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Bauvertrag – Verjährungshemmung für Restwerklohn durch Schlichtungsverfahren

OLG Dresden – Az.: 12 U 961/18 – Urteil vom 30.01.2019

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25.05.2018 (Az. 10 O 2110/17) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des nach dem vorliegenden Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 23.122, 72 EUR.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Restwerklohn.

Die Klägerin führte im Auftrag des Beklagten Rohbauarbeiten am Bauvorhaben Neubau Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in X. durch. Dem Vertrag lag die VOB/B (2009) zugrunde.

Unter dem 09.02.2012 legte die Klägerin Schlussrechnung und ermittelte unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen einen restlichen Zahlungsanspruch von 820.239,38 EUR. Gegenstand der Schlussrechnung waren auch zwei Nachträge über insgesamt 614.335,98 EUR, die zum einen Mehrkosten wegen einer Bindefristverlängerung (2. Nachtrag über 364.524,78 EUR netto) sowie zum anderen Mehrkosten wegen Bauzeitverschiebungen (4. Nachtrag über 249.811,20 EUR netto) betrafen. Die Vergütung beider Nachträge lehnte der S. (im Folgenden S.) für den Beklagten ab und ermittelte – unter Berücksichtigung weiterer Kürzungen – in seiner Schlussrechnungsprüfung vom 26.03.2012 noch einen restlichen Zahlungsanspruch der Klägerin von 23.122,71 EUR.

Mit Schreiben vom 19.10.2012 beantragte die Klägerin die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 18 Abs. 2 VOB/B und bezeichnete darin die Nachträge Nr. 2 und 4 als Streitgegenstand dieses Verfahrens. Mit Bescheid vom 16.05.2014 lehnte das S. die diesbezüglichen Ansprüche der Klägerin ab. Diese legte hiergegen unter dem 09.07.2014 Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 10.02.2017 bat die Klägerin den S. um Auszahlung des unstreitigen Schlussrechnungsguthabens i.H.v. 23.122,71 EUR. Dieser lehnte eine Zahlung mit Schreiben vom 02.03.2017 unter Hinweis auf zwischenzeitlich eingetretene Verjährung ab. An dieser Ablehnung hielt das S. mit Schreiben vom 13.03. und 14.04.2017 fest, nachdem die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08. und 24.03.2017 dem Verjährungseinwand entgegengetreten war.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, Verjährung sei nicht eingetreten, da das Schlichtungsverfahren nach § 18 Abs. 2 VOB/B auch hinsichtlich des vorliegend streitgegenständlichen Schlussrechnungssaldos die Verjährung gehemmt habe. Dieser Schlussrechnungssaldo stelle nach ständiger Rechtsprechung eine einheitliche Forderung dar, bei der die einzelnen Leistungspositionen nur unselbständige Rechnungsposten seien. Deshalb könne hinsichtlich einzelner Positionen, die in eine Schlussrechnung eingestellt worden seien, nicht mehr gesondert Zahlung verlangt werden. Der Zahlungsanspruch beschränke sich vielmehr auf den Schlussrechnungssaldo. Deshalb könne die Verjährung für die eingestellten Rechnungsposten und den sich hieraus ergebenden Saldo nur einheitlich beurteilt werden. Gegenstand des Schlichtungsverfahrens sei die Frage gewesen, in welcher Höhe der Klägerin ein positiver Saldo aus der Schlussrechnung zustehe. Dieser Saldo bilde den Anspruch, der gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B gehemmt worden sei.

Der Beklagte hat sich auf Verjährung der Klageforderung berufen. Die Hemmung sei ausschließlich bezüglich der Nachträge 2 und 4 eingetreten, denn nur hierüber sei verhandelt worden.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 25.05.2018, auf das wegen der erstinstanzlichen Anträge und der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben.

Gegen diese ihm am 29.05.2018 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 29.06.2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Verfügung vom 26.07.2018 bis zum 13.08.2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 08.08.2018 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass Teile einer einheitlichen Forderung separat verjähren könnten. Der Wille der Parteien habe sich eindeutig darauf bezogen, nur über bestimmte Teile der Forderung – die Nachträge 2 und 4 – zu verhandeln. Den von ihr selbst ermittelten Schlussrechnungssaldo habe der Beklagte hingegen bestätigt und ihn damit dem Streit der Parteien entzogen.

Die Korrespondenz der Parteien im März und April 2017 sei nicht als verjährungshemmende Verhandlung zu bewerten.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25.05.2018 zum Az. 10 O 2110/17 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2019 sowie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 29.01.2019 ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

II.

Bauvertrag - Verjährungshemmung für Restwerklohn durch Schlichtungsverfahren
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif, § 300 Abs. 1 ZPO. Der Schriftsatz der Klägerin vom 29.01.2019 gebietet nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO, denn er beschränkt sich auf rechtliche Ausführungen zu der Verjährungsfrage, die im gesamten Rechtsstreit – und insbesondere auch im Berufungsverfahren – im Mittelpunkt der Auseinandersetzung der Parteien steht.

III.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des unstreitigen Saldos von 23.122,71 EUR aus ihrer Schlussrechnung vom 09.02.2012 ist verjährt.

1. Bei diesem Anspruch handelt es sich – aus Sicht der Klägerin – lediglich um einen Teil eines ihr aus der Schlussrechnung vom 09.02.2012 zustehenden Vergütungsanspruchs. Denn nach ihrer Auffassung steht ihr hieraus nicht nur dieser vom S. berechnete unstreitige Zahlungsbetrag zu, sondern darüber hinaus auch noch die Vergütung für die in der Schlussrechnung enthaltenen Nachträge Nr. 2 und Nr. 4.

Die Verjährung dieses (Teil-)Anspruchs wurde nicht gemäß § 203 BGB, § 18 Abs. 2 Ziffer 2 VOB/B durch die Verhandlung über die genannten Nachträge gehemmt.

a) Die Hemmung der von § 203 BGB erfassten Ansprüche wird durch den Gegenstand der Verhandlungen bestimmt. Sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Ansprüche, die der im Streit befindliche Lebenssachverhalt hervorbringt (BGH, Urteil vom 05.06.2014 – VII ZR 285/12 – nach juris: Rn. 12; MüKo-Grothe, BGB, 8. Aufl., zu § 203 Rn. 7; Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 15. Aufl., zu § 203 Rn. 7). Dabei wirkt allerdings nach einhelliger Auffassung die Verjährungshemmung ausnahmsweise nicht für einen abtrennbaren Teil des gesamten Anspruchs, wenn die Parteien ersichtlich nur über einen anderen Teil verhandelt haben. An eine solche Beschränkung sind strenge Anforderungen zu stellen, sie muss sich aus dem Willen der Verhandlungsparteien eindeutig ergeben (BGH, aaO.; BGH, Urteil vom 19.11.1997 – IV ZR 357/96 -, nach juris: Rn. 9; MüKo-Grothe, aaO.; Schmidt-Räntsch in Erman, aaO.). Für den Gläubiger muss insoweit zweifelsfrei feststehen, dass ein Teil der Forderungen nicht Gegenstand der Verhandlungen ist – sei es, weil der Schuldner hinsichtlich eines bestimmten Forderungsteils jegliche Zahlungen endgültig ablehnt (vgl. MüKo-Grothe, aaO.), sei es, weil ein bestimmter Teil zwischen den Parteien offensichtlich außer Streit steht.

b) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Verhandlungen der Parteien – ebenso wie das Schlichtungsverfahren nach § 18 Abs. 2 VOB/B – ausschließlich auf den Vergütungsanspruch der Klägerin für die in Streit stehenden Nachträge und damit auf die Frage bezogen, ob der Klägerin aus ihrer Schlussrechnung ein über den vom S. anerkannten Saldo hinausgehender Zahlungsanspruch zusteht.

Diese Beschränkung ergibt sich eindeutig aus dem urkundlich belegten Verhandlungsablauf. So hat die Klägerin selbst in ihrem Antrag vom 19.10.2014 ausschließlich die Nachträge Nr. 2 und Nr. 4 als Streitgegenstand des Schlichtungsverfahrens bezeichnet und auch der Bescheid des S. vom 16.05.2014 bezieht sich nur hierauf. Dass der vorliegend streitgegenständliche Schlussrechnungssaldo zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 VOB/B war und bis 2017 auch ansonsten in keiner Weise von den Parteien erörtert wurde, ist unstreitig.

Für derartige Erklärungen bestand – wie beide Parteien im Laufe des Rechtsstreits wiederholt bestätigt haben – auch keinerlei Anlass, weil der sich aus dem anerkannten Teil der Schlussrechnung ergebende Zahlungsanspruch von der Beklagten in keiner Weise in Frage gestellt wurde.

Der Einschätzung, dass durch die Verhandlungen der Parteien vorliegend ausschließlich die Verjährung eines Anspruch auf Vergütung der Nachträge gehemmt wurde, steht nicht entgegen, dass es sich bei diesen Nachtragsforderungen mit Einstellung in die Schlussrechnung nur noch um unselbständige Rechnungspositionen handelt, die ihrerseits nicht mehr geltend gesondert geltend gemacht werden können. Gegenstand einer auf Zahlung der Nachträge gerichteten Klage wären nämlich nicht die einzelnen Leistungspositionen gewesen, sondern ein – entsprechend erhöhter – Schlussrechnungssaldo. Diese Erhöhung hätte – ebenso wie der hier unstreitige Schlussrechnungssaldo – jederzeit zum Gegenstand einer Teilklage gemacht werden können, und zwar auch dann, wenn die der Mehrforderung zugrunde liegenden Positionen in die Schlussrechnung eingestellt waren (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2008, VII ZR 43/07 -; nach juris: Rn. 4 und 6). Der unstreitige und streitige Teil eines einheitlichen Schlussrechnungssaldos unterliegen damit – anders als die Klägerin meint – auch verjährungsrechtlich keineswegs zwingend einer einheitlichen Betrachtung. Vielmehr kann – unter den oben dargestellten Voraussetzungen – die Verjährung ausnahmsweise auch lediglich hinsichtlich des einen Teils gehemmt werden.

Aus den selben Erwägungen hindert auch der Umstand, dass einzelne Schlussrechnungspositionen nicht gesondert abgetreten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1998 – VII ZR 167/97), eine differenzierte Betrachtung zur Verjährung von Teilen des Schlussrechnungssaldos nicht.

Die Frage, ob für die Forderung aus einer Schlussrechnung, in die eine bereits verjährte Abschlagsforderung eingestellt wurde, eine neue Verjährungsfrist beginnt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1998 – 7 ZR 191/97) ist für den hier entscheidungserheblichen Gesichtspunkt, ob einzelne Teile eines Schlussrechnungssaldos gesondert verjähren können, ohne Bedeutung.

b) Die Verjährung hinsichtlich des vom S. unter dem 26.03.2012 ermittelten unstreitigen Schlussrechnungssaldos von 23.122,71 EUR begann damit gemäß § 199 Abs. 1 BGB am 31.12.2012 und endete am 31.12.2015, § 195 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden hierauf bezogene verjährungshemmende Maßnahmen von der Klägerin unstreitig nicht ergriffen. Ob die zwischen den Parteien im März und April 2016 geführte Korrespondenz zur Verjährungsfrage als Verhandlung über den streitgegenständlichen Anspruch i.S.d. § 203 BGB zu qualifizieren ist, bedarf keiner Entscheidung, denn sie wurde ersichtlich erst nach Verjährungseintritt geführt.

IV.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Der Rechtssache ist keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Vielmehr beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der hier zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls und nicht auf einer Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs.

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