Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit auf der Baustelle: Wer zahlt, wenn der Auftraggeber kündigt?
- Vom Vertragspartnerwechsel zur Kündigung – Wie der Fall vor Gericht landete
- Rücktritt oder Kündigung? Eine entscheidende Weichenstellung
- Das Recht auf Sicherheit: Warum der Bauunternehmer die Arbeit einstellen durfte
- Die „freie Kündigung“: Wenn der Auftraggeber zahlen muss, obwohl nicht gearbeitet wurde
- Die Abrechnung: Wie das Gericht den Anspruch des Bauunternehmers berechnete
- Das Endergebnis: Wer am Ende wie viel zahlen muss
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist der Unterschied zwischen einem Rücktritt und einer freien Kündigung bei einem Bauvertrag und welche Rolle spielt das für meine Situation?
- Welche Kosten entstehen mir, wenn ich einen Bauvertrag frei kündige, obwohl der Bauunternehmer noch nicht fertig ist?
- Wie werden die Zahlungsansprüche des Bauunternehmers berechnet, wenn ich den Vertrag vorzeitig beende?
- Was genau ist eine Bauhandwerkersicherung und wann kann mein Bauunternehmer diese von mir verlangen?
- Was kann ich tun, wenn mein Bauunternehmer die Arbeit auf der Baustelle einstellt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 U 156/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 11.09.2024
- Aktenzeichen: 12 U 156/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Baurecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Partei, die die Rechte aus einem Bauvertrag von der ursprünglichen Auftraggeberin (Firma R GmbH) übernommen und den Vertrag mit dem Bauunternehmen beendet hatte. Sie forderte die Rückzahlung einer Anzahlung.
- Beklagte: Das Bauunternehmen, das den Bauvertrag ursprünglich mit der Firma R GmbH geschlossen hatte. Es beanspruchte nach der Vertragsbeendigung eine Vergütung für die erbrachten Leistungen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Bauunternehmer (Beklagter) hatte einen Vertrag mit der Firma R GmbH geschlossen, wofür eine Anzahlung geleistet wurde. Nachdem die Firma R GmbH in Zahlungsschwierigkeiten geriet, übernahm die Klägerin die Vertragsrechte und kündigte den Vertrag mit dem Bauunternehmer. Die Klägerin forderte daraufhin die Rückzahlung der Restanzahlung, während der Bauunternehmer eine Vergütung verlangte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war die rechtliche Einordnung der Vertragsbeendigung durch die Klägerin und die daraus resultierenden finanziellen Ansprüche des Bauunternehmers. Es ging insbesondere um die Anrechnung von ersparten Aufwendungen und nicht erzielten Gewinnen auf den Vergütungsanspruch des Bauunternehmers bei einer freien Kündigung des Bauvertrags.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht änderte das Urteil der Vorinstanz teilweise ab. Der Bauunternehmer (Beklagter) wurde verurteilt, an die Klägerin 1.843,47 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehenden Klageforderungen der Klägerin wurden abgewiesen.
- Begründung: Die Vertragsbeendigung durch die Klägerin wurde als „freie Kündigung“ nach § 648 BGB eingestuft, da keine Pflichtverletzung des Bauunternehmers vorlag, die eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt hätte. Der Bauunternehmer hatte seine Leistung nicht endgültig verweigert, sondern lediglich eine Sicherheitsleistung gefordert, was sein gutes Recht war. Der Bauunternehmer konnte seinen Vergütungsanspruch (nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen wie Material- und Lohnkosten) der Rückzahlungsforderung der Klägerin entgegenhalten. Nach dieser Aufrechnung verblieb ein Betrag von 1.843,47 €, den der Bauunternehmer an die Klägerin zurückzahlen musste.
- Folgen: Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 89% der Klägerin und zu 11% dem Bauunternehmer auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wurde der Klägerin mangels Verzugs des Bauunternehmers nicht zugesprochen.
Der Fall vor Gericht
Streit auf der Baustelle: Wer zahlt, wenn der Auftraggeber kündigt?
Jeder, der schon einmal gebaut oder eine größere Renovierung in Auftrag gegeben hat, kennt die Sorgen: Hält sich der Handwerker an den Zeitplan? Werden die Kosten eingehalten? Ein besonders heikles Thema entsteht, wenn das Vertrauen schwindet und man einen Vertrag am liebsten beenden möchte. Doch was passiert dann mit bereits geleisteten Anzahlungen? Ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein beleuchtet genau so einen Fall und zeigt, dass die vorschnelle Kündigung eines Bauvertrages für den Auftraggeber teuer werden kann, selbst wenn der Handwerker die Arbeit niedergelegt hat.

Die Entscheidung des Gerichts dreht sich um eine zentrale Frage: Unter welchen Umständen darf ein Bauunternehmer seine Arbeit einstellen, und welche finanziellen Folgen hat es, wenn der Auftraggeber daraufhin den Vertrag beendet? Um das zu verstehen, müssen wir uns den Fall Schritt für Schritt ansehen.
Vom Vertragspartnerwechsel zur Kündigung – Wie der Fall vor Gericht landete
Am Anfang stand ein gewöhnlicher Bauvertrag. Ein Bauunternehmer wurde von einer Bauträgergesellschaft, nennen wir sie die „ursprüngliche Bauträgerin“, mit Arbeiten beauftragt. Wie oft üblich, leistete die Bauträgerin eine erhebliche Anzahlung von über 21.000 Euro, also die Hälfte der gesamten Auftragssumme. Doch dann geriet die ursprüngliche Bauträgerin in finanzielle Schwierigkeiten. Zahlungen an andere Handwerker auf der Baustelle erfolgten verspätet oder blieben ganz aus.
An dieser Stelle trat eine neue Partei auf den Plan, die Klägerin in diesem Fall, die wir als „die neue Bauherrin“ bezeichnen können. Sie wollte das Bauvorhaben zu Ende führen und ließ sich von der klammen Bauträgerin alle Rechte aus dem Vertrag mit dem Bauunternehmer übertragen. Diesen Vorgang nennt man Abtretung (Übertragung einer Forderung oder eines Rechts auf eine andere Person). Es ist vergleichbar damit, wenn man ein bereits bezahltes Konzertticket an einen Freund weitergibt – der Freund hat dann das Recht, das Konzert zu besuchen. Die neue Bauherrin hatte nun also das Recht, die Erfüllung des Bauvertrags zu fordern, aber auch die Pflicht, diesen zu bezahlen.
Angesichts der finanziellen Probleme der ursprünglichen Bauträgerin wurde der Bauunternehmer misstrauisch. Er befürchtete, am Ende auf seinen Kosten sitzenzubleiben. Daher forderte er eine finanzielle Absicherung, bevor er weiterarbeiten würde. Als sich nichts tat und die Situation unklar blieb, erklärte die neue Bauherrin schließlich schriftlich die Beendigung des Vertrags mit den Worten: „…kündige ich diesen Vertrag“. Sie forderte anschließend den Großteil der geleisteten Anzahlung zurück, da der Bauunternehmer ja kaum Leistungen erbracht hatte. Der Bauunternehmer weigerte sich jedoch zu zahlen, und so landete der Streit vor Gericht.
Rücktritt oder Kündigung? Eine entscheidende Weichenstellung
Vor Gericht musste nun eine entscheidende Frage geklärt werden: War die Erklärung der neuen Bauherrin ein Rücktritt vom Vertrag oder eine sogenannte freie Kündigung? Das klingt nach juristischer Haarspalterei, hat aber gewaltige finanzielle Unterschiede zur Folge.
Ein Rücktritt ist wie ein Reset-Knopf. Man kann ihn drücken, wenn der Vertragspartner eine schwerwiegende Pflichtverletzung begeht, zum Beispiel, wenn er trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung einfach nicht mit der Arbeit beginnt. Bei einem wirksamen Rücktritt wird der Vertrag rückabgewickelt, als hätte es ihn nie gegeben. Die neue Bauherrin hätte dann ihre Anzahlung fast vollständig zurückbekommen.
Eine freie Kündigung nach § 648 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist etwas völlig anderes. Sie ist das Recht des Auftraggebers, einen Bauvertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu beenden. Man kann es mit der Stornierung einer Reise vergleichen, nur weil man seine Meinung geändert hat. Das ist zwar erlaubt, aber es hat seinen Preis. Der Reiseveranstalter darf in der Regel eine Stornogebühr verlangen. Ähnlich ist es beim Bauvertrag: Kündigt der Auftraggeber „frei“, muss er den Bauunternehmer so stellen, als wäre der Vertrag erfüllt worden. Das bedeutet, der Bauunternehmer hat Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, muss sich aber das anrechnen lassen, was er durch die Kündigung an Kosten gespart hat (z. B. Material oder Löhne).
Das Gericht entschied: Hier lag eine freie Kündigung vor, kein Rücktritt. Aber warum? Hatte der Bauunternehmer nicht seine Arbeit verweigert?
Das Recht auf Sicherheit: Warum der Bauunternehmer die Arbeit einstellen durfte
Der Knackpunkt war das Verhalten des Bauunternehmers. Er hatte die Arbeit nicht grundlos verweigert. Das Gericht stellte fest, dass er aufgrund der bekannten Zahlungsschwierigkeiten der ursprünglichen Bauträgerin ein Recht darauf hatte, eine Sicherheit zu verlangen. Dieses Recht gibt ihm das Gesetz mit der sogenannten Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB). Man kann sich das wie eine Art Versicherung für den Handwerker vorstellen. Bevor er teures Material kauft und seine Mitarbeiter einsetzt, kann er vom Auftraggeber eine Garantie verlangen, zum Beispiel in Form einer Bankbürgschaft, die sicherstellt, dass er am Ende auch bezahlt wird.
Der Bauunternehmer hatte genau das getan. Seine Weigerung weiterzuarbeiten war also nicht endgültig, sondern an eine Bedingung geknüpft: „Ich arbeite weiter, sobald ich die Sicherheit habe.“ Er zeigte sogar seine grundsätzliche Bereitschaft zur Weiterarbeit, indem er der neuen Bauherrin ein neues Angebot machte.
Da seine Forderung nach einer Sicherheit berechtigt war, lag von seiner Seite keine schwere Pflichtverletzung vor, die einen Rücktritt der neuen Bauherrin gerechtfertigt hätte. Ihre Kündigungserklärung konnte daher nur als eine „freie Kündigung“ verstanden werden.
Die „freie Kündigung“: Wenn der Auftraggeber zahlen muss, obwohl nicht gearbeitet wurde
Mit der Feststellung, dass es sich um eine freie Kündigung handelte, änderte sich die gesamte finanzielle Ausgangslage. Nun ging es nicht mehr darum, dass der Bauunternehmer die Anzahlung einfach zurückzahlen musste. Stattdessen hatte er nun selbst einen Anspruch gegen die neue Bauherrin. Er durfte die vereinbarte Bezahlung für den gesamten Auftrag verlangen, abzüglich seiner ersparten Aufwendungen.
Das bedeutet konkret: Der Bauunternehmer darf den Gewinn, den er mit dem Auftrag gemacht hätte, behalten. Der Gedanke dahinter ist, dass ein Handwerker seine Kapazitäten für einen Auftrag fest einplant und nicht dafür bestraft werden soll, dass der Kunde es sich anders überlegt.
Die neue Bauherrin schuldete dem Bauunternehmer also Geld, obwohl dieser kaum gearbeitet hatte. Diesen Anspruch durfte der Bauunternehmer mit der Forderung auf Rückzahlung der Anzahlung verrechnen. Juristen nennen diesen Vorgang Aufrechnung (Verrechnung gegenseitiger Schulden).
Die Abrechnung: Wie das Gericht den Anspruch des Bauunternehmers berechnete
Jetzt musste das Gericht genau ausrechnen, wie hoch der Anspruch des Bauunternehmers war. Dazu schaute es sich an, welche Leistungen im Wert von rund 36.000 Euro noch nicht erbracht worden waren. Von dieser Summe mussten die Einsparungen des Bauunternehmers abgezogen werden.
Ersparte Kosten und die Last des Beweises
Zunächst wurden die unstreitig ersparten Kosten für Material (ca. 10.100 Euro) und Löhne (ca. 11.300 Euro) abgezogen.
Spannend wurde es bei der Frage, ob der Bauunternehmer in der frei gewordenen Zeit andere Aufträge, sogenannte Füllaufträge, annehmen konnte und damit Geld verdiente, das er sich ebenfalls anrechnen lassen müsste. Hier kommt ein wichtiges juristisches Prinzip ins Spiel: die Beweislast (wer im Prozess eine Tatsache beweisen muss). Die neue Bauherrin, die ja von den zusätzlichen Einnahmen profitieren würde, musste beweisen, dass der Bauunternehmer solche Füllaufträge hatte.
Der Bauunternehmer legte jedoch detailliert dar, dass sein Betrieb in der betreffenden Zeit nicht ausgelastet war und er keine anderen Aufträge hereinholen konnte. Die neue Bauherrin konnte das nicht widerlegen. Da sie ihrer Beweislast nicht nachkam, ging das Gericht davon aus, dass es keine anrechenbaren Gewinne aus anderen Aufträgen gab.
Nach Abzug aller nachgewiesenen Ersparnisse errechnete das Gericht einen verbleibenden Anspruch des Bauunternehmers in Höhe von 14.770,22 Euro.
Das Endergebnis: Wer am Ende wie viel zahlen muss
Die finale Berechnung war nun ein einfacher Rechenschritt. Die neue Bauherrin hatte Anspruch auf Rückzahlung der restlichen Anzahlung in Höhe von 16.613,69 Euro. Der Bauunternehmer hatte im Gegenzug einen Anspruch auf entgangenen Gewinn in Höhe von 14.770,22 Euro.
Das Gericht verrechnete diese beiden Beträge. Übrig blieb eine Differenz von 1.843,47 Euro zugunsten der neuen Bauherrin. Nur diesen Betrag musste der Bauunternehmer am Ende zurückzahlen. Statt der erhofften über 16.000 Euro erhielt die neue Bauherrin also nicht einmal 2.000 Euro zurück. Außerdem musste sie, da sie mit ihrer Klage größtenteils verloren hatte, 89 % der gesamten Prozesskosten tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Auftraggeber bei Bauverträgen nicht einfach kündigen können, wenn Handwerker berechtigte Sicherheiten verlangen – selbst wenn dadurch die Arbeit unterbrochen wird. Wer als Bauherr vorschnell den Vertrag beendet, obwohl der Handwerker nur eine Absicherung für seine Zahlungen fordert, muss trotzdem fast die gesamte vereinbarte Summe zahlen, auch wenn keine Arbeit geleistet wurde. Der Handwerker darf seinen kalkulierten Gewinn behalten, muss nur gesparte Material- und Lohnkosten abziehen. Diese Regelung schützt Handwerksbetriebe davor, durch spontane Kündigungen ihrer Auftraggeber in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, bedeutet aber für Bauherren ein erhebliches Kostenrisiko bei unüberlegten Vertragskündigungen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen einem Rücktritt und einer freien Kündigung bei einem Bauvertrag und welche Rolle spielt das für meine Situation?
Bei einem Bauvertrag, der rechtlich meist ein sogenannter Werkvertrag ist, haben Sie als Auftraggeber verschiedene Möglichkeiten, die Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmen zu beenden. Die Wahl zwischen einem Rücktritt und einer freien Kündigung ist dabei entscheidend für die finanziellen Folgen für Sie. Beide beenden den Vertrag, aber aus unterschiedlichen Gründen und mit sehr unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen.
Der Rücktritt vom Bauvertrag
Der Rücktritt ist keine willkürliche Entscheidung, sondern setzt voraus, dass das Bauunternehmen (der Unternehmer) seine vertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt hat. Er ist ein „Notausgang“, wenn die Zusammenarbeit nicht mehr tragbar ist.
- Wann ist ein Rücktritt möglich? Ein Rücktritt ist typischerweise dann denkbar, wenn der Unternehmer wichtige Pflichten nicht erfüllt und dies auch nach einer angemessenen Frist, die Sie ihm zur Nachbesserung oder Fertigstellung gesetzt haben, nicht ändert. Beispiele hierfür sind:
- Erhebliche Mängel: Das Bauunternehmen liefert mangelhafte Arbeit ab, die den vereinbarten Standards nicht entspricht, und beseitigt diese Mängel auch nach Fristsetzung nicht.
- Massiver Verzug: Das Bauprojekt kommt nicht voran oder verzögert sich so stark, dass die Fertigstellung in weite Ferne rückt und eine gesetzte Frist zur Fertigstellung fruchtlos verstrichen ist.
- Arbeitsverweigerung: Das Bauunternehmen stellt die Arbeiten ohne triftigen Grund ganz ein.
- Was sind die Folgen des Rücktritts? Der Rücktritt führt zu einer vollständigen Rückabwicklung des Vertrages. Das bedeutet, der Vertrag wird so behandelt, als wäre er nie geschlossen worden.
- Bereits erbrachte Leistungen müssen rückgängig gemacht werden, soweit möglich.
- Sie als Auftraggeber erhalten geleistete Vorauszahlungen zurück.
- Für Teilleistungen, die bereits erbracht wurden und für Sie nutzbar sind, muss eventuell eine Wertminderung oder eine Vergütung gezahlt werden.
- Sie können unter Umständen zusätzlich Schadensersatz vom Bauunternehmen fordern, zum Beispiel für Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines neuen Unternehmens entstehen.
Die freie Kündigung des Bauvertrags
Die freie Kündigung unterscheidet sich grundlegend vom Rücktritt. Sie ist das Recht des Auftraggebers, den Vertrag jederzeit und ohne Angabe eines Grundes zu beenden. Man spricht hier auch von einer „Kündigung aus freiem Willen“.
- Wann ist eine freie Kündigung möglich? Eine freie Kündigung ist jederzeit und ohne die Notwendigkeit einer Pflichtverletzung des Bauunternehmens möglich. Sie könnten sich zum Beispiel einfach umentschieden haben oder feststellen, dass Sie das Bauprojekt doch nicht fortführen möchten.
- Was sind die Folgen der freien Kündigung? Die freie Kündigung ist für Sie als Auftraggeber in der Regel finanziell deutlich belastender als ein Rücktritt.
- Obwohl das Bauunternehmen die Arbeiten nicht zu Ende führt, müssen Sie als Auftraggeber grundsätzlich den gesamten vereinbarten Werklohn bezahlen.
- Das Bauunternehmen muss sich jedoch das anrechnen lassen, was es sich durch die vorzeitige Vertragsbeendigung erspart (z. B. Materialkosten, die nicht mehr anfallen) oder was es durch anderweitige Nutzung seiner Arbeitskraft verdient oder hätte verdienen können.
- Die Berechnung dieser Abzüge ist oft komplex und kann zu erheblichen Streitigkeiten führen. In der Praxis bedeutet dies häufig, dass ein großer Teil des vereinbarten Preises dennoch zu zahlen ist, auch wenn das Bauprojekt nicht fertiggestellt wird.
Warum die Unterscheidung wichtig ist
Die Wahl zwischen Rücktritt und freier Kündigung hat gravierende finanzielle Auswirkungen für Sie. Wenn das Bauunternehmen seine Pflichten verletzt hat, ist ein Rücktritt, eventuell verbunden mit Schadensersatzansprüchen, oft die für Sie günstigere Option. Wenn Sie jedoch aus persönlichen Gründen das Projekt beenden wollen, ohne dass das Bauunternehmen einen Fehler gemacht hat, müssen Sie bei einer freien Kündigung in der Regel einen erheblichen Teil des Gesamtpreises bezahlen.
Es ist daher wichtig, Ihre Situation genau zu prüfen und die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen der jeweiligen Beendigungsform zu verstehen, bevor Sie Schritte unternehmen.
Welche Kosten entstehen mir, wenn ich einen Bauvertrag frei kündige, obwohl der Bauunternehmer noch nicht fertig ist?
Wenn Sie einen Bauvertrag kündigen, ohne dass der Bauunternehmer eine Pflichtverletzung begangen hat – man spricht hier von einer sogenannten „freien Kündigung“ –, können Ihnen weiterhin erhebliche Kosten entstehen, auch wenn die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Für viele ist es schwer vorstellbar, für Leistungen zu bezahlen, die gar nicht erbracht wurden. Das Gesetz sieht hierfür jedoch eine klare Regelung vor, die sowohl Ihre Freiheit zur Kündigung als auch die berechtigten Ansprüche des Bauunternehmers berücksichtigt.
Das Grundprinzip: Anspruch auf die vereinbarte Vergütung
Das deutsche Baurecht regelt, dass der Bauunternehmer im Falle einer freien Kündigung grundsätzlich Anspruch auf die gesamte vereinbarte Vergütung hat. Das bedeutet, der Bauunternehmer darf den vollen Preis für das ursprünglich vereinbarte Bauvorhaben fordern, so als hätte er die Arbeit komplett fertiggestellt. Dieses Prinzip mag auf den ersten Blick überraschen, stellt aber sicher, dass der Bauunternehmer nicht einfach ohne Entschädigung dasteht, nur weil der Auftraggeber seine Pläne ändert.
Was sich der Bauunternehmer anrechnen lassen muss
Die gute Nachricht für Sie ist jedoch: Der Bauunternehmer darf nicht einfach die volle Summe verlangen. Er muss sich bestimmte Positionen anrechnen lassen, die Ihre tatsächlichen Kosten mindern. Diese Anrechnungspunkte sind entscheidend für die Höhe Ihrer letztendlichen Zahlung:
- Ersparte Aufwendungen: Der Bauunternehmer muss sich alles anrechnen lassen, was er durch die vorzeitige Kündigung an Kosten nicht mehr hatte. Dazu gehören beispielsweise Materialkosten, die er nicht mehr kaufen musste, oder die Löhne für Arbeitskräfte, die nicht mehr für Ihr Projekt benötigt wurden. Stellen Sie sich vor, er hätte noch viel Material bestellen müssen – diese Kosten fallen nun weg und mindern Ihre Rechnung.
- Einnahmen aus anderweitiger Verwertung seiner Arbeitskraft: Hat der Bauunternehmer nach der Kündigung durch Sie die frei gewordene Zeit und seine Mitarbeiter für ein anderes Bauprojekt genutzt und dadurch Einnahmen erzielt, müssen diese Einnahmen ebenfalls von Ihrer Rechnung abgezogen werden. Das bedeutet, er darf nicht doppelt verdienen – einmal von Ihnen und einmal von einem neuen Auftraggeber für dieselbe Zeit.
- Einnahmen, die er böswillig nicht erzielt hat: Sollte der Bauunternehmer die Möglichkeit gehabt haben, einen neuen, passenden Auftrag anzunehmen, dies aber absichtlich nicht getan haben, um von Ihnen die volle Vergütung zu erhalten, so wird ihm auch dieser mögliche Verdienst angerechnet. Dies ist jedoch in der Praxis für den Auftraggeber oft schwer nachzuweisen.
Wie die Kosten berechnet werden
Im Kern lässt sich die Berechnung der Ihnen entstehenden Kosten durch eine einfache Formel verdeutlichen:
Ihre Kosten bei freier Kündigung = Vereinbarte Gesamtvergütung – Ersparte Aufwendungen des Bauunternehmers – Einnahmen des Bauunternehmers aus anderer Arbeit – Einnahmen, die der Bauunternehmer absichtlich nicht erzielt hat
Die genaue Ermittlung dieser Kosten kann komplex sein, da der Bauunternehmer detailliert darlegen muss, welche Aufwendungen er erspart hat und welche Einnahmen er durch andere Projekte erzielt hat oder hätte erzielen können. Dies erfordert oft eine genaue Prüfung der Zahlen und eine transparente Kommunikation.
Wie werden die Zahlungsansprüche des Bauunternehmers berechnet, wenn ich den Vertrag vorzeitig beende?
Wenn Sie einen Bauvertrag vorzeitig beenden, beispielsweise durch eine sogenannte „freie Kündigung“ (geregelt in § 648 des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB), hat der Bauunternehmer grundsätzlich weiterhin einen Anspruch auf die ursprünglich vereinbarte Vergütung. Dieser Anspruch ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern muss um bestimmte Posten gemindert werden.
Die Grundlage des Anspruchs
Der Ausgangspunkt für die Berechnung des Anspruchs ist der vollständige Preis, den Sie mit dem Bauunternehmer für das gesamte Bauvorhaben vereinbart hatten. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Bau bereits begonnen oder nur teilweise abgeschlossen wurde. Dieser Gesamtpreis bildet die Basis, von der dann Abzüge vorgenommen werden.
Was der Bauunternehmer sich anrechnen lassen muss
Von diesem ursprünglichen Gesamtpreis muss der Bauunternehmer zwei Arten von Beträgen abziehen:
- Ersparte Aufwendungen: Dies sind Kosten, die der Bauunternehmer aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Vertrages nicht mehr aufwenden muss. Stellen Sie sich vor, der Bauunternehmer hätte noch Material für Ihr Projekt kaufen müssen oder Arbeiter für viele Stunden beschäftigen müssen. Wenn das Projekt gekündigt wird, entfallen diese Ausgaben. Typische Beispiele hierfür sind:
- Nicht mehr benötigtes Material: Wenn Material nicht mehr bestellt oder geliefert werden muss.
- Eingesparte Arbeitslöhne: Wenn eigene Mitarbeiter nicht mehr für Ihr Projekt eingesetzt werden und somit deren Lohnkosten für diesen Auftrag entfallen.
- Entfallene Kosten für Nachunternehmer: Wenn geplante Arbeiten, die Subunternehmer hätten ausführen sollen, nicht mehr beauftragt werden.
- Einsparungen bei Gerätemiete oder Transportkosten: Wenn Maschinen oder Fahrzeuge nicht mehr benötigt werden.
- Einnahmen aus sogenannten „Füllaufträgen“ (anderweitiger Erwerb): Der Bauunternehmer muss sich auch das anrechnen lassen, was er durch die Kündigung Ihres Vertrages an Zeit und Kapazitäten gewonnen hat und stattdessen für andere Aufträge nutzen konnte. Nehmen wir an, Ihr Bauunternehmer hatte eine freie Kapazität, die er für Ihr Projekt eingeplant hatte. Durch die Kündigung wird diese Kapazität frei, und er kann in dieser Zeit ein anderes, neues Projekt annehmen und daraus Einnahmen erzielen. Diese Einnahmen, die er stattdessen erwirtschaften konnte (oder böswillig hätte erwirtschaften können), muss er sich ebenfalls von seinem ursprünglichen Anspruch abziehen lassen.
Die grundlegende Berechnung lässt sich also vereinfacht so darstellen:
Zahlungsanspruch des Bauunternehmers = Vereinbarter Gesamtpreis – Ersparte Aufwendungen des Bauunternehmers – Einnahmen aus Füllaufträgen
Wer trägt die Beweislast?
Die Beweislast für die Höhe des Anspruchs und die erfolgten Abzüge ist ein wichtiger Punkt:
- Der Bauunternehmer muss darlegen, wie hoch sein ursprünglicher Anspruch ist und welche Kosten er durch die Kündigung erspart hat. Er muss also seine eigene Kalkulation offenlegen und zeigen, welche Kostenpositionen wegfallen.
- Sie als Auftraggeber tragen die Beweislast dafür, wenn Sie der Meinung sind, dass der Bauunternehmer noch mehr Kosten hätte sparen können oder weitere Einnahmen aus Füllaufträgen erzielt (oder erzielen können) hätte. Sie müssen in diesem Fall konkret darlegen, welche weiteren Einsparungen möglich gewesen wären oder welche anderen Aufträge der Bauunternehmer stattdessen hätte annehmen können. Dies kann in der Praxis oft schwierig sein, da Sie in der Regel keinen Einblick in die internen Kalkulationen oder die Auftragslage des Bauunternehmers haben.
Was genau ist eine Bauhandwerkersicherung und wann kann mein Bauunternehmer diese von mir verlangen?
Die Bauhandwerkersicherung ist ein wichtiges Instrument im Baurecht, das den Bauunternehmer vor dem Risiko schützt, dass der Auftraggeber seine Leistungen nicht bezahlt. Stellen Sie sich vor, ein Bauunternehmer hat viel Arbeit und Material in Ihr Bauprojekt gesteckt, aber dann droht die Zahlung auszufallen. Genau hier greift die Bauhandwerkersicherung ein, um dem Bauunternehmer eine finanzielle Absicherung zu geben.
Was ist eine Bauhandwerkersicherung?
Eine Bauhandwerkersicherung ist keine direkte Vorauszahlung in Geld, sondern eine Sicherheit, die der Bauunternehmer vom Bauherrn verlangen kann. Sie dient dazu, die Bezahlung der Bauleistungen abzusichern. Der Bauherr muss also nicht direkt Geld zahlen, sondern eine Art Bürgschaft oder eine ähnliche Sicherheit stellen.
Typische Formen einer Bauhandwerkersicherung sind:
- Eine Bankbürgschaft: Hier garantiert eine Bank dem Bauunternehmer, dass sie einspringt, falls der Bauherr nicht zahlt.
- Eine Hypothek oder Grundschuld auf ein Grundstück: Das bedeutet, ein Grundstück dient als Sicherheit für die Forderungen des Bauunternehmers.
- Die Verpfändung von Sparguthaben oder Wertpapieren.
Der Zweck dieser Sicherung ist es, dem Bauunternehmer Gewissheit zu geben, dass seine Arbeit und sein Material entlohnt werden, selbst wenn der Bauherr später Zahlungsschwierigkeiten bekommt.
Wann kann der Bauunternehmer eine Bauhandwerkersicherung verlangen?
Ein Bauunternehmer kann eine Bauhandwerkersicherung von Ihnen als Bauherrn verlangen, sobald ein Bauvertrag geschlossen wurde und dieser noch nicht vollständig erfüllt ist. Die rechtliche Grundlage hierfür ist § 650f des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Diese Sicherheit kann der Bauunternehmer für alle seine Ansprüche aus dem Bauvertrag fordern. Dazu gehören:
- Der Lohn für die bereits erbrachte und die noch zu erbringende Bauleistung.
- Zusätzliche Kosten, die durch den Vertrag entstehen, zum Beispiel für Mängelbeseitigung oder Schadensersatzansprüche.
Der Betrag der Sicherung ist dabei gesetzlich begrenzt. Er beträgt maximal 100 Prozent der vereinbarten und noch nicht bezahlten Vergütung, zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent für eventuelle Nebenforderungen. Der Bauunternehmer kann diese Sicherheit jederzeit während der Bauphase verlangen, solange noch offene Ansprüche bestehen.
Welche Folgen hat die Nichtstellung der Sicherheit für Sie?
Wenn der Bauunternehmer Sie zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung auffordert und Sie diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist stellen, kann dies ernsthafte Konsequenzen für Ihr Bauprojekt haben:
- Einstellung der Arbeiten: Der Bauunternehmer hat das Recht, die Arbeiten an Ihrem Bauprojekt zu unterbrechen. Das bedeutet, die Baustelle steht still, was zu erheblichen Verzögerungen und weiteren Kosten führen kann.
- Kündigung des Bauvertrags: Wenn Sie die Sicherheit auch nach einer weiteren Fristsetzung nicht leisten, kann der Bauunternehmer den Bauvertrag kündigen. In diesem Fall wäre der Vertrag beendet, und der Bauunternehmer könnte von Ihnen die Bezahlung für die bereits erbrachten Leistungen sowie Schadensersatz für den entgangenen Gewinn und andere entstandene Kosten fordern.
Für Sie als Bauherrn ist es daher wichtig zu wissen, dass die Bauhandwerkersicherung ein mächtiges und legitimes Werkzeug für Bauunternehmer ist, um ihre finanzielle Absicherung zu gewährleisten.
Was kann ich tun, wenn mein Bauunternehmer die Arbeit auf der Baustelle einstellt?
Wenn ein Bauunternehmer die Arbeiten auf der Baustelle plötzlich einstellt, ist dies für Sie als Auftraggeber eine sehr beunruhigende Situation, die den Baufortschritt erheblich gefährdet. Es ist wichtig zu wissen, dass eine solche Arbeitsniederlegung verschiedene Ursachen haben kann, die für die weitere Vorgehensweise entscheidend sind.
Mögliche Gründe für eine Arbeitsniederlegung
Ein Bauunternehmer darf die Arbeit nicht ohne Weiteres einstellen. Es gibt jedoch bestimmte Situationen, in denen er dazu berechtigt sein kann:
- Zahlungsverzug des Auftraggebers: Wenn Sie als Auftraggeber fällige und unbestrittene Rechnungen oder Abschlagszahlungen nicht fristgerecht leisten, kann der Bauunternehmer unter Umständen die Arbeiten einstellen. Er muss Sie aber in der Regel zuvor schriftlich abmahnen und eine angemessene Nachfrist zur Zahlung setzen. Erst wenn Sie auch diese Frist verstreichen lassen, darf er seine Leistung zurückhalten. Dies ist ein „Recht zur Leistungsverweigerung“.
- Fehlende Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB): Ein Bauunternehmer kann von Ihnen eine sogenannte Bauhandwerkersicherung verlangen. Dies ist eine Sicherheitsleistung, oft in Form einer Bürgschaft einer Bank, die die Ansprüche des Unternehmers für seine Leistungen absichern soll. Wenn der Unternehmer diese Sicherheit ordnungsgemäß anfordert und Sie sie nicht innerhalb einer gesetzten Frist leisten, kann er die Arbeiten einstellen und unter Umständen sogar den Vertrag kündigen.
- Ausbleibende Mitwirkung des Auftraggebers: Manchmal kann der Bauunternehmer seine Arbeit nicht fortsetzen, weil Sie als Auftraggeber notwendige Vorleistungen nicht erbracht haben, z.B. Pläne nicht freigeben, benötigte Materialien nicht rechtzeitig bereitstellen oder Zugang zur Baustelle verwehren. Auch hier muss der Unternehmer Ihnen in der Regel eine Frist setzen.
- Unberechtigte Arbeitsniederlegung: Der Bauunternehmer stellt die Arbeit ohne einen der oben genannten berechtigten Gründe ein. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, etwa wegen finanzieller Schwierigkeiten des Unternehmers, Personalmangels oder weil er einen anderen Auftrag priorisiert. In diesem Fall befindet sich der Unternehmer in einem „Verzug“.
Erste Schritte und Dokumentation
Wenn die Arbeit eingestellt wird, ist es für Sie wichtig, ruhig und überlegt zu handeln:
- Grund erfragen und dokumentieren: Nehmen Sie umgehend schriftlich Kontakt mit Ihrem Bauunternehmer auf. Fragen Sie präzise nach dem Grund für die Arbeitsniederlegung und fordern Sie eine Stellungnahme. Halten Sie alle Kommunikationen (E-Mails, Briefe, Protokolle von Telefonaten) schriftlich fest. Machen Sie Fotos vom aktuellen Zustand der Baustelle als Beweis für den Arbeitsstopp.
- Prüfung eigener Pflichten: Überprüfen Sie, ob Sie alle Ihre vertraglichen Pflichten erfüllt haben, insbesondere ob alle fälligen Zahlungen geleistet wurden oder eine geforderte Bauhandwerkersicherung fristgerecht gestellt wurde.
Reaktion bei unberechtigter Arbeitsniederlegung
Stellt sich heraus, dass der Bauunternehmer die Arbeit ohne berechtigten Grund eingestellt hat oder er keine plausible Erklärung liefert, können Sie folgende Schritte unternehmen:
- Fristsetzung zur Wiederaufnahme der Arbeit: Setzen Sie dem Bauunternehmer schriftlich eine angemessene Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten. Machen Sie dabei deutlich, welche Konsequenzen eine erneute Nichtleistung hat, wie zum Beispiel die Kündigung des Vertrages und die Geltendmachung von Schadensersatz. Die Länge der Frist hängt vom Umfang der Arbeiten und der Dringlichkeit ab, ist aber in der Regel so zu wählen, dass der Unternehmer die Arbeit realistisch wieder aufnehmen kann.
- Ankündigung der Ersatzvornahme oder Kündigung: Wenn der Bauunternehmer die ihm gesetzte Frist zur Wiederaufnahme der Arbeit nicht einhält, gerät er in „Verzug“. Dies eröffnet Ihnen als Auftraggeber bestimmte Rechte. Sie können dann unter bestimmten Umständen den Vertrag kündigen.
Folgen einer Kündigung des Bauvertrages
Eine Kündigung des Bauvertrages ist ein schwerwiegender Schritt mit unterschiedlichen Konsequenzen, je nachdem, ob Sie „frei“ kündigen oder wegen eines wichtigen Grundes kündigen:
- Freie Kündigung (§ 648 BGB): Als Auftraggeber können Sie einen Bauvertrag grundsätzlich jederzeit kündigen, auch ohne wichtigen Grund. Der Bauunternehmer hat dann Anspruch auf die Vergütung für die bereits erbrachten Leistungen sowie auf eine angemessene Entschädigung für den Teil der Leistung, der nicht mehr erbracht wurde (oftmals ein Prozentsatz des entgangenen Gewinns). Die Höhe dieser Entschädigung ist oft streitig.
- Kündigung aus wichtigem Grund (§ 648a BGB): Wenn der Bauunternehmer seine Arbeit unberechtigt einstellt und auch nach einer angemessenen Nachfrist nicht wieder aufnimmt, liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor. In diesem Fall kann der Vertrag fristlos gekündigt werden. Der Unternehmer hat dann nur Anspruch auf die Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Zusätzlich können Sie als Auftraggeber Schadensersatz für die Mehrkosten verlangen, die Ihnen entstehen, um die Restarbeiten durch einen anderen Unternehmer fertigstellen zu lassen.
Die Entscheidung über die nächsten Schritte hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Es ist von großer Bedeutung, alle Schritte sorgfältig zu dokumentieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu beachten, um Ihre Rechte zu wahren.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Abtretung
Die Abtretung ist die Übertragung eines bestehenden Rechts oder einer Forderung von einer Person auf eine andere. Im Bauvertrag-Kontext bedeutet dies, dass die „ursprüngliche Bauträgerin“ ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertrag mit dem Bauunternehmer auf die „neue Bauherrin“ überträgt. Die neue Bauherrin kann somit die Vertragserfüllung verlangen und ist zugleich verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Rechtsgrundlage für die Abtretung ist § 398 BGB.
Beispiel: Wenn Sie eine Rechnung an Ihre Firma anstatt an sich selbst weitergeben, muss die Firma die Rechnung begleichen.
Rücktritt
Der Rücktritt ist ein Sonderfall der Vertragsbeendigung, der eintritt, wenn eine Partei eine schwerwiegende Pflichtverletzung der anderen Seite feststellt und den Vertrag rückabwickelt. Das bedeutet, der Vertrag wird so behandelt, als wäre er nie geschlossen worden (§ 346 BGB). Im Bauvertragsrecht ist ein Rücktritt bei massiven Fehlern, Lieferverzug oder Arbeitsverweigerung möglich, aber nur nach Fristsetzung zur Nachbesserung. Die Folge ist meist die Rückerstattung geleisteter Zahlungen und die Rückgabe bereits erbrachter Leistungen.
Beispiel: Wenn ein Handwerker das Haus gar nicht baut, obwohl er es zugesagt hat, können Sie zurücktreten und Ihre Anzahlung zurückverlangen.
Freie Kündigung (§ 648 BGB)
Die freie Kündigung ist das Recht des Auftraggebers, einen Bauvertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu beenden. Anders als beim Rücktritt gibt es hier keine Voraussetzung einer Pflichtverletzung. Allerdings muss der Auftraggeber dem Bauunternehmer die vereinbarte Vergütung zahlen, abzüglich der Kosten, die der Unternehmer durch die vorzeitige Vertragsbeendigung nicht mehr hat (§ 648 Satz 1 BGB). Auch mögliche Einnahmen aus anderen Aufträgen sind zu berücksichtigen. Die freie Kündigung schützt den Bauunternehmer vor finanziellen Nachteilen aufgrund einer frühzeitigen Vertragsbeendigung.
Beispiel: Sie buchen eine Reise und stornieren sie – müssen in der Regel eine Stornogebühr zahlen.
Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB)
Die Bauhandwerkersicherung ist eine gesetzlich geregelte Sicherheit, die der Bauunternehmer vom Bauherrn verlangen kann, um seine Zahlungsansprüche aus dem Bauvertrag abzusichern. Sie ist meist eine Bankbürgschaft oder Grundschuld, die sicherstellt, dass der Unternehmer sein Geld erhält, selbst wenn der Bauherr nicht zahlt. Wird die Sicherheit nicht rechtzeitig gestellt, darf der Bauunternehmer die Arbeiten einstellen. Die Höhe der Sicherung darf höchstens 100 % der noch offenen Vergütung plus 10 % für Nebenforderungen betragen.
Beispiel: Wenn ein Handwerker eine Bürgschaft einer Bank verlangt, damit er sicher sein kann, dass er sein Geld bekommt.
Aufrechnung
Die Aufrechnung ist ein juristisches Verfahren, bei dem zwei Parteien, die sich gegenseitig Geld schulden, ihre Forderungen miteinander verrechnen (§ 387 BGB). Im vorliegenden Fall verrechnet der Bauunternehmer seinen Anspruch auf Restzahlung mit der Rückforderung der bereits geleisteten Anzahlungen durch die neue Bauherrin. So reduziert sich die tatsächliche Zahlungsverpflichtung auf den Nettobetrag. Die Aufrechnung führt dazu, dass nicht mehrere Zahlungen geleistet werden müssen, sondern nur die Differenz ausgeglichen wird.
Beispiel: Sie schulden einem Freund 100 Euro, er schuldet Ihnen 60 Euro – anstatt zwei Zahlungen zu machen, verrechnen Sie die Beträge und Sie zahlen ihm nur 40 Euro.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 648 BGB (Kündigungsrecht des Bestellers bei Werkverträgen): Dieser Paragraph erlaubt dem Auftraggeber, einen Werkvertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen zu kündigen, verpflichtet ihn aber zur Zahlung der Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die neue Bauherrin kündigte den Vertrag nach § 648 BGB „frei“, weshalb sie trotz fehlender oder unvollständiger Leistung zahlungspflichtig blieb, abzüglich der ersparten Kosten des Bauunternehmers.
- § 650f BGB (Bauhandwerkersicherung): Dieses Gesetz räumt dem Bauunternehmer das Recht ein, vor Fortsetzung der Arbeiten eine Sicherheit für die Bezahlung der vereinbarten Vergütung zu verlangen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Bauunternehmer stellte die Arbeit ein, weil er eine solche Sicherheit wegen der Zahlungsprobleme der ursprünglichen Bauträgerin forderte, was rechtlich zulässig war und keinen Rücktritt des Auftraggebers rechtfertigte.
- Abtretung (§§ 398 ff. BGB): Die Abtretung ermöglicht die Übertragung von Rechten und Pflichten aus einem Vertrag auf einen Dritten, der in die Rechtsstellung des ursprünglichen Vertragspartners eintritt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die neue Bauherrin trat in den Vertrag mit dem Bauunternehmer ein und wurde rechtlich so behandelt, als wäre sie von Anfang an Vertragspartnerin gewesen.
- Rücktritt vom Vertrag (§ 323 BGB): Der Rücktritt ist eine Rechtsfolge bei schwerwiegender Pflichtverletzung des Vertragspartners, wodurch der Vertrag rückabgewickelt wird und erbrachte Leistungen zurückzugeben sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte einen Rücktritt der neuen Bauherrin, weil der Bauunternehmer seine Pflichten nicht schuldhaft verletzte, sondern die Arbeit aufgrund berechtigter Sicherheitsforderungen einstellte.
- Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB): Die Aufrechnung ist ein Rechtsakt, durch den sich gegenseitig bestehende Forderungen verrechnen und somit erfüllt werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Bauunternehmer verrechnete seinen Anspruch auf Vergütung mit der Rückzahlungsforderung der neuen Bauherrin auf bereits geleistete Anzahlungen.
- Beweislastgrundsatz im Zivilprozess: Derjenige, der eine Tatsache geltend macht, muss deren Vorliegen beweisen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die neue Bauherrin trug die Beweislast dafür, dass der Bauunternehmer durch Annahme von Füllaufträgen weitere Einnahmen erzielte, was ihr jedoch nicht gelang, weshalb keine weiteren Minderungen seines Anspruchs berücksichtigt wurden.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 12 U 156/22 – Urteil vom 11.09.2024
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