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Werkvertrag: kündigender Auftragnehmer kann Sicherheit nach § 648a BGB verlangen

LG Bremen, Az.: 7 O 256/13

Urteil vom 27.03.2014

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für Vergütungsansprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen als Rechtsnachfolgerin der Arbeitsgemeinschaft G. aus dem Bauwerkvertrag vom 3.11.2011 über die Ausführung der Rohbauarbeiten bei der Baumaßnahme „G. Kraftwerk“ eine Sicherheit gemäß § 648 a i.V.m. § 232 BGB in Höhe von 3.850.000,00 € zu leisten.

Die Sicherheit kann auch durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 220.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Werkvertrag: kündigender Auftragnehmer kann Sicherheit nach § 648a BGB verlangen
Symbolfoto: style-photographs/Bigstock

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB.

Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. Die Beklagte ist ein spanischer Konzern, der auf die schlüsselfertige Errichtung von Kraftwerken und Industrieanlagen spezialisiert ist.

Die Beklagte schloss mit der ARGE G., deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, einen Werkvertrag über Rohbauarbeiten bei einem Kraftwerksneubau in Bremen (Vertrag vom 03.11. 2011, Anl. K2, Bl. 16 d.A.). Die ARGE G. bestand aus der Klägerin und der H. KG als zweitem ARGE-Partner in der Rechtsform einer GbR. Als die H. KG wegen Insolvenz aus der ARGE ausschied, setzte die Klägerin die beauftragten Arbeiten als alleinige Rechtsnachfolgerin der beauftragten Arbeitsgemeinschaft G. fort.

Es handelt sich um einen Einheitspreisvertrag. Die Anwendung deutschen Rechts ist vereinbart. Der Auftraggeber sollte laut Bauvertrag während der Bauausführung baubegleitend planen, so dass in dem Bauvertrag Einheitspreise anhand eines vorläufigen Leistungsverzeichnisses sowie eine Bauwerksbeschreibung vereinbart wurden.

Im Verlauf der Bauarbeiten kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Unter anderem erstellte die Beklagte eine Mängelliste zum 14.11.2012, mit der sie 254 Positionen beanstandete (Anl. B6, Bl. 146 der Akte). Die Beklagte mahnte die Klägerin zur Mängelbeseitigung und forderte sie zur Arbeitsaufnahme auf. Die Klägerin verlangte eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a BGB. Zwischen den Parteien ist – aufgrund verschiedener Rechtsfragen (Auftreten zunächst unter dem Briefkopf der ARGE, Qualität der geforderten Sicherheit, Länge der gesetzten Frist) – streitig, ob die Klägerin mit den Anlagen K5, K6, K7 und K9 bereits vorgerichtlich wirksam eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB verlangt hat. Die Beklagte beschaffte eine selbstschuldnerische Bürgschaft der spanischen Banco Bilbao Vizcaya Argentaria S.A. vom 30.10.2012 über 2 Millionen € mit einer Gerichtsstandsbestimmung für Madrid (Spanien) (Anl. B2, Bl. 114 der Akte). Diese Bürgschaft wurde von der Klägerin nicht akzeptiert und von der Beklagten zurückgenommen.

Zwischen den Parteien ist ferner streitig, ob die Klägerin aufgrund von Fristsetzungen zur Kündigung des Werkvertrages (K8, Bl. 62 der Akte) berechtigt war. Nach Auffassung beider Parteien ist der Werkvertrag mittlerweile jedoch wirksam gekündigt, nämlich spätestens aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 12.11.2012 (B5, Bl. 124 der Akte). Am 22.11.2012 haben die Parteien eine gemeinsame Leistungsfeststellung vorgenommen.

Die Klägerin rechnete die von ihr und ihrer Rechtsvorgängerin erbrachten Werkleistungen mittlerweile mit 14.146.746,47 € ab (netto und unter Berücksichtigung des vereinbarten Nachlasses von 3 %) (zwei Teil-Schlussrechnungen). Hieraus errechnet die Klägerin Restforderungen i.H.v. 8.889.645,75 €.

Auch die Höhe des restlichen Zahlungsanspruches der Klägerin ist streitig. Zum einen ist streitig, ob die Leistungen der Klägerin mangelhaft sind, zum anderen auch die Berechnung der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen.

Die Klägerin stellte der Beklagten entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen detaillierte Abschlagsrechnungen. Mit der 10. Abschlagsrechnung hat die Klägerin die bis zum 25.9.2012 erbrachten Leistungen abgerechnet. Die Beklagte hat auf die Abschlagsrechnungen 1-10 Zahlungen von insgesamt 5.237.080,72 € geleistet. Die Abschlagsrechnungen 1-8 hat sie vollständig bezahlt. Auf die 9. Abschlagsrechnung, aus der sich ein Zahlbetrag von 800.579,52 € ergab, hat die Beklagte 530.380,29 € gezahlt. Auf die 10. Abschlagsrechnung vom 28.09.2012 hat die Beklagte keine Zahlung geleistet. Für die Abschlagsrechnungen 1-10 ergibt sich daher eine Gesamtsumme von 7.366.608,57 €. Abzüglich geleisteter 5.237.080,72 € ergab sich für die Klägerin für die Abschlagsrechnungen 9 und 10 eine Restforderung in Höhe von 2.129.597,85 €.

Der bis zum 19.10.2012 erbrachte Leistungsstand sollte mit der 11. Abschlagsrechnung in Rechnung gestellt werden. Zu diesem Zweck reichte die Klägerin bei der Beklagten die Aufmaßunterlagen und den Anrechnungsentwurf zur Vorab-Prüfung ein. Aufgrund der Vertragsbeendigung reichte die Klägerin die 11. Abschlagsrechnung bei der Beklagten nicht mehr ein. Der 26-seitige Rechnungsentwurf für die 11. Abschlagsrechnung sieht eine Nettosumme von 9.008.260,06 € vor. Abzüglich des vereinbarten Nachlasses von 3 % und der auf die Abschlagsrechnungen 1-10 geleisteten Zahlungen von 5.237.080,72 € berechnete die Klägerin eine restliche Werklohnforderung für bereits erbrachte Leistungen, die mit den Abschlagsrechnungen 1-11 hätten abgerechnet werden dürfen, i.H.v. 3.500.931,54 €. Die Klägerin berechnete ihre Forderungen detailliert: Der Rechnungsentwurf für die 11. Abschlagsrechnung nebst Anlagen und die Abschlagsrechnungen 9 und 10 umfassen insgesamt drei schmale Leitzordner.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie eine Sicherheit für diesen Betrag zzgl. 10 % Nebenforderungen gemäß § 648a Absatz 1 S. 1 BGB, insgesamt abgerundet 3.850.000,00 €.

Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie verzichtete die Klägerin darauf, eine Sicherheit für den von ihr mittlerweile gemäß Schlussrechnung errechneten Gesamtbetrag (Restforderungen i.H.v. 8.889.645,75 €) zu fordern.

Die Klägerin meint, der zu sichernde Vergütungsanspruch könne gemäß § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt werden und die Schlussrechnungssumme sei eine hinreichende Schätzungsgrundlage. Es komme nicht darauf an, wer den Vertrag gekündigt habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für Vergütungsansprüche einschließlich der zugehörigen Nebenforderungen der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Arbeitsgemeinschaft G. aus dem Bauwerkvertrag vom 3.11.2011 über die Ausführung der Rohbauarbeiten bei der Baumaßnahme „G. Kraftwerk“ i.H.v. 3.850.000,0 € eine Sicherheit zu leisten nach ihrer Wahl durch

– Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,

– Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,

– Verpfändung beweglicher Sachen,

– Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,

– Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,

– Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken, oder

– durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Höhe der Abschlagsrechnungen sei weit überhöht. Die Leistungen der Klägerin seien mangelhaft.

Die Beklagte meint, die Klägerin könne eine Sicherheit gemäß § 648a BGB nicht verlangen, da die Klägerin selbst den Vertrag gekündigt habe. Ferner könne die Klägerin sich wegen fehlender eigener Vertragstreue nicht auf § 648a BGB berufen. Die Klägerin habe ihre Leistungen unberechtigterweise eingestellt und vorgerichtlich Sicherungsverlangen gestellt, die unwirksam gewesen seien. Zum einen habe zunächst die nicht mehr existente ARGE anstelle der Klägerin die Sicherheit verlangt, zum anderen habe sie der Beklagten keine Wahlfreiheit bezüglich des Sicherungsmittels gelassen und unangemessen kurze Fristen gesetzt. Ferner seien die Abschlagsrechnungen der Klägerin weit überhöht. Dabei sei die Klägerin aufgrund der fehlenden Abnahme sowohl für den Umfang der erbrachten Leistungen als auch für deren Werthaltigkeit vollständig darlegungs- und beweisbelastet. Es reiche daher nicht aus, mit dem Hinweis auf geforderte Abschlagszahlungen eine Sicherheit zu fordern. Ferner meint die Beklagte, die Höhe der Abschlagsrechnungen und der Schlussrechnungen sei überhöht, die Rechnung sei nicht prüffähig, die Klägerin habe keine zweiteilige Schlussrechnung erstellen dürfen, die Rechnung bestehe überwiegend aus Nachträgen und die Rechnung sei keine geeignete Schätzungsgrundlage. Sie greift die Schlussrechnungen der Beklagten in Bezug auf die angesetzten Berechnungsfaktoren, Massenermittlungen u.a. an. Für die Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12.2.2014 (Bl. 283 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648 a i.V.m. § 232 BGB i.H.v. 3.850.000,00 €.

Die Klägerin ist aufgrund des Bauwerkvertrages vom 3.11.2011 über die Ausführung der Rohbauarbeiten bei der Baumaßnahme „G. Kraftwerk“ Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift, die Beklagte Bestellerin. Die Klägerin macht die Sicherung zur Absicherung von Werklohnforderungen aus diesem Vertrag geltend.

Dabei ist es nach Auffassung der Kammer unschädlich, dass zwischen den Parteien streitig ist, wer wirksam den Vertrag gekündigt hat. Ein Anspruch auf Stellung einer Sicherheit besteht nämlich auch, wenn der Unternehmer den Vertrag gekündigt hat.

Bezüglich einer Kündigung des Vertrages durch den Besteller herrscht inzwischen Einigkeit, dass diese keinen Einfluss auf den Anspruch nach § 648a BGB haben soll (siehe z.B. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.4.2010,17 O 11183/09 und OLG Celle, Urteil vom 25.4.2012, 7 U 234/11 m.w.N., zitiert nach juris). Darauf, dass der Unternehmer keine Vorleistungen mehr zu erbringen hat, kommt es nach der 2009 in Kraft getretene Neufassung des § 648a BGB nicht mehr an. Ziel des Gesetzgebers war es, dem Unternehmer eine schnelle Sicherheit zu geben, ehe dann im Werklohnprozess die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches unter Berücksichtigung etwaiger Gegenansprüche, insbesondere Mängelrügen, zu klären ist (vgl. OLG Celle, Urteil vom 25.4.2012, 7 U 234/11, zitiert nach juris).

Ob dies auch gilt, wenn der Unternehmer kündigt, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Soweit das Landgericht Hamburg (Urteil vom 16. Juli 2010, 325 O 469/09, zitiert nach juris) der Auffassung ist, dass der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit nach § 648 a BGB entfällt, wenn der Auftragnehmer den Vertrag wegen Nichtbeibringung der Sicherheit kündigt, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Das Landgericht Hamburg stellt darauf ab, dass es in Abs. 5 heißt: „Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit nach Abs. 1 bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen.“ Hieraus folgert das Landgericht Hamburg, dass der Unternehmer entweder den Vertrag fortsetzen – und, solange der Besteller die Sicherheit nicht beibringt, auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen und auf Gestellung der Sicherheit klagen – oder den Vertrag kündigen kann mit der Folge, dass ein Anspruch auf die Sicherheit grundsätzlich nicht mehr besteht. Der Unternehmer soll nur weiter Sicherheit verlangen können, wenn der Besteller von ihm Mängelbeseitigung verlangt und er insoweit vorleistungspflichtig bleibt.

Diese Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg, die auch die Beklagte vertritt, trägt jedoch nach Auffassung der Kammer weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Entstehungsgeschichte oder dem Zweck ausreichend Rechnung.

Der Wortlaut des § 648a Abs. 1 BGB sieht keine Einschränkung dahingehend vor, dass eine Sicherheit nur bei ungekündigten Verträgen oder nur bei Kündigung durch den Besteller verlangt werden darf. Auch der Wortlaut des Abs. 5 steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Formulierung „die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen“ in Abs. 5 lässt beide Auslegungen zu. Die Konjunktion „oder“ kann ausdrücken, dass von zwei oder mehreren Möglichkeiten jeweils nur eine als Tatsache zutrifft (ausschließend). Sie verbindet aber auch zwei oder mehrere Möglichkeiten, die zur Wahl stehen (einschließend) (vgl. Duden-online). Hätte der Gesetzgeber eine derart gravierende Einschränkung machen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies im Gesetzeswortlaut ausdrücklich klarstellt oder jedenfalls in der Gesetzesbegründung entsprechende Überlegungen darlegt. Dem Gesetzgeber kam es jedoch mit der Änderung vielmehr darauf an, die bis dahin bestehende zwingende Verknüpfung zwischen der Forderung einer Sicherheit unter Ankündigung der Leistungsverweigerung aufzuheben. In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu: „Die Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung einer Bauhandwerkersicherung wird vereinfacht. Bisher musste der Besteller den Anspruch mit der Ankündigung verbinden, bei Nichtbestellung der Sicherheit die (weitere) Leistung zu verweigern. Dieses Junktim zwischen Sicherungsverlangen und Leistungsverweigerung ist nicht zweckmäßig und nach Abnahme als Druckmittel wirkungslos. Vorzuziehen ist es, dem Bauunternehmer die Wahl zu lassen, ob er bei Nichterfüllung des Sicherungsanspruches klagt oder den Vertrag kündigt. […] Deshalb soll der Unternehmer die Wahl erhalten, ob er die Sicherheit trotz Fristablaufs weiterhin verlangt oder vom Vertrag zurücktritt. Im Falle des Rücktritts soll ihm ein dem § 649 BGB entsprechende Anspruch zustehen.“ (BT-Drs. 16/511). Ausführungen dazu, dass dem Unternehmer bei Kündigung des Vertrages kein Anspruch auf Stellung der Sicherheit mehr zustehen sollte, enthält die Begründung der Gesetzesreform nicht.

Daher war vorliegend dem Zweck der Vorschrift eine besondere Bedeutung beizumessen. Der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung soll dem Unternehmer einen einfachen und flexiblen Zugriff auf die zum Bauen bestimmten Finanzmittel des Bestellers eröffnen (Palandt, § 648 a BGB, Rn. 1a). Ziel der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2009 war es, die Möglichkeiten des Unternehmers, eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB zu erhalten, klarzustellen und deutlich zu erweitern. Vor diesem Hintergrund darf die Vorschrift nicht zu einschränkend ausgelegt werden. Ein Sicherungsbedürfnis besteht für einen Unternehmer, der – wie vorliegend die Klägerin – bereits in Vorleistung getreten ist, auch nach einer Vertragskündigung, egal von welcher Seite die Kündigung erfolgte.

Daher wird der Anspruch auf Stellung einer Sicherung auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Beklagte Mängelrechte geltend gemacht hat. Die Auseinandersetzung über mögliche Gegenansprüche bleibt einer Prüfung des Zahlungsanspruches vorbehalten, um das Interesse des Unternehmers, eine schnelle Sicherheit für seine behaupteten Forderung zu erlangen, nicht zu vereiteln. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung: „Der Anspruch auf Erteilung der Bauhandwerkersicherung besteht auch dann, wenn der Besteller Erfüllung verlangen oder Mängelrechte geltend machen kann. Die Konsequenz, dass der Auftraggeber noch Sicherheit leisten muss, wenn der Auftragnehmer mangelhaft gearbeitet hat oder das Verlangen nach Sicherheit erstmals nach einer Mängelrüge geltend macht, ist bedacht worden, die Regelung wird jedoch im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Unternehmers für sachgerecht und angemessen erachtet. Der Besteller kann allerdings nicht daran gehindert werden, mit möglichen Schadensersatzansprüchen gegen den Vergütungsanspruch aufzurechnen und so den Vergütungsanspruch, der nach § 648a BGB abgesichert werden soll, zu reduzieren. Dies soll aber keinen Einfluss auf die Höhe des Sicherungsanspruches haben, es sei denn, der Anspruch, mit dem der Besteller aufrechnet, ist unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Ansonsten wäre der Unternehmer im Streit über die Sicherung gezwungen, sich mit der Berechtigung des zur Aufrechnung gestellten Anspruches des Bestellers auseinander zusetzen. Das würde dem Zweck der Bauhandwerkersicherung zuwiderlaufen.“ (BT-Drs. 16/511).

Auch auf fehlende Vertragstreue der Klägerin (unwirksame Sicherungsverlangen, unberechtigtes Einstellen der eigenen Arbeiten, Kündigung) kann die Beklagte sich nicht erfolgreich berufen. Ob eine derartige Einrede grundsätzlich anzuerkennen ist (siehe Palandt, § 648 Buchst. a, Rn. 38) kann dahinstehen, da kein Verhalten der Klägerin ersichtlich wäre, das derart missbräuchlich wäre, dass es zu einem derartigen Ausschluss des Anspruches führen würde. Meinungsverschiedenheiten über die Frage des Vorliegens von Mängeln und der Berechtigung zur Forderung einer Sicherheit und auch eine Vertragskündigung stellen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorgetragen werden, kein missbräuchliches Verhalten dar. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die ersten Sicherungsverlangen seien von der ARGE erhoben worden, obwohl diese nicht mehr existierte, die Klägerin habe der Beklagten nicht die vorgeschriebene Wahlfreiheit bezüglich des Sicherungsmittels unterlassen und die Fristen seien zu kurz gewesen, ist auch dies nicht als derart missbräuchliches Verhalten anzusehen, dass dadurch der Sicherungsanspruch entfiele.

Für die Frage, ob der Klägerin der nunmehr gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Stellung einer Sicherheit zusteht, kommt es nicht darauf an, ob sie zuvor möglicherweise unwirksame Sicherungsverlangen gestellt hat.

Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. Der Unternehmer kann Sicherheit für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Die Höhe der Sicherheit muss das Ausfallrisiko decken. Bei Einheitspreisen ist die Höhe anhand des Leistungsverzeichnisses und einer eventuellen Angebotssumme zu schätzen, ebenso bei vorzeitiger Vertragsbeendigung (Palandt, § 648a BGB, Rn. 16). Die vorgelegten Abrechnungen der Klägerin bieten eine ausreichende Geschäftsgrundlage. Die vereinbarte Vergütung ergibt sich aus dem Bauvertrag K2 (Vertragspreis ca. 12 Mio.). Vorliegend verlangt die Klägerin Sicherheit lediglich für tatsächlich erbrachte Leistungen und rechnet detailliert ab (1.-10. Abschlagsrechnung, Entwurf der 11. Abschlagsrechnung, Schlussrechnungen). Lediglich mit Schriftsatz vom 12.2.2014 bringt die Beklagte konkretere Einwände vor, erläutert aber nicht nachvollziehbar, wie diese sich der Höhe nach auswirken. Dieses Vorbringen ist selbst bei äußerst wohlwollender Betrachtung zu Gunsten der Beklagten in Anbetracht der detaillierten Abrechnung und der enormen Differenz zwischen geltend gemachter Restlohnforderung und Höhe der geforderten Sicherheit nicht geeignet, zu einer Schätzung zu gelangen, die den geforderten Sicherungsvertrag unterschreitet. Der zehnprozentige Aufschlag ergibt sich aus dem Gesetz (§ 648a Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Sicherheitsleistung bemisst das Gericht anhand der Folgen einer möglichen Aufhebung dieses Urteils in § 717 Abs. 2 ZPO. Die Kosten für eine Sicherheit setzt das Gesetz in § 648a Abs. 4 BGB mit zwei Prozent der Sicherungssumme an. Das Gericht nimmt hierauf einen Sicherheitsaufschlag auf 3 Prozent des gesicherten Betrags vor, was im vorliegenden Fall 115.500,00 € entspricht. Zu berücksichtigen sind außerdem die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten aus dem von der Klägerin angenommenen Streitwert von 2.566.000,00 €. Die Gerichtskosten betrügen 27.768 €, die Kosten für beide Rechtsanwälte 6 x 9.596,00 € = 57.576,00 € + 40,00 € Kostenpauschale = 57.616,00 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer = 68.563,04 €. Aus diesen Einzelbeträgen addiert sich die für die vorläufige Vollstreckung zu stellende Sicherheitsleistung auf 115.500,00 € + 27.768,00 € + 68.563,04 € = 211.331,04 €. Diesen Betrag hat das Gericht unter nochmaliger Einbeziehung eines Sicherheitsaufschlags auf 220.000,00 € gerundet.

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