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Abnahme durch Ingebrauchnahme: Werklohn trotz Mängelrüge

Ein Handwerker forderte 35.000 Euro Werklohn für eine neue Heizung, doch der Bauherr verweigerte die Zahlung wegen eines unzulässigen Fabrikatwechsels. Das Gericht musste klären, ob die monatelange, störungsfreie Nutzung bereits als stillschweigende Abnahme durch Ingebrauchnahme galt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 U 89/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg, 13. Zivilsenat
  • Datum: 29.09.2020
  • Aktenzeichen: 13 U 89/18
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Abnahme, Schadensersatz

  • Das Problem: Ein Handwerker forderte seinen restlichen Werklohn für Sanitär- und Heizungsarbeiten. Die Kundin weigerte sich zu zahlen und berief sich auf Mängel und den unzulässigen Wechsel des Heizkessel-Fabrikats.
  • Die Rechtsfrage: Musste die Kundin den vollen Werklohn bezahlen, obwohl sie Mängel rügte und der Handwerker ein anderes Heizkessel-Fabrikat eingebaut hatte?
  • Die Antwort: Die Berufung der Kundin war unbegründet. Sie muss den überwiegenden Teil des Werklohns zahlen. Das Gericht sah die Arbeiten als durch lange Ingebrauchnahme abgenommen an.
  • Die Bedeutung: Ein Kunde nimmt Bauleistungen automatisch ab, wenn er die Anlage lange nutzt, ohne zeitnah und konkret Mängel zu rügen. Ein Anspruch auf Schadensersatz entfällt, wenn der beschädigte Gegenstand bereits wertlos war.

Abnahme durch Ingebrauchnahme: Wann ist die Frist abgelaufen?

Wenn ein Handwerker seine Arbeit beendet hat, der Kunde die neue Anlage nutzt, aber die Rechnung nicht vollständig bezahlt, steht oft eine zentrale Frage im Raum: Gilt die Leistung als abgenommen? Genau diesen Konflikt um einen Werklohn von über 35.000 Euro musste das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 29. September 2020 (Az.: 13 U 89/18) klären. Der Fall zeigt eindrücklich, wie die monatelange Nutzung einer Heizungsanlage ohne formelle Mängelrüge zur sogenannten konkludenten Abnahme führen kann und welche Konsequenzen dies für den Zahlungsanspruch hat.

Muss man einen anderen Heizkessel als bestellt akzeptieren?

Nahaufnahme des verwahrlosten, verschimmelten Klavierinneren: Taschenlampenlicht enthüllt Nagetierkot und feuchte Schmutzspuren.
Monatelange Nutzung einer Anlage ohne Rüge kann zur stillschweigenden Abnahme führen. | Symbolbild: KI

Ein Heizungs- und Sanitär-Unternehmer erhielt den Auftrag, im Haus einer Bauherrin in Ostfriesland eine neue Heizungsanlage samt Warmwasser-Solarthermie zu installieren. Nach Abschluss der Arbeiten stellte er am 24. Februar 2014 zunächst eine Rechnung über 33.050,94 Euro. Nach Beanstandungen korrigierte er diese und forderte mit einer neuen Abrechnung vom 29. April 2014 schließlich eine Summe von 40.260,79 Euro, von der nach Abzug geleisteter Abschlagszahlungen noch ein erheblicher Restbetrag offen war.

Die Bauherrin verweigerte die Zahlung und begründete dies mit mehreren Mängeln. Im Zentrum des Streits standen drei Kernpunkte. Erstens bemängelte sie die Leistung der Solaranlage. Zweitens war sie unzufrieden damit, dass anstelle des ursprünglich angebotenen Heizungskessels der Marke Junkers ein Gerät der Firma Brötje verbaut wurde. Drittens behauptete sie, durch auslaufende Solarflüssigkeit sei ein im Haus stehendes Klavier beschädigt worden, wofür sie Schadensersatz verlangte. Sie argumentierte, die Leistung sei nicht abgenommen und mangelhaft, weshalb der Werklohn nicht fällig sei.

Der Unternehmer sah die Sache anders. Er war der Überzeugung, die Bauherrin habe die Anlage durch die monatelange Nutzung stillschweigend abgenommen. Den Austausch des Kessels habe er auf der Baustelle wegen Lieferproblemen bei Junkers vorgeschlagen, und die Bauherrin habe dem Wechsel zum preisgleichen, sofort verfügbaren Brötje-Modell ausdrücklich zugestimmt. Den angeblichen Schaden am Klavier bestritt er in seiner Erheblichkeit. Nachdem das Landgericht Aurich dem Handwerker weitgehend recht gegeben und die Bauherrin zur Zahlung von 35.844,64 Euro verurteilt hatte, legte diese Berufung ein, die nun vor dem Oberlandesgericht Oldenburg verhandelt wurde.

Wie beweist man eine mündliche Vertragsänderung auf der Baustelle?

Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Bauherrin als unbegründet zurück und bestätigte damit im Wesentlichen die Entscheidung der Vorinstanz. Die Richter gelangten nach einer umfassenden Beweisaufnahme, die Zeugenvernehmungen, ein Sachverständigengutachten und sogar eine persönliche Inaugenscheinnahme umfasste, zu einem klaren Ergebnis. Die Analyse des Gerichts zerlegte den Fall in seine drei Hauptstreitpunkte: die Abnahme, den Kesseltausch und den Klavierschaden.

Gab es eine mündliche Zustimmung zum Austausch?

Die entscheidende Frage war, ob die Bauherrin dem Austausch des Heizungskessels von Junkers zu Brötje zugestimmt hatte. Das ursprüngliche Angebot sah unstrittig ein Junkers-Gerät vor. Der Handwerker schilderte dem Gericht jedoch detailliert und nachvollziehbar, wie es zum Wechsel kam. Er erklärte, dass er der Bauherrin auf der Baustelle von den Lieferproblemen bei Junkers berichtet und ihr als Alternative den sofort lieferbaren Brötje-Kessel zum identischen Preis angeboten habe. Daraufhin habe sie mündlich ihre Zustimmung erteilt.

Diese Darstellung wurde durch die Aussage eines Zeugen gestützt. Der Zeuge CC bestätigte die Lieferengpässe bei Junkers und dass ein Brötje-Paket nicht nur kurzfristig verfügbar, sondern sogar etwas günstiger gewesen sei. Er habe den Handwerker angewiesen, die Änderung mit der Bauherrin abzustimmen, und später selbst die Bestellung der Brötje-Anlage für sie ausgelöst.

Das Indizienpuzzle: Warum die Version des Handwerkers überzeugte

Das Gericht bewertete die Aussagen des Handwerkers und des Zeugen als glaubwürdig. Die Schilderungen waren detailreich und in sich schlüssig. Dass der Kläger während seiner Anhörung kleinere Korrekturen an der genauen Chronologie vornahm, wertete das Gericht nicht als Schwäche, sondern als Zeichen für eine authentische, nicht abgesprochene Erinnerung. Vor allem aber folgte der Senat einem zentralen Argument der Lebensnähe: Es erscheint vollkommen lebensfremd, dass ein erfahrener Unternehmer eigenmächtig ein anderes als das vereinbarte Fabrikat bestellt und einbaut, ohne dies mit dem Auftraggeber abzustimmen. Ein solches Vorgehen würde ihn einem erheblichen Risiko aussetzen, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Die Darstellung der Bauherrin und ihrer Zeugin konnte das Gericht hingegen nicht überzeugen. Die Bauherrin behauptete, sie sei „ungehalten“ gewesen und habe wiederholt gegenüber einem Zeugen geäußert, dass sie den Austausch nicht wünsche. Diese Angaben erschienen dem Senat unglaubhaft.

Das Schweigen der Bauherrin als K.O.-Argument

Den Ausschlag gab letztlich das Verhalten der Bauherrin nach dem Einbau. Das Gericht hielt es für widersinnig, dass sie ihre angeblich so fundamentalen Einwände zu keinem Zeitpunkt schriftlich formulierte. Wäre der Austausch des Fabrikats für sie wirklich ein so „elementares“ Problem gewesen, wäre eine schriftliche Mängelrüge oder die Aufforderung zur Nacherfüllung der naheliegende und gebotene Schritt gewesen. Insbesondere nach der Einschaltung eines Anwalts hätte sie nach § 637 BGB eine Frist setzen und bei deren Verstreichen den Austausch selbst vornehmen lassen können.

Stattdessen erfolgte die erste schriftliche Beanstandung des Fabrikatwechsels erst mit der Klageerwiderung vom 29. Juni 2015 – über ein Jahr nach Einbau der Anlage. Dieses lange Zögern passte für das Gericht nicht zur Behauptung, sie habe dem Wechsel von Anfang an widersprochen. Ihr Verhalten sprach eine andere Sprache und stützte die Version des Handwerkers, dass eine Zustimmung erteilt wurde.

Bekommt man Schadensersatz für einen bereits wertlosen Gegenstand?

Der zweite große Streitpunkt war der angebliche Schaden am Klavier der Bauherrin. Sie forderte Schadensersatz, da ausgelaufene Solarflüssigkeit auf das Instrument getropft sei und eine Wertminderung verursacht habe. Ihr bezifferter Schaden: 5.000 Euro. Auch hier führte das Gericht eine sorgfältige Beweisaufnahme durch, die das Argument der Bauherrin vollständig entkräftete.

Ein Schnapsglas Flüssigkeit auf einem schimmligen Klavier

Zwar bestätigten Zeugen, dass eine kleine Menge Flüssigkeit ausgetreten war. Die Beschreibungen reichten von einer „Schnapsglasmenge“ bis zur Aussage, die Bauherrin selbst habe erklärt, es sei „nicht so schlimm“ gewesen und sie habe die Tropfen bereits weggewischt. Dies allein sprach schon gegen einen erheblichen Schaden.

Der entscheidende Beweis war jedoch die Inaugenscheinnahme des Klaviers durch das Gericht selbst sowie das Gutachten eines Sachverständigen. Das Bild, das sich den Richtern bot, war verheerend: Das Klavier befand sich in einem extrem vernachlässigten Zustand. Tasten waren lose, es war stark verschmutzt und sogar verschimmelt. Der Sachverständige fand zudem Mäusekot im Inneren des Instruments.

Der Sachverständige: Negativer Wert durch Entsorgungskosten

Das Gutachten vom 26. Mai 2020 kam zu einem vernichtenden Ergebnis: Das Klavier besaß faktisch keinen positiven Marktwert mehr. Im Gegenteil, aufgrund der notwendigen Entsorgungskosten könnte sogar ein negativer Verkehrswert vorliegen. Die Bauherrin konnte weder Kaufbelege noch Angaben zu Hersteller oder Alter des Instruments machen. Ihre Wertangabe von 5.000 Euro erschien dem Gericht daher als reine Spekulation oder gar als bewusst falsche Angabe.

Die logische Konsequenz für die Richter war klar: Selbst wenn eine geringe Menge Solarflüssigkeit auf das Klavier getropft sein sollte, konnte dadurch kein ersatzfähiger Schaden entstanden sein. Ein Gegenstand, der bereits wertlos ist, kann keine Wertminderung mehr erleiden. Der Anspruch auf Schadensersatz wurde daher vollständig abgewiesen.

Was bedeutet eine konkludente Abnahme für den Werklohn?

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg steht fest: Der Werklohnanspruch des Handwerkers besteht zu Recht. Die Entscheidung bestätigt den Grundsatz der Abnahme durch Ingebrauchnahme. Nachdem der Unternehmer am 8. April 2014 auf eine erste Beanstandung der Solaranlage hin einen Fühler ausgetauscht hatte, nutzte die Bauherrin die komplette Heizungsanlage über ein Jahr lang ohne weitere substanzielle Mängelrügen.

Das Gericht stellte klar, dass einem Auftraggeber zwar eine angemessene Prüfungsfrist zusteht, die typischerweise bei etwa zwei Monaten liegt. Diese Frist war im vorliegenden Fall jedoch bei Weitem überschritten. Durch die lange und unbeanstandete Nutzung gilt die Werkleistung als stillschweigend abgenommen. Diese Konkludente Abnahme hat zur Folge, dass der Werklohn fällig wird. Die Bauherrin muss daher die offene Forderung begleichen und trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens.

Die Urteilslogik

Die widerspruchslose, monatelange Nutzung einer erbrachten Werkleistung bekräftigt die stillschweigende Abnahme und macht den Werklohnanspruch des Unternehmers fällig.

  • Konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme: Wer eine fertiggestellte Anlage über die übliche Prüffrist hinaus ohne substantielle Mängelrüge nutzt, signalisiert die Billigung der Leistung und löst damit die Fälligkeit des Werklohns aus.
  • Beweiskraft bei mündlicher Vertragsänderung: Die Glaubwürdigkeit einer mündlichen Zustimmung zur Abweichung vom Vertrag steigt erheblich, wenn das Gegenteil – das heißt, ein eigenmächtiges Handeln des Unternehmers – wirtschaftlich lebensfremd erscheint.
  • Kein Schadensersatz ohne positiven Verkehrswert: Ein Geschädigter erleidet keine ersatzfähige Wertminderung, wenn der beschädigte Gegenstand bereits vor dem schädigenden Ereignis keinen positiven Marktwert mehr besaß.

Das Werkvertragsrecht verlangt von Auftraggebern, Mängel und Abweichungen zügig zu rügen und dokumentieren, um die Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht durch passives Verhalten zu untergraben.


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Gilt Ihre Handwerkerleistung durch Ingebrauchnahme bereits als abgenommen? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihrer Situation.


Experten Kommentar

Wenn die neue Heizung wochenlang oder gar monatelang ohne Rüge läuft, glauben viele Kunden, sie hätten noch alle Zeit der Welt, formell abzunehmen. Das Urteil ist eine klare Ansage: Wer eine Werkleistung über eine lange Zeit intensiv nutzt, ohne substanzielle Mängel schriftlich zu rügen, verliert sein Recht auf formelle Abnahme – die Leistung gilt als stillschweigend akzeptiert. Dieser Fall zeigt, wie Gerichte konsequent das gesamte Verhalten der Parteien prüfen; das Zögern bei der Rüge des Fabrikatwechsels machte die Argumentation der Bauherrin unglaubwürdig. Für Handwerker bedeutet das: Ist die Anlage in Betrieb, tickt die Uhr zugunsten der Fälligkeit des Werklohns.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt meine Bauleistung als stillschweigend abgenommen, obwohl ich nicht unterschrieben habe?

Die stillschweigende Abnahme (konkludente Abnahme) liegt vor, wenn Sie die Bauleistung über eine reine Erprobung hinaus nutzen und keine wesentlichen Mängel rügen. Durch die Nutzung signalisieren Sie dem Handwerker, dass Sie die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennen. Das löst die Fälligkeit des Werklohns aus. Sie verlieren damit wichtige Rechte, obwohl Sie keine formelle Abnahmeerklärung unterschrieben haben.

Der Gesetzgeber gewährt Ihnen eine angemessene Frist zur sorgfältigen Prüfung des fertiggestellten Werks. Diese sogenannte Prüffrist wird von Gerichten in der Regel auf etwa zwei Monate festgesetzt. Nutzen Sie beispielsweise eine neue Heizungsanlage in diesem Zeitrahmen, um deren Funktionstüchtigkeit zu testen, gilt das noch nicht als Abnahme. Nach Ablauf dieser Prüffrist müssen Sie zwingend eine formelle Mängelrüge an den Unternehmer schicken. Geschieht dies nicht und nutzen Sie die Anlage weiter, billigen Sie die Leistung automatisch.

Ein extremes Beispiel zeigt die juristische Gefahr: Das Oberlandesgericht Oldenburg wertete die unbeanstandete Nutzung einer neuen Heizungsanlage von über einem Jahr als bindende stillschweigende Abnahme. Die Bauherrin verlor dadurch das Recht, sich gegen die vollständige Werklohnforderung zu wehren. Vermeiden Sie es, das Werk einfach weiter zu nutzen, nachdem Sie Mängel nur mündlich beanstandet haben, denn die passive, lange Nutzung ohne Fristsetzung für die Mängelbehebung heilt den Mangel juristisch.

Sollten Sie eine Anlage nutzen müssen, dokumentieren Sie festgestellte Mängel sofort und senden Sie dem Handwerker innerhalb von 14 Tagen eine Mängelliste per Einschreiben, wobei Sie die Nutzung ausdrücklich unter Vorbehalt erklären.


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Muss ich den Werklohn bezahlen, wenn der Handwerker ein anderes Gerät als vereinbart eingebaut hat?

Der Einbau eines anderen Fabrikats als vertraglich vereinbart stellt grundsätzlich einen Sachmangel dar, der die Fälligkeit des Werklohns hemmt. Diese Regel gilt nicht, wenn Sie dem Handwerker die Änderung des Geräts, beispielsweise von Junkers zu Brötje, vorher mündlich erlaubt haben. Ihr Verhalten nach dem Einbau entscheidet darüber, ob diese mündliche Zustimmung vor Gericht als glaubhaft gilt. Wenn Sie die abweichende Leistung lange Zeit nutzen, müssen Sie den Werklohn wahrscheinlich bezahlen.

Eine mündliche Zustimmung zur Änderung der vereinbarten Leistung ist juristisch wirksam, auch wenn die Beweislage oft schwierig erscheint. Zwar liegt die Beweislast für die erfolgte Absprache primär beim Unternehmer. Allerdings prüfen Gerichte die sogenannte Lebensnähe der Behauptungen. Es erscheint vollkommen lebensfremd, dass ein erfahrener Handwerker eigenmächtig ein anderes Fabrikat bestellt und einbaut, ohne dies zuvor mit dem Auftraggeber abzustimmen.

Ihr Verhalten nach der Installation dient dem Gericht als entscheidendes Indiz. Wenn der Fabrikatwechsel für Sie ein elementares Problem darstellt, müssen Sie dies sofort schriftlich rügen. Eine Verzögerung der schriftlichen Beanstandung um über ein Jahr, die erst in der Klageerwiderung erfolgt, entkräftet Ihren Widerspruch. Ein solch langes Zögern wird als starkes Indiz für eine erfolgte Zustimmung zur Änderung oder zumindest für eine stillschweigende Akzeptanz gewertet.

Falls ein Handwerker abweichende Produkte verbaut, setzen Sie innerhalb von zwei Wochen eine schriftliche Mängelrüge auf und fordern Sie unter Fristsetzung die Nacherfüllung.


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Wie lange ist die Frist für Mängelrügen, damit ich meine Rechte nach der Nutzung nicht verliere?

Die Zeit arbeitet nach der Fertigstellung des Werks schnell gegen den Auftraggeber. Nach der Inbetriebnahme steht Ihnen eine angemessene Prüfungsfrist zu, um die erbrachte Leistung zu kontrollieren. Diese beträgt nach aktueller Rechtsprechung typischerweise etwa zwei Monate. Innerhalb dieser Frist müssen Sie alle sichtbaren und erkennbaren Mängel sorgfältig prüfen und diese dem Handwerker formell mitteilen.

Ziel der Frist ist es, die sogenannte konkludente Abnahme der Leistung zu verhindern. Verpassen Sie diese Frist, werten Gerichte die unbeanstandete Weiternutzung als stillschweigende Billigung des Werkes. Mit der konkludenten Abnahme wird der Werklohn des Unternehmers sofort fällig, selbst wenn möglicherweise noch kleinere Mängel vorhanden sind. Nur eine substantielle, schriftliche Mängelrüge hält die Abnahme in diesem Zeitfenster auf.

Die Prüfungsfrist liegt in der Praxis meist zwischen sechs und acht Wochen ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage. Nutzen Sie die Anlage länger, ohne eine schriftliche Mängelrüge einzureichen, schwächt dies Ihre Verhandlungsposition. Gerichte sehen langes Zögern kritisch, wie das OLG Oldenburg bestätigte, als ein Kunde die Heizung über ein Jahr lang nutzte. Nach einer solchen Verzögerung kann Ihre Position als verwirkt gelten und Sie müssen den vollen Werklohn begleichen.

Führen Sie sofort ein Protokoll der Inbetriebnahme und versenden Sie spätestens am 60. Tag eine formelle, schriftliche Mängelrüge per Einschreiben.


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Was kann ich tun, wenn ich eine mündliche Vertragsänderung auf der Baustelle beweisen muss?

Wenn auf der Baustelle mündlich eine Abweichung vom Vertrag vereinbart wurde und später Streit entsteht, stehen Sie oft vor dem Problem „Aussage gegen Aussage“. Gerichte können in solchen Fällen nicht nur Zeugenaussagen heranziehen. Entscheidend ist primär das Indizienpuzzle, das sich aus dem gesamten Geschehensablauf ergibt. Besonders wichtig ist Ihr dokumentiertes Verhalten unmittelbar nach der angeblichen Änderung.

Richter prüfen die Glaubwürdigkeit der Zeugen sehr genau. Detailreiche und schlüssige Schilderungen, die keine Absprache vermuten lassen, gelten als belastbar. Ebenso prüft das Gericht die sogenannte Lebensnähe der Behauptungen. Es erscheint beispielsweise unwahrscheinlich, dass ein erfahrener Unternehmer eigenmächtig ein teureres Fabrikat bestellt und einbaut, ohne dies vorher mit Ihnen abzustimmen. Ein solches Vorgehen würde ihn einem erheblichen Risiko aussetzen, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Der wirksamste Beweis gegen Ihre Position ist oft Ihr eigenes passives Verhalten. Wenn Sie mit einer falschen Ausführung nicht einverstanden waren, müssen Sie sofort reagieren. Langes Schweigen nach der Fertigstellung wird vor Gericht als starke, stillschweigende Bestätigung der Änderungsversion des Handwerkers gewertet. Ein Zögern von über einem Jahr entkräftet jeden nachträglichen Widerspruch. Verlassen Sie sich keinesfalls auf vage oder nachträglich erzeugte emotionale Behauptungen.

Halten Sie jede mündliche Vereinbarung oder die Ablehnung einer Vertragsänderung sofort noch auf der Baustelle schriftlich fest und versenden Sie diese Zusammenfassung unverzüglich per E-Mail oder Messenger an den Vertragspartner.


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Kann ich Schadensersatz für einen beschädigten Gegenstand fordern, wenn dieser bereits wertlos war?

Nein, eine Forderung auf Schadensersatz für einen bereits wertlosen Gegenstand ist in der Regel nicht durchsetzbar. Das deutsche Schadensrecht zielt darauf ab, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Besaß der Gegenstand schon vor der Beschädigung keinen positiven Marktwert, fehlt die notwendige Grundlage für eine ersatzfähige Wertminderung.

Der Anspruch setzt voraus, dass der beschädigte Gegenstand einen positiven Verkehrswert aufwies, der durch die Handlung des Verursachers reduziert wurde. Liegt dieser Wert objektiv bei null, weil das Objekt extrem vernachlässigt oder stark abgenutzt ist, kann es keinen ersatzfähigen Schaden mehr erleiden. Gerichte stellen in solchen Fällen fest, dass die Beschädigung keine Kausalität zum Wertverlust mehr aufweist, da dieser bereits eingetreten war. Die Wut über die Zerstörung des Eigentums führt hier nicht automatisch zu einer Zahlungsverpflichtung des Verursachers.

Konkret zeigte sich dies in einem Fall vor dem OLG Oldenburg, als ausgelaufene Solarflüssigkeit ein Klavier beschädigte. Obwohl der Schaden durch den Handwerker verursacht wurde, verneinten die Richter den Anspruch der Kundin. Das Instrument war so verschmutzt und verschimmelt, dass ein unabhängiger Gutachter den Wert auf null oder sogar auf einen negativen Wert (wegen der Entsorgungskosten) festlegte. Die Forderung der Bauherrin wurde abgewiesen, weil der Schaden an dem ohnehin wertlosen Objekt nicht feststellbar war.

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Konkludente Abnahme

Eine Konkludente Abnahme liegt vor, wenn der Auftraggeber eine Bauleistung durch sein schlüssiges Verhalten – meist lange und unbeanstandete Nutzung – stillschweigend als vertragsgemäß akzeptiert. Juristen nennen das die Billigung des Werkes, die automatisch zur Fälligkeit des Werklohns führt. Das Gesetz schafft damit Rechtssicherheit: Der Unternehmer soll nach getaner Arbeit nicht ewig auf sein Geld warten müssen.

Beispiel: Da die Bauherrin die neue Heizungsanlage über ein Jahr lang ohne substanzielle Mängelrüge nutzte, wertete das Oberlandesgericht Oldenburg dieses passive Verhalten als bindende konkludente Abnahme.

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Mängelrüge

Eine Mängelrüge ist die formelle, schriftliche Mitteilung des Auftraggebers an den Unternehmer, dass die erbrachte Werkleistung nicht den vertraglichen Anforderungen entspricht. Dieses Schreiben ist zwingend erforderlich, um die gesetzlichen Rechte, wie Nacherfüllung oder Fristsetzung, zu wahren und die stillschweigende Abnahme des Werkes zu verhindern. Ohne formelle Mängelrüge verliert man schnell alle wichtigen Ansprüche.

Beispiel: Das Gericht hielt es für widersinnig, dass die Bauherrin ihre Einwände gegen den Kesseltausch erst über ein Jahr später mit der Klageerwiderung als schriftliche Mängelrüge vorbrachte.

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Nacherfüllung

Die Nacherfüllung ist das gesetzliche Primärrecht des Auftraggebers bei einem mangelhaften Werk, wobei der Unternehmer den Mangel beseitigen oder ein neues, mangelfreies Werk herstellen muss. Bevor man vom Vertrag zurücktritt oder den Schaden selbst behebt, muss dem Unternehmer zwingend die Chance zur Reparatur oder Nachlieferung innerhalb einer gesetzten Frist gegeben werden. Das dient primär dem Schutz des Unternehmers vor vorschnellen Schadensersatzforderungen.

Beispiel: Hätte die Bauherrin nach § 637 BGB eine Frist zur Nacherfüllung des Kesseltauschs gesetzt, hätte sie bei Verstreichen der Frist den Austausch selbst vornehmen lassen können.

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Sachmangel

Ein Sachmangel liegt im Werkvertragsrecht vor, wenn die erbrachte Leistung nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet. Wenn ein Sachmangel vorliegt, ist der Werklohnanspruch des Unternehmers gehemmt, und der Kunde kann die Bezahlung verweigern, bis der Mangel durch Nacherfüllung beseitigt wurde. Das sichert die vereinbarte Qualität des bezahlten Werkes.

Beispiel: Der Einbau des Kessels von Brötje anstelle des vertraglich vereinbarten Junkers-Geräts stellte, sofern keine mündliche Zustimmung nachweisbar war, einen Sachmangel dar.

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Verkehrswert

Der Verkehrswert, oft auch Marktwert genannt, ist der am Stichtag objektiv erzielbare Verkaufspreis eines Vermögensgegenstandes unter normalen Marktbedingungen. Das Zivilrecht benötigt den Verkehrswert, um die Höhe eines entstandenen Schadensersatzanspruchs zu bemessen. Ersetzt wird nur der Wert, den der Gegenstand unmittelbar vor dem schädigenden Ereignis tatsächlich hatte.

Beispiel: Da das Sachverständigengutachten feststellte, dass das Klavier aufgrund seines verschimmelten Zustands keinen positiven Verkehrswert mehr besaß, konnte keine ersatzfähige Wertminderung geltend gemacht werden.

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Werklohn

Als Werklohn wird die Vergütung bezeichnet, die ein Unternehmer vom Auftraggeber für die erfolgreiche Herstellung eines bestimmten Werkes (wie etwa die fertig installierte Heizungsanlage) erhält. Die Fälligkeit des Werklohns ist im Werkvertragsrecht zwingend an die formelle oder konkludente Abnahme des Werkes gekoppelt. Das Geld gibt es erst, wenn der Kunde bestätigt hat, dass die Leistung im Wesentlichen erbracht wurde.

Beispiel: Aufgrund der festgestellten konkludenten Abnahme durch Ingebrauchnahme war der gesamte offene Restbetrag des Werklohns in Höhe von 35.844,64 Euro fällig und die Bauherrin musste ihn begleichen.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Oldenburg – Az.: 13 U 89/18 – Urteil vom 29.09.2020


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