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Vergütungsanspruchs eines Generalunternehmers nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages

OLG München – Az.: 9 U 3990/10 – Urteil vom 24.05.2011

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2010, Az. 5 O 11854/98, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.272.571,64 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt auf Grund ihrer Schlussrechnung vom 04.08.1997 Restwerklohn in Höhe von 2.005.236,26 EUR, Vergütung für nicht erbrachte Arbeiten in Höhe von 213.936,06 EUR und Ersatz für die Kosten der Erstellung der Schlussrechnung in Höhe von 53.399,32 EUR. Durch Bauvertrag vom 13.09./14.09.1995 verpflichtete sich die Klägerin zur schlüsselfertigen Errichtung von ca. 270 Wohneinheiten und drei …-Häusern in S. (Berlin) zu einem Pauschalpreis Und unter Einbeziehung der VOB/B (Anlagen K 3, K 6, K 7, B 1, K 9, K 10). Nach der vorzeitigen Beendigung dieses Bauvertrages stellte die Klägerin Schlussrechnung. Ferner begehrte die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 13.09.1996. Die Beklagten begehrten widerklagend 2.579.737,86 EUR für Fertigstellungsmehrkosten, Mangelbeseitigungskosten und Vertragsstrafe.

Am 13.09.1996 kamen Vertreter der beiden Vertragsparteien zusammen und unterzeichneten folgende Erklärung (Anlage K 20, wörtlich):

„Herr D. erklärt, daß Firma S. keine weiteren vertraglichen Leistungen einschließlich Leistungen der Mängelbeseitigung erbringen wird, so lange nicht wenigstens die nach seiner Auffassung fälligen Abschlagsrechnungen Nr. 60 – 64 in Höhe von ca. DM 585.000,- beglichen sind. So lange wird er auch der Besetzungsrüge von D. nicht Folge leisten, D. erklärt daraufhin, daß sie hiermit den Vertrag gemäß § 8 Nr. 3, Abs. 1 VOB/B, kündigt. …“

Nach dem 13.09.1996 erbrachte die Klägerin im Wesentlichen keine Leistungen mehr für das Bauvorhaben.

Durch Urteil vom 27.07.2010 hat das Landgericht München I die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Bautenstand nachgewiesen, der einen Werklohnanspruch über die erfolgten Abschlagszahlungen hinaus begründen könnte. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ihr Geschäftsführer bei der Zusammenkunft am 13.09.1996 geschäftsunfähig gewesen sei. Die Kündigung vom 13.09.1996 sei als Kündigung aus wichtigem Grund wirksam, so dass keine Ansprüche auf Vergütung der nicht erbrachten Leistungen bestünden. Die Erstellung der Schlussrechnung sei Pflicht der Klägerin gewesen und nicht eigens zu vergüten. Die Widerklage sei unbegründet, weil auch insoweit der Bautenstand so unklar geblieben sei, dass keine Schätzung möglich sei. Die Vereinbarung der Vertragsstrafe verletze das AGBG und sei daher unwirksam.

Mit der zunächst vollumfänglich eingelegten und in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2011 teilweise zurückgenommenen Berufung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag erster Instanz weiter, der lautete:

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von 4.444.763,85 DM nebst 14,5 % Zinsen aus 300.000,- DM, 10 % Zinsen aus 1.200.000,– DM und 5 % Zinsen aus 2.944.763,85 DM jeweils seit 19.10.1997 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und hilfsweise (für den Fall der nicht vollständigen Berufungszurückweisung) mit der Anschlussberufung:

Auf die Anschlussberufung wird die Klägerin und Widerbeklagte in Abänderung des Urteils des Landgerichts München I verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin zu 2) 1.195.731,87 EUR zuzüglich 6 % Zinsen hieraus ab Zustellung der Widerklage mit Schriftsatz vom 03.09.1998 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 22.03.2011 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Auf die durchweg zutreffenden tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden ergänzenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 01.01.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).

1. Restwerklohnanspruch

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass ein zum Restwerklohnanspruch führender Bautenstand nicht nachgewiesen sei und ein verlässlicher Mindestwert nicht geschätzt werden könne.

Da nach dem 13.09.1996 die Beklagten das unfertige Bauvorhaben durch Drittfirmen fertig stellen ließen, konnte der Bautenstand bei Ende der Leistungen der Klägerin nicht mehr durch den Gerichtssachverständigen Sch. unmittelbar festgestellt werden. Vielmehr musste er auf Dokumentationen der Parteien zurückgreifen. Ausweislich seines schriftlichen Gutachtens vom 07.02.2002 und der 4 schriftlichen Ergänzungen dazu hat sich der Sachverständige mit den vorhandenen Quellen sorgfältig auseinandergesetzt, konnte aber dennoch keine sichere Erkenntnis erarbeiten.

Dies würdigt der von der Klägerin eingeschaltete Privatsachverständige A. K. im Ergebnis ebenso (vgl. seine Stellungnahme vom 18.04.2007, Seite 1; Anlage 2/1 zum Schriftsatz vom 20.04.2007).

Entgegen der Ansicht der Klägerin in der Berufungsbegründung ist die Begutachtung durch den Sachverständigen Sch. nicht fehlerhaft. Die in der Berufung genannten Dokumentationen haben Eingang in die Gutachten des Sachverständigen Sch. gefunden. Dieser hatte in seinem Gutachten vom 07.02.2002 das angeblich von Dr. A. stammende Protokoll vom 18.09.1996 (Anlage K 21) verwertet und ist dennoch nicht zu einem sicheren Ergebnis gekommen, Aus der Vernehmung des Zeugen Dr. A. vom 15.12.2009 folgt überzeugend, dass er dieses Protokoll nicht erstellt oder verantwortet hat. Soweit die Berufung unter Hinweis auf die Übereinstimmungen des vom Zeugen am 15.12.2009 übergebenen handschriftlichen Protokolls vom 13.09.1996 mit dem maschinenschriftlichen vom 18.09.1996 (Anlage K 21) die Berücksichtigung des letzteren erreichen will, ist dies im Gutachten Sch. vom 07.02.2002 bereits geschehen. Ein der Klägerin günstiges Ergebnis hat sich daraus aber nicht ergeben.

Der Senat ist jedoch – wie das Landgericht – wegen der unbekannten Herkunft des Protokolls vom 18.09.1996 (Anlage K 21) der Überzeugung, dass es der Begutachtung nicht zugrunde gelegt werden kann.

Auch die in der Berufung angeführten Berichte des Dipi.-Ing. R. und die Schlussrechnung vom 04.08.1997 samt Anlagenkonvolut (worauf die Klägerin im Schriftsatz vom 12.05.2011 nochmals hinweist) lagen dem Sachverständigen Sch. vor, der diese Unterlagen berücksichtigt hat.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 12.05.2011 gibt auch sonst keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Sollte das Landgericht seine Hinweispflicht verletzt haben, wäre der Hinweis den Urteilsgründen zu entnehmen und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist dazu vorzutragen gewesen. Die Berufungsbegründung erschüttert das angefochtene Urteil des Landgerichts jedoch nicht. Neues Vorbringen im Schriftsatz vom 12.05.2011 ist verspätet. Soweit die Klägerin in diesem Schriftsatz die Fälligkeit ihrer Teilrechnungen Nr. 60/96 bis Nr. 73/96 in Bezug auf den vertraglichen Zahlungsplan darlegt, kommt es darauf nicht entscheidend an. Denn nach der vorzeitigen Beendigung des Pauschalvertrages und dem Eintritt der Schlussrechnungsreife kommt es auf die Schlussrechnung an und für diese auf die erbrachten Massen. Letztere konnten sachverständig nicht festgestellt und zur vertraglichen Gesamtleistung ins Verhältnis gesetzt werden. Darin liegt kein Ausforschungsbeweis. Infolge der Schlussrechnungsreife kann die Klägerin auch nicht den von der Beklagten vorgenommenen Sicherheitseinbehalt der bezahlten Teilrechnungen gesondert verlangen. Vielmehr kommt es auf die Gesamtabrechnung an, die vorliegend nicht einmal schätzweise möglich ist.

Anlass zur Erholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO sieht der Senat auch in Anbetracht des Berufungsvorbringens nicht.

Somit ist kein die Abschlagszahlungen von 6.927.347,65 DM netto übersteigender Werklohnanspruch der Klägerin nachgewiesen und die Berufung insoweit unbegründet.

2. Vergütung für nicht erbrachte Leistungen

Auch insoweit ist die Berufung unbegründet. Dabei kann die rechtliche Bedeutung des beidseits am 13.09.1996 unterzeichneten Textes (Anlage K 20) offen bleiben.

Denn auch insoweit ist Ansatzpunkt der von der Klägerin erreichte Leistungsstand. Dieser kann nach den vorherigen Ausführungen nicht einmal schätzweise festgestellt werden. Daher kann nicht festgestellt werden, welche Leistungen die Klägerin nicht mehr erbracht hat.

3. Kosten der Rechnungserstellung

Selbst eine freie Kündigung ist keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung, sondern die Ausübung eines dem Auftraggeber nach § 8 Nr. 1 VOB/B zustehenden Rechts. Daher fehlt dem Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rechnungserstellung die Rechtsgrundlage.

III.

Die Hilfsanschlussberufung der Beklagten war nicht zu würdigen, weil die Bedingung eines mindestens teilweisen Erfolgs der Berufung nicht eingetreten ist.

IV.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 97, 516, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 63 Abs. 2, 45 Abs. 2, 47, 48 GKG. Da über die Hilfsanschlussberufung nicht verhandelt und nicht entschieden wurde, erhöht sie den Streitwert nicht (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1157).

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