OLG München – Az.: 27 U 3945/11 Bau – Urteil vom 29.02.2012
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 01.09.2011 und das Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
2. Das Landgericht Augsburg hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Auf die Berufung der Klägerin ist das vorgenannte Endurteil und das Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht Augsburg zurückzuverweisen, nachdem beide Parteien die Zurückverweisung beantragt haben und das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme nötig ist (vgl. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin hat vorgetragen, den mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Werkvertrag (vgl. Anlagen B5, B7, B8) am 03.05.2011 (vgl. Anlage B56) gekündigt zu haben, nachdem Sicherheit am 12.04.2011 (Anlage B52) bis zum 25.04.2011 über den noch ausstehenden Restwerklohn nebst 10 % Nebenkosten begehrt worden war (vgl. Anlage B 52) und die Beklagte zu 1) die begehrte Sicherheit nicht geleistet hat. Mit diesem Sachvortrag hat sich das Landgericht ausweislich der Entscheidungsgründe nicht befaßt, denn es hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil die Leistung nicht abgenommen und auch nicht abnahmereif sei. Dieser rechtlichen Betrachtung liegt erkennbar lediglich die Würdigung des Tatsachenvortrags der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des § 631 Abs. 1 BGB zugrunde, wonach bei Vorliegen von Mängeln und fehlender Abnahme ein geltend gemachter Werklohnanspruch als derzeit unbegründet abzuweisen ist.
Hierbei wird jedoch übersehen, dass bei Vorliegen einer Kündigung infolge Nichtleistung einer gemäß § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB begehrten Sicherheit eine Abnahme entbehrlich ist. Der ursprüngliche Werkvertragsanspruch entfällt und der Werkunternehmer kann, hat er ordnungsgemäß gekündigt, die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen begehren. Dieser Anspruch ist von vorneherein gerichtet auf die Differenz zwischen der vereinbarten Vergütung, deren Höhe festzustellen ist, und den durch die Vertragsaufhebung ersparten Aufwendungen. Nachdem die Werkleistung der Klägerin beendet war, und es lediglich um die Frage der Nachbesserung behaupteter Mängel ging, belaufen sich die ersparten Aufwendungen auf den Betrag der von der Klägerin nach Kündigung nicht mehr durchzuführenden Nachbesserungsleistungen.
Entscheidend für den Anspruch gemäß § 648 a Abs. 5 Satz 2 BGB ist somit die Frage, ob die Klägerin berechtigt eine Kündigung ausgesprochen hat und ob ihre Werkleistung mangelhaft ist, so dass sie sich durch eine nicht mehr durchzuführende Nachbesserung tatsächlich Aufwendungen erspart hat.
Was die Berechtigung zur Kündigung angeht, ist es ein anerkannter Grundsatz der Rechtsprechung, dem der Senat folgt, dass ein Schuldner auch dann in Verzug geraten kann, wenn der Gläubiger, was jedoch hier noch ungeklärt ist, eine zu hohe Zahlung anmahnt. In einem solchen Fall kann der Schuldner die Voraussetzungen des Kündigungsrechts dadurch abwenden, dass er konkret die nach seiner Vorstellung angemessene Sicherheit leistet (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Auflage, RdNr. 329 m.w.N.; zur Problematik vgl. auch BGH, Baurecht 2001, 386). Im konkreten Fall hatte die Beklagte, die Zeit zur Rechnungsprüfung vom Ende des Jahres 2010 bis zum Fristablauf vom 25.04.2011 (Anlage B52) hatte, weder eine konkrete Sicherheitsleistung, die ihrer Auffassung nach der Höhe nach berechtigt war, angeboten, noch gar geleistet. Die Klägerin konnte somit den Werkvertrag kündigen mit der Folge der Berechtigung, den Anspruch im vorbeschriebenen Umfang geltend zu machen.
Was die ersparten Aufwendungen angeht, wird es darauf ankommen, ob sich die Werkleistung der Klägerin als mangelhaft darstellt. In der 53 Seiten umfassenden und mit 89 Anlagen versehenen Klageerwiderung hat die Beklagte umfangreich das Vorliegen von Mängeln vorgetragen, dem das Landgericht nachzugehen haben wird. Die Beweisaufnahme wird aufwendig sein, insbesondere wird es um die Frage gehen, ob die von der Klägerin eingebrachte Betondecke der Stärke C 20/25 ausreichend ist, oder einen Mangel darstellt und welche Kosten die ordnungsmäßige Behebung eines diesbezüglich gegebenenfalls vorliegenden Mangels verursachen wird. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.
Über die Kosten des gesamten Rechtsstreits wird das Landgericht nach dem Ergebnis der Sach- und Rechtslage nach durchgeführter Beweisaufnahme zu befinden haben.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 112.505,53 Euro festgesetzt.