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Haftung des Nachunternehmers für Mängel des Vorunternehmers

OLG Düsseldorf, Az.: 23 U 135/15, Urteil vom 05.07.2016

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. September 2015 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113.635,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67.878,74 EUR seit dem 07. Juli 2010 sowie aus dem überschießenden Betrag seit dem 19. März 2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der sich daraus ergeben hat und noch ergeben wird, dass die Beklagte bei den Arbeiten am Bauvorhaben A. in … es zugelassen hat, dass die auf dem Zementestrich aufgebrachte und zwischen die Heizungsrohre und der Isolierung verlaufene Spachtelmasse zu Korrosionsschäden geführt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Haftung des Nachunternehmers für Mängel des Vorunternehmers
Symbolfoto: auremar/Bigstock

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 113.635,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist.

Das Landgericht hat es als bewiesen angesehen, dass ein von der Beklagten eingesetzter Nachunternehmer die Isolierung (Hüllrohre) der Heizungsrohre nach Verlegen des Rohestrichs bündig an der Oberkante des Rohestrichs abgeschnitten hat und deshalb bei den nachfolgenden Spachtelarbeiten dünnflüssige Spachtelmasse in die Hüllrohre geflossen und in Kontakt mit den umhüllten Heizungsrohren getreten ist. Aufgrund des Kontakts mit der Spachtelmasse seien die Rohre korrodiert. Für die Beseitigung der Schäden sei ein Betrag in Höhe von 113.635,46 EUR erforderlich. Der Anspruch der Klägerin sei nicht aufgrund eines Mitverschuldens zu kürzen. Kein Mitverschulden liege deshalb vor, weil der von der Klägerin beauftragte Heizungsbauer zur Isolierung der Heizungsrohre Hüllrohre verwendet habe, die im Durchmesser etwas größer seien als die üblicherweise verwendeten Hüllrohre. Der Sachverständige B. habe festgestellt, dass die verwendeten Hüllrohre den anerkannten Regeln der Technik entsprechen würden. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Hüllrohre allein der Isolierung der Heizungsrohre dienten, nicht aber deren Schutz vor einem Eindringen von Spachtelmasse oder vor anderen äußeren Einflüssen. Zudem habe der Sachverständige B. festgestellt, dass auch Hüllrohre mit dem üblicherweise verwendeten Durchmesser ein Eindringen der Spachtelmasse nicht hätten verhindern können.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Landgericht ein Mitverschulden der Klägerin hätte annehmen müssen. Die Beklagte entnimmt den Ausführungen im zweiten Absatz auf Seite 15 der Stellungnahme des IWW vom 12.12.2014 (Anlage zu dem Gutachten des Sachverständigen B. vom 16.12.2014, GA 561 ff.), dass bei Verwendung engerer Hüllrohre keine Spachtelmasse in die Dämmung hineingelaufen wäre. Das Landgericht habe nicht den Ausführungen des Sachverständigen B. folgen dürfen, dass die verwendeten Hüllrohre den anerkannten Regeln der Technik entsprechen würden und auch bei Verwendung eines passenden Hüllrohrs Spachtelmasse eingelaufen wäre. Im Hinblick auf die Stellungnahme des IWW hätte es ein Obergutachten einholen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 18.09.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Hauptsache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil war allein wegen der Verzugszinsen abzuändern.

1. Gemäß § 254 Abs. 1 BGB trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren. Ein Verstoß der Klägerin selbst gegen diese Obliegenheit liegt nicht vor. Es ist nicht dazu vorgetragen worden, dass die Klägerin es selbst erkannt hat oder hätte erkennen können, dass es zu den Schäden kommen würde.

2. Die Klägerin muss es sich nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB entgegenhalten lassen, dass der Heizungsbauer – nach der Behauptung der Beklagten – durch die Verwendung von Hüllrohren mit zu großem Durchmesser den Schaden mitverursacht hat, weil erst hierdurch Spachtelmasse zwischen Hüllrohren und Heizungsrohren einlaufen konnte.

In dem Fall, dass der Mangel eines von dem Unternehmer hergestellten Werks auf einer mangelhaften Vorleistung eines vorhergehend tätigen Unternehmers beruht, muss sich der Besteller im Verhältnis zu dem nachfolgenden Unternehmer – der auch für solche Mängel einstehen muss, die auf einer mangelhaften Vorleistung beruhen, es sei denn, er hätte seiner Hinweispflicht genügt – kein Mitverschulden anrechnen lassen. Denn Fehler eines Vorunternehmers können dem Besteller im Verhältnis zum Nachfolgeunternehmer regelmäßig nicht zugerechnet werden. Der Vorunternehmer ist insoweit nicht Erfüllungsgehilfe des Bestellers. Die Errichtung eines Bauwerks besteht fast immer aus einer Vielzahl nacheinander auszuführender und aufeinander aufbauender Werkleistungen verschiedener Unternehmer. Der einzelne Unternehmer nimmt dabei hin, dass sein Auftraggeber die für seine Arbeiten notwendigen Vorleistungen typischerweise nicht selbst erbringt, weil er dazu gar nicht in der Lage ist. Auch will sich der Besteller regelmäßig dem einzelnen Unternehmer gegenüber nicht zur Erbringung der notwendigen Vorarbeiten verpflichten. Der mit der Vorleistung befasste Unternehmer ist demgemäß in den werkvertraglichen Pflichtenkreis des Bestellers gegenüber den anderen Baubeteiligten nicht mit einbezogen. Er erbringt vielmehr seine Leistung lediglich im Rahmen des zwischen ihm und dem Besteller geschlossenen Werkvertrages (BGHZ 95, 128).

Diese Erwägungen des Bundesgerichtshofs gelten erst recht für den vorliegenden Fall. Dieser ist durch die Besonderheit geprägt, dass nicht schon die Vorleistung allein zu dem Schaden geführt hat und die Beklagte nicht allein deshalb haftet, weil sie ihre Bedenkenhinweispflicht nicht erfüllt hat. Denn die Beklagte (bzw. der von ihr eingesetzte Nachunternehmer) hätte den Schaden ohne weiteres dadurch vermeiden können, dass er die Hüllrohre nicht vor dem Spachteln abgeschnitten hätte. Erst hierdurch hat die Beklagte die entscheidende Ursache für den Schaden gesetzt, weil durch das Abschneiden der Hüllrohre Spachtelmasse einlaufen konnte. Der von der Beklagten angeführte „Mangel“ des Werks des Vorunternehmers hat also erst durch ihren Eingriff in das Vorgewerk zu einer Gefährdung geführt, deren Realisierung die Beklagte überdies immer noch durch größere Sorgfalt bei der Verarbeitung der Spachtelmasse hätte abwenden können. Die entscheidende Ursache für die Haftung der Beklagten ist also nicht die (vermeintlich) mangelhafte Vorleistung des Heizungsbauers, sondern die eigene fehlerhafte Ausführung der Beklagten. Bei sorgfältiger Ausführung der Beklagten wäre es nicht zu dem Schaden gekommen, durch das „Stehenlassen“ der die Estrichoberfläche überragenden Hüllrohre hätte der Schaden ohne weiteres vermieden werden können. Wenn der Klägerin aber ein Mitverschulden schon in dem Fall nicht zugerechnet werden könnte, dass die von ihr in Auftrag gegebene Vorleistung entscheidende Ursache des Mangels wäre, dann kann es ihr erst recht nicht als Mitverschulden zugerechnet werden, dass die konkrete Ausführung der Vorleistung zwar zu dem Schaden kausal beigetragen haben mag, die Beklagte aber den Schaden durch sorgfältige Verarbeitung und Unterlassung eines Eingriffs in das Vorgewerk hätte vermeiden können.

Zudem wird die Zurechnung eines Mitverschuldens durch den Schutzzweck der Norm begrenzt. Die Anwendung von § 254 BGB setzt voraus, dass die von dem Geschädigten verletzte Pflicht oder Obliegenheit den Zweck hat, Schäden wie den eingetretenen zu verhindern. So liegt der Fall hier nicht. Die Hüllrohre dienen der Isolierung der Rohre zur Verminderung von Wärmeverlusten und sie verhindern, dass Einflüsse von außen (z. B. Feuchtigkeit im Estrich) auf die Heizungsrohre einwirken. Keine Anhaltspunkte sind dafür ersichtlich, dass die Hüllrohre dazu dienen sollen, die Schäden abzuwehren, die sich aus dem Einläufen der Spachtelmasse (die in der Viskosität mit Motoröl vergleichbar ist) ergeben. Wie bereits dargelegt hätten auch mit den vorhandenen Hüllrohren die Estricharbeiten ohne weiteres ohne Beschädigung der Rohre ausgeführt werden können. Auch darin zeigt sich, dass der der Klägerin vorgeworfene Mangel des Vorgewerks mit dem Schaden nicht im Zusammenhang steht.

3. Zu Unrecht hat das Landgericht Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen. Der der Klägerin zugesprochene Schadensersatzanspruch ist keine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Berufung hat allein wegen einer Nebenforderung Erfolg. Danach sind trotz teilweisen Obsiegens die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Grundsätzliche Fragen standen nicht zur Entscheidung an. Zwar wird mittlerweile in Frage gestellt, ob an der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sich der Besteller Fehler des vorhergehend tätigen Unternehmers im Verhältnis zu dem nachfolgenden Unternehmer nicht als Mitverschulden zurechnen muss, festzuhalten ist (vgl. Krause-Allenstein, in: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 28.07.2015, § 634 Rz. 105). Um diese allgemeine Rechtsfrage geht es hier jedoch nicht. Sie bezieht sich auf den Fall, dass das Werk wegen eines Mangels des vorhergehend tätigen Unternehmers mangelhaft ist und der nachfolgende Unternehmer haftet, weil die Voraussetzungen seiner Haftungsbefreiung durch Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht vorliegen. Damit ist die hier vorliegende Fallgestaltung, in der die Beklagte als nachfolgender Unternehmer erst die entscheidende Ursache des Schadens gesetzt hat, nicht vergleichbar.

Berufungsstreitwert: 118.635,46 EUR.

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