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Anscheinsvollmacht des Architekten zur Erteilung von Nachtragsaufträgen

Bauvertrag: Anscheinsvollmacht des Architekten bindet Bauherren an Nachtragsaufträge

In einem Fall vor dem OLG Köln ging es um Ansprüche auf Zahlung restlichen Werklohns für Tiefbauarbeiten, die ein Bauunternehmen für einen Bauherrn durchgeführt hatte. Der Streit drehte sich um Nachtragsaufträge und die Frage, ob der Architekt, der von der Beklagten mit der Bauüberwachung beauftragt wurde, berechtigt war, solche Aufträge im Namen des Bauherrn zu erteilen. Das Gericht entschied, dass der Architekt aufgrund einer Anscheinsvollmacht berechtigt war, Nachtragsaufträge zu erteilen, und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des ausstehenden Betrages zuzüglich Zinsen. Das Urteil betont die Bedeutung der Anscheinsvollmacht und deren Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten im Bauvertragsrecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 U 112/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Architekt wurde als bevollmächtigt angesehen, im Namen des Bauherrn Nachtragsaufträge zu erteilen.
  • Die Klägerin erhielt Zahlungsansprüche für durchgeführte Tiefbauarbeiten inklusive Nachträgen.
  • Prüffähigkeit der Schlussrechnung und Anspruch auf Restwerklohn wurden bestätigt.
  • Die Beklagte muss den ausstehenden Betrag zuzüglich Zinsen zahlen.
  • Das Urteil zeigt, dass Anscheinsvollmachten im Baurecht erhebliche rechtliche Folgen haben können.
  1. Der Architekt hatte die Befugnis, im Namen des Bauherrn Nachtragsaufträge zu erteilen.
  2. Das Gericht erkannte den Anspruch des Bauunternehmens auf den restlichen Werklohn an.
  3. Die Schlussrechnung wurde als prüffähig angesehen, und die vorgenommenen Kürzungen durch den Architekten wurden akzeptiert.
  4. Der Bauvertrag und zusätzliche Nachträge bildeten die Grundlage der Vergütungsforderung.
  5. Die Anscheinsvollmacht des Architekten basierte auf seinem Handeln mit Wissen und im Interesse des Bauherrn.
  6. Die Klägerin konnte sämtliche durchgeführte Arbeiten, einschließlich der strittigen Nachträge, belegen.
  7. Die Beklagte wurde zur Zahlung des offenen Betrags zuzüglich Zinsen verurteilt.
  8. Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit klarer Vereinbarungen und Vollmachten bei Bauprojekten.

Baurecht: Vollmachten und ihre rechtlichen Folgen

In der komplexen Welt des Baurechts spielen Vollmachten eine entscheidende Rolle. Häufig werden Architekten oder Bauleiter von Bauherren beauftragt, um die Ausführung von Bauprojekten zu überwachen und zu koordinieren. Dabei stellt sich die Frage, welche Befugnisse diese Personen tatsächlich besitzen und welche rechtlichen Konsequenzen ihr Handeln für die Beteiligten haben kann.

Eine zentrale Herausforderung sind Nachtragsaufträge, die während der Bauphase aufgrund unvorhergesehener Umstände erforderlich werden. Hier gilt es zu klären, inwieweit die beauftragten Personen berechtigt sind, solche Zusatzaufträge im Namen des Bauherrn zu erteilen und welche Ansprüche für die ausführenden Unternehmen daraus resultieren.

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OLG Köln: Anscheinsvollmacht bindet Bauherr an Nachträge seines Architekten

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Köln stand eine Auseinandersetzung über nicht vollständig beglichene Werklohnforderungen für Tiefbauarbeiten, die an einem Bauobjekt in P-I durchgeführt wurden. Grundlage für die Beauftragung war ein schriftlicher Bauvertrag zwischen der Klägerin, einem Bauunternehmen, und der Beklagten. Der Vertrag sah eine Vergütung nach Aufmaß zu den Einheitspreisen des Angebots der Klägerin vor, wobei Stundenlohnarbeiten nur nach vorheriger, ausdrücklicher Vereinbarung zu vergüten waren. Der Zeuge W, ein vom Bauherrn beauftragter Architekt, hatte den Vertrag im Namen der Beklagten unterzeichnet und war mit der Objektsteuerung und Bauüberwachung betraut.

Vertragliche Vereinbarungen und deren Umsetzung

Die vereinbarten Arbeiten umfassten Erdvorbereitungsarbeiten, Entwässerung, Herstellung von Schächten und Abscheidern sowie diverse Schlosserarbeiten, die im festgelegten Zeitraum durchgeführt wurden. Nach erfolgreicher Abnahme der Arbeiten und Beseitigung festgestellter Mängel bis zum 14.04.2014 forderte die Klägerin zusätzliche Vergütung für Nachtragsleistungen und die Lieferung von Materialien, deren Beauftragung zwischen den Parteien strittig war.

Streitpunkt Nachtragsaufträge und deren Vergütung

Ein zentraler Streitpunkt betraf die Erteilung und Vergütung diverser Nachtragsaufträge. Während einige Nachträge unstreitig von der Beklagten genehmigt wurden, war die Beauftragung bezüglich anderer Nachträge umstritten. Die Klägerin erstellte daraufhin eine Schlussrechnung, in der sie unter Einrechnung der Nachträge eine Vergütungsforderung von insgesamt 563.022,68 EUR brutto geltend machte.

Die Rolle des Architekten und Anscheinsvollmacht

Ein wesentliches Element des Falls war die Frage, inwieweit der Architekt W berechtigt war, im Namen der Beklagten Nachtragsaufträge zu erteilen. Es wurde argumentiert, dass der Architekt durch sein Handeln eine Anscheinsvollmacht erzeugt habe, welche die Beklagte an die erteilten Aufträge bindet. Dieses Argument stützt sich auf die Praxis, dass der Architekt allein die Verhandlungen über die Nachtragsbeauftragungen führte und teilweise Aufträge erteilte, ohne eine explizite Vollmacht zur Erteilung solcher Nachtragsaufträge vorzuweisen.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Das Oberlandesgericht Köln gab der Berufung der Klägerin statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des restlichen Werklohns zuzüglich Zinsen. Das Gericht stellte fest, dass die Werkleistungen der Klägerin ordnungsgemäß abgenommen wurden und die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs gegeben war. Weiterhin wurde die Prüffähigkeit der Schlussrechnung bejaht, da diese einer Prüfung durch den Architekten unterzogen worden war. Das Gericht folgte der Argumentation, dass der Architekt für die Erteilung der Nachtragsaufträge eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht besaß und die Beklagte sich dementsprechend an die durch den Architekten erteilten Aufträge gebunden sehen muss.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung klarer vertraglicher Vereinbarungen und die Notwendigkeit einer transparenten Kommunikation und Dokumentation bei der Erteilung von Nachtragsaufträgen im Baugewerbe. Es beleuchtet zudem die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Handhabung von Vertretungsmacht und Anscheinsvollmacht in der Beziehung zwischen Bauherren, Architekten und Auftragnehmern ergeben können.

Zusammengefasst bestätigt das Urteil die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des ausstehenden Werklohns und betont die rechtliche Verbindlichkeit von Nachtragsaufträgen, die durch einen scheinbar bevollmächtigten Architekten erteilt wurden. Es verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung und -abwicklung im Bauwesen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist eine Anscheinsvollmacht und wie wird sie im Baurecht angewendet?

Eine Anscheinsvollmacht ist eine besondere Form der Rechtsscheinvollmacht, die nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, aber von der Rechtsprechung anerkannt wird. Sie entsteht, wenn eine Person (der Vertreter) für eine andere Person (den Vertretenen) handelt, ohne dass eine ausdrückliche Vollmacht vorliegt, der Vertretene das Handeln des Vertreters aber bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Der Geschäftsgegner darf in solchen Fällen gutgläubig davon ausgehen, dass der Vertreter bevollmächtigt ist.

Im Baurecht kommt die Anscheinsvollmacht häufig zur Anwendung, da Bauherren oft nicht ständig auf der Baustelle präsent sind und sich auf ihre beauftragten Fachleute, wie Architekten oder Bauleiter, verlassen. Wenn diese Fachleute rechtserhebliche Tätigkeiten vornehmen, die über ihre tatsächlich erteilten Befugnisse hinausgehen, kann dennoch eine Anscheinsvollmacht entstehen, wenn der Bauherr das Handeln des Vertreters im Nachhinein genehmigt oder wenn Dritte aufgrund des Verhaltens des Bauherrn auf eine solche Vollmacht vertrauen dürfen.

Ein Beispiel für die Anwendung der Anscheinsvollmacht im Baurecht wäre, wenn ein Architekt ohne explizite Vollmacht Zusatzaufträge erteilt oder Fristen verändert. Wenn der Bauherr diese Handlungen bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, kann ihm die Erklärung des Architekten zugerechnet werden, und er haftet für die Folgen dieser Handlungen.

Die Anscheinsvollmacht schützt also den gutgläubigen Dritten, der aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes davon ausgeht, dass der Vertreter bevollmächtigt ist. Sie setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und dass der Geschäftsgegner das Handeln des Vertreters gutgläubig als bevollmächtigt ansieht.

Welche Rolle spielt der Architekt bei der Erteilung von Nachtragsaufträgen?

Der Architekt spielt bei der Erteilung von Nachtragsaufträgen eine zentrale Rolle, da er oft als Bindeglied zwischen dem Bauherrn und den ausführenden Unternehmen fungiert. Seine Aufgaben umfassen in der Regel die Planung, Überwachung und Koordination des Bauvorhabens. Im Kontext von Nachtragsaufträgen kann der Architekt verschiedene Funktionen übernehmen, die von der Beratung des Bauherrn bis hin zur direkten Verhandlung und Beauftragung von zusätzlichen Leistungen reichen können.

Vertretung des Bauherrn

Der Architekt kann als Vertreter des Bauherrn agieren, wenn es um die Vergabe von Nachtragsaufträgen geht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Architekt eine entsprechende Vollmacht vom Bauherrn erhalten hat. Ohne eine solche explizite Bevollmächtigung ist der Architekt nicht automatisch dazu berechtigt, Nachtragsaufträge zu erteilen oder den Bauherrn in vertraglichen Angelegenheiten zu vertreten.

Anscheinsvollmacht

In bestimmten Fällen kann eine sogenannte Anscheinsvollmacht relevant werden. Diese liegt vor, wenn der Architekt selbständig Vertragsverhandlungen führt und dadurch der Eindruck entsteht, er sei zur Vergabe von Nachtragsaufträgen bevollmächtigt. Wenn der Bauherr dieses Handeln des Architekten bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, kann ihm das Handeln des Architekten zugerechnet werden.

Beratung und Aufklärung

Der Architekt hat die Pflicht, den Bauherrn umfassend zu beraten und aufzuklären. Dies umfasst auch die Beratung bei der Vergabe von Nachtragsaufträgen. Der Architekt sollte den Bauherrn über die Notwendigkeit, die Kosten und die Auswirkungen von Nachtragsaufträgen informieren. Dabei ist es wichtig, dass der Architekt seine Rolle als Berater versteht und nicht eigenmächtig Entscheidungen trifft, die in den Verantwortungsbereich des Bauherrn fallen.

Haftung

Der Architekt kann für Fehler haften, die ihm im Rahmen der Erteilung von Nachtragsaufträgen unterlaufen, auch wenn er zu diesen Tätigkeiten nicht explizit verpflichtet war. Dies unterstreicht die Bedeutung einer klaren Kommunikation und Vereinbarung zwischen Bauherr und Architekt bezüglich der Befugnisse und Verantwortlichkeiten. Zusammenfassend ist die Rolle des Architekten bei der Erteilung von Nachtragsaufträgen vielschichtig und erfordert eine klare Absprache mit dem Bauherrn sowie eine sorgfältige Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • §§ 631, 632 BGB (Werkvertragsrecht): Diese Paragraphen regeln den Werkvertrag, unter dem die Ausführung der Bauarbeiten und die Vergütungspflicht des Auftraggebers fallen. Im Text geht es um die Zahlungsforderung für erbrachte Bauleistungen, was direkt unter diese Gesetzgebung fällt.
  • § 641 BGB (Fälligkeit der Vergütung): Dieser Paragraph behandelt die Fälligkeit des Werklohns nach Abnahme der Leistung. Im Fallbeispiel wird die Abnahme der Arbeiten und die daraus resultierende Fälligkeit der Zahlung thematisiert.
  • § 14 VOB/B (Prüf- und Abnahmeverfahren): Spezifiziert die Prüfbarkeit und Abnahme von Bauleistungen gemäß der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B. Im Kontext des Textes wird die Prüffähigkeit der Schlussrechnung nach VOB/B erwähnt.
  • Anscheinsvollmacht: Ein rechtliches Konstrukt, das besagt, dass eine Person durch ihr Verhalten den Anschein erweckt, eine andere Person hätte sie bevollmächtigt, in ihrem Namen zu handeln. Im Text geht es um die Erteilung von Nachtragsaufträgen durch einen Architekten, was die Frage nach der Anscheinsvollmacht aufwirft.
  • §§ 286, 288 BGB (Verzugszinsen): Diese Paragraphen regeln die Verzugszinsen, die bei verspäteten Zahlungen anfallen. Im Urteil wird die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen auf Basis dieser Vorschriften thematisiert.
  • § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph befasst sich mit dem Anspruch auf Schadensersatz aufgrund einer Pflichtverletzung, was im Text in Bezug auf vorgerichtliche Anwaltskosten zur Sprache kommt.
  • §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO (Zivilprozessordnung): Diese Regelungen betreffen prozessuale Nebenentscheidungen, wie die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils, die im abschließenden Teil des Textes erwähnt werden.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: 11 U 112/15 – Urteil vom 20.12.2017

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.06.2015 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 440/14 – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123.346,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2014 abzüglich am 10.11.2014 gezahlter 66.107,78 EUR zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.526,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2014 zu zahlen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns für die Ausführung von Tiefbauarbeiten an deren Bauobjekt O-Markt Bensberger Straße in P-I. Grundlage der Beauftragung war der schriftliche Bauvertrag vom 27.11./05.12.2013 (Anlage K 2 – Bl. 62-68 AH), der eine Abrechnung nach Aufmaß zu den Einheitspreisen des Angebots der Klägerin vom 04.11.2013 (Anlage K 1 – Bl. 1 ff. AH) in der Fassung der E-Mail vom 11.11.2013 (erwähnt im Eingang des Bauvertrages – Bl. 62 AH) vorsieht und – darauf fußend – eine Auftragssumme von „zurzeit 205.533,80 EUR“ angibt. Der Bauvertrag, der auf Seiten der Beklagten von dem Architekten W (nachfolgend Zeuge W) in deren Vertretung unterzeichnet worden war, sieht die Vergütung von Stundenlohnarbeiten nur in dem Falle vor, dass diese als solche vor ihrem Beginn ausdrücklich vereinbart worden sind (§ 4 Nr. 1 des Vertrages). Der Zeuge W war von der Beklagten mit der Objektsteuerung und Bauüberwachung beauftragt worden. Der Architektenvertrag enthält in § 11.5 folgende Regelung:

„Im Rahmen dieses Vertrages ist der AN (Architekt) berechtigt und verpflichtet, anderen an dem Projekt Beteiligten Weisungen zu erteilen. Finanzielle Verpflichtungen für den AG (Beklagte) darf er ohne dessen vorherige Zustimmung nicht eingehen.“

Die vereinbarten Arbeiten (Erdvorbereitungsarbeiten, Entwässerung, Herstellung von Schächten und Abscheidern, Pflasterung/Schwarzdecke, Stützelemente, Betonarbeiten, diverse Schlosserarbeiten wurden im vorgesehenen Zeitraum ausgeführt.

Die Abnahme (im Verhältnis der Beklagten als Bauherrin und Vermieterin zur Mieterin O-Markt) erfolgte am 02.04.2014 (Bl. 115 AH). Die in dem Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel wurden vereinbarungsgemäß bis zum 14.04.2014 beseitigt.

Über den Ursprungsauftrag hinaus wurde die Klägerin mit der Erbringung weiterer Leistungen aufgrund diverser Nachträge beauftragt; die Beauftragung bezüglich der Nachträge der Nummern 10, 11 und 13 ist strittig, ebenfalls streitig ist die Beauftragung der Klägerin mit der Anlieferung von Material zum Preise von 6.978,20 EUR für die Firma C.

Die Klägerin erstellte unter dem 25.05.2014 ihre Schlussrechnung (Anlage K 17 – Bl. 121 ff. AH). Darin beziffert sie unter Einrechnung von Nachträgen ihre Vergütungsforderung mit insgesamt 563.022,68 EUR brutto und errechnet nach Berücksichtigung von Zahlungen der Beklagten, die sie mit 402.771,00 EUR angibt, eine offene Restvergütung von 160.251,68 EUR. Der Zeuge W nahm am 31.07.2014 eine Prüfung der Schlussrechnung vor. In dieser gelangte der Zeuge zu einer Bruttovergütung von 547.622,74 EUR und nach Berücksichtigung von Kosten für Versicherung und Baunebenkosten von 3.285,74 EUR zu einem festgestellten Rechnungsbetrag von 544.337,00 EUR (Anlage K 18 – GA 257). Nach Abzug eines Gewährleistungseinbehalts von 27.216,85 EUR, von Mehrkosten Gerüstabbau von 595,00 EUR, von freigegebenen Zahlungen von 468.128,66 EUR und von genutzten Skontobeträgen von 14.478,22 EUR gelangte der Zeuge zu einem Freigabebetrag von 33.918,27 EUR.

Nach Erhalt des Ergebnisses der Rechnungsprüfung des Architekten W wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 05.08.2014 (Anlage K 19 – Bl. 195/196 AH) an den Zeugen W und teilte diesem mit, dass sie die vorgenommenen Kürzungen der Bruttovergütung auf einen Betrag von 547.622,74 EUR akzeptiere. Dem Schreiben beigefügt war eine Aufstellung (Anlage K 19 a – Bl. 197 AH), aus der sich folgende Schlussvergütungsberechnung ergibt:

geprüfter Schlussrechnungsbetrag brutto: 547.622,74 EUR

Nachforderung Blockstufen: + 590,95 EUR

Nachforderung Rohre: + 1.190,00 EUR

Zwischensumme: 549.403,70 EUR

Versicherung (anteilig) 0,3 %: – 1.642,87 EUR

Baunebenkosten (ant.) 0,3 %: – 1.642,87 EUR

Zwischensumme: 546.117,96 EUR

Freigegebene Zahlungen der Beklagten: – 394.467,26 EUR

Genutztes Skonto: – 8.303,74 EUR

Offener Restvergütungsbetrag: 143.346,96 EUR

Den sich nach weiterem Abzug einer am 22.08.2014 geleisteten Zahlung der Beklagten von 20.000,00 EUR ergebenden Betrag von 123.346,96 EUR hat die Klägerin mit Klageschrift vom 24.10.2014, bei Gericht eingegangen am 11.11.2014, geltend gemacht.

Im Hinblick auf eine am 10.11.2014 erfolgte weitere Zahlung der Beklagten in Höhe von 66.107,78 EUR hat die Klägerin die Klage in Höhe dieses Zahlungsbetrages mit Schriftsatz vom 12.11.2014 (GA 11) zurückgenommen.

Das Landgericht hat die auf Zahlung des noch offenen Betrages von (123.346,96 EUR – 66.107,78 EUR =) 57.239,18 EUR gerichtete Vergütungsklage durch das angefochtene Urteil abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin habe den Klageanspruch nicht schlüssig dargelegt. Da sie eine gekürzte Schlussrechnung zugrunde lege, müsse sie die noch beanspruchten Positionen darlegen. Nach erfolgter Teilklagerücknahme auf einen Betrag von 57.239,18 EUR sei unklar, welche Positionen der Schlussrechnung Gegenstand des Rechtsstreits seien. Jedenfalls stehe der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung von Stundenlohnarbeiten im Umfang von O 57.335,50 EUR (= brutto 68.526,45 EUR) zu, weil der Bauvertrag eine Abrechnung nach Einheitspreisen vorsehe und Stundenlohnarbeiten nur nach vorheriger Vereinbarung zu vergüten seien.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der eingeklagten Vergütung von restlichen 57.239,18 EUR weiter.

Sie macht geltend, das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung gefällt. Erforderliche Hinweise seien nicht erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung habe es eine Zurechenbarkeit der Erklärungen des Architekten W angedeutet, auf eine Unschlüssigkeit der nach Zahlung von 66.107,78 EUR verbliebenen Restklageforderung jedoch nicht hingewiesen. Die von dem Architekten vorgenommenen Rechnungskürzungen seien der geprüften Schlussrechnung (Anlage K 18) zu entnehmen. Deren Ergebnisse seien von ihr – der Klägerin – akzeptiert worden. Auf Anmahnung der sich danach ergebenden Restforderung habe die Beklagte, der das Prüfungsergebnis vom Architekten mitgeteilt worden sei, lediglich darauf hingewiesen, dass erhebliche Mehraufwendungen für die Herstellung des Gebäudes zu einer notwendigen Nachfinanzierung geführt hätten und die Klägerin um Geduld gebeten werde, wobei sie sich eine Prüfung der Handwerkerrechnungen vorbehalte. Die angesetzten Stunden seien angefallen und deren Erbringung vom Architekten bestätigt worden.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 123.346,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2014 abzüglich am 10.11.2014 gezahlter 66.107,78 EUR sowie weitere 2.526,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zu verwerfen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Berufungserwiderung und macht vertiefend geltend, die Schlussrechnungsprüfung durch den Architekten habe zu einer Restforderung in Höhe von 33.918,27 EUR geführt. Eine Schlussrechnungsprüfung durch den Architekten sei kein Schuldanerkenntnis des Bauherrn. Mit Einwendungen gegen die Schlussrechnung sei sie daher nicht ausgeschlossen. Weiterhin sei nicht dargetan, dass die berechneten Stundenlohnarbeiten ausdrücklich vor deren Beginn beauftragt worden seien. Eine Vereinbarung über die Abrechnung bestimmter Leistungen auf Stundenlohnbasis sei ihr nicht bekannt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2017 verwiesen. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.

B.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten für die Ausführung der Außenanlagearbeiten gemäß Schlussrechnung vom 25.05.2014 die Zahlung von Restwerklohn (§§ 631, 632 BGB; 2 VOB/B) in Höhe von 57.239,18 EUR verlangen.

1.

Die Werkleistungen der Klägerin sind nach den Feststellungen des Landgerichts unstreitig am 02.04.2014 abgenommen worden. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ist damit gegeben (§ 641 BGB).

2.

Ebenfalls gegeben ist die Prüffähigkeit der Schlussrechnung vom 25.05.2014 nach § 14 VOB/B. Diese ist unstreitig einer Prüfung durch den Architekten der Beklagten unterzogen worden (Anlage K 18 – GA 257 ff.), deren Ergebnis Grundlage der Erhebung der vorliegenden Klage ist. Die Klägerin hat die dort vorgenommenen Kürzungen akzeptiert und zum Gegenstand der Klage gemacht (GA 6), allerdings zuzüglich zweier Nachforderungen für Blockstufen und Rohre.

3. Höhe des Restvergütungsanspruchs:

Die Höhe des eingeklagten Restvergütungsanspruchs beläuft sich auf die noch anhängige Klageforderung.

a)

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass die Klägerin den Umfang der Klageforderung schon nicht dargelegt habe, beruht diese Feststellung darauf, dass es der Klägerin keine sachgerechten Hinweise auf die Notwendigkeit der Vorlage der Schlussrechnungs-Einzelprüfung erteilt hat. Die Klägerin hatte in erster Instanz auf die Anlage K 18 Bezug genommen, die aber nur das Ergebnisblatt der Schlussrechnungsprüfung darstellt (Bl. 194 AH). Die eigentliche, geprüfte Schlussrechnung war in erster Instanz nicht vorgelegt worden, obwohl eine solche existieren musste, wie die Rechtsverteidigung der Beklagten nahelegte. Wäre der Klägerin ein Hinweis zur Vorlage der geprüften Schlussrechnung erteilt worden, hätte sie diese geprüfte Rechnung auch schon in erster Instanz vorgelegt.

Tatsächlich hat die Klägerin diese geprüfte Rechnung mit der Berufungsbegründung vorgelegt (GA 258 ff.), und zwar hinter der erneut vorgelegten Anlage K 18 (GA 257).

aa)

Die Prüfung der Schlussrechnung durch den Zeugen W hat zunächst folgende Vergütungsforderung der Klägerin ergeben (Anlage K 18 – GA 257):

Geprüfter berechtigter Rechnungsbetrag O: 460.187,18 EUR

Zuzüglich 19 % MWST: 87.435,56 EUR

Rechnungsbetrag brutto: 547.622,74 EUR

Abzüglich 0,3 % Bauwesenversicherung: – 1.642,87 EUR

Abzüglich 0,3 % Baunebenkosten: – 1.642,87 EUR

Vergütung brutto: 544.337,00 EUR

Von dieser Vergütungshöhe ist vorliegend auszugehen.

(1)

Der Hauptauftrag ist unstreitig wirksam erteilt worden.

Der Zeuge W hat den Bauvertrag mit der Klägerin allein ausgehandelt und für die Beklagte als Bauherrin abgeschlossen. Dass er hierzu nicht ermächtigt gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Die Beklagte hatte den Architekten mit der Planung und Bauüberwachung ihres Bauvorhabens O Markt in P beauftragt. Es kann und muss also davon ausgegangen werden, dass der Zeuge W für den Abschluss des Bauvertrages Vertretungsmacht besaß. § 11.5 des Architektenvertrages (GA 118) steht dieser Bewertung nicht entgegen. Zwar darf danach der Architekt „finanzielle Verpflichtungen für den Auftraggeber nicht ohne dessen vorherige Zustimmung eingehen“; eine solche Zustimmung ist aber für den Abschluss des Bauvertrages anzunehmen. Die Beklagte wusste von dem Vertragsschluss und leistete auch Akontozahlungen in erheblicher Höhe.

Selbst wenn dem nicht gefolgt würde, wäre die Beklagte nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht von dem Zeugen W bei Abschluss des Bauvertrags wirksam vertreten worden. Von einer Anscheinsvollmacht ist unter anderem dann auszugehen, wenn der Bauherr – wie das hier der Fall ist – dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Bauunternehmer überlässt (BGH BauR 1983, 165, 166, hier zitiert nach juris Tz. 13) oder den Bauvertrag abschließt (BGH, a.a.O.; KG BauR 2008, 97 ff., hier zitiert nach juris Tz. 30; OLG Jena BauR 2008, 1899 ff., hier zitiert nach juris Tz. 39; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil, Rn. 33) und in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 1357 m.w.N.).

(2)

Auch die Aufträge, die den der geprüften Schlussrechnung zu entnehmenden Massenmehrungen zugrundeliegen, und die den dort weiter aufgeführten Nachträgen 2-13 zugrundeliegenden Nachtragsaufträge sind der Klägerin durch den Zeugen W namens der Beklagten wirksam erteilt worden.

(a)

Die Beauftragung der Klägerin mit der Erbringung von Leistungen, die über das Leistungssoll des schriftlichen Bauvertrages hinausgehen, ist teils unstreitig und steht – soweit streitig – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Der Nachtrag N 1 wurde nicht ausgeführt und von der Klägerin auch nicht berechnet.

Die Leistungen des Nachtrags 5 (N 5) sind nicht zu den Konditionen des Nachtrags beauftragt worden; vielmehr wurde zwischen der Klägerin und dem Zeugen W, wie dieser in seiner Vernehmung vor dem Senat bestätigt hat, vereinbart, dass die notwendigen Arbeiten im Stundenlohn abgerechnet werden sollten. Beide Nachträge sind deshalb in der Schlussrechnung nicht enthalten.

(aa)

Folgende Nachträge sind von dem Zeugen W nachweislich schriftlich beauftragt worden:

Nachtrag Nr. 2 (Pos. 11.10, 11.30 und 11.40 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: Lieferung und Verlegung von PVC-Kanalrohren nebst Bogen und Abzweig und 1 Absetzschacht; der schriftliche Auftrag datiert vom 13.12.2013 – GA 54)

Die Beklagte räumt ein, den Nachtragsauftrag genehmigt zu haben.

Nachtrag Nr. 3 (Pos. 11.70,11.80, 11.90, 11.100, 11.110, 11.120, 11.130, 11.140, 11.150, 11.160, 11.170, 11.180, 11.190, 11.200, 11.210, 11.220, 11.230, 11.240, 11.250, 11.260, 11.270, 11.280, 11.290, 11.300 und 11.310 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: Verlegung von Betonwinkelsteinen einschließlich Zulage für abgetrepptes Versetzen; der schriftliche Auftrag datiert vom 13.12.2013 – GA 54)

Die Beklagte räumt auch insoweit ein, den Nachtragsauftrag genehmigt zu haben.

Nachtrag Nr. 4 (Pos. 11.320, 11. 324, 11.325, 11.329 und 11.330 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: Dränagegraben herstellen und Einbau von Schotter 16/32; der schriftliche Auftrag datiert vom 10.03.2014 – GA 64)

Auch diesem Nachtragsauftrag hat die Beklagte zugestimmt.

Nachtrag Nr. 6 (Pos. 11.350 und 11.360 der Schlussrechnung sowie sowie des Nachtragsangebots: Tragschicht WDA 0/22 liefern und einbauen und Betonverbundpflaster 20720/8 verlegen; der schriftliche Auftrag datiert vom 10.03.2014 – GA 64)

Nachtrag Nr. 7 (Pos. 11.370, 11.380, 11.390, 11.400, 11.410, 11.420 und 11.430 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: Filtervlies einbauen, Erdplanum neu herstellen und Lieferung von RCL-Material; der schriftliche Auftrag datiert vom 10.03.2014 – GA 64)

Nachtrag Nr. 8 (Pos. 11.420 und 11.430 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: PVC-Systemschächte liefern und versetzen und Abtreppung in vorhandener Böschung; der schriftliche Auftrag datiert vom 10.03.2014 – GA 64)

Nachtrag Nr. 9 (Pos. 18.10 der Schlussrechnung sowie des Nachtragsangebots: Herstellung des Stromanschlusses des Energieversorgers; der schriftliche Auftrag datiert vom 31.03.2014 – GA 81)

Auch bezüglich der Nachtragsaufträge 6 bis 9 räumt die Beklagte deren Genehmigung ein.

Nachtrag Nr. 12 (Pos. 22.10 und 22.20 der Schlussrechnung und des Nachtragsangebots: Nassansaat herstellen einschließlich der Baustelleneinrichtung; der schriftliche Auftrag datiert vom 14.04.2014 – GA 93).

Dieser Nachtragsauftrag wurde ebenfalls von der Beklagten genehmigt, wie sie im Schriftsatz vom 26.03.2015 ausgeführt hat.

(bb)

Bezüglich der Nachträge 10, 11 und 13 wendet die Beklagte ein, diese seien ihr nicht bekannt.

Dazu hat die Klägerin im Schriftsatz vom 26.05.2015 (dort Seiten 13 ff. – GA 151 ff.) näher vorgetragen.

Danach hatte die Klägerin dem Zeugen W zunächst das Nachtragsangebot Nr. 10 vom 19.03.2014 (Anlage K 28 – GA 82, 83) über die Erstellung je einer einzeiligen und einer zweizeiligen Rinne sowie der Aufnahme und Entsorgung einer Bitumenbefestigung übersandt, welches von dem Zeugen W einige Tage später mündlich gegenüber dem Mitarbeiter M der Klägerin angenommen worden sein soll.

Der Zeuge W hat die Beauftragung durch seine Rechnungsprüfung (Pos. 19.10, 19.20 und 19.30 der Schlussrechnung) und seine diesbezüglichen Angaben im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat bestätigt (GA 311 R).

Des Weiteren hatte die Klägerin dem Zeugen W das Nachtragsangebot Nr. 11 vom 01.04.2014 (Anlage K 29 – GA 84-86) über das Abfräsen einer bituminösen Decke zum Anschluss, Herstellen von 3 Kernbohrungen, Einbau eines Kabelschachtes, Lieferung von Rinnenplatten und Tiefbordsteinen sowie Lieferung von Mutterboden und Casado-Finerro-Eingangsplatten übermittelt. Auch dieser Nachtrag soll wenige Tage später von dem Zeugen W gegenüber dem Mitarbeiter M der Klägerin angenommen worden sein.

Der Zeuge W hat dies durch seine Rechnungsprüfung (Pos. 20.10, 20.20, 20.30, 20.40, 20.50, 20.80 und 20.100 der Schlussrechnung) und die Angaben im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat, in der er die Arbeiten als die Anbindung des Baugeländes an die öffentliche Straße betreffend bezeichnet hat, bestätigt.

Darüber hinaus hatte die Klägerin dem Zeugen W unter dem 05.05.2014 das Nachtragsangebot Nr. 13 (Anlage K 35) über die Ausführung der in dessen Pos. 23.10 bis 23.230 aufgeführten Leistungen übermittelt (GA 97-101). Dieses Nachtragsangebot soll ebenfalls wenige Tage nach Erhalt von dem Zeugen W gegenüber dem Mitarbeiter M der Klägerin angenommen worden sein.

Der Zeuge W hat diese Beauftragung durch seine Rechnungsprüfung (zu den Pos. 23.10 bis 23.230 der Schlussrechnung) und durch seine Angaben im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat bestätigt. Dort hat er ausgeführt, dass die angebotenen und ausgeführten Nachtragsleistungen aufgrund von Planungsvorgaben des Tiefbauplaners und dessen Anweisungen erforderlich geworden seien („dem Grunde nach in Ordnung geht“). Bezüglich der Vergütung einzelner Punkte der Schlussrechnung – und zwar der pos. 23.80 bis 23.140 – habe er sich mit der Klägerin auf eine Pauschalvergütung verständigt, die der Zeuge in der geprüften Schlussrechnung vermerkt hat.

Soweit es das Nachtragsangebot Nr. 5 vom 29.01.2014 (Anlage K 7 – Bl. 88 ff. AH) anbetrifft, sah dieses für die darin beschriebene Hauptleistung „verschlammte Oberfläche abschieben und seitlich einbauen“ keinen Einheitspreis, sondern eine Vergütung „auf Nachweis“ vor. Die in diesem Angebot enthaltenen Leistungen über das Abtragen von Schlamm von der gesamten Parkplatzfläche wurden indes nicht als Nachtragsleistungen beauftragt. Die Parteien kamen – wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.02.2015 (dort Seite 3 – GA 36) vorgetragen hat – überein, dass diese Leistungen im Stundennachweis erbracht werden sollten. Der Zeuge W hat die Ausführung der angebotenen Leistungen bestätigt und im Einzelnen dargestellt, dass es darum gegangen sei, Verschlammungen abzutragen, welche durch unkontrollierten Wasserablauf auf neu mit Erdreich verfüllten angrenzenden Hangbereichen in die Parkbereiche des Baugrundstücks eingedrungen seien.

Zwar hat der im Verhandlungstermin vor dem Senat erschienene Ehemann der Beklagten die Ausführungen des Zeugen bestritten und erklärt, dass die Leistung nicht erbracht worden und ihm die Problematik nicht bekannt sei. Dieses Bestreiten steht jedoch in Widerspruch zu den von der Klägerin vorgelegten Aktennotizen des Zeugen W vom 02.12.2013 (GA 319/320), 13.12.2013 (GA 321/322) und 08.01.2014 (GA 323/324). Diesen Aktennotizen ist zu entnehmen, dass die Problematik des Austretens von Wasser aus Böschungsbereichen im Dezember 2013 bekannt und Gegenstand weiterer Besprechungen vom 13.12.2013 und 08.01.2014 gewesen war und einer Lösung zugeführt werden musste durch Vornahme von Entwässerungsmaßnahmen. Den vorgelegten Aktennotizen ist zu entnehmen, dass der Ehemann der Beklagten bei den entsprechenden Baubesprechungen vom 02.12.2013, 13.12.2013 und 08.01.2014 zugegen war und daran teilgenommen hatte.

(cc)

Auch ist eine Beauftragung der Klägerin mit der Lieferung von Material für die Ausführung der Leistungen der Firma C als erwiesen anzusehen.

Dass die Klägerin mit der Lieferung der in den Pos. 21.10 bis 21.40 der Schlussrechnung (dort Seite 13 – GA 270) in Verbindung mit der Aufstellung zur Anlage K 36 (GA 104-107) aufgeführten Materialien beauftragt worden ist, folgt aus den Bekundungen des Zeugen W, der im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat bestätigt hat, dass die einzelnen Positionen der Schlussrechnung der Klägerin sehr sorgfältig geprüft worden seien und die nach Prüfung anerkannten Positionen der als berechtigt anzusehende Vergütung des Auftragnehmers entsprächen.

(dd)

Schließlich ist davon auszugehen, dass der Zeuge W gegenüber dem Ursprungsangebot der Klägerin und gegenüber einzelnen Nachtragsangeboten eingetretenen Massenmehrungen für die Beklagte beauftragt hat.

Spätestens durch Übermittlung der die abgerechneten Leistungen Position für Position bestätigenden bzw. korrigierenden geprüften Schlussrechnung vom 25.05.2014 mit Prüfungsschreiben vom 31.07.2014 (Anlage K 18 – GA 257) hat der Architekt W gegenüber der Klägerin – nach deren objektivem Empfängerhorizont hinreichend – zum Ausdruck gebracht, dass die abgerechneten Leistungen in dem durch Prüfung festgestellten Umfang – auch, soweit sie über die Massenansätze im Leistungsverzeichnis hinausgehen – mit seinem Willen und im anerkannten Umfang ausgeführt worden sind. Aus der Rechnungsprüfung ergibt sich auch, dass die Nachtragsleistungen als Zusatzleistungen über das ursprüngliche Vertragssoll hinaus ausgeführt worden sind.

Die Ergebnisse der Schlussrechnungsprüfung sind auch – aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin – dahin zu verstehen, dass der Architekt die Höhe der in den dort aufgeführten Nachträgen berechneten und von ihm akzeptierten Preise (Vergütungen) bestätigt hat.

Das gilt insbesondere für den in Pos. 10 der Schlussrechnung festgehaltenen Stundenaufwand. Dieser Stundenaufwand wurde von dem Zeugen W ganz überwiegend unterschriftlich bestätigt. Soweit dies nicht der Fall war, hat der Zeuge W – wie er vor dem Senat weiter bekundet hat – nach eingehender Prüfung der angemeldeten Stunden die von ihm als angemessen angesehenen Stunden bestätigt oder aus Stundenlohnarbeiten nach den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen Einheitspreise errechnet, die von der Klägerin akzeptiert worden sind.

Aber auch alle weiteren Rechnungspositionen sind von dem im Bereich der Tiefbauarbeiten erfahrenen Zeugen W, wie dieser nachvollziehbar und glaubhaft bekundet hat, eingehend geprüft und in dem von ihm bestätigten Umfang für zutreffend und berechtigt gehalten worden. In diesem Umfang der Rechnungsprüfung und Feststellung der geprüften Massen ist eine Bestätigung des Umfangs des namens der Beklagten erteilten und weiter fortgeschriebenen Bauauftrags zu sehen.

(b)

Soweit es die Nachtragsaufträge anbetrifft, ergibt sich die Vertretungsmacht des Zeugen W – jedenfalls – nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht.

Auch wenn eine ausdrückliche Vollmacht zur Erteilung von Nachtragsaufträgen fehlt, kann ein vertrauensbegründender Rechtsschein bevollmächtigten Handelns bestehen, welcher dem Geschäftsherrn zuzurechnen ist. Der Vertretene, der ein Auftreten eines anderen als sein rechtsgeschäftlicher Vertreter kennt und zulässt (Duldungsvollmacht) oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte kennen müssen (Anscheinsvollmacht), muss sich so behandeln lassen, als wäre der Handelnde bevollmächtigt gewesen, sofern der andere Teil nach Treu und Glauben auf die Vollmacht vertrauen durfte (BGH NJW-RR 1996, 371).

Vergibt ein Architekt mit Vollmacht des Bauherrn den Hauptauftrag an einen Unternehmer, kann dadurch der Anschein einer Vollmacht auch für Zusatzaufträge erweckt werden (KG und OLG Jena, jeweils a.a.O.; Werner/Pastor, a.a.O.). Wird – wie vorliegend – ein Architekt bei Abschluss eines Bau-Hauptauftrages in Vollmacht des Bauherrn selbständig tätig, ergibt sich daraus – mangels erkennbar entgegenstehender Umstände – eine Anscheinsvollmacht des Architekten für die Erteilung von Nachtragsaufträgen (KG BauR 2008, 97 ff, hier zitiert nach juris).

Der Zeuge W hatte die Verhandlungen über die Nachtragsbeauftragungen allein für die Beklagte als Bauherrin geführt und die Aufträge teilweise schriftlich und im Übrigen mündlich erteilt. Dass bei dieser Nachtragsbeauftragung auf eine Beschränkung der ihm erteilten Vollmacht(en) gegenüber der Klägerin hingewiesen worden, insbesondere eine Offenlegung von § 11.5 des Architektenvertrages erfolgt wäre, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten behauptet.

(c)

Die Höhe der Vergütungsforderung steht nach der Schlussrechnungsprüfung des Architekten, die von der Klägerin akzeptiert wird, fest.

Der Architekt W hat die ausgeführten Leistungen der Klägerin sämtlich geprüft und in dem von ihm festgestellten Umfang für zutreffend befunden.

Zwar ist die Beklagte als Bauherrin nicht gehindert, die Ausführung der Leistung zu bestreiten (BGH NZBau 2004, 31 = BauR 2003, 1892; KG, a.a.O., Tz. 41). Dies muss jedoch substantiiert und konkret für jede Leistungsposition erfolgen. Das ist hier nicht der Fall. Das Bestreiten von Massen ist nur pauschal. Was die Stundenleistungen anbetrifft, setzt die Klägerin der vom Architekten – auch bezüglich der Stundenaufwendungen zu den im Nachtrag Nr. 5 angebotenen Leistungen – anerkannten Abrechnung nichts Konkretes entgegen. Auch das pauschale Bestreiten der Erforderlichkeit der Arbeitsstunden ist nicht erheblich.

Damit ist von dem von dem Zeugen W geprüften und als berechtigt bezeichneten Vergütungsbetrag von O 460.187,18 EUR auszugehen. Hinzu kommt die gesetzliche Mehrwertsteuer von 19 % (= 87.435,56 EUR), so dass sich der von dem Zeugen W als berechtigt bezeichnete geprüfte Schlussrechnungsbetrag von brutto 547.622,74 EUR ergibt.

Zu diesem von dem Zeugen W bei der Rechnungsprüfung (GA 257) festgestellten Betrag von brutto 547.622,74 EUR sind hinzuzufügen die nachfolgenden beiden Positionen:

– Nachforderung Blockstufen: 560,95 EUR

– Nachforderung Rohre: 1.190,00 EUR

Hierbei handelt es nach dem Vorbringen der Klägerin um Nachforderungen zu den aus der Schlussrechnung gekürzten Pos. 23.130 und 23.140. Diese Positionen sind von der Klägerin in dem an den Zeugen W gerichteten Schreiben vom 05.08.2014 (Anlage K 129 – Bl. 195 AH) näher erläutert und von der Beklagten nicht mehr konkret nicht bestritten worden.

Nach Addition ergibt sich ein Gesamtbetrag von 549.403,70 EUR, wie aus der Aufstellung der Klägerin vom 05.08.2014 (Anlage K 19a – Bl. 197 AH) zu ersehen.

Hiervon abzuziehen sind jeweils 0,3 % Abzüge für Versicherung und Baunebenkosten – also jeweils 1.642,87 EUR. Es verbleiben sodann 546.117,96 EUR.

Nicht abzuziehen ist der Gewährleistungseinbehalt von 27.216,85 EUR, weil die Klägerin unwidersprochen eine Gewährleistungsbürgschaft in jedenfalls dieser Höhe gestellt hat (GA 7 in Verbindung mit der Bürgschaft der S AG vom 21.08.2014 – Anlage K 21 – Bl. 200 AH).

Soweit der Zeuge W im Rahmen seiner Aufstellung zur Rechnungsprüfung (GA 257) noch „Mehrkosten Gerüstabbau“ von 595,00 EUR erfasst und von der Vergütungsforderung abgezogen, ist dem nicht zu folgen, weil von der Beklagten die Notwendigkeit und Berechtigung dieses Abzugspostens nicht dargelegt ist, so dass für einen Abzug die Grundlage fehlt. Die Ausführungen der Klägerin in ihrem vorgenannten Schreiben vom 05.08.2014 (Bl. 195 AH) sind nicht von der Beklagten widerlegt worden.

Weiter abzuziehen ist dagegen das „genutzte Skonto“, welches nach dem Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift (GA 6) und in ihrem Schreiben vom 05.08.2014 (Bl. 196 AH) – bemessen nach geleisteten Zahlungen von 394.467,26 EUR – nur 8.303,74 EUR beträgt; die Berechtigung eines weitergehenden Skontoabzuges ist seitens der Beklagten nicht dargetan.

Abzuziehen sind ferner die geleisteten Zahlungen der Beklagten. Diese Zahlungen belaufen sich in der Summe auf 394.467,26 EUR, nicht auf 468.128,68 EUR, wie es in der Aufstellung zur Rechnungsprüfung (GA 257) heißt. Die Akontorechnung Nr. 8 vom 21.05.2014 über 73.661,42 EUR wurde nämlich, worauf die Klägerin in ihrem Schreiben vom 05.08.2014 hingewiesen hat, nicht bezahlt.

Zieht man sonach von den vorstehend errechneten 546.117,96 EUR die geleisteten Zahlungen und die berechtigten Skontobeträge ab, so verbleibt ein Zwischenbetrag in Höhe von 143.346,96 EUR:

546.117,96 EUR

Abzüglich Skonto: – 8.303,74 EUR.

Abzüglich Zahlungen (ohne Skonto): – 394.467,26 EUR.

Verbleiben: 143.346,96 EUR.

Hiervon ist noch abzuziehen die am 22.08.2014 geleistete Zahlung der Beklagten in Höhe von 20.000,00 EUR, so dass 123.346,96 EUR verbleiben.

Von diesem – eingeklagten – Betrag ist noch abzuziehen die Zahlung vom 10.11.2014 in Höhe von 66.107,78 EUR, so dass noch ein Betrag in Höhe der noch offenen Klageforderung in Höhe von 57.239,18 EUR verbleibt.

5.

Die zuerkannte Zinsforderung ist gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.

6.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ist nach § 280 Abs. 1 BGB begründet.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 57.239,18 EUR

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