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VOB-Vertrag-Kündigung aus wichtigem Grund

Leistungseinstellung wegen Schwierigkeiten

LG Dresden – Az.: 9 U 402/12 – Urteil vom 02.08.2012

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 07.02.2012, Az.: 3 O 1645/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 07.02.2012, Az.: 3 O 1645/11, und das Urteil des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem Urteil des Senates durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 266.838,44 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten nach Kündigung des die Parteien verbindenden VOB/B-Werkvertrages Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen i.H.v. 266.838,44 EUR.

Der Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zum Ersatz der ihm infolge der Kündigung entstandenen Mehrkosten, die er mit 45.856,37 € beziffert hat, zu verurteilen.

Die Klägerin beteiligte sich im Oktober 2008 an einer öffentlichen Ausschreibung des Beklagten zur Sedimentberäumung des E. im Stadtgebiet L.. Die Ausschreibungsunterlagen Vergabe Nr. 678/2008/60 sahen unter Ziffer 1 u.a. Folgendes vor: „Die Zwischenlagerung von geborgenem Sedimenten/Schlamm auf den Grundstücken ist wegen der Belastung der Sedimente und des zu geringen Platzdargebotes ausgeschlossen. Die geborgenen Sedimente sind auf direktem Wege in die Sedimentationsbeckenanlage G. zu transportieren. Die Verwertung der anfallenden Sedimente ist nicht Bestandteil der Ausschreibung und erfolgt gesondert.“ Des Weiteren heißt es unter Ziffer 5.1.4 zu „Sedimentzusammensetzung und Inhaltsstoffe: Die Beschaffenheit der Sedimente wurde im Rahmen einer Beprobung und Analyse im Juli 2008 bestimmt. Die Konsistenz der Massen hat eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung. Es muss gerechnet werden mit 1. hoher Anteil an Feinsubstrat, 2. teilweise sehr groben Kiesen, 3. hoher Anteil an Treibgutholz, 4. hoher Anteil an Hausmüll und 5. hoher Anteil an Grünmasse.“ Nach Ziffer 7 sollten die Beräumungsarbeiten am 15.12.2008 beginnen und bis zum 31.03.2009 abgeschlossen sein. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausschreibungsunterlagen nimmt der Senat auf die in Kopie als Anlage K1 vorgelegte Ausschreibungsunterlage Vergabe-Nr. 678/2008/60 Bezug.

Am 14.11.2008 fand ein Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A statt. Ausweislich Ziffer 6. der hierüber gefertigten Niederschrift erklärte die Klägerin auf die vorgegebene Frage, welche Technik für den Abtransport der Sedimente vorgesehen sei: „Gedichtete 4-Achser, vor jeder Fahrt werden die Heckklappen neu gedichtet! Zur Sicherheit werden die Container – LKW nur zur Hälfte (ca. 11 m³) befüllt!“ Wegen der weiteren Einzelheiten der Niederschrift über das Aufklärungsgespräch nimmt der Senat auf die Anlage K3 Bezug.

Am 10.12.2008 erfolgte die Beauftragung der Klägerin durch den Beklagten auf der Grundlage des Angebotes der Klägerin vom 10.11.2008 (Anlage K4).

In der Folge nahm die Klägerin die Arbeiten nicht auf. Statt dessen übersandte sie mit Schreiben vom 07.01.2009 (Anlage K6) eine Anzeige einer Baubehinderung aufgrund „der zur Zeit vorherrschenden Bedingungen (starker Frost)“.

Mit Schreiben vom 05.03.2009 (Anlage K7) forderte der von der Beklagten eingesetzte Projektingenieur D. die Klägerin auf, unverzüglich, spätestens bis zum 16.03.2009, mit den Arbeiten zu beginnen und bis zum 09.03.2009 einen Bauzeitenplan vorzulegen. Zur Begründung führte er aus, dass die von der Klägerin angezeigten hindernden Umstände zum Beginn der Beräumungstätigkeiten seit mindestens einer Kalenderwoche beseitigt seien.

Mit Schreiben vom 13.03.2009 (Anlage K8) zeigte die Klägerin dem Beklagten an, dass sie an diesem Tage mit Nassbaggerarbeiten begonnen und dabei festgestellt habe, dass das Baggergut zu fast 95 % aus feinen organischen Stoffen bestehe, was bedeute, dass der Feinschlamm nicht transportfähig sei. Sie kündigte zugleich an, den entnommenen Schlamm in einem Sammelbehälter, der über Entwässerungsmöglichkeiten verfüge, über das Wochenende lagern zu wollen, um ihn am kommenden Montag nochmal begutachten zu können.

Mit Fax vom 17.03.2009 (Anlage K9) forderte das den Beklagten vertretende Ingenieurbüro W. die Klägerin unter Bezugnahme auf eine am selben Tag stattgefundene gemeinsame Baukontrolle auf, „den vertragswidrigen Zustand der Vorentwässerung sofort, noch am heutigen Tage zu beenden, weil dadurch die Gefahr der Versickerung von belastetem Wasser in den Untergrund bestehe.“

Mit dem als Anlage K10 vorgelegten Schreiben vom 18.03.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie eine erste Schlammanalyse in Auftrag gegeben habe, weil die Inhaltsstoffe des Transportgutes vor der Fahrt bekannt sein müssten. Zugleich wies sie darauf hin, dass der Schlammtransport ohne eine Vorentwässerung aus ökonomischen Gründen nicht realisierbar sei.

Mit Schreiben ebenfalls vom 18.03.2009 (Anlage K11) wies der Beklagte die Baubehinderungsanzeige der Klägerin vom 13.03.2009 zurück und forderte sie auf, mit den Beräumungsarbeiten umgehend, spätestens bis zum 26.03.2009 zu beginnen. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist behielt sich der Beklagte eine Kündigung des Auftrages gemäß § 5 Nr. 4 und § 8 Nr. 3 VOB/B vor.

Mit Schreiben vom 31.03.2009 (Anlage K13) forderte der Beklagte die Klägerin letztmalig bis zum 15.04.2009 auf, die Beräumungsmaßnahmen aufzunehmen und die Transporttechnologie den vertraglichen Bedingungen anzupassen. Für den Fall der Nichterfüllung kündigte er den Entzug des Auftrages an.

Mit Schreiben vom 08.04.2009 (Anlage K16) präzisierte die Klägerin ihre Baubehinderungsanzeige vom 13.03.2009 dahingehend, dass sie dem Beklagten mitteilte, dass sie aus den Angaben in der Baubeschreibung davon habe ausgehen dürfen, dass bagger- und transportfähiges Material vorliege. Im Ergebnis einer von ihr eingeholten Analyse stehe nun aber fest, dass das Material als Dünnschlamm einzustufen sei und der TS-Gehalt 20,3 % betrage. Dieser sei nur mit Kesselfahrzeugen transportierbar.

Mit dem als Anlage K19 vorgelegten Schreiben vom 09.04.2009 wies der Beklagte die Behinderungsanzeige der Klägerin unter Hinweis darauf, dass bereits in der Baubeschreibung auf die Konsistenz des Sedimentes hingewiesen worden sei, zurück. Mit weiterem Schreiben vom 16.04.2009 kündigte der Beklagte den die Parteien verbindenden Vertrag mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf § 8 Nr. 3 (1) VOB/B aus, dass die Klägerin ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht bis zur gesetzten Frist vom 15.04.2009 erbracht habe und dass eine Entnahme, inkl. Abtransport der Sedimente, bisher nicht erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens nimmt der Senat auf die Anlage K22 Bezug.

Mit Fax vom 17.04.2009 (Anlage K23) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die von diesem ausgesprochene fristlose Kündigung unbegründet und damit unwirksam bzw. gegenstandslos sei und von ihr als sogenannte freie Kündigung gewertet werde. Am 07.05.2009 legte die Klägerin Rechnung über 33.827,41 EUR (Anlage K24), auf die der Beklagte eine als Schlusszahlung bezeichnete Zahlung i.H.v. 17.322,12 EUR leistete. Am 30.06.2009 legte die Klägerin weitere Rechnungen über im Dezember 2009 bis Mai 2010 erbrachte Leistungen und entgangenen Gewinn (Anlagenkonvolut K27).

Im Juli 2009 ließ der Beklagte neue Ausschreibungsunterlagen über die Sedimentberäumung des E. erstellen. In diesen heißt es unter Ziffer 5.3 unter anderem wie folgt: „Aufgrund der zu erwartenden flüssigen bis breiigen Konsistenz der Sedimente ist der Einsatz von wasserdichten und verschlossenen Containerfahrzeugen vorgeschrieben.“ Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Ausschreibungsunterlagen nimmt der Senat auf die Anlage K35 Bezug.

Am 30.08.2010 legte die Klägerin Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 266.838,44 €, die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildet.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung des Beklagten sei unwirksam gewesen, da der sie Unterzeichnende keine Vollmachtsurkunde vorgelegt hat. Darüber hinaus sei sie als freie Kündigung zu verstehen gewesen, da wichtige Gründe zur außerordentlichen Kündigung nicht vorgelegen hätten. Vielmehr seien die Ausschreibungsunterlagen hinsichtlich der Zusammensetzung des abzutransportierenden Materials nicht korrekt gewesen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sich die Klägerin nicht auf eine fehlende Vollmacht berufen könne. Im Übrigen sei er zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt gewesen, da weder Behinderungen noch eine unvollständige Leistungsbeschreibung vorgelegen hätten. Er hat behauptet, dass weder die Klägerin noch nachfolgende Bieter Fragen zur Zusammensetzung der zu beräumenden Sedimente gestellt oder fehlende Unterlagen gerügt hätten.

Das Landgericht hat am 03.11.2011 mündlich verhandelt. Am Ende der Sitzung hat es beschlossen und verkündet, dass die Klägerin Schriftsatznachlass bis zum 08.12.2011 bekomme und dem Beklagten nachgelassen werde, hierzu bis zum 12.01.2012 beim Landgericht Dresden eingehend Stellung zu nehmen.

Die Klägerin hat sodann mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2011 ausgeführt, dass sie parallel zu den in Streit stehenden Arbeiten mit der Sedimentberäumung im Spühlfeld M. beauftragt gewesen sei. Hierauf habe auch die als Anlage K3 vorgelegte Niederschrift zum Aufklärungsgespräch Bezug genommen. Deshalb habe sie davon ausgehen dürfen, dass bei gleichlautender Bezeichnung der beiden Baumaßnahmen auch von einem ähnlichen zu transportierenden Material auszugehen sei. Aus diesem Grund habe sie eine Technik angeboten, die für die Sedimentberäumung im Spühlfeld M. ausreichend gewesen sei. Die Problematik hinsichtlich des flüssigen Entnahmegutes im E. sei demgegenüber von den Parteien nicht gesehen worden. Dies belege auch die Tatsache, dass der Beklagte bei neuerlicher Ausschreibung der Arbeiten im Juli 2009 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass bei dem Transport Kesselcontainer in Einsatz zu bringen seien. Damit verhalte sich der Beklagte treuwidrig, wenn er nunmehr behaupte, dass seine Ausschreibungsunterlagen richtig gewesen seien. Auch weitere Änderungen in den Ausschreibungsunterlagen würden belegen, dass es sich bei dem Transportgut tatsächlich um gar kein Sediment gehandelt habe.

Schließlich hätte der Beklagte weitere Schadstoffuntersuchungen vornehmen lassen müssen.

Ferner belege die Niederschrift über das Aufklärungsgespräch vom 14.11.2008, dort unter Ziffer 4.6, dass die Parteien damals übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass gedichtete 4-Achser in Einsatz gebracht werden. Der Einsatz solcher Container sei aber für den Transport flüssigen Schlammes überhaupt nicht geeignet; hierfür müssten verschlossene Fahrzeuge eingesetzt werden, wie es der Beklagte nunmehr auch in den Auftragsunterlagen vom Juli 2009 vorschreibt.

Die Klägerin hat des Weiteren im vorgenannten Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um festzustellen, ob der Beklagte vor Ausschreibung eine korrekte Analyse der Sedimente vorgenommen habe, ob die Angaben in den Ausschreibungsunterlagen zu der Sedimentzusammensetzung ausreichend gewesen seien bzw. im Ergebnis der späteren Erkenntnisse die falsche Leistung beschrieben worden sei und ob durch die spätere Analyse des abzutransportierenden Materials ihre Baubehinderungsanzeige gerechtfertigt gewesen sei.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.01.2012 Widerklage auf Ersatz der ihm entstandenen Mehrkosten i.H.v. 45.856,37 EUR erhoben und im Übrigen seine bis dahin dargetane Ansicht vertieft. Den neuerlichen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2011 hat er in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 07.02.2012 die Widerklage von dem Verfahren abgetrennt und im Übrigen mit dem angegriffenen Urteil, auf das der Senat Bezug nimmt, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der von dem Beklagten ausgesprochenen Kündigung habe es sich um eine solche im Sinne des § 8 Abs. 3 VOB/B gehandelt, weil sich die Klägerin mit den Arbeiten in Verzug befunden habe. Denn es sei der Klägerin bewusst gewesen, dass es sich bei dem Aushub von Sedimenten aus einem Gewässer um organische Stoffe gehandelt habe und dass eine Vorentwässerung an Land nicht zulässig sei. Tatsächlich habe die Klägerin aber bis zum 31.03.2009 lediglich einen Container gestellt, der noch dazu an Land entwässert worden sei. Damit habe der Beklagte die Baubehinderungsanzeigen zu Recht zurückweisen dürfen.

Die Kündigung sei auch wirksam erklärt worden, da die Klägerin sie nicht unverzüglich wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurückgewiesen habe.

Schließlich sei auch die Leistungsbeschreibung ausreichend gewesen. Eine Angabe der Deponieklasse sei nicht erforderlich gewesen, weil die Klägerin die Sedimentaushube gar nicht habe verwerten sollen. Ferner entsprächen die Angaben den Vorgaben von 2.3 DIN 18311 und 2.2 der DIN 18311.

Darüber hinaus stehe dem geltend gemachten Anspruch entgegen, dass die in Streit stehende Rechnung vom 30.08.2010 nicht von dem Vorbehalt der Klägerin in der Rechnung vom 30.06.2009 erfasst sei. Schon deshalb stünden der Klägerin Ansprüche aus Zusatzrechnungen nicht zu.

Weil neue Sachanträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung unzulässig seien, sei das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 11.01.2012 bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen. Aus diesem Grunde habe es – das Landgericht – auch die Widerklage abgetrennt.

Gegen das der Klägerin am 13.02.2012 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 07.03.2012 per Fax beim Oberlandesgericht Dresden eingegangene Berufung, die sie mit einem am 13.04.2012 beim Oberlandesgericht Dresden per Fax eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten wie folgt begründet hat: Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht ihren Vortrag im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2011 nicht als unstreitig behandelt, obwohl es das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.01.2012 abgetrennt und damit unberücksichtigt gelassen habe. Im Übrigen habe der Beklagte im vorgenannten Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten eingeräumt, dass die Arbeiten nur durch eine andere Leistung, als in der Ausschreibung vom Oktober 2008 angenommen, und nur zu einem deutlich höheren Werklohn hätten erledigt werden können.

Darüber hinaus habe das Landgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen, das von beiden Parteien beantragte Sachverständigengutachten einzuholen. Nur durch Zuhilfenahme der entsprechenden Sachkunde hätte nämlich festgestellt werden können, ob die Ausschreibungsunterlagen richtig gewesen seien.

Ferner habe eine vom Landgericht erwähnte DIN 18311 zum Zeitpunkt des Abschlusses des die Parteien verbindenden Vertrages nicht mehr existiert.

Ebenfalls zu Unrecht habe das Landgericht die Widerklage abgetrennt. Vielmehr sei diese, da sie erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen sei, als unzulässig abzuweisen gewesen. Dies gelte vorliegend um so mehr, als mit der Erhebung der Widerklage neue Angriffs- und Verteidigungsmittel erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden seien und mithin verwirkt und verbraucht seien.

Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei der von dem Beklagten ausgesprochenen Kündigung aus vorgenannten Gründen um eine freie gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Dresden vom 07.02.2012, Az.: 3 O 1645/11, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 266.838,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass das Landgericht schon wegen der ihm mit Beschluss vom 03.11.2011 eingeräumten Schriftsatzfrist und trotz Abtrennung der Widerklage seinen Vortrag zur Klage habe berücksichtigen müssen.

Darüber hinaus vertritt er die Ansicht, dass die teilweise Modifizierung des späteren Ausschreibungstextes nicht den Rückschluss zulasse, dass der im Oktober 2008 gewählte Ausschreibungstext unzulänglich gewesen sei. Tatsächlich habe es dort weder Fehler noch Lücken in der Ausschreibung gegeben. Im Übrigen habe die Klägerin auch keinen konkreten Ausschreibungsfehler benannt. Weil es sich hierbei auch um eine Rechtsfrage handele, habe das Landgericht auch zu Recht davon Abstand genommen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den gesamten Akteninhalt Bezug.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Ansicht vertreten, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung für die Sedimentberäumung des E. in L. abzüglich ersparter Aufwendungen gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B nicht zustehe. Denn weil die Voraussetzungen des § 8 Nr. 3 VOB/B i.V.m. § 5 Nr. 4 VOB/B vorgelegen haben, war der Beklagte berechtigt, das die Parteien verbindende Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 16.04.2009 aus wichtigem Grund zu kündigen.

1. Die Klägerin hat den Beginn der Ausführungen der von ihr nach dem in Rede stehenden Bauvertrag geschuldeten Leistungen verzögert.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien in Ziffer 7 der Ausschreibungsunterlagen einen verbindlichen Anfangstermin für die Arbeiten vereinbart haben. Denn dass die Klägerin an dem dort genannten 15.12.2008 nicht mit den Beräumungsarbeiten begonnen hat, stellt keine Verzögerung des Ausführungsbeginnes i.S.d. § 5 Nr. 4 VOB/B dar. Vielmehr konnte sich die Klägerin auf eine Verlängerung der Ausführungsfrist gemäß § 6 Nr. 2 Abs. 1 Ziffer c VOB/B berufen, weil die Behinderung zunächst den Witterungsverhältnissen, insbesondere dem starken Frost, geschuldet war. Dies scheint auch der Beklagte nicht anders zu sehen.

Allerdings bestand dieser hindernde Umstand im Zeitpunkt der Kündigung am 16.04.2009 nicht mehr. Nach dem Inhalt des zur Akte gereichten Schriftverkehrs der Parteien war nämlich bereits Anfang März 2009 (vgl. Schreiben der Beklagten vom 05.03.2009, Anlage K7) das vorgenannte Hindernis entfallen. Damit traf die Klägerin nach § 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B die Pflicht, die Arbeiten ohne weiteres und unverzüglich aufzunehmen. Dem ist sie indes nicht nachgekommen, ohne dass sich die Klägerin auf eine weitere Verlängerung der Ausführungsfrist berufen könnte. Entgegen der von ihr vertretenen Ansicht war nämlich die Verzögerung des Beginns der Arbeiten nicht einem Umstand geschuldet, der aus dem Risikobereich des Beklagten stammt (vgl. § 6 Nr. 2 Abs. 1 Ziffer a VOB/B). Vielmehr waren die Ausschreibungsunterlagen in Bezug auf das nach dem Bauvertrag zu hebende und zu transportierende Gut hinreichend genau. Insbesondere haben sie dessen Konsistenz hinreichend deutlich gemacht.

Zur Überzeugung des Senates greift der Vorwurf der Klägerin, sie habe aus den Vertragsunterlagen und den übrigen Umständen nicht feststellen können, dass Flüssigkeiten transportiert werden sollen, was regelmäßig den Einsatz von Kesselcontainern erfordere, ebensowenig wie ihre Behauptung, den Parteien sei im Vorfeld des Vertragsschlusses nicht bekannt gewesen, dass vornehmlich Flüssigkeiten transportiert werden sollen. Zwar kann ihr insoweit Recht gegeben werden, dass die nach Kündigung des in Rede stehenden Vertrages von dem Beklagten erstellten Ausschreibungsunterlagen aus Juli 2009 unter Ziffer 5.3 nicht nur den Einsatz eines wasserdichten Containers – so die Ausschreibungsunterlagen aus Oktober 2008 -, sondern darüber hinaus geschlossene Container fordern. Dies für sich allein betrachtet führt indes nicht zu der Annahme, der Ausschreibungstext von Oktober 2008 sei unvollständig oder missverständlich gewesen. Im Gegenteil, gerade die Ausführungen unter Ziffern 5.1.4 und 5.3 der Ausschreibungsunterlagen aus Oktober 2008 haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass die zu transportierenden Sedimente – ungeachtet einer bautechnischen Definition – flüssig sein können. So können insbesondere die Formulierungen unter Ziffer 5.1.4 „Es muss gerechnet werden mit 1. hoher Anteil an Feinschlamm ….“ und Ziffer 5.3 „Aufgrund der zu erwartenden flüssigen bis breiigen Konsistenz der Sedimente ist der Einsatz von wasserdichten Containerfahrzeugen vorgeschrieben“ nicht anders verstanden werden, als dass Gegenstand des Auftrages auch der Transport von flüssigem Sedimentaushub sein sollte. Dies gilt vorliegend um so mehr, als die Klägerin ausweislich Ziffer 6. des Bietergespräches erklärt hatte, vor jeder Fahrt die Heckklappen neu zu dichten und die Container-LKW zur Sicherheit nur zur Hälfte befüllen zu wollen. Schließlich sollte die Klägerin nach Ziffer 5.6 der Niederschrift über ein Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A auch den Sedimentaushub vor dessen Transport von Festkörpern wie Unrat, Fremdstoffen, Müll, Holz u. s. w. bereinigen und es war ihr untersagt, eine Entwässerung des Sedimentaushubes vor Ort vorzunehmen. All diese Mitteilungen haben aber zur Überzeugung des Senats den unmissverständlichen Hinweis enthalten, dass es sich ggf. um flüssiges Transportgut handeln könne. Eine falsche oder unzureichende Ausschreibung kann die Klägerin mithin nicht geltend machen.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht etwa daraus, dass womöglich der zwischen den Parteien ebenfalls geschlossene Vertrag über die Sedimentberäumung des Spülbeckens M. eine andere Konsistenz des Transportgutes zum Inhalt gehabt hat. Angesichts des oben aufgezeigten, unmissverständlichen Wortlautes der dem in Streit stehenden Vertrages zugrundeliegenden Ausschreibungsunterlagen durfte die Klägerin keine hierzu in Widerspruch stehende Verbindung mit dem nach jenem Vertrag zu transportierenden Gut und dessen Konsistenz herstellen.

Entgegen der von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vertretenen Ansicht hat der Beklagte ihren diesbezüglichen Vortrag auch nicht unstreitig gestellt. Ungeachtet der konkreten Ausführungen des Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.01.2012 hat der Beklagte bereits auf Seiten 7 ff seiner Klageerwiderung (Bl. 32 ff d.A.) in Abrede gestellt, dass die dem Vertragsschluss vorausgegangenen Ausschreibungsunterlagen aus Oktober 2008 unzutreffend gewesen seien.

Weil es sich bei der Einschätzung der Deutlichkeit der Aussagen der Ausschreibungsunterlagen um eine Rechtsfrage handelt, war auch kein Sachverständigengutachten hierüber einzuholen.

2. Die Klägerin befand sich auch mit dem Beginn der ihr nach dem Vertrag obliegenden Arbeiten in Verzug, als der Beklagte ihr mit dem als Anlage K13 vorgelegten Schreiben vom 31.03.2009 eine letzte Nachfrist zur Arbeitsaufnahme bis zum 15.04.2009 gesetzt hat. Die verzugsbegründende Mahnung erfolgte mit Schreiben des von der Beklagten beauftragten Projektingenieurs D. vom 05.03.2009 (Anlage K7), in welchem er die Klägerin aufgefordert hatte, unverzüglich, spätestens bis zum 16.03.2009, mit den Arbeiten zu beginnen und einen Bauzeitenplan vorzulegen.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine Mahnung grundsätzlich erst nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen kann. Es ist jedoch zulässig, die Mahnung mit der die Fälligkeit begründenden Handlung, z.B. einen Leistungsabruf, zu verbinden (OLG Hamm, Urteil vom 23.04.2004, Az.: 26 U 130/03, m.w.N.; zitiert nach ibr-online). So liegt der Fall hier. Das Schreiben vom 05.03.2009 enthielt die unmissverständliche Aufforderung an die Klägerin, unverzüglich mit den Arbeiten zu beginnen.

3. Schließlich war auch die im Schreiben vom 31.03.2009 gesetzte Nachfrist zur Vertragserfüllung mit der Ankündigung der Auftragsentziehung für den Fall des fruchtlosen Ablaufs verbunden.

4. Diese Frist war auch angemessen. Zwar hat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2009 darauf hingewiesen, eine Schlammanalyse in Auftrag gegeben zu haben. Deren Ergebnis musste der Beklagte indes nicht erst abwarten. Denn dass das Transportgut eine flüssige Konsistenz aufweisen konnte, war der Klägerin aus vorgenannten Gründen schon aus der Ausschreibung bekannt. Dies gilt auch in Bezug auf eine mögliche Belastung des Transportgutes. Schließlich hat Ziffer 1 der Ausschreibungsunterlagen eine Zwischenlagerung des Transportgutes auf den angrenzenden Grundstücken unter anderem mit dem Hinweis auf dessen Belastung untersagt.

5. Schließlich steht der Wirksamkeit der Kündigung auch nicht entgegen, dass dieser keine die Vollmacht des sie aussprechenden Vertreters der Beklagten ausweisende Urkunde beigelegen hat. Denn die Klägerin hat die fehlende Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht unverzüglich gerügt (vgl. § 174 Satz 1 BGB).

6. Letztlich kann sich die Klägerin vorliegend auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Landgericht die Widerklage rechtsfehlerhaft abgetrennt habe. Mit der Trennung ist die Widerklage Gegenstand eines gesonderten Verfahrens geworden. Der als verfahrensfehlerhaft beanstandete Gebrauch des § 145 ZPO wird mithin allenfalls in dem abgetrennten Verfahren zu prüfen sein.

7. Aus alle dem folgt, dass das Landgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Die Berufung ist folglich nicht begründet.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO.

Gemäß § 708 Nr. 10 ZPO waren das erstinstanzliche und das Urteil des Senates ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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