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Begriff Einbau bzw. Anbringen bei § 439 Abs. 3 BGB

OLG Köln – Az.: 15 U 82/21 – Urteil vom 07.04.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. Mai 2021 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn – 30 O 5/21 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Bonn sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Am 27. Juli 2018 bestellte die Klägerin bei der Beklagten eine Vielzahl nahtloser Rohre aus nicht rostendem austenitischem Edelstahl mit der Werkstoffbezeichnung 316 L zum Preis von 785.038,64 EUR (Anlagen K 2 und 3 zur Klageschrift). Die Klägerin benötigte die Rohre, um für einen Auftraggeber auf zwei Kreuzfahrtschiffen Rohrleitungssysteme zum Transport von LNG-Gas zu montieren. Die Beklagte bestellte die Rohre ihrerseits bei einem indischen Unternehmen. Nach der Lieferung der Rohre zeigte die Klägerin der Beklagten angebliche Materialfehler an (vgl. das als Anlage K 10 zur Klageschrift vorgelegte Privatgutachten). Die Beklagte tauschte daraufhin die beanstandeten Rohre „ohne Anerkennung der Reklamation“ aus.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe vor Entdeckung der Materialfehler mit der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme in ihrem Werk in A begonnen. Die Vorfertigung bestehe darin, die Rohre zu sogenannten Rohrleitungsspools zusammenzubauen beziehungsweise an von ihr vorbereiteten Nähten zusammenzuschweißen; anschließend müssten die Rohre zu Reinigungszwecken gebeizt und angestrichen werden (vgl. die Anlage K 5 zur Klageschrift). Auf Grund der Materialfehler habe sie die Vorfertigung eingestellt. Sie habe sodann die bereits errichteten Spools wieder demontiert, um bei der Errichtung verwendete Bauteile im Rahmen einer zweiten Vorfertigung erneut verwenden zu können. So habe sie circa 1.300 Rohrleitungsfittinge und circa 250 Messstutzen ausgebaut und aufgearbeitet. Anschließend habe sie unter Verwendung der nachgelieferten mangelfreien Rohre neue Rohrleitungsspools gefertigt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten zum einen Ersatz derjenigen Kosten, die ihr angeblich auf Grund der Demontage der im Rahmen der ersten Vorfertigung montierten Spools sowie der Aufbereitung der Fittinge und Messstutzen entstanden sind. Zum anderen verlangt sie Ersatz der Kosten, die ihr angeblich auf Grund der erneuten Vorfertigung bis zum Erreichen des Leistungsstandes der ersten Vorfertigung entstanden sind (vgl. die Schadensaufstellung in der Anlage K 33 zur Replik, Blatt 622 ff. der Akten).

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Parteivorbringens in erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den mit Beschluss vom 17. Juni 2021 berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Schadensersatzansprüche bestünden jedenfalls deshalb nicht, weil die Beklagte als Händlerin etwaige Mängel der von ihr nicht selbst hergestellten Rohre nicht zu vertreten habe und ihr ein Verschulden des Herstellers nicht zuzurechnen sei. Auch ein verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch nach § 439 Abs. 3 BGB stehe der Klägerin nicht zu, weil die geltend gemachten Kosten weder durch den Einbau der Rohre in eine andere Sache noch durch die Anbringung der Rohre an eine andere Sache entstanden seien. Vielmehr habe die Klägerin die Rohre unter Verwendung einer Vielzahl von weiteren Bauteilen und unter erheblichem Arbeitsaufwand, der sich in der Höhe der Klageforderung spiegele, zu einem komplexen Rohrleitungssystem zum Transport von tiefgekühltem Gas zusammengefügt. Sie habe so eine neue Sache hergestellt, die sich mit ihrer Bezeichnung, ihrem Erscheinungsbild und ihrer weitergehenden Funktion von den einzelnen Rohren abhebe. § 439 Abs. 3 BGB sei nicht so weit auszulegen, dass er einen solchen Fall erfasse.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt, das Landgericht sei fehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Sachverhalt nicht unter den Tatbestand des § 439 Abs. 3 BGB zu subsumieren sei. Bei der Montage der Rohre handele es sich um ein „Anbringen“ im Sinne der Vorschrift, weil die Rohre durch Verbindungselemente verbunden und somit ein montierter Rohrleitungsspool erstellt werde; hierdurch würden die Rohre in ihrer Substanz nicht verändert. Dies könne allerdings auch dahinstehen, weil sowohl nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers über den Wortlaut des § 439 Abs. 3 BGB hinaus auch andere Veränderungen des Kaufgegenstandes von der Vorschrift erfasst würden. Nach Sinn und Zweck des § 439 Abs. 3 BGB solle der Käufer faktisch so gestellt werden, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre; auch solle er vor einer „Regressfalle“ geschützt werden. Im Übrigen könne es im vorliegenden Fall keinen Unterschied machen, ob die Klägerin die mangelhaften Rohre bereits in die Kreuzfahrtschiffe eingebaut oder ob sie vor dem Einbau der Rohrleitungsspools die Mangelhaftigkeit der Rohre festgestellt und den weiteren Einbau gestoppt habe. Bei den Rohrleitungsspools handele es sich im Verhältnis zu den einzelnen Rohren auch nicht um neue – andere – Sachen. Denn da bereits die Rohre selbst dazu bestimmt seien, LNG-Gas „zu fördern“, erfüllten die Rohrleitungsspools keine eigenständige weitergehende Funktion. Die Klägerin habe lediglich Montagearbeiten ausgeführt. Die Auffassung des Landgerichts führe zudem auch zu einem Wertungswiderspruch. Denn bei einer Montage der Rohrleitungsspools innerhalb der Kreuzfahrtschiffe durch ein Verschweißen der Rohre an dem Schiffskörper und einer Montage der Rohre innerhalb des Schiffskörpers wären die geltend gemachten Kosten unzweifelhaft zu ersetzen gewesen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin 1.372.516,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Für eine Anwendbarkeit von § 439 Abs. 3 BGB fehle es an einer Verbindung der gelieferten Rohre mit einer anderen Sache. Ungeachtet dessen habe die Klägerin durch ihre industrielle Verarbeitung der Rohre zu Spoolings eine ganz neue Sache hergestellt, sodass es angemessen sei, ihr als industrieller Herstellerin und nicht der Zwischenhändlerin die damit einhergehenden Risiken aufzuerlegen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen.

1. Zutreffend und von der Berufung unbeanstandet hat es einen Schadensersatzanspruch aus § 437 Nr. 3 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB verneint, weil die Beklagte Mängel der von ihr nicht selbst hergestellten Rohre jedenfalls nicht zu vertreten hat.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Beurteilung des Landgerichts, der Klägerin stehe auch kein verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 Abs. 3 BGB zu. Die Vorschrift ist im Streitfall gemäß Art. 229 § 58 EGBGB noch in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (a.F.) des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 28. April 2017 (BGBl. I S. 969) anzuwenden. Nach ihrem Satz 1 ist der Verkäufer, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat, im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften Sache und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.

a) Der vorliegende Fall wird vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. Die Klägerin hat die von der Beklagten gekauften Rohre weder in eine andere Sache eingebaut noch an eine andere Sache angebracht.

Nach der Verkehrsanschauung liegt ein Einbau nämlich nur dann vor, wenn die Kaufsache mit einer anderen Sache in der Weise körperlich verbunden wird, dass sie unselbständiger Bestandteil dieser anderen Sache wird. Unter Anbringen ist eine Verbindung der mangelhaften Sache mit einer anderen Sache zu verstehen, die dem Einbau vergleichbar ist; gemeint sind insbesondere Fälle, in denen die mangelhafte Sache nicht in den Corpus einer anderen Sache integriert, sondern lediglich außen an ihr angebracht wird, wie etwa Dachrinnen, Farben, Leuchten und Lacke (vgl. BeckOGK/Höpfner, § 439 BGB Rn. 66 [Stand: 1. Januar 2022]; Höpfner/Fallmann, NJW 2017, 3745; BeckOK-BGB/Faust, § 439 Rn. 96 [Stand: 1. November 2021]; für ein weiter gefasstes Verständnis des Begriffs des Anbringens allerdings Bleckat VuR 2019, 254, 255).

Im Streitfall hat die Klägerin die von der Beklagten gekauften Rohre nicht in der Weise mit einer anderen Sache körperlich verbunden, dass die Rohre unselbständige Bestandteile dieser anderen Sache geworden sind. Vielmehr hat die Klägerin die Rohre miteinander verbunden, indem sie sie zu Rohrleitungsspools zusammengebaut beziehungsweise zusammengeschweißt hat. Dass die Klägerin dabei auch Verbindungselemente (Rohrleitungsfittinge) verwendet hat, die sie offenbar nicht bei der Beklagten gekauft hatte, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn die Rohre sind offensichtlich keine unselbständigen Bestandteile der Verbindungselemente geworden. Entsprechendes gilt für den Einbau der Messstutzen. Ein Einbau der Rohrleitungsspools in die Schiffe ist unstreitig nicht erfolgt, so dass es dahinstehen kann, ob dabei entstandene Kosten ersatzfähig wären.

b) Weder das Gebot richtlinienkonformer Auslegung noch der Wille des Gesetzgebers erfordern es, § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. über seinen Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift die im Streitfall zu beurteilende Vorfertigung von Rohrleitungsspools erfasst.

aa) Die Vorschrift dient der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Abl. L 171 S. 12).

Deren Art. 3 Absätze 2 und 3 sind nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2011 – C-65/09 und C-87/09 – dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind (NJW 2011, 2269 Rn. 62).

Dieser Entscheidungssatz beschränkt sich zwar auf den Fall eines Einbaus der Kaufsache. Die vom Europäischen Gerichtshof gegebene Begründung, wonach der Verbraucher vor finanziellen Belastungen geschützt werden müsse, die er bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Verkäufer nicht hätte tragen müssen, und wonach es für den Verbraucher eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellen könne, wenn der Verkäufer nicht für den Aus- und Einbau sorge (vgl. NJW 2011, 2269 Rn. 46 ff.), könnte aber auch in Fällen anderer Veränderungen der Kaufsache Geltung beanspruchen.

Im Schrifttum wird deshalb vertreten, § 439 Abs. 3 BGB sei über die ausdrücklich geregelten Fälle des Einbaus und des Anbringens hinaus auch bei anderen Veränderungen der Kaufsache anzuwenden (vgl. BeckOGK/Höpfner, § 439 BGB Rn. 69 ff. [Stand: 1. Januar 2022]; Höpfner/Fallmann, NJW 2017, 3745, 3745 f.; BeckOK-BGB/Faust, § 439 Rn. 101 ff. [Stand: 1. November 2021]; Faust, ZfPW 2017, 250, 255; Dauner-Lieb, BauR 2018, 305, 309; Hübner, ZfPW 2018, 227, 235 ff.; für eine Anwendung von § 439 Abs. 1 BGB Maultzsch, ZfPW 2018, 1, 11; gegen eine Anwendung auf Veredelungsvorgänge an der Kaufsache Nietsch/Osmanovic, NJW 2018, 1, 2).

bb) Nach Auffassung des Senats ist § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. jedenfalls auf die im Streitfall zu beurteilende Vorfertigung von Rohrleitungsspools durch einen Unternehmer nicht anzuwenden.

(1) Das aus dem Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 AEUV und dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Gebot richtlinienkonformer Auslegung greift hier nicht ein. Denn es beschränkt sich auf den Anwendungsbereich der Richtlinie (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 18). Dieser ist im Streitfall nicht eröffnet. Denn Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie regelt nur Rechte des Verbrauchers. Die Klägerin ist kein Verbraucher (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie).

(2) Zwar kann sich bei der überschießenden Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung richtlinienfreien Rechts aus einem entsprechenden Willen des nationalen Gesetzgebers ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 20). Eine richtlinienkonforme Auslegung kommt danach grundsätzlich auch für § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. in Betracht, weil mit dieser Vorschrift die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie überschießend auch für nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende Kaufverträge umgesetzt werden sollte. Die Gesetzesmaterialien belegen indes, dass der Gesetzgeber von einer eher engen Auslegung des Nacherfüllungsanspruchs ausgegangen ist (zutreffend Hübner, ZfPW 2018, 227, 237; a.A. Dauner-Lieb, BauR 2018, 305, 309) und er einen Aufwendungsersatzanspruch jedenfalls nicht für alle Fälle vorsehen wollte, in denen der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung verändert. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber eine so weit gehende Ausdehnung der kaufrechtlichen Nachlieferungspflicht vor Augen gestanden hat, dass davon auch Fälle erfasst wären, in denen die mangelhafte Kaufsache nicht nur unwesentlich verändert, sondern in denen eine neue – andere – Sache hergestellt wird. Sollte die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie es gebieten, den Aufwendungsersatzanspruchs bei Verbrauchsgüterkaufverträgen auch auf solche Fälle zu erstrecken, könnte eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. deshalb jedenfalls nicht auf nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende Kaufverträge zwischen Unternehmern ausgedehnt werden.

Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung sollte das Recht der Mängelhaftung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angepasst werden, wonach beim Verbrauchsgüterkauf der Verkäufer gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Diese Anpassung sollte in Abkehr von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 17 ff.) überschießend auch für von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht erfasste Verträge zwischen Unternehmen gelten. Dadurch sollte die Rechtssituation von Werkunternehmern, die mangelhaftes Baumaterial gekauft und im Rahmen eines Werkvertrags verbaut haben, verbessert werden (BT-Drucks. 18/8486 Seiten 1 f., 25). Aus dieser auf Bauhandwerker und den Einbau von Baumaterial abzielenden Begründung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von einer europarechtlichen Verpflichtung ausgegangen ist, einen Aufwendungsersatzanspruch auch für andere Veränderungen der Kaufsache zu schaffen. Erst recht ergibt sich aus der Begründung nicht, dass er einen solchen Anspruch auch für den kaufmännischen Rechtsverkehr vorsehen wollte.

Im Gegenteil wurde eine Vorschrift, die einen weiter gefassten Aufwendungsersatzanspruch vorsah, nicht aus dem Referentenentwurf übernommen (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Bauvertragsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2,%2040; dazu Hübner, ZfPW 2018, 227, 234). Nach § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB in der im Referentenentwurf vorgeschlagenen Fassung hätte der Verkäufer nicht nur in den in Satz 1 gesondert zu regelnden Einbaufällen, sondern auch dann zur Wiederherstellung oder zum Aufwendungsersatz verpflichtet sein sollen, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung verändert (Seite 6). Damit hätten unter anderem Fälle erfasst werden sollen, in denen der Käufer eine Kaufsache, die er in Einzelteilen als Bausatz erworben hat, montiert oder sonst fertiggestellt hat (Seite 40). Im Schrifttum war dieser Regelungsvorschlag auf Kritik gestoßen. Schon die verschuldensunabhängige Haftung für die Kosten des Ausbaus einer mangelhaften und des Einbaus einer mangelfreien Sache bilde einen Fremdkörper im deutschen Schuldrecht und trage Risse in das Verhältnis von Nacherfüllung und Schadensersatz; eine weitere (unsystematische) Ausdehnung dieser letztlich dem europäischen Verbraucherschutz geschuldeten Ausnahme solle nicht ohne Not und fundierte dogmatische Begründung erfolgen (so Dauner-Lieb, NZBau 2015, 684, 686). In dem später vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung ist § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB in der Fassung des Referentenentwurfs sodann ohne Angabe von Gründen nicht übernommen worden (BT-Drucks. 18/8486 Seite 9).

Auch eine Forderung des Bundesrates nach einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 439 Abs. 3 BGB hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Der Bundesrat wollte ausweislich seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung sicherstellen, dass § 439 Abs. 3 BGB sämtliche Sachen im kaufrechtlichen Sinn erfasst, auf die der Käufer Verwendungen macht, welche im Falle einer Nachbesserung oder Nachlieferung erneut vorgenommen werden müssten. Der Begriff des Ein- und Ausbaus könne für Kaufsachen zu eng gefasst sein, die nicht dem Wortsinn gemäß aus- und eingebaut würden (BT-Drucks. 18/8486 Seite 83). Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zwar zugesagt, das Anliegen des Bundesrates im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen (BT-Drucks. 18/8486 Seite 95). Zu einer Änderung des Gesetzesentwurfs hat diese Prüfung aber nicht geführt. Vielmehr sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs im weiteren Gesetzgebungsverfahren nur noch dahin konkretisiert worden, dass der Anspruch auch dann besteht, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck an eine andere Sache angebracht hat (vgl. BT-Drucks. 18/11437 Seite 7). Damit sollte verdeutlicht werden, dass Verwendungen zur Durchführung einer Ersatzlieferung von Baumaterialien auch dann erfasst werden, wenn diese Baumaterialien nicht im Wortsinne in ein Bauwerk eingebaut, sondern an dieses angebracht werden (vgl. BT-Drucks. 18/11437 Seite 40).

Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung auch darauf hingewiesen, dass § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB auslegungsfähig und auslegungsbedürftig sei. Der Einbau einer Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache und deren Ausbau könne in vielerlei Varianten erfolgen, zum Beispiel durch Ein- und Ausschrauben, Nieten und Bohren, Schweißen und Heraus- oder Abtrennen. Die Ausfüllung und Konkretisierung dieses Rechtsbegriffes könne der Rechtsprechung überlassen werden, die auch zu berücksichtigen haben werde, dass die Regelung zum Ersatz der Aus- und Einbauleistungen auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zurückgehe (BT-Drucks. 18/8486 Seite 95).

Diese Äußerungen hat die Bundesregierung aber dadurch relativiert, dass sie weiter ausgeführt hat, eine Grenze dürfte § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB dort finden, wo die Kaufsache in ihrer ursprünglichen Sacheigenschaft nicht mehr vorhanden sei. Im Übrigen liege auch dem Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren ein relativ enges Verständnis des Nacherfüllungsanspruchs zu Grunde (BT-Drucks. 18/8486 Seite 96).

Auf Grund dieser Gesetzesmaterialien kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber eine so weit gehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht vor Augen gestanden hat, dass davon auch Fälle erfasst werden, in denen die mangelhafte Kaufsache nicht nur unwesentlich verändert, sondern in denen durch eine Verbindung mit anderem Material und/oder durch Arbeitsleistung eine neue – andere – Sache hergestellt wird. Dafür, für diese Fälle keinen Aufwendungsersatzanspruch vorzusehen, gibt es auch einen sachlichen Grund. Denn die Entscheidung des Käufers, mit Hilfe der Kaufsache eine neue Sache herzustellen, ist so gewichtig, dass es angemessen erscheint, dem Käufer das damit verbundene Risiko aufzubürden (vgl. BeckOK-BGB/Faust, § 439 Rn. 107 [Stand: 1. November 2021]).

(3) Danach scheidet im Streitfall ein Aufwendungsersatzanspruch aus. Das Landgericht hat entgegen der Auffassung der Berufung zu Recht angenommen, dass die Klägerin durch die Verarbeitung und Verbindung der gelieferten Rohre noch vor deren Einbau auf den Kreuzfahrtschiffen neue Sachen – sogenannte Rohrleitungsspools – geschaffen hat. Der Vorfertigungsprozess kann deshalb nicht als bloße Vorbereitung des Einbaus der Rohre in die Kreuzfahrtschiffe angesehen werden.

Diese Wertung ist vor allem auf Grund der erheblichen Leistungen gerechtfertigt, die die Klägerin im Rahmen der Vorfertigung erbringen musste und deren Umfang sich in der Höhe der den Kaufpreis weit übersteigenden Klageforderung spiegelt. Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag die Rohre zusammengebaut beziehungsweise an von ihr vorbereiteten Nähten zusammengeschweißt. Anschließend musste sie die Rohre zu Reinigungszwecken beizen und anstreichen. Dabei hat sie nach ihrem Vortrag in der Berufungsverhandlung nach Plänen gearbeitet, die jedenfalls nicht von der Beklagten stammten. Dies zeigt, dass die Rohrleitungsspools offenbar auf die konkreten Bedürfnisse der Kreuzfahrtschiffe ausgelegt waren und somit ein neuer Funktionszweck geschaffen wurde. Jedenfalls sind die Möglichkeiten, die Rohre zu verwenden, durch die Vorfertigung deutlich eingeschränkt worden. Eine Demontage war zwar nicht unmöglich, erforderte aber wiederum einen erheblichen Aufwand.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 439 Abs. 3 BGB über die ausdrücklich geregelten Fälle des Einbaus und Anbringens hinaus auch bei anderen Veränderungen der Kaufsache anzuwenden ist, wird sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen und berührt deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Die Frage ist auch klärungsbedürftig, da zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und eine höchstrichterliche Entscheidung nicht vorliegt.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.372.516,82 EUR

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