiner Entscheidung (NZBau 2004, 106) die Frage, ob die Frist nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B auch für den einmaligen Sicherheitseinbehalt auf die Schlusszahlung gilt, nicht dahinstehen lassen. Er hat vielmehr auf die Geltung der Einzahlungsfrist von 18 Werktagen und deren Verstreichenlassen abgestellt.

V.

Der Streitwert für den Rechtsstreit erster Instanz wird auf 28.440,13 EUR festgesetzt. Für den Rechtsstreit zweiter Instanz wird der Streitwert auf 26.712,33 EUR festgesetzt.

 

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Notar mit Amtssitz in Kreuztal

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