Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 U 19/14 – Beschluss vom 26.07.2016
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.10.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 73.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 73.000,00 € wegen Mängeln der Kellerabdichtung eines von der Beklagten errichteten Mehrfamilienhauses. Wegen der Feststellungen des Landgerichts, des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Beklagte nach der Einholung von Sachverständigengutachten antragsgemäß verurteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die von dem Kläger behaupteten Mängel der Kellerabdichtung seien durch die eingeholten Sachverständigengutachten auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen von Privatsachverständigen bewiesen.
Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Landgericht habe ihren Vortrag ignoriert und sich nicht hinreichend mit dem Inhalt der Parteigutachten auseinandergesetzt. Es fehlten Stellungnahmen des zuletzt beauftragten Sachverständigen zu einzelnen ihrer Schriftsätze und Stellungnahmen ihres Privatgutachters. Das Landgericht habe zugesagt, den Sach- und Streitstand zusammenzufassen, diese Zusammenfassung aber nicht abgegeben. Sie habe daher eine eigene Befragung des Sachverständigen unterlassen.
Die Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 06.05.2016 Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 08.07.2016 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Der Rechtsstreit ist vom Landgericht zu Recht als entscheidungsreif behandelt worden. Einer Gegenüberstellung der Sachverständigen mit den Privatgutachtern bedarf es nicht mehr. Sie hat bereits stattgefunden. Beide Sachverständige sind auf die ihnen vorgelegten Stellungnahmen der Privatgutachter eingegangen. In den Anhörungen der Sachverständigen war regelmäßig der Privatgutachter P1 anwesend und konnte Fragen stellen oder solche anregen. Dass beide Sachverständigen im Ergebnis bei der Feststellung von Mängeln geblieben sind und das im jeweils begründet haben, macht eine – weitere – Gegenüberstellung nicht notwendig.
Auch der Einsetzung eines – weiteren – Obergutachters bedarf es nicht. Das Landgericht hat bereits den Sachverständigen N1 als Obergutachter eingesetzt, der allerdings die Ergebnisse des Sachverständigen K1 bestätigt hat.
2. Der Senat wiederholt, dass es keines Schadens bedarf, um einen Mangel festzustellen. Insbesondere ist es unerheblich, wenn das Gebäude bereits seit zwanzig Jahren schadenfrei Bestand hätte. Die Einhaltung der zur Bauzeit geltenden Normen soll gewährleisten, dass es während der gesamten zu erwartenden Nutzungsdauer von mindestens 80 Jahren schadenfrei Bestand hat. Die zur Bauzeit geltenden Normen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht eingehalten worden.
Im Übrigen steht nicht fest, dass die im Keller festgestellte Feuchtigkeit allein auf den wiederholten Ausfall der Pumpen zurückzuführen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte mangels einer den Kläger bindenden Abnahme für die mangelfreie Abdichtung beweisbelastet ist. Dieser Beweis ist nicht erbracht.
3. Weder der Umstand, dass die Stellungnahmen des Privatgutachters P1 vom 23.02.2012 und 09.08.2013 dem Sachverständigen N1 nicht vorgelegt worden sind noch der Umstand, dass das Landgericht keine Zusammenfassung des Sach- und Streitstandes abgegeben hat, ändern etwas daran, dass es sich hinreichend mit den Einwendungen der Beklagten auseinandergesetzt hat.
Die Stellungnahme vom 23.02.2012 enthält, wie dargelegt, nur Kritik an einem vorangegangenen Schriftsatz des Klägervertreters und eine Zusammenfassung der Einwendungen gegen die Sachverständigengutachten. Diese Zusammenfassung musste dem Sachverständigen N1, der die vorigen Stellungnahmen kannte, nicht gesondert vorgelegt werden. Der Privatgutachter P1 hat am Termin vom 19.06.2012 teilgenommen, sodass seine Einwendungen hätten vorgebracht werden können. Die Zusage einer Zusammenfassung ist erst nach der Anhörung des Sachverständigen gemacht worden, sodass nicht erkennbar ist, auf welche Fragen die Beklagte deswegen hätte verzichten können.
Dass die zugesagte Zusammenfassung im Termin vom 12.08.2013 nicht vorlag, war der Beklagten bekannt. Aus dem Umstand, dass das Landgericht Beweis zur Höhe des Schadens erhob, konnte die Beklagte zudem ersehen, dass es von einem Anspruch dem Grunde nach ausging. Wiederum ist nicht erkennbar, auf welche Fragen an den Sachverständigen sie wegen der fehlenden Zusammenfassung verzichtet haben könnte. Die Beklagte teilt auch nicht mit, welche Fragen das gewesen sein sollen.
Die Stellungnahme des Privatgutachters P1 vom 09.08.2013 schließlich enthält ebenfalls nur eine Zusammenfassung der Einwendungen gegen die Sachverständigengutachten. Ein erneutes Eingehen des Sachverständigen darauf erübrigte sich. Die Beklagte konnte eine Fortsetzung der Beweisaufnahme nicht durch die Vorlage von Stellungnahmen, die inhaltlich bereits abgearbeitet waren, erzwingen.
4. Es mag sein, dass die Privatgutachter das streitgegenständliche Gebäude mehr als einmal aufgesucht und dabei auch den Keller besichtigt haben. Gemeint und entscheidend ist, dass sie keine Bauteilöffnungen oder Laboruntersuchungen vorgenommen und dabei Feststellungen getroffen haben. Sie stützen sich erklärtermaßen vor allem auf die Aktenlage. Dadurch haben ihre Ausführungen ein geringeres Gericht gegenüber den auf Feststellungen vor Ort beruhenden Ausführungen der Sachverständigen.
5. Dass im Beschluss vom 06.05.2016 nicht alle Stellungnahmen der Privatgutachter zitiert werden, heißt nicht, dass der Senat sich nicht umfassend mit ihnen auseinander gesetzt hat. Zum Zwecke der Darstellung hat er sich auf eine Auswahl beispielhafter Zitate beschränkt. Das ist ausreichend, da sich die Einwendungen der Privatgutachter in großen Teilen wiederholen.
6. Die Stellungnahme des Geschäftsführers der Beklagten kann die Beweiswürdigung durch die Kammer bzw. den Senat nicht ersetzen, sondern sucht, sich an deren Stelle zu setzen. Der Senat nimmt dabei keine eigene Sachkunde in Anspruch, sondern wertet – wie bereits das Landgericht – die Sachverständigengutachten und die Parteigutachten aus.
Die Stellungnahme des Geschäftsführers der Beklagten enthält zudem z. T. neue Einwendungen gegen die Sachverständigengutachten, die bereits in der ersten Instanz hätten geltend gemacht werden müssen. Gründe, sie nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor. Die Einwendungen sind auch im Übrigen nicht zwingend.
a) Dass der Sachverständige N1 von einem erschwerten Lastfall wegen der Hanglage ausgeht, ändert nichts daran, dass alle Sachverständigen den Lastfall Schichtenwasser annehmen und deswegen eine nach den Regeln der Technik errichtete Drainage und Abdichtung der Kelleraußenwände fordern.
b) Davon, dass die Ringdrainage am Hochpunkt jedenfalls 3 cm zu hoch liegt, geht der Geschäftsführer der Beklagten weiterhin aus. Die Beklagte hat dies auch im Schriftsatz vom 22.05.2006 vorgetragen, wie im Beschluss vom 06.05.2016 zitiert. Da durch die Höhenabweichung die Funktion der Drainage beeinträchtigt wird, kann sich die Beklagte nicht auf eine Toleranz berufen.
Damit liegt ein Mangel vor, der zu beseitigen ist. Es ist unbeachtlich, wenn der Sachverständige K1 eine andere Auffassung vertreten hat, denn es handelt sich um eine Rechtsfrage. Zudem hat der Sachverständige K1 zwischenzeitlich den Ansatz einer pragmatischen, kostengünstigen Lösung verfolgt (Prot. des Termins vom 22.04.2008, S. 2, Bl. 396 d. A.), der dem Anspruch des Klägers nicht gerecht wird.
c) Hinsichtlich der Verfüllung der Baugrube wendet die Beklagte zum ersten Mal ein, die Untersuchung durch den Sachverständigen K1 sei nicht repräsentativ gewesen. Auch ist anzunehmen, dass er die Körnung des eingebauten Materials als Fachmann erkennen konnte. Dass die Verfüllung nach der Auffassung der Beklagten seit 20 Jahren ausreichend sickerfähig ist, steht weder fest, noch wäre es erheblich.
d) Dass teilweise Spülrohre fehlen, räumt auch der Geschäftsführer der Beklagten ein. Die Behauptung, sei seien zwischenzeitlich entfernt worden, ist neu. Das Zitat des Privatgutachters K2 befindet sich tatsächlich auf S. 4 der Stellungnahme vom 10.08.2007.
e) Dass nur der Sachverständige N1 als Obergutachter das Gefälle der Drainage als zu gering gerügt hat, hindert nicht daran, seiner begründeten und plausiblen Beanstandung zu folgen. In der Tat liegt es auf der Hand, dass die Fließgeschwindigkeit um so geringer und damit die Gefahr der Sedimentation um so höher ist, je geringer das Gefälle ist.
Der Einwand, eine richtige Berechnung der Höhenlage der Drainage ergebe ein höherer Gefälle ist neu. Die Beklagte hat im Gegensatz dazu im Schriftsatz vom 06.07.2006 (S. 5, Bl. 213 d. A.) die nach ihrer Berechnung andere Höhenlage gerade unter Annahme eines Gefälles von 0,3 % ermittelt.
Wenn die Drainage nach 20 Jahren Standzeit noch nicht versandet ist, ist das wiederum unerheblich. Da die Funktion der Drainage infrage steht, kann sich die Beklagte wiederum nicht auf eine Toleranz berufen.
f) Die Einwendungen im Zusammenhang mit der Flächendrainage sind weitgehend neu. Das gilt für die Behauptung, man habe von der Empfehlung des Baugrundgutachters abweichen können, weil die Baugrube auch während der Bauzeit nicht feucht gewesen sei, die Behauptung, der Sohlenbeton sei so bewehrt worden, dass eine Rissweitenbegrenzung erzielt werde, und die Behauptung, der provisorische Pumpenschacht in der Sohle ziehe Sickerwasser bzw. Linsenwasser an.
Wesentlich für die Beurteilung, dass eine Flächendrainage notwendig ist, ist, dass der Sachverständige K1 unter der Kellersohle Wasser festgestellt hat, das sich dort nach der Auffassung der Beklagten und der Privatgutachter nicht befinden dürfte. Der Privatgutachter P1 hat auch an den von dem Geschäftsführer der Beklagten zitierten Stellen (Stellungnahmen vom 24.11.2008, S. 2, Bl. 466 d. A., vom 17.06.2009, S. 2, Bl. 502 d. A., und vom 23.08.2011, S. 6 – 10, Bl. 639 – 643 d. A.) nicht erläutert, woher das Wasser kommen könnte, sondern im Gegenteil ausgeführt, ein Wasserzufluss sei unmöglich.
Die Berechnung der Grundfläche des Kellers auf 191 m² ist neu. Der Privatgutachter P1 ist in seiner Berechnung in der Stellungnahme vom 23.08.2011 (S. 8, Bl. 641 d. A.) auf eine Fläche von über 200 m² gekommen und hat bestätigt, dass unter Berücksichtigung allein der Grundfläche des Gebäudes ein Flächenfilter notwendig wäre.
g) Hinsichtlich der Abdichtung der Kellersohle ist es wiederum unerheblich, wenn der Sachverständige K1 gemeint hat, sie sei verzichtbar. Er hat das u. a. damit begründet, dass eine vollständige Mangelbeseitigung ohnehin nicht mehr möglich ist, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er sich wiederum von seinem Ansatz einer pragmatischen Lösung hat leiten lassen. Wenn aber ein Mangel vorhanden ist, muss er beseitigt werden.
Dass die im Keller festgestellte Feuchtigkeit allein durch durch die Außenwände eindringendes Wasser erklärlich ist, steht nicht fest. Der Einwand, dass Feuchtigkeit in schlecht temperierten Kellerräumen typisch sei, ist neu, ebenso wiederum die Behauptung, bei der Kellersohle sei eine Rissweitenbegrenzung vorgenommen worden. Dass sich unter der Sohle kein Wasser befinden könne, ist durch die Feststellung des Sachverständigen K1 widerlegt. Dass sich dort ausreichend durchlässiger Füllkies befinde, hat der Privatgutachter P1, anders als der Sachverständige K1, nicht untersucht.
h) Die Ausführungen dazu, wie die Abdichtung der Kelleraußenwände hergestellt worden sei, sind neu. Sie sind in keinem der von dem Geschäftsführer der Beklagten zitierten Schriftsätze enthalten (06.04.2005, S. 7, Bl. 76 d. A.; 06.07.2006, S. 4, Bl. 212 d. A.; 13.05.2008, S. 3,Bl. 405 d. A.; 06.09.2011, S. 6, Bl. 632 d. A.). Dort wird nur pauschal behauptet, die Beschichtung sei ordnungsgemäß hergestellt. Im Übrigen können die jetzigen Ausführungen die von den Sachverständigen festgestellten Fehlstellen nicht erklären.
Unerheblich ist, dass nach der seinerzeit gültigen Norm eine Spachtelmasse mit einer Stärke von 0,1 cm ausgereicht hätte. Denn die Beklagte ist nicht nach der Norm vorgegangen.
Der Senat hält daran fest, dass der Privatgutachter K2 in der zitierten Stellungnahme eine notwendige Stärke einer Kunststoffmodifizierten Dickbeschichtung von 0,3 cm zugestanden hat. Er zitiert dort nicht nur den Sachverständigen K1. Das wird auch daran deutlich, dass er auf der folgenden Seite ausführt, bei der Verwendung einer Bitumenemulsion habe eine Stärke von 0,1 cm ausgereicht. Er differenziert damit zwischen verschiedenen Beschichtungsmaterialien.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.