Eine Gemeinde fordert hohen Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Rechnungsprüfung beim Bau einer Sporthalle, doch die Verjährung bei einer Architektenhaftung droht. Trotz jahrelangen Schriftverkehrs über die Fehler könnte die Sekundärhaftung des Architekten bei einer Überzahlung an einer tückischen juristischen Frist scheitern.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Wann droht die Verjährung bei einer Architektenhaftung?
- Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Rechnungsprüfung?
- Wie argumentierten die Gemeinde und der Planer?
- Warum bestätigte das Gericht den Eintritt der Verjährung?
- Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Praxis?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Verjähren Ansprüche auch wenn der Prüfbericht erst Jahre später Fehler aufdeckt?
- Stoppt ein E-Mail-Austausch über Abrechnungsfehler die Verjährung der Architektenhaftung?
- Reicht die bloße Übersendung eines Prüfberichts zur Hemmung der Verjährung aus?
- Gilt die Sekundärhaftung des Architekten auch bei reinen Überzahlungen an Baufirmen?
- Beginnt die Verjährungsfrist trotz verbleibender Mängel im Abnahmeprotokoll?
- Das vorliegende Urteil
Den vorliegenden Urteilstext lesen: Urteil Az.: 8 U 116/20
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 02.12.2021
- Aktenzeichen: 8 U 116/20
- Verfahren: Berufungsverfahren wegen Architektenhaftung
- Rechtsbereiche: Baurecht, Verjährungsrecht
Die Gemeinde verliert ihre Schadensersatzklage gegen den Architekten wegen fehlerhafter Rechnungsprüfung aufgrund abgelaufener Verjährungsfristen.
- Die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt bereits mit der vollständigen Abnahme der Architektenleistung
- Das Gericht wies die Klage ab, weil die Gemeinde erst nach Fristende klagte
- Einfacher Informationsaustausch ohne konkrete Forderungen stoppt die laufende Verjährung nicht
- Besondere Haftungsregeln für Baumängel gelten nicht bei einfachen Fehlern in der Rechnungsprüfung
- Ein offizieller Prüfbericht ermöglichte der Gemeinde die rechtzeitige Verhinderung der Verjährung
Wann droht die Verjährung bei einer Architektenhaftung?
Der Bau einer öffentlichen Sporthalle ist ein komplexes Unterfangen, bei dem nicht nur Beton und Stahl, sondern auch erhebliche Finanzmittel bewegtwerden. Doch was passiert, wenn Jahre nach der Fertigstellung Auffälligkeiten in den Akten auftauchen? Genau vor dieser Situation stand eine Gemeinde in Baden-Württemberg. Nach dem Neubau der Sporthalle R. prüfte die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) die Unterlagen und monierte erhebliche Überzahlungen an verschiedene Bauunternehmen. Der Vorwurf: Der beauftragte Architekt habe die Schlussrechnungen nicht sorgfältig genug geprüft.

Die Kommune wollte das Geld zurück – insgesamt knapp 47.000 Euro. Doch der Planer weigerte sich zu zahlen. Sein Argument war simpel und effektiv: Die Ansprüche seien verjährt. Der Rechtsstreit eskalierte bis zum Oberlandesgericht Karlsruhe. In seinem Beschluss vom 2. Dezember 2021 (Az. 8 U 116/20) musste der 8. Zivilsenat eine fundamentale Frage klären: Wann beginnt die Verjährungsuhr zu ticken, und kann sich ein Architekt auf die Verjährung berufen, selbst wenn er Fehler bei der Rechnungsprüfung gemacht hat? Der Fall zeigt exemplarisch, wie entscheidend Fristen im Baurecht sind und warum ein einfaches Schreiben oft nicht ausreicht, um diese Fristen zu stoppen.
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Rechnungsprüfung?
Um den Konflikt zu verstehen, ist ein Blick in das Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) notwendig. Ein Architekt schuldet nicht nur Pläne, sondern im Rahmen der sogenannten Leistungsphase 8 auch die Rechnungsprüfung. Er muss kontrollieren, ob die Rechnungen der Baufirmen mit den tatsächlich erbrachten Leistungen übereinstimmen. Übersieht er dabei Positionen, die zu Unrecht abgerechnet wurden, haftet er grundsätzlich für den daraus entstandenen Schaden – also die Überzahlung.
Die Bedeutung der Abnahme
Der zentrale Anknüpfungspunkt für die Verjährung ist die Abnahme. Nach § 640 BGB billigt der Auftraggeber – hier die Gemeinde – das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß. Mit diesem Akt beginnt die Gewährleistungsfrist. Für Bauwerke und die damit verbundenen Planungsleistungen beträgt diese Frist gemäß § 634a BGB fünf Jahre.
Das Konstrukt der Sekundärhaftung
Eine juristische Besonderheit im Architektenrecht ist die sogenannte Sekundärhaftung. Sie wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelt, um Bauherren zu schützen. Die Idee: Der Architekt ist Sachwalter des Bauherrn. Wenn ihm während der Bauüberwachung ein Fehler unterläuft, der zu einem Mangel am Gebäude führt, muss er den Bauherrn darauf hinweisen – auch wenn er sich damit selbst belastet. Tut er das nicht, begeht er eine weitere Pflichtverletzung. Diese führt dazu, dass er sich später nicht auf die Verjährung berufen darf, weil er den Bauherrn quasi im Unklaren gelassen hat. Ob dieses Prinzip aber auch gilt, wenn es „nur“ um finanzielle Überzahlungen und nicht um Baumängel geht, war eine der Kernfragen im Karlsruher Verfahren.
Die Hemmung der Verjährung
Das Gesetz bietet Möglichkeiten, den Ablauf der Verjährungsfrist zu stoppen. Nach § 203 BGB wird die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch schweben. Der Begriff „Verhandlungen“ wird weit ausgelegt. Es genügt meist, dass der Gläubiger klarstellt, dass er einen Anspruch geltend macht, und der Schuldner sich darauf einlässt. Doch ein bloßer Briefwechsel über Sachthemen reicht oft nicht aus, wie dieser Fall eindrücklich beweist.
Wie argumentierten die Gemeinde und der Planer?
Die Positionen in diesem Rechtsstreit waren verhärtet und basierten auf völlig unterschiedlichen Interpretationen der Ereignisse zwischen 2014 und 2019.
Die Sicht der Kommune
Die Gemeinde fühlte sich im Recht, da sie erst durch den Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt im Juli 2018 von den angeblichen Fehlern erfahren hatte. Sie argumentierte, dass die Abnahme vom 9. April 2014 gar nicht wirksam gewesen sei, da der Architekt seine Leistungen noch nicht vollständig erbracht habe. Zudem versuchte die Gemeinde in der Berufungsinstanz, die damalige Abnahme wegen Irrtums anzufechten.
Ein zentrales Argument der Verwaltung betraf den Briefwechsel im Jahr 2018. Die Gemeinde hatte dem Architekten den Prüfbericht der GPA geschickt. Sie vertrat die Auffassung, dass durch dieses Schreiben und die Antwort des Planers Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB stattgefunden hätten. Damit wäre die Verjährungsuhr angehalten worden.
Darüber hinaus warf die Auftraggeberin dem Planer vor, er habe sie getäuscht. Er habe suggeriert, er werde das zu viel gezahlte Geld von den Baufirmen zurückholen (Regress). Durch dieses Verhalten habe er die Gemeinde davon abgehalten, rechtzeitig juristische Schritte gegen ihn selbst einzuleiten. Deshalb greife hier die Sekundärhaftung.
Die Verteidigung des Architekten
Der Planer sah die Sachlage nüchterner. Für ihn war das Protokoll vom April 2014 eine klare, rechtsgeschäftliche Abnahme. Damit endete die fünfjährige Verjährungsfrist am 9. April 2019. Die Klage der Gemeinde ging jedoch erst im Dezember 2019 bei Gericht ein – also Monate zu spät.
Zu dem Schriftwechsel von 2018 erklärte der Architekt, dass er lediglich eine fachliche Stellungnahme zu den Feststellungen der Prüfungsanstalt abgegeben habe. Zu keinem Zeitpunkt habe die Gemeinde in diesen Briefen explizit Schadensersatz von ihm gefordert. Daher habe es auch keine Verhandlungen über seine Haftung gegeben. Den Vorwurf der Täuschung wies er ebenfalls zurück: Die Gemeinde habe selbst versucht, das Geld von den Firmen zurückzufordern, sei aber gescheitert. Das habe nichts mit seinem Verhalten zu tun.
Warum bestätigte das Gericht den Eintritt der Verjährung?
Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgte der Argumentation des Landgerichts Baden-Baden und wies die Berufung der Gemeinde zurück. Die Richter arbeiteten sich detailliert durch die einzelnen Einwände der Kommune und demontierten diese Schritt für Schritt.
War die Abnahme von 2014 wirksam?
Der erste entscheidende Punkt war die Bewertung des Abnahmeprotokolls. Am 9. April 2014 hatte der Bürgermeister das Protokoll unterzeichnet. Zwar waren in einer Anlage noch offene Restleistungen und Mängel aufgeführt, doch das Gericht wertete das Dokument eindeutig.
Das Gericht führte hierzu aus:
„Das Abnahmeprotokoll […] ist nach der gemäß §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung als vollständige Leistungsabnahme (§ 640 BGB) zu verstehen, obwohl in der Anlage einzelne offene bzw. mangelhafte Leistungen benannt waren. Die Parteien wollten die Abnahme des Gesamtvertragsgegenstandes.“
Die Richter stellten klar, dass die Auflistung von Mängeln nicht bedeutet, dass die Abnahme verweigert wird. Vielmehr wird die Leistung als „im Wesentlichen vertragsgemäß“ akzeptiert, wobei man sich die Rechte wegen der konkreten Mängel vorbehält. Da die Gemeinde aber eine „vollständige Leistungsabnahme“ unterschrieben hatte, begann an diesem Tag die fünfjährige Frist. Diese lief folglich am 9. April 2019 ab.
Scheiterte die Anfechtung der Abnahme?
Der Versuch der Gemeinde, die Abnahme nachträglich anzufechten, lief ins Leere. Das Gericht bewertete diesen Schachzug als prozessual unzulässig. Die Gemeinde hatte erst in der zweiten Instanz (Berufung) behauptet, das Protokoll sei dem Bürgermeister „quasi unterschoben“ worden. Nach § 531 ZPO sind solche neuen Tatsachenbehauptungen in der Berufung meist ausgeschlossen, wenn sie nicht schon vorher hätten vorgebracht werden können.
Zudem wäre eine Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) längst verfristet gewesen. Eine Anfechtung muss „unverzüglich“ erfolgen (§ 121 BGB), nachdem der Irrtum entdeckt wurde. Da die Gemeinde die Umstände schon in der ersten Instanz kannte, war dieser Zug im Jahr 2020 viel zu spät.
Warum lagen keine Verhandlungen vor?
Der wohl kritischste Punkt für viele Bauherren ist die Bewertung des Schriftverkehrs. Die Gemeinde hatte dem Architekten am 20. August 2018 (Anlage K 8) geschrieben und den GPA-Bericht in Auszügen beigelegt. Der Architekt antwortete am 16. November 2018 (Anlage K 9).
Für das Gericht reichte dies nicht für eine Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB. Um von „Verhandlungen“ sprechen zu können, muss der Gläubiger dem Schuldner unmissverständlich klarmachen, dass er einen Anspruch gegen ihn geltend macht.
Das OLG Karlsruhe begründete dies deutlich:
„Das Schreiben der Klägerin vom 20.08.2018 enthielt keine eindeutige Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Architekten. Die Klägerin teilte lediglich mit, die GPA habe Prüfungsfeststellungen getroffen, und dass sie die ausführenden Unternehmen gebeten habe, Rückzahlungen zu leisten.“
Der Architekt durfte dieses Schreiben so verstehen, dass die Gemeinde ihn lediglich informierte. Er musste nicht davon ausgehen, dass er zur Kasse gebeten werden sollte. Folglich war auch seine Antwort keine Einlassung auf Verhandlungen über Schadensersatz, sondern eine reine Sachaussage zu den Prüfberichten. Ohne einen klaren Anspruch gab es nichts zu verhandeln, und ohne Verhandlungen gab es keine Hemmung. Die Uhr lief weiter und die Frist lief im April 2019 ab.
Greift die Sekundärhaftung bei Rechnungsfehlern?
Die Gemeinde versuchte als letzten Rettungsanker, die Grundsätze der Sekundärhaftung ins Feld zu führen. Sie argumentierte, der Planer hätte sie über seine Fehler bei der Rechnungsprüfung aufklären müssen. Hätte er dies getan, hätte sie früher geklagt. Da er schwieg, dürfe er sich nun nicht auf die Verjährung berufen.
Das OLG erteilte dieser Ansicht eine klare Absage und differenzierte präzise. Die Rechtsprechung zur Sekundärhaftung betrifft primär Bauüberwachungsfehler, die zu Sachmängeln am Bauwerk führen. Hier geht es aber um Vermögensschäden durch eine falsche Rechnungsprüfung.
Das Gericht stellte fest:
„Die Sekundärhaftung ist nicht auf Fälle übertragbar, in denen es um die korrekte Rechnungsprüfung und Überzahlungen geht. Hier geht es nicht um Baumängel, sondern um reine Vermögensschäden.“
Zudem gab es einen weiteren Grund, warum die Sekundärhaftung hier nicht griff: Die Gemeinde wusste Bescheid. Durch den Prüfbericht der GPA lag der Gemeinde bereits im Juli 2018 – also fast ein Jahr vor Ablauf der Verjährung – eine detaillierte Mängelliste vor. Die GPA hatte die Gemeinde sogar explizit aufgefordert, Ansprüche gegen den Architekten zu prüfen.
Wer durch einen Dritten (hier die Prüfungsanstalt) bereits über die möglichen Fehler und Regressansprüche informiert ist, ist nicht mehr schutzbedürftig. Der Architekt musste die Gemeinde nicht über etwas aufklären, was diese schwarz auf weiß im Prüfbericht stehen hatte. Dass die Verwaltung daraufhin untätig blieb und die Verjährungsfrist verstreichen ließ, fällt in ihren eigenen Verantwortungsbereich.
Gab es eine arglistige Täuschung?
Auch den Vorwurf, der Architekt habe die Gemeinde hingehalten, indem er versprach, das Geld von den Firmen zu holen, ließen die Richter nicht gelten. Die Akten zeigten, dass die Gemeinde selbstständig versucht hatte, Geld von den Baufirmen zurückzufordern. Diese hatten jedoch abgelehnt und sich teils selbst auf Verjährung berufen. Es gab keinen Beweis dafür, dass der Architekt die Gemeinde aktiv davon abgehalten hätte, verjährungshemmende Maßnahmen (wie eine Feststellungsklage oder einen Mahnbescheid) gegen ihn einzuleiten.
Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Praxis?
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe (bestätigt durch die Zurückweisung der Berufung) ist ein Weckruf für öffentliche und private Bauherren. Sie verdeutlicht, dass das Rechtsinstitut der Sekundärhaftung kein Allheilmittel ist, das jede Fristversäumnis heilt.
Strenge Anforderungen an die „Geltendmachung“
Für die Praxis bedeutet das Urteil vor allem eines: Klartext reden. Wer kurz vor Ablauf einer Verjährungsfrist steht, darf sich nicht in höflichen Briefwechseln verlieren. Ein Schreiben an den Vertragspartner muss ausdrücklich beinhalten, dass er für einen Schaden haftbar gemacht wird. Sätze wie „Wir übersenden Ihnen zur Kenntnisnahme den Bericht der Prüfer“ reichen nicht aus, um § 203 BGB auszulösen. Es muss heißen: „Wir fordern Sie auf, den Schaden zu ersetzen.“
Unterschied zwischen Baumangel und Rechnungsfehler
Das Urteil schärft zudem die Trennlinie bei der Architektenhaftung. Während bei versteckten Baumängeln (undurchlässiges Dach, Risse im Fundament) die Sekundärhaftung die Verjährung oft faktisch verlängert, gilt dies bei Fehlern in der Rechnungsprüfung (Vermögensschäden) meist nicht. Ein Architekt muss nicht proaktiv auf seine eigenen Rechenfehler hinweisen, wenn es nur um Geld geht. Hier muss der Bauherr selbst kontrollieren oder kontrollieren lassen – und zwar rechtzeitig.
Warnung vor Zeitverlust
Besonders bitter für die Gemeinde: Zum Zeitpunkt des GPA-Berichts im Juli 2018 war die Verjährung noch nicht eingetreten. Es verblieben noch fast neun Monate bis zum April 2019. In dieser Zeit hätte die Verwaltung Klage einreichen oder einen Verjährungsverzicht vom Architekten fordern müssen. Das bloße „Hoffen“ auf eine Einigung oder das Verlassen auf die Regressversuche bei den Baufirmen war fatal.
Letztlich bleibt die Gemeinde auf dem Schaden von über 46.000 Euro sitzen und muss zusätzlich die Kosten für zwei Gerichtsinstanzen tragen. Der Fall lehrt, dass im Baurecht der Kalender oft mächtiger ist als der Taschenrechner.
Verjährung droht? Sichern Sie Ihre Ansprüche rechtzeitig ab
Fristen im Baurecht sind komplex und oft kürzer als gedacht, insbesondere bei der Architektenhaftung. Unsere Rechtsanwälte prüfen für Sie präzise, ob Ihre Ansprüche noch durchsetzbar sind oder wie Sie den Ablauf der Verjährung wirksam stoppen. Wir unterstützen Sie dabei, finanzielle Verluste durch formale Fehler oder versäumte Fristen zu vermeiden.
Experten Kommentar
Das größte Risiko liegt in der trügerischen Sicherheit vermeintlicher Abstimmungsgespräche zwischen Bauherr und Planer. Ohne einen ausdrücklichen, schriftlichen Verjährungsverzicht des Architekten läuft die Frist im Hintergrund unerbittlich weiter. Wer sich auf rein fachliche Stellungnahmen verlässt, statt sofort den rechtlichen Anspruch hart geltend zu machen, hat den Fall meist schon verloren.
Ein Punkt wird häufig unterschätzt: Bei reinen Vermögensschäden durch fehlerhafte Rechnungsprüfung greifen die üblichen Schutzmechanismen für Bauherren schlicht nicht. Die Rechtsprechung zur Sekundärhaftung ist kein Rettungsanker für verspätete Rückforderungen von Überzahlungen. In der Praxis hilft gegen diese Fristenfalle nur eine aggressive Terminkontrolle, da das Gesetz dem Geschädigten hier kaum Spielraum für Verzögerungen lässt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Verjähren Ansprüche auch wenn der Prüfbericht erst Jahre später Fehler aufdeckt?
Ja, Ansprüche verjähren auch bei später Entdeckung des Mangels durch einen Prüfbericht. Die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt starr mit der Abnahme des Bauwerks. Ihre persönliche Kenntnisnahme spielt für den Fristbeginn keine Rolle. Im konkreten Fall führte die Abnahme 2014 zum Fristende im April 2019.
Im Werkvertragsrecht gilt die objektive Verjährungsfrist von fünf Jahren nach der Abnahme (§ 634a BGB). Diese Frist startet mit der Unterschrift unter dem Abnahmeprotokoll. Spätes Entdecken der Mängel verlängert diese Frist nicht. Im vorliegenden Fall lag der Prüfbericht bereits 2018 vor. Dennoch blieb das Enddatum der Verjährung auf April 2019 fixiert. Die Klage ging erst im Dezember 2019 ein. Damit war der Anspruch bereits verjährt. Ohne Arglist schützt Unwissenheit nicht vor dem Fristablauf.
Unser Tipp: Prüfen Sie sofort das Datum Ihres Abnahmeprotokolls. Addieren Sie exakt fünf Jahre für Ihre harte Deadline. Sichern Sie sich rechtzeitig rechtlich ab.
Stoppt ein E-Mail-Austausch über Abrechnungsfehler die Verjährung der Architektenhaftung?
Nein, ein bloßer E-Mail-Austausch stoppt die Verjährung meist nicht. Eine wirksame Hemmung tritt nur ein, wenn Sie den Architekten unmissverständlich haftbar machen. Es muss ein klarer Wille zur Geltendmachung erkennbar sein. Ohne die explizite Forderung von Schadensersatz fehlen die Voraussetzungen für juristische Verhandlungen.
Nach § 203 BGB hemmen nur echte Verhandlungen den Fristablauf. Ein Briefwechsel aus dem Jahr 2018 verdeutlicht die Gefahr. Dort wurden lediglich Mängellisten ohne Zahlungsaufforderung ausgetauscht. Das Gericht wertete dies als bloßen Meinungsaustausch. Ohne die konkrete Ansage „Ich fordere Geld“ gibt es rechtlich nichts zu verhandeln. Wer aus Höflichkeit nur berichtet, riskiert den vollständigen Anspruchsverlust. Der Forderungscharakter muss zwingend aus dem Inhalt hervorgehen, damit die Uhr stoppt.
Unser Tipp: Formulieren Sie Ihre Schreiben immer als klare Aufforderung. Verwenden Sie Sätze wie: „Wir machen hiermit Schadensersatzansprüche geltend“.
Reicht die bloße Übersendung eines Prüfberichts zur Hemmung der Verjährung aus?
Nein, die bloße Übersendung eines Dokuments genügt rechtlich nicht, um die Verjährung wirksam zu stoppen. Damit Verhandlungen beginnen, müssen Sie Ansprüche konkret geltend machen. Ein rein bürokratisches Weiterleiten ohne ausdrückliche Forderung wird von Gerichten lediglich als passive Information eingestuft.
Das OLG Karlsruhe bestätigte, dass die Zusendung eines Prüfberichts „zur Kenntnisnahme“ keine rechtlich bindende Anspruchsstellung darstellt. Ein Architekt darf in einem solchen Fall davon ausgehen, dass der Bericht nur der Information über Baufirmen dient. Die rechtliche Mechanik erfordert eine aktive Willenserklärung statt eines bloßen Beweismittels. Ohne eine klare Zahlungsaufforderung gegenüber dem Empfänger läuft die Verjährungsfrist ungehindert weiter. Wer nur Anhänge verschickt, handelt aus juristischer Sicht zu passiv.
Unser Tipp: Fordern Sie Ihren Vertragspartner schriftlich und unter Bezugnahme auf den Bericht konkret zur Zahlung oder Mängelbeseitigung auf. Vermeiden Sie unverbindliche Floskeln.
Gilt die Sekundärhaftung des Architekten auch bei reinen Überzahlungen an Baufirmen?
Nein, bei reinen Überzahlungen greift das Rechtsinstitut der Sekundärhaftung laut OLG Karlsruhe im Regelfall nicht. Diese besondere Form der Verjährungsverlängerung beschränkt sich primär auf die Aufklärung von Baumängeln. Bei Vermögensschäden durch fehlerhafte Rechnungsprüfung müssen Sie hingegen strikt die reguläre fünfjährige Verjährungsfrist einhalten.
Das Gericht unterscheidet scharf zwischen technischen Baumängeln und reinen Buchhaltungsfehlern. Bei einem feuchten Keller ist der Bauherr auf die Expertise des Architekten angewiesen. Er erkennt den Mangel oft nicht selbst. Bei finanziellen Überzahlungen geht es jedoch lediglich um Geld. Hier besteht laut OLG Karlsruhe keine besondere Schutzbedürftigkeit. Oft liegen dem Bauherrn zudem Prüfberichte Dritter vor. Erhält er beispielsweise Informationen durch eine Gemeindeprüfungsanstalt, entfällt der Schutzcharakter komplett. Der Architekt muss sich bei Rechnungsfehlern nicht selbst belasten.
Unser Tipp: Kontrollieren Sie Rechnungsprüfungen sofort nach Abschluss der Leistungsphase 8. Verlassen Sie sich niemals auf eine Fristverlängerung durch Nicht-Aufklärung des Architekten.
Beginnt die Verjährungsfrist trotz verbleibender Mängel im Abnahmeprotokoll?
Ja, die Verjährungsfrist beginnt mit der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls zu laufen. Eine Abnahme gilt rechtlich als vollzogen, wenn Sie das Werk im Wesentlichen akzeptieren. Verbleibende Restarbeiten oder Mängel in der Liste verhindern den Friststart nicht. Die 5-Jahres-Frist für das Gesamtgebäude beginnt somit sofort.
Juristisch signalisieren Sie mit Ihrer Unterschrift den Willen zur vollständigen Leistungsabnahme. Das Gericht betrachtet das Protokoll als Abschluss des Bauvorhabens. Die Mängelliste sichert lediglich Ihre Gewährleistungsrechte für diese spezifischen Punkte. Werden diese Mängel beseitigt, verlängert das die Frist für den Rest des Gebäudes nicht. Wer auf die Erledigung aller Punkte wartet, riskiert den Verfall anderer Ansprüche. Die Haftungsuhr tickt für alle Gebäudeteile gleichzeitig ab dem Tag der Abnahme.
Unser Tipp: Notieren Sie den Tag der Abnahme als fixen Starttermin in Ihrem Kalender. Prüfen Sie andere Mängel frühzeitig, bevor die fünfjährige Gesamtfrist unbemerkt abläuft.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Karlsruhe – Az.: 8 U 116/20 – Beschluss vom 02.12.2021
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