OLG Dresden – Az.: 9 U 39/12 – Urteil vom 26.06.2012
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 09.12.2011, Az. 7 O 722/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten. Diese tragen die Nebenintervenienten selbst.
3. Das Urteil des Landgerichts und das Urteil des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstands des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger begehren Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an einer von der Beklagten ausgebauten Dachgeschosswohnung.
Zum unstreitigen Sachverhalt, dem streitigen Vortrag sowie zur Antragstellung der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils.
Darüber hinaus ist zu ergänzen:
Bei dem in Rede stehenden Gebäude handelt es sich um einen in den 70er bzw. 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Blockbauweise errichteten Bau (K 9, Seite 14 dort, Anlagenordner). In den notariellen Erwerberverträgen (z. B. Anlage K 2, Anlagenband Kläger) wird auf eine in Anlage beigefügte „Sanierungs- und Ausbaubeschreibung (teilsanierter Wohnraum und Dachgeschossausbau)“ verwiesen, vgl. hierzu Anl. B 1. Dort ist in Ziffer 1 bezogen auf das Gesamtobjekt von der Wärmedämmung u. a. an den Dachschrägen, in Ziffer 3 von der Dachneueindeckung und dem Aufbau von Dachgauben mit liegendem Fenster die Rede. Ziffer 12 sieht den Ausbau der Dachgeschosse zu vier neuen 3-Raumwohnungen mit Küche, Bad und Terrasse vor. Alle Wand- und Deckenflächen sind im Trockenbau mit erforderlichem Wärme-, Schall- und Brandschutz zu erstellen.
Nach Abzeichnung eines mit „Wohnungsabnahmeprotokoll, Käufer A.“ (Anlage B 2) überschriebenen Schriftstücks vom 18.10./07.11.1996 meldeten u. a. der Erwerber A. sowie zwei weitere Erwerber von Dachgeschosswohnungen (H., B.) unter dem 20.12.1996 (Anlage BB 2, Anlagenband Kläger) „erneut Bedenken“ an, rügten u. a. die Dachisolierung (Aufnahme, Holzsparren) sowie die fehlende Unterspannbahn. Am 17.01.1997 (Anlage BB 3) reagierte die Beklagte auf die geäußerten Bedenken zur Dachkonstruktion und zur Terrassenbildung, sagte die Prüfung und Auswertung insbesondere der Problematik „fehlende Unterspannbahn“ zu und kündigte an, dann zu entscheiden, welche Maßnahmen gegenüber dem verantwortlichen Architekturbüro (den Streitverkündeten) folgen sollen. Dem schloss sich ein reger Wechsel von weiteren Bedenken- bzw. Mängelanzeigen, u. a. betreffend die in Rede stehende Wohnung A., und auf Beseitigung abzielender Schreiben der Beklagten an.
Mit Schreiben vom 06.03.1997 (Anlage BB 4) etwa teilte die Beklagte den Eigentümern der Dachgeschosswohnungen H. sowie -zugestandenermaßen- A. im Hinblick auf die vorangegangenen Rügen mit:
„Von den Eigentümern der Dachgeschosswohnungen wurde um eine Informationsveranstaltung zu der o. g. Problematik (Dach- und Terrassenaufbau) gebeten, da im Bereich des Daches so viele Mängel und Unstimmigkeiten aufgetreten sind …
Dem Architekturbüro wurde der Dachaufbau als Planungsfehler angezeigt … Die aufgetretenen Mängel und Schäden wurden der Versicherung des Architekturbüros übergeben.“
Die Beklagte ließ ein Gutachten zum Dachaufbau erstellen. Mit Schreiben vom 23.10.2998 (Anlage BB 13) übersandte die Beklagte den Wohnungserwerbern unter Hinweis auf ein Prüfungs- und Zustimmungserfordernis des Verwaltungsbeirates einen Dachsanierungsvorschlag (Anlage B 14) zum nachträglichen Einbau einer Unterspannbahn, wobei die Maßnahmen für die Eigentümergemeinschaft kostenfrei sein sollten. Nach Durchführung der Sanierung kam es wieder zu Problemen wie Zugerscheinungen, Feuchte etc. Unter dem 23.04.2002 (Anlage BB 21) erklärte sich die Beklagte in einem Schreiben gegenüber dem Dachgeschosswohnungserwerber R. unter Bezugnahme auf die in Rede stehende Wohnung A. bereit, „die noch ausstehende Reparatur der fehlerhaften Dampfsperre im Bereich der Dachgaube Wohnung Herrn A.“ im Zusammenhang mit weiteren Nacharbeiten an anderen Wohnungen zu realisieren.
Im Jahre 2005 führte die Wohnungseigentümergemeinschaft … Straße … u. a. betreffend die Wohnung A. unter dem Az. Landgericht Chemnitz 7 OH 11/05 und betreffend weitere Wohnungen (H., B.) unter dem Az. 7 OH 41/06 gegen die Beklagte selbstständige Beweisverfahren. In dem hierbei erstellten Gutachten des Sachverständigen Dr. N. (vgl. Anlage K 9 + 10, Anlagenordner) wurden gravierende Mängel insbesondere in Gestalt einer -auch nach der Nachbesserung- zu verzeichnenden unzureichenden Luftdichtheit und Zugerscheinungen festgestellt. Ferner weist die Dampfsperre (Seite 31 des Gutachtens Anlage K 9) erhebliche Lücken in der Wärmedämmung sowie Wärmebrücken und Fehlstellen in der Dämmung der Rohrleitungen auf (vgl. zusammenfassende Übersicht Seite 42 des Gutachtens K 9). Die Mängelbeseitigungskosten belaufen sich danach auf 35.000,00 EUR brutto (Seite 36/37 des Gutachtens K 9).
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Kostenvorschuss i.H.v. 35.000,00 EUR verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das am 16.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 09.01.2012 eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und diese mit am 15.02.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie meint im Wesentlichen, weder die Wohnungseigentümergemeinschaft noch die Wohnungseigentümer seien aktivlegitimiert. Die als mangelhaft gerügten Wände stünden nämlich im Sondereigentum des Erwerbers A. und seien ausweislich der Teilungserklärung (K 2 Anlagenband Kläger) als nicht tragende Wände kein Teil des Gemeinschaftseigentums. Im Übrigen sei eine Abgrenzung der Dämmung von der Dampfsperre möglich. Es sei nicht klar, wie das Mauerwerk geschädigt werden könne. Das gelte ebenso für eine angebliche Gefahr für das Gemeinschaftseigentum infolge von Dämmungsproblemen am Leitungssystem.
Ohnehin sei ein eventueller Anspruch verjährt. Ausweislich des vorgelegten Abnahmeprotokolls Anlage B 2 sowie der weiteren Abnahmeprotokolle (BK 4 bis BK 7) hätten nicht nur der Wohnungserwerber A., sondern auch die Erwerber H. und B. nicht nur das Sonder-, sondern zugleich auch das Gemeinschaftseigentum im Oktober/November 1996 abgenommen. Angesichts der auf fünf Jahre vereinbarten Gewährleistungsfrist sei Verjährung mithin im Jahre 2001 eingetreten.
Unabhängig davon komme eine Abnahme in Form der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme, d. h. Übernahme der Wohnung und Entrichtung der Kaufpreise, in Betracht. Schließlich sei eine Abnahme entbehrlich, wenn -wie hier- eine Erfüllung des Werkvertrages nicht mehr begehrt werde, vielmehr ein Abrechnungsverhältnis im Raum stehe. Das Werk sei mangelfrei fertiggestellt. Am Einwand des Sowieso-Kostenabzuges werde festgehalten, da die Dampfbremsfolie als nicht geschuldete Ausführung besonders habe vergütet werden müssen. Die Bemühungen um das Abstellen von Mängeln sei lediglich aus Gründen der Kulanz erfolgt. Hinzu komme ein Abzug „neu für alt“ und ein Mitverschuldensanteil wegen fehlerhaften Lüftungsverhaltens. Schließlich werde hilfsweise der Verwirkungseinwand erhoben.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 09.12.2011 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Streithelfer haben erklärt, sich dem Antrag der Beklagten anzuschließen.
Die Kläger halten ihre Aktivlegitimation infolge der Gemeinschaftsbezogenheit der Mängel für gegeben. Ausweislich der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung (Anlage K 1) gehöre das letztlich betroffene Mauerwerk nicht zum Sondereigentum. Die Dampfbremsfolie im Bereich der Wohnung A., die gerade im Bereich des Außenmauerwerks Wirkung habe entfalten sollen, fehle teilweise ganz. Im Bereich tragender Balken der Dachgaube sei keine Dämmung vorhanden, eine funktionsfähige Dampfbremsfolie fehle ebenfalls. Hinzu kämen ähnlich gelagerte Mängel im Bereich der Wohnungen B., S. und H. (vgl. Gutachten im selbstständigen Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht Chemnitz Az. 7 OH 41/05, Seite 79/80 der Anlage dort, Anlage K 10). Dies zeige, dass der gesamte Dachgeschossbereich des Gemeinschaftseigentums mit erheblichen Mängeln behaftet sei und die Ursache der Mängel in versteckten Bereichen des Gemeinschaftseigentums liege.
Verjährung sei mangels Abnahme der in Rede stehenden Leistungen am Gemeinschaftseigentum nicht eingetreten. Eine Verwirkung sei ausgeschlossen, die Beklagte habe die Durchführung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums in ihrer Hand gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zu den Akten gelangten Schriftsätzen samt Anlagen, die beigezogenen Akten aus dem selbstständigen Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht Chemnitz mit den Az. 7 OH 11/05 sowie 7 OH 41/06 sowie den Akteninhalt im Übrigen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von Kostenvorschuss i.H.v. 35.000,00 EUR gegen die Beklagte gemäß § 633 Abs. 3 BGB a. F. zu. Nach Art. 229 § 5 EGBGB sind die Gewährleistungsregelungen des BGB in seiner vor dem 01.01.2002 maßgeblichen Fassung zugrunde zulegen.
1.
Die Kläger, unstreitig sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … Straße … im C., sind sachbefugt. Zur Überzeugung des Senats gehen von den sachverständig festgestellten Mängeln in der Ausführung der Wärmedämmung, der Dampfbremse sowie der Isolierung der Leitungen Auswirkungen aus, die nicht lediglich das Sondereigentum der Wohnung A. betreffen, sondern auch das Gemeinschaftseigentum. Lücken in der Wärmedämmung im Dachbereich und Fehlstellen in der Dämmung der Rohrleitungen beschränken sich in ihren Folgen nicht auf nachträglich als Trockenbau in das Dachgeschoss eingefügten Wände. Aus den OH-Verfahren geht eine alle vier Dachgeschosswohnungen betreffende durchgehende, systematisch unzureichende Wärmedämmung , Dampfbremsfoliengestaltung sowie Dämmung der Leitungen hervor. Dies haben die Parteien ausweislich Seite 18 des OH-Gutachtens, Anlage K 9, im Hinblick u. a. auf die Defizite der Wärmedämmung und der an der Seitenwand fehlenden Dampfsperre sogar ausdrücklich unstreitig gestellt:
„Auf weitere Bauteilöffnungen wurde sowohl von Seiten der Antragsteller als auch von Seiten der Antragsgegnerseite verzichtet. Nach Angaben beider Parteien kann der hier vorgefundene Zustand grundsätzlich für den gesamten Gaubenbereich als zutreffend unterstellt werden.“
Es liegt auf der Hand, dass von gravierenden Wärmedämmproblemen in einem Bereich des Hauses mittel- oder langfristig Auswirkungen auf das Haus im Übrigen ausgehen.
2.
Der Einwand, die als fehlerhaft festgestellten Leistungen, insbesondere die Erstellung der Dampfbremsfolie, sei als vom Auftragsumfang nicht erfasst gar nicht geschuldet, geht fehl. Der Baubeschreibung („Sanierungs- und Ausbaubeschreibung“, B 1) entnimmt der Senat bei einer am objektiven Erklärungsinhalt orientierten Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB, dass die Beklagte die nach den anerkannten Regeln der Technik ausgestaltete Wärmedämmung sowie einen Feuchtigkeitsschutz der Dachgaubenwohnung in modernem Standard schuldet. Denn die Errichtung von Dachgeschosswohnungen und die Dachneueindeckung bedingt ein in sich stimmiges, abgeschlossenes Wärme- und Dampfbremsensystem. Die Notwendigkeit einer luftdichten Ausführung des Dampfbremssperrensystems folgt bereits aus den Voraussetzungen der Wärmeschutzverordnung als Teil der allgemein anerkannten Regeln der Technik (Sachverständigengutachten N., Anlage K 9, Seite 33). Der Sachverständige verweist in diesem Zusammenhang auf den Ursachenzusammenhang zwischen einem kalten, durch die Dampfsperre nicht gehinderten Lufteintrag, der zu einer geringeren Feuchtigkeitskapazität führt, und einem Tauwasseranfall mit absehbaren Baubeschädigungen hin (Anlage K 9, Seite 32). Die Wärmedämmung war ohnehin ausdrücklich geschuldet. Angesichts dessen geht der Einwand der Beklagten, sie schulde keine Arbeiten an der Dachkonstruktion als solchen, d. h. soweit sie nicht von den Dachgauben tangiert worden sein sollte, fehl.
3.
Was die Höhe des Vorschussanspruch anbelangt, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Die vom Sachverständigen ermittelten Beseitigungskosten sind belastbar und stehen ohnedies als Vorschussanspruch unter dem Vorbehalt der Abrechnung. Da es hier noch um die Fertigstellung der Werkleistung geht und nicht um Schadenersatz geht, ist auch ein Abzug neu für alt nicht in Betracht zu ziehen. Der Mitverschuldenseinwand läuft angesichts der die Erscheinungen zweifelsfrei erklärenden Ausführungen in dem Beweissicherungsgutachten auf eine reine Spekulation hinaus. Nachvollziehbarer Vortrag insoweit fehlt.
4.
Der Vorschussanspruch ist nicht verjährt, § 638 BGB a. F. i.V.m. Art. 231 § 6 EGBGB, § 195 ff. BGB.
Die Abnahme hat sich, soweit sie schriftlich erklärt worden ist, lediglich auf das Sondereigentum an den Wohnungen bezogen, nicht hingegen auf das hier in Rede stehende Gemeinschaftseigentum. Dies hat das Landgericht in zutreffender Weise dem Inhalt der Anlage B 2, dem Wohnungsabnahmeprotokoll „Wohnung A.“ vom 18.10.1996, entnommen. Das Formular betrifft sowohl nach seiner Überschrift als auch nach seinem Aufbau erkennbar lediglich die Abnahme des Sondereigentums. Dies heißt zwar nicht, dass nicht auch einzelne Teile des Gemeinschaftseigentums mit abgenommen worden sein können, soweit diese ausdrücklich Erwähnung in dem Wohnungsabnahmeprotokoll gefunden haben. Dies trifft für die hier in Rede stehenden Bereiche des Gemeinschaftseigentums -von den Mängeln gehen Gefahren für das im Gemeinschaftseigentum stehende Mauerwerk aus- nicht zu.
Einer konkludenten Abnahme durch Ingebrauchnahme oder einer anderweitig zu begründenden Abnahme des Gemeinschaftseigentums steht hier entgegen, dass bezüglich der Wohnung A. sowie den anderen drei Dachgeschosswohnungen frühzeitig Mängel im Dachbereich beanstandet worden sind. So meldeten u. a. die Erwerber A., H. und B. jedenfalls beginnend mit dem 20.12.1996 (Anlage BB 2, Anlagenband Kläger) „erneut Bedenken“ an und rügten die Dachisolierung, die fehlende Unterspannbahn etc. Angesichts dessen und der als gravierend zu bezeichnenden Mängel kommt einer Ingebrauchnahme die Erklärung, die Sanierung werde als im Wesentlichen vertragsgerecht gebilligt, nicht zu.
5.
Bei der hiernach gegebenen Sachlage fehlt auch jeder greifbare Anhaltspunkt für eine Verwirkung des geltend gemachten Vorschussanspruchs.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.