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Werklohnanspruch nach freier Kündigung des Pauschalpreisvertrages durch den Auftraggeber

OLG München – Az.: 9 U 2296/13 Bau – Urteil vom 28.01.2014

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.05.2013, Az.: 11 O 22016/07, werden zurückgewiesen. Die Zahlung in Höhe von 4.195,– € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.10.2006 hat die Beklagte jedoch nur Zug um Zug gegen Freigabe des auf dem Sperrkonto Nr. …84 bei der Volksbank R. eG befindlichen Betrages durch die Klägerin zu leisten.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 12 %. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 88 % sowie die Kosten der Nebenintervenientin ebenfalls zu 88 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.344,50 € festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt nach §§ 540Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Auf die Hinweise des Senats zu Protokoll vom 17.12.2013 wird zur Begründung Bezug genommen.

1. Die Beklagte hat jedenfalls stillschweigend auf die förmliche Abnahme der unstreitig vollständig erbrachten Leistungen der Klägerin für das Bauvorhaben R. in D. verzichtet (OLG München, Urteil vom 23.10.2012, Az.: 9 U 733/12 – zitiert nach Juris). Dies folgt schon aus dem Schreiben der Beklagten vom 31.05.2006 (Anlage K 4), mit dem die Beklagte ihre „Schlusszahlung“ durch beigefügten Verrechnungsscheck in einer bestimmten Höhe gegenüber der Klägerin begründete. Aus der Leistung einer Schlusszahlung folgt, dass der Leistende nicht eine vor der Abnahme etwa fällige Abschlagszahlung leisten wollte, sondern vielmehr einen nach der Abnahme sich ergebenden Schlusszahlungssaldo bedienen wollte (§§ 133, 157 BGB).

Darüber hinaus entsprach die mit Schreiben der Klägerin vom 12.06.2006 übermittelte Bürgschaft (Anlage K 1) der im Bauvertrag enthaltenen Sicherungsabrede (5 % der Nettoauftragssumme während der Gewährleistungszeit; Anlage K 2 a.E.). Ferner teilte am 18.08.2006 die Klägerin der Beklagten mit, dass die Restarbeiten fertiggestellt worden waren. Demzufolge bestand der streitgegenständliche Anspruch auf Auszahlung des Einbehalts von 2.000,– € für die noch fehlenden Malerarbeiten und den Sicherungseinbehalt in Höhe von 4.195,– €. In Konsequenz hiervon bewirkte das Schreiben der Klägerin vom 05.10.2006 (Anlage K 6) den Verzug der Beklagten.

Unstreitig hat die Beklagte die Bürgschaftsurkunde zurückgegeben und stattdessen den Sicherungseinbehalt auf ein Sperrkonto einbezahlt (Anlage B 20). Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt die Einzahlung auf das Sperrkonto keine Erfüllung dar (mit der Folge, dass die Klage insoweit abzuweisen wäre), sondern vielmehr eine andere Art der Sicherheitsleistung anstelle der Bürgschaft. Demzufolge kann die Klägerin Zahlung nur Zug um Zug gegen Freigabe der Sicherheit verlangen. Dies hat die Klägerin nie bestritten und unstreitig mehrmals angeboten, so dass die Einfügung des Zug-um-Zug-Ausspruchs keinen Teilerfolg der Berufung darstellt und keine Kostenfolge zugunsten der Beklagten auslöst.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in ihrer Kündigung vom 08.08.2006 (Anlage B 9) betreffend das Bauvorhaben W. in M. eine freie Kündigung und keine berechtigte Kündigung aus wichtigen Grund. Beauftragt wurde die Klägerin im Jahr 2006 mit dem Herstellen, Liefern und Montieren der kompletten funktionsfähigen Stahlkonstruktion einschließlich aller erforderlicher Leistungen für eine Auto-Ausstellungshalle. Zutreffend führt das Landgericht aus, im vorangegangenen Schreiben der Beklagten vom 28.07.2006 (Anlage B 7) sei keine ordnungsgemäße Fristsetzung zu sehen, weil dort eine im Kern völlig unzutreffend beschriebene Leistung der Klägerin angemahnt worden sei (vgl. wörtliches Zitat im LGU, Seite 10 unten, Seite 11 oben). Entgegen dem Berufungsangriff der Beklagten bestehen somit dem Grunde nach Ansprüche der Klägerin aus § 649 BGB. Bei dieser Sachlage ist auch nicht ersichtlich, dass das Landgericht das Schreiben der Klägerin vom 04.08.2006 (Anlage B 8) falsch ausgelegt hätte. Denn auch in diesem Schreiben hält die Beklagte an einer jeweils eigenen Standfestigkeit des Stahlbaus und des Stahlbetonbaus ohne gegenseitige Aussteifung fest.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Landgericht die Höhe des Anspruchs der Klägerin falsch bemessen hätte. Vielmehr hat die Klägerin ihren Anspruch ausreichend dargelegt, so dass die Darlegungs- und Beweislast für eine höhere Ersparnis oder einen böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb der Klägerin die Beklagte trifft (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 649 Rdnr. 11). Der Berufungsangriff der Beklagten stellt die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht substanziiert in Frage. Weiterer Beweis war und ist nicht zu erheben.

II.

Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die vom Landgericht vorgenommene Kürzung des von der Klägerin für das Bauvorhaben W. in M. geltend gemachten Anspruchs nach § 649 BGB für die durchweg nicht erbrachten Bauleistungen in Höhe von 2.291,66 € ist zutreffend (LGU Seite 14 Ziffer 4.). Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Pauschalierungsnachlass, den die Vertragsparteien ausgehend von einem Einheitspreisangebot der Klägerin vereinbart haben und so zu dem dann vereinbarten Pauschalpreis von 50.000,– € gelangt sind.

Mit der Anschlussberufung trägt die Klägerin vor, der Pauschalierungsnachlass sei nur vereinbart worden, weil sich die Klägerin dadurch die Kosten einer genauen Abrechnung nach Aufmaß erspart hätte. Diese Ersparnis sei nun infolge der nach § 649 BGB erforderlichen detaillierten Abrechnung für nicht erbrachte Leistungen nicht eingetreten und dadurch die Geschäftsgrundlage des Nachlasses weggefallen. Wie in ihrer Abrechnung (Anlage K 310) vorgesehen, stehe der Klägerin daher der Betrag zusätzlich zu.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dem vereinbarten Pauschalpreis für die Berechnung der Höhe des Anspruchs nach § 649 BGB, § 8 Nr. 1 VOB/B nicht einfach der Pauschalierungsnachlass wieder hinzugesetzt werden (so aber Ingenstau/Korbion/Vygen, VOB Teile A und B, 17. Aufl. 2010, § 8 Abs. 1 VOB/B Rdnr. 33). Denn der Preisnachlass kann auch auf anderen Ursachen beruhen, etwa auf einem in Betracht kommenden Konkurrenzangebot oder auf dem Bestreben, für künftige Geschäfte ein angenehmes Klima zu schaffen. Der Preisnachlass muss nicht allein auf ersparte Abrechnungskosten zurückgehen. Die Pauschalierungsvereinbarung hätte auch zu dem ursprünglichen, nicht gerundeten Einheitspreis erfolgen können. Eine Vermutung oder ein Anschein dahin, dass der Abrundungsbetrag bei der Pauschalierungsvereinbarung den kalkulierten Abrechnungskosten entspricht, besteht nicht. Demzufolge ist der Vergütungsanspruch ausgehend von dem vereinbarten Pauschalpreis von 50.000,– € zu berechnen.

Allerdings könnten Abrechnungskosten, die bei Durchführung des Vertrages nicht angefallen wären und nun als Konsequenz der freien Kündigung anfallen, die vom Vergütungsanspruch abzuziehende Ersparnis des Auftragnehmers mindern und dadurch seinen Vergütungsanspruch erhöhen (so Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, VOB Teile A und B, 4. Aufl. 2013, § 8 VOB/B Rdnr. 57). Insofern trifft die Klägerin nach den zu § 649 BGB entwickelten Grundsätzen die primäre Darlegungslast. Dieser ist sie nicht nachgekommen. Sie hat nicht dargelegt, welche zusätzlichen Abrechnungsleistungen sie erbringen musste und wie sie diese bewertet sehen will. Schon deshalb konnte ihre Anschlussberufung keinen Erfolg haben und konnte offen bleiben, ob die Abrechnungskosten rechtlich so berücksichtigt werden könnten. Denkbar erscheint auch, sie als Schaden einzuordnen, der möglicherweise – mangels Anspruchsgrundlage – nicht ersatzfähig ist.

III.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 97, 101,708 Nr. 19,711,713 ZPO.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Nebenintervention als zulässig anzusehen. Nach Streitverkündung der Klägerin im November 2009 unter Hinweis auf einen Nachunternehmerauftrag über planerische Leistungen erfolgte der Beitritt im Januar 2010. An der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2010 nahm die Nebenintervenientin durch ihren anwaltlichen Vertreter teil. Die Beklagte erhob in der mündlichen Verhandlung nicht die Rüge des mangelnden rechtlichen Interesses der Nebenintervenientin. Damit hat die Beklagte ihr Rügerecht verloren (§ 295 Abs. 1 ZPO).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 63Abs. 2, 45,47,48 GKG.

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