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Immobilienherausgabe gegen  Bauträger im einstweiligen Verfügungsverfahren

In der Immobilienbranche treten häufig Konflikte auf, die juristische Interventionen erforderlich machen. Besonders im Zusammenhang mit Bauträgerprojekten ergibt sich oft die Notwendigkeit, rechtliche Klärungen herbeizuführen. Ein zentraler Aspekt solcher Auseinandersetzungen betrifft die Immobilienherausgabe, insbesondere wenn Verzögerungen bei der Fertigstellung und Übergabe von Immobilien auftreten. Der Kern des Problems liegt häufig in der Frage, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zeitpunkt die Besitzeinräumung einer Immobilie durch den Bauträger an den Erwerber erfolgen soll.

Vertragliche Vereinbarungen, wie der Bauträgerkaufvertrag, enthalten oft Bestimmungen zur Bezugsfertigkeit und den damit verbundenen Zahlungsverpflichtungen. In Fällen, in denen diese Vereinbarungen nicht eingehalten werden, können Streitigkeiten entstehen, die gerichtlich geklärt werden müssen. Dabei spielen die Bestimmungen des Baurechts und die jeweilige Vertragsgestaltung eine entscheidende Rolle. Ebenso können Fragen der Sicherheitsleistung und Schadensersatzansprüche infolge von Verzögerungen wichtige juristische Punkte in solchen Verfahren darstellen.

Diese Aspekte spiegeln sich oft in einstweiligen Verfügungsverfahren wider, in denen eine schnelle gerichtliche Entscheidung gefordert ist, um weiteren Schaden für die beteiligten Parteien zu verhindern. Solche Verfahren sind nicht nur für die unmittelbar Beteiligten von Bedeutung, sondern bieten auch wichtige Präzedenzfälle für ähnliche Konstellationen im Baurecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 O 209/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Landgericht Frankenthal entschied, dass der Verfügungsbeklagte, ein Bauträger, verpflichtet ist, den Verfügungsklägern eine Immobilie gegen eine abschließende Zahlung von 420,00 Euro herauszugeben. Dieser Fall beleuchtet wichtige Aspekte des Baurechts und zeigt die Bedeutung von Bauträgerkaufverträgen und den damit verbundenen Verpflichtungen.

Liste der zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Anspruch auf Immobilienherausgabe: Das Gericht wies den Bauträger an, die Immobilie an die Käufer herauszugeben, nachdem die vertraglichen Bedingungen größtenteils erfüllt wurden.
  2. Bauträgerkaufvertrag: Der Vertrag regelte die Bedingungen zur Bezugsfertigkeit und Zahlungsmodalitäten der Immobilie.
  3. Verzögerung bei der Immobilienübergabe: Trotz der Zusage einer termingerechten Fertigstellung kam es zu Verzögerungen, was zu finanziellen Belastungen für die Käufer führte.
  4. Sicherheitsleistung und Einbehalt: Die Verfügungskläger konnten einen Sicherungseinbehalt von 5 % des Kaufpreises geltend machen, basierend auf der vertraglichen Vereinbarung.
  5. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen: Die Verfügungskläger erhielten ein Schadensersatzrecht wegen verspäteter Fertigstellung der Immobilie.
  6. Gutschrift für Eigenleistungen: Den Verfügungsklägern wurde eine Gutschrift für ihre Eigenleistungen gewährt, die bei der Endabrechnung berücksichtigt wurde.
  7. Einstweilige Verfügung: Die Entscheidung des Gerichts basierte auf einer einstweiligen Verfügung, die schnelles Handeln zur Lösung des Konflikts ermöglichte.
  8. Übernahme der Prozesskosten: Die Verfügungsbeklagte wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verurteilt, was die Bedeutung der Einhaltung von Bauträgerverträgen unterstreicht.

Der Streit um die Herausgabe einer Immobilie im Baurecht

Im Mittelpunkt des aktuellen Rechtsstreits am Landgericht Frankenthal steht die Herausforderung der Immobilienherausgabe gegen einen Bauträger im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens. Die Verfügungskläger, eine Familie, schlossen am 26. Oktober 2021 einen Bauträgerkaufvertrag über ein Einfamilienhaus. Die Verfügungsbeklagte, der Bauträger, verpflichtete sich darin, die Immobilie bis spätestens 15 Monate nach Baubeginn bezugsfertig zu machen. Trotz einer zugesagten Bezugsfertigkeit bis zum 31. März 2023, musste die Familie bislang in einem Hotel leben, da die Übergabe der Immobilie ausstand.

Verzögerungen und finanzielle Belastungen

Die Verfügungskläger leisteten gemäß dem Vertrag eine Gesamtzahlung von 906.000 Euro in sieben Raten, von denen sechs Raten, insgesamt 859.200,67 Euro, bereits gestellt wurden. Die Familie zahlte bislang 788.190,00 Euro. Durch den Verzug in der Fertigstellung der Immobilie und die daraus resultierende Notwendigkeit, in einem Hotel zu wohnen, entstanden ihnen zusätzliche Kosten von monatlich 4.800 Euro. Dies führte zu einer erheblichen Belastung der familiären Situation.

Kernpunkte des Rechtsstreits und Entscheidungsgrundlagen

Im Zentrum des Rechtsstreits standen die Fragen der Bezugsfertigkeit, die Einräumung des Besitzes und die finanziellen Verpflichtungen der Parteien. Der Bauträgerkaufvertrag beinhaltete Klauseln zur Sicherheit in Höhe von 5 % des Kaufpreises und Regelungen zur Besitzübergabe, die nach Abnahme und Mängelbeseitigungsarbeiten erfolgen sollte. Die Verfügungskläger machten glaubhaft, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen nahezu vollständig erfüllt hatten und beanspruchten einen Sicherungseinbehalt sowie Schadensersatz für die verspätete Fertigstellung.

Urteil und dessen Begründung

Das LG Frankenthal erkannte an, dass der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben wird, den Verfügungsklägern die Immobilie gegen die Zahlung weiterer 420,00 Euro herauszugeben. Es wurde festgestellt, dass die Verfügungskläger einen Anspruch auf Einräumung des Besitzes hatten und ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllt waren. Die Verfügungsbeklagte konnte sich nicht auf eine fehlende Bezugsfertigkeit oder auf den § 10 des Bauträgerkaufvertrags berufen. Die Entscheidung basierte auf der Abwägung der Vertragsklauseln, des bisherigen Zahlungsverhaltens der Verfügungskläger und der Dringlichkeit der Besitzeinräumung für die Familie.

In diesem komplexen Fall spielten die Aspekte des Baurechts und des Bauträgerkaufvertrags eine entscheidende Rolle. Die Herausgabe der Immobilie und die damit verbundenen Verpflichtungen des Bauträgers und der Käufer wurden gründlich geprüft und führten zu einem Urteil, das die Interessen beider Parteien berücksichtigte und auf einer detaillierten Analyse der vertraglichen Vereinbarungen und der tatsächlichen Umstände basierte.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Unter welchen Voraussetzungen hat der Käufer einen Anspruch auf Übergabe und Besitzverschaffung durch den Verkäufer?

Der Käufer hat einen Anspruch auf Übergabe und Besitzverschaffung durch den Verkäufer, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Im deutschen Recht, insbesondere im Kaufvertrag nach BGB, sind diese Voraussetzungen wie folgt:

1. Einigung über den Eigentumsübergang: Die Parteien müssen sich über den Übergang des Eigentums an der Sache einigen.
2. Übergabe oder Übergabesurrogat: Die Übergabe ist die Übertragung des Besitzes auf den Erwerber. Der Veräußerer muss seinen bestehenden unmittelbaren oder mittelbaren Besitz vollständig aufgeben, und der Erwerber muss auf Veranlassung des Veräußerers unmittelbaren oder mittelbaren Besitz erwerben. Der Besitzerwerb richtet sich nach den §§ 854 ff. BGB. In bestimmten Fällen kann die Übergabe durch ein Übergabesurrogat ersetzt werden, wie z.B. durch die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses gemäß § 930 BGB oder durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 931 BGB.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen führt dazu, dass der Käufer einen Anspruch auf Übergabe und Besitzverschaffung durch den Verkäufer hat.


Das vorliegende Urteil

LG Frankenthal – Az.: 8 O 209/23 – Urteil vom 27.10.2023

In dem Rechtsstreit wegen Herausgabe hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2023 für Recht erkannt:

1. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungsklägern die Immobilie ### in ###, Flurstück Nr. ###, BV-Nr. ###, Zug um Zug gegen die Zahlung weiterer 420,00 Euro herauszugeben. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Besitzeinräumung an einem Einfamilienhaus.

Die Verfügungskläger schlossen mit der Verfügungsbeklagten 26.10.2021 einen vor dem Notar Dr. ### unter der Urkundenrollen-Nummer ### beurkundeten Bauträgerkaufvertrag über die Immobilie mit der Anschrift ### in ###. Darin verpflichtete sich die Verfügungsbeklagte die Immobilie bezugsfertig bis spätestens 15 Monate nach Baubeginn herzustellen.

Mit Schreiben vom 31.1.2022 sagte die Verfügungsbeklagte eine Bezugsfertigkeit bis 31.3.2023 zu.

Nach § 4 des Bauträgerkaufvertrags verpflichteten sich die Verfügungskläger zur Zahlung eines pauschalen Entgelts in Höhe von insgesamt 906.000,00 Euro, das gemäß § 6 des Vertrags in insgesamt sieben Raten fällig werden sollte (Bl. 20 der Akte). Dabei sollte die sechste Rate „nach Bezugsfertigkeit, Zug um Zug gegen Besitzübergabe und für die Fassadenarbeiten“ und die siebte Rate „nach vollständiger Fertigstellung“ fällig werden.

§ 5 des Bauträgerkaufvertrages enthielt eine Regelung, wonach der Verkäufer dem Käufer spätestens mit Anforderung des Kaufpreises eine Sicherheit in Höhe von 5 % des Kaufpreises zu stellen hat oder alternativ einen Einbehalt in gleicher Höhe von der ersten Rate gewähren muss.

§ 10 des Bauträgerkaufvertrags enthielt den folgenden Passus:

„Die Besitzübergabe erfolgt nach Abnahme und nach Durchführung der Nachhol- und Ausbesserungsarbeiten, vorausgesetzt, der Käufer hat seine bis dahin fälligen Zahlungsverpflichtungen dem Verkäufer gegenüber erfüllt oder erfüllt diese Zug um Zug mit Besitzübergabe.“

Wegen Eigenleistungen der Verfügungskläger erhielten diese eine Gutschrift in Höhe von 12.000,00 Euro. Bislang stellte die Verfügungsbeklagte sechs Raten, zuletzt die Bezugsfertigkeitsrate mit Rechnung vom 28.8.2023, in Rechnung. Diese Rechnungen belaufen sich auf insgesamt 859.200,67 Euro. Auf die Rechnungen der Verfügungsbeklagten zahlten die Verfügungskläger bislang in Summe 788.190,00 Euro. Die Verfügungsbeklagte räumte ihnen bislang nicht den Besitz an der Immobilie ein. Die Verfügungskläger verkauften das von ihnen zuvor bewohnte Einfamilienhaus und mussten dieses zum 1.4.2023 räumen. Seither wohnten die Verfügungskläger mit ihren beiden Kindern in einem Hotel. Hierdurch entstanden ihnen monatliche Kosten in Höhe von 4.800,00 Euro. Die Wohnsituation führte zu einer erheblichen Belastung der familiären Situation der Verfügungskläger. Mit Schreiben vom 1.10.2023 forderten die Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Übergabe des Hauses bis 5.10.2023, 12:00 Uhr, auf.

Die Verfügungskläger tragen vor, die derzeit fälligen Forderungen der Verfügungsbeklagten vollständig bezahlt zu haben.

Die Verfügungskläger beantragen, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den Verfügungsklägern die Immobilie ###, Flurstück Nr. ###, BV-Nr. ###, herauszugeben, hilfsweise, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den Verfügungsklägern die Immobilie ###, Flurstück Nr. ###, BV-Nr. ###, Zug um Zug gegen die Zahlung weiterer höchstens 10.020,00 Euro herauszugeben.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, am 18.3.2022 sei für ein Dachflächenfenster ein Nachtrag in Höhe von 2.688,00 Euro und am 5.5.2023 für einen Anhydritestrich ein Nachtrag in Höhe von 1.190,77 Euro vereinbart worden. Baubeginn sei der 4.2.2022 gewesen. Daher sei angesichts der vereinbarten Bauzeit von 15 Monaten die Bezugsfertigkeit erst zum 4.5.2023 herzustellen gewesen. Sie meint, der Antrag der Verfügungskläger sei nicht schlüssig, da aus diesem nicht klar hervorgehe, ob aus deren Sicht nun Bezugsfertigkeit vorliege oder nicht. Eine Sicherheit sei nicht zu leisten, da eine solche in der MaBV für Bauträgerverträge nicht vorgesehen sei. Zudem hätten die Verfügungskläger die Dringlichkeit ihres Verfügungsantrags nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht. Die Verfügungskläger seien ihrer Pflicht zur Schadensminderung nicht hinreichend nachgekommen.

Im Termin vom 26.10.2023 hat die Verfügungsbeklagte erklärt, den Herausgabeanspruch Zug um Zug gegen Zahlung von 15.820,00 Euro anzuerkennen.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die Verfügungskläger haben einen Anspruch auf Einräumung des Besitzes an der streitgegenständlichen Immobilie, Zug um Zug gegen Zahlung von 420,00 Euro.

Das angerufene Gericht ist sachlich und örtlich zuständig, §§ 29, 937 ZPO.

Der Antrag ist begründet. Die Verfügungskläger haben einen Verfügungsgrund und einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.

A.

Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem Bauträgerkaufvertrag i.V.m. § 632a Abs. 3 BGB. § 6 des Bauträgerkaufvertrags regelt hinsichtlich der Fälligkeit der Bezugsfertigkeitsrate, dass diese Zug um Zug gegen die Besitzübergabe zu zahlen ist. Auch auf der betreffenden Rechnung selbst findet sich die Formulierung „Zug um Zug gegen Besitzübergabe“.

Der Antrag ist schlüssig. Mit Schriftsatz vom 24.10.2023 haben die Verfügungskläger klargestellt, dass sie die Bezugsfertigkeit anerkennen. Die Verfügungsbeklagte beruft sich selbst auf die Bezugsfertigkeit, schließlich hat sie auch die entsprechende Rate in Rechnung gestellt. Sie kann sich daher auch nicht auf eine etwaig fehlende Bezugsfertigkeit berufen.

Die Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht auf § 10 des Bauträgerkaufvertrags berufen. Der Anspruch auf Besitzverschaffung würde sonst auf den spätmöglichsten Zeitpunkt, nämlich den Abschluss von Mängelbeseitigungsarbeiten, verlagert werden. Daher mag es vorliegend auch dahinstehen, ob es im Einzelfall zulässig sein kann, die Besitzübergabe an die Abnahme zu koppeln. Jedenfalls die Verknüpfung der Besitzübergabe mit der vollständigen Mängelbeseitigung würde der Verfügungsbeklagten eine derart starke Position verschaffen, dass die Verfügungskläger über alle Maßen benachteiligt würden. Die Verfügungsbeklagte als Verwenderin kann sich daher nicht auf die Bestimmung in § 10 des Bauträgerkaufvertrags berufen, §§ 307 Abs. 1, 242 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

Die Verfügungskläger haben glaubhaft gemacht, die von ihnen gegenwärtig geschuldeten Zahlungen nahezu vollständig geleistet zu haben. Ausgehend von einem Kaufpreis von 906.000,00 Euro können die Verfügungskläger einen Sicherungseinbehalt von 5 % beziehungsweise 45.300,00 Euro, sowie die Fertigstellungsrate in Höhe von 3,5 % beziehungsweise 31.290,00 Euro, einbehalten. Darüber hinaus steht den Verfügungsklägern ein Schadensersatzanspruch in Höhe 28.800,00 Euro zu.

Sie können sich zudem auf die unstreitig gewährte Gutschrift in Höhe von 12.000,00 Euro berufen. Im Hinblick auf die unstreitig geleisteten Zahlungen von insgesamt 788.190,00 Euro steht der Verfügungsbeklagten somit derzeit noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 420,00 Euro zu, den sie der geforderten Besitzübergabe entgegenhalten kann.

1. Die Verfügungskläger können den Sicherungseinbehalt in Höhe von 5 % geltend machen. Dies ergibt sich aus der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen notariellen Vereinbarung in § 5 des Bauträgerkaufvertrags. Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte den Verfügungsklägern nicht ausdrücklich gestattet hat, von der ersten Rate den Einbehalt abzuziehen, steht einer späteren Geltendmachung durch die Verfügungskläger nicht entgegen. Zudem kann dahinstehen, ob, wie die Verfügungsbeklagte meint, die Bestimmung des Bauträgerkaufvertrags gegen die Vorschriften der MaBV verstößt. Jedenfalls läge hierin kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB, der auf den Bauträgerkaufvertrag durchschlagen würde. Auch ein Verstoß gegen ein etwa in der MaBV normiertes gesetzliches Leitbild würde nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da die Verfügungsbeklagte sich auch insoweit nicht auf eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle berufen könnte (vgl. oben).

Der Sicherungseinbehalt ist vorliegend trotz der gewährten Gutschrift aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis von 906.000,00 Euro zu bemessen. Die Parteien haben für den Fall einer Gutschrift im Bauträgerkaufvertrag keine ausdrückliche Bestimmung zur Anpassung der Sicherheit getroffen. Auch das Gesetz sieht hierzu keine ausdrückliche Regelung vor. § 650m Abs. 3 BGB bestimmt aber (nur) für der Fall einer Erhöhung der Gesamtvergütung um mehr als 10%, dass die Sicherheit entsprechend anzupassen ist. Im Wege der Analogie gilt dabei aber für den Fall der Verringerung des Kaufpreises, dass auch die Sicherheit erst ab einer Abweichung von mehr als 10% – vorliegend also mehr als 90.600,00 Euro – zu verringern ist (BeckOGK/Mundt, 1.10.2023, BGB § 650m Rn. 41). Hätte die Verfügungsbeklagte, wie vertraglich geschuldet, bereits zu Vertragsbeginn die Sicherheit gewährt, hätte diese sich schließlich auch an dem Betrag von 906.000,00 Euro bemessen.

2. Darüber hinaus haben die Verfügungskläger auch einen Schadensersatzanspruch wegen der verspäteten Fertigstellung der Immobilie in Höhe von 28.800,00 Euro nebst einem entsprechenden Zurückbehaltungsrecht glaubhaft gemacht. Bei vertraglichen Ansprüchen des einen Teils und aus dem Vertrag erwachsenen Schadensersatzansprüchen des anderen Teils besteht die für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB erforderliche Konnexität (MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl. 2022, BGB § 273 Rn. 24).

Der Schadenersatzanspruch ergibt sich vorliegend aus §§ 280, 286 BGB. Die Verfügungskläger konnten darauf vertrauen, Anfang April in die Immobilie einzuziehen. Dies wurde ihnen seitens der Verfügungsbeklagten am 31.1.2022 zugesichert und die Zusicherung im Prozess durch Vorlage eines entsprechenden Scans (Anlage AS 1b) glaubhaft gemacht. Für die Monate April bis September 2023 ist den Verfügungsklägern ein Schaden in Höhe von 28.800,00 Euro entstanden, den diese durch Vorlage mehrerer Rechnungen (Anlage AS 11) und die eidesstattliche Versicherung (Anlage AS 15) glaubhaft gemacht haben. Dabei war es für eine Glaubhaftmachung – anders als beim Strengbeweis in einem etwaigen Hauptsacheverfahren – angesichts der eidesstattlichen Versicherung nicht erforderlich, Hotelrechnungen für jeden Monat des Verzugs vorzulegen.

Soweit die Verfügungsbeklagte meint, die Verfügungskläger seien ihrer Schadensminderungspflicht nicht hinreichend nachgekommen, da das von ihnen gewählte Hotel preislich über Ferienwohnungen läge, dringen sie nicht durch. Insbesondere reicht die als Anlage 1 zum Schriftsatz vom 26.10.2023 vorgelegte Übersicht über Ferienwohnungen zur Glaubhaftmachung niedrigerer Marktpreise nicht aus. Aus dem Dokument ist weder ein Zeitraum ersichtlich, für den die darin ausgewiesenen Preise gelten sollen, noch wird erläutert woraus sich die in dem Ausdruck ausgewiesenen Rabatte ergeben. Das von der Verfügungsbeklagten für die Vergleichspreise herangezogene Internetportal „booking.com“ macht Rabatte beispielsweise auch von der Anzahl vergangener Buchungen des jeweiligen Kunden abhängig. Es ist daher nicht glaubhaft gemacht, dass die in dem vorgelegten Dokument ausgewiesenen Preise auch tatsächlich für die Verfügungskläger und im streitgegenständlichen Zeitraum angeboten worden wären.

Schließlich steht es dem Anspruch der Verfügungskläger auch nicht entgegen, dass diese, wie im Termin vom 26.10.2023 mitgeteilt, Monatspreise und nicht Tagespreise mit dem Hotel vereinbart haben. Es ist offenkundig, dass die Verfügungskläger nicht im Zeitpunkt der Besitzeinräumung unmittelbar in die Immobilie einziehen konnten. Daher ist es aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden, sondern belegt vielmehr deren Willen zur Schadensminderung, dass die Verfügungskläger die Hotelzimmer in Erwartung einer Besitzeinräumung am 19.4.2023 zum günstigeren Monatspreis anmieteten, zumal so ein entsprechender Puffer von eineinhalb Wochen für die Grundreinigung des Neubaus und den anschließenden Umzug ermöglicht wurde. Für diesen Zeitraum ab dem 19.4.2023 hätte die Verfügungsbeklagte nicht aufkommen müssen, hätte sie die Immobilie zu diesem Zeitpunkt wie angekündigt bereitgestellt.

Soweit die Verfügungsbeklagte meint, die Verfügungskläger hätten mit den Käufern ihrer vorherigen Immobilie eine Lösung für einen späteren Auszug finden oder dies zumindest versuchen müssen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Verfügungsbeklagte noch mit Schreiben vom 31.1.2023 selbst nur von einer kurzen Verzögerung der Bezugsfertigkeit bis 19.4.2023 ausgegangen ist. Vor diesem Hintergrund, also der Erwartung eines baldigen Einzugs und in der Vorbereitung eines baldigen Umzugs, waren den Verfügungsklägern keine weiteren Schritte im Hinblick auf die Schadensminderung zumutbar.

3. Soweit die Verfügungsbeklagte Nachträge behauptet, die zu einer Erhöhung des Kaufpreises führen sollen, sind diese nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr insoweit vorgelegte Anlage AGV 2 (Bl. 174) enthält lediglich interne Korrespondenz zwischen der Verfügungsbeklagten und deren Prozessbevollmächtigten. Demgegenüber haben die Verfügungskläger zwar bislang auch die Rechnungen beglichen, in denen entsprechende Nachträge berücksichtigt waren. Dieser Umstand reicht aber noch nicht aus, um eine entsprechende Vereinbarung entsprechend überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen, § 294 ZPO. Im Termin vom 26.10.2023 hat die Antragsgegnerin zudem erklärt, dass eine Beurkundung der von ihr behaupteten Nachträge nicht erfolgt sei.

4. Schließlich wurde den Verfügungsklägern unstreitig eine Gutschrift in Höhe von 12.000,00 Euro gewährt. Diese ist bei der Bestimmung der verfügungsklägerseitigen Zahlungspflichten entsprechend zu berücksichtigen. Die Gutschrift, die hier aufgrund von Eigenleistungen der Verfügungskläger erfolgte, bedarf auch keiner separaten Beurkundung, § 311b BGB. Eine entsprechende Bestimmung, welche die Verfügungskläger zur Erbringung solcher Leistungen berechtigt ist bereits in § 7 des Bauträgerkaufvertrags enthalten. Auch die diesbezüglichen Auswirkungen auf den Kaufpreis werden in der Regelung entsprechend berücksichtigt, da für den Fall dass solche Eigenleistungen doch durch die Verfügungsbeklagte erbracht werden, eine entsprechende Berücksichtigung beim Kaufpreis ausdrücklich geregelt ist.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist daher noch auszuführen, dass es der Verfügungsbeklagten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch dann verwehrt wäre sich auf eine Formunwirksamkeit der Eigenleistungsabrede zu berufen, wenn diese separat zu beurkunden wäre. Die Geltendmachung der Nichtigkeit ist dabei gemäß § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt selbstwidersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen, wenn der Unternehmer in Kenntnis der die Nichtigkeit begründenden Umstände den Vertrag durchgeführt und seine Bauleistung erbracht (Kleine-Möller/Merl/Glöckner, PrivBauR-HdB, § 4. Der Bauträgervertrag Rn. 81d,) beziehungsweise hier die betreffende Gutschrift unstreitig gewährt hat. Die höchstrichterliche Rechtsprechung billigt zudem mündliche Änderungsvereinbarungen, die der Behebung von unerwarteten Abwicklungsschwierigkeiten des formpflichtigen Geschäfts dienen und die gegenseitigen Leistungspflichten nicht wesentlich antasten (BeckOK BGB/Gehrlein, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 311b).

5. Die Fertigstellungsrate ist unstreitig nicht fällig. Diese bemisst sich aufgrund ihrer Natur als Restkaufpreisforderung nach dem um die Gutschrift von 12.000,00 Euro zu mindernden Kaufpreis von 894.000,00 Euro. Dies ergibt einen Zahlungsrückstand der Verfügungskläger von 420,00 Euro und ein insoweit bestehendes Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegnerin. Dem Antrag war demnach nur Zug um Zug gegen Zahlung dieses Betrags stattzugeben, § 322 Abs. 1 BGB. Im Übrigen war der Antrag zurückzuweisen.

B.

Die Verfügungskläger haben einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Es besteht ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig erkennbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerber einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.02.2021 – 4 W 56/20; KG, Urteil vom 20.08.2019 – 21 W 17/19 -). Dies ist bereits nach den vorstehenden Ausführungen zum Verfügungsanspruch der Fall. Darüber hinaus haben die Verfügungskläger vorliegend aber dargelegt und anhand der eidesstattlichen Versicherung auch glaubhaft gemacht, dass die familiäre Belastung – auch für die minderjährigen, schulpflichtigen Kinder der Verfügungskläger – aufgrund der andauernden Unterbringung im Hotel die Besitzeinweisung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich macht, § 940 ZPO.

C.

Demnach war entsprechend des HIlfsantrags die Verurteilung lediglich Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 420,00 Euro auszusprechen. Die Entscheidung beruht jedoch nicht auf dem Anerkenntnis mit Zug-um-Zug-Vorbehalt in Höhe von 15.820,00 Euro der Verfügungsbeklagten.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Auch das Anerkenntnis mit Zug-um-Zug-Vorbehalt rechtfertigt keine abweichende Kostenentscheidung, da die ausgeurteilte Zahlungspflicht von 420,00 Euro gegenüber dem Vorbehalt von 15.820,00 Euro nicht ins Gewicht fällt.

Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es vorliegend nicht. Diese ergibt sich im Fall der stattgebenden Verfügungsentscheidung aus der Natur der Sache.

Der Streitwert wird auf 302.000,00 Euro festgesetzt, §§ 6 ZPO, 53 GKG.

Da es vorliegend um den Besitz an der streitgegenständlichen Immobilie geht, ist deren objektive Verkehrswert maßgeblich (BeckOK ZPO/Wendtland, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 6 Rn. 8), welcher sich nach dem vereinbarten Erwerbspreis von 906.000 Euro bemisst. Abschläge oder noch nicht bezahlte Raten ändern an diesem Wert nichts. Von diesem Wert ist im Verfügungsverfahren aber nur ein Bruchteil anzusetzen, der regelmäßig auf 1/2?-1/3 des Gebührenstreitwerts der Hauptsache festzusetzen ist (BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 53 Rn. 3). Die Kammer hat demnach 1/3 des Kaufpreises in Ansatz gebracht, § 3 ZPO.

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