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Werkvertrag – Wirksamkeit einer Sicherheitseinbehaltsklausel ohne Ablösemöglichkeit

AG Neustadt (Rübenberge) – Az.: 43 C 1192/10 – Urteil vom 05.01.2011

1.) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 3.386,29 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

3.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt der Kläger Auszahlung des seitens des Beklagten einbehaltenen Sicherheitseinbehalts nach Ausführung eines Werkvertrages.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma … AG Umwelt- und Energietechnik, die mit Vertrag vom 13.04.2006 seitens der Beklagten damit beauftragt wurde, die Wassertechnik für die Wasseraufbereitungsanlage im Wasserwerk Hagen herzustellen. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K 2, Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen.

In Ziffer 2.1 (1) wurde als Vertragsgrundlage die VOL/B in ihrer jeweils neusten gültigen Fassung vereinbart. In den nachfolgenden Ziffern nimmt der Vertrag zwischen den Parteien jeweils auf einzelne Normen der VOL/B ausdrücklich Bezug. In Ziffer 3.4. des Vertrages ist vereinbart, dass von der Schlussrechnung 5 % Sicherheitseinbehalt (SEB) auf die gesamte Bausumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist einbehalten werden kann.

Der Beklagte hat aufgrund der letztgenannten Regelung den klagegegenständlichen Betrag auf die Schlussrechnung der Insolvenzschuldnerin als Sicherheitseinbehalt einbehalten.

Mit der Klage begehrt der Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin nunmehr Auskehrung des Sicherheitseinbehalts und ist der Ansicht, dass die vertraglichen Bestimmungen des Vertrages in Ziffer 3.4 eine unangemessene Benachteiligung der Insolvenzschuldnerin darstellten und gegen § 307 BGB verstoße. Der Insolvenzverwalter ist der Ansicht, dass eine Bestimmung in AGB eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der 5-jährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, den Unternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und die Klausel daher unwirksam sei, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird. Der Kläger meint, dass ein Ausgleich nicht dadurch hergestellt werden könne, dass ihm im Gegenzug eine Sicherheitsbürgschaft Zug um Zug gegen Auszahlung des Einbehalts verschafft wird. Ein derartiges Angebot sei dem Beklagten zwar mit Schreiben vom 28.04.2010 gemacht worden. Es sei jedoch von dem Beklagten abgelehnt worden, sodass sich der Kläger an das Angebot nicht mehr gebunden fühle. Auch durch die allgemeine Verweisung in Ziffer 2.1 des Vertrages auf die VOL/B in ihrer Gesamtheit und somit konkret auf § 18 VOL rechtfertige keine andere Beurteilung. Zwar enthalte § 18 VOL/B eine Regelung über die Möglichkeit des Beklagten, Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft eines in der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstituts zu leisten. In Ziffer 3.4 des Vertrages sei jedoch pauschal ein Barsicherheitseinbehalt von 5 % auf die gesamte Bausumme ohne entsprechende Ablösungsmöglichkeit vereinbart.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Regelung der Ziffer 2.1. Abs. 1 des Vertrages, in der pauschal die Geltung der VOL/B in ihrer jeweils neuesten gültigen Fassung vereinbart wurde, ausdrücklich auf das dort geregelte Austauschrecht verweise und bietet an, nunmehr den Barsicherheitseinbehalt auszuzahlen Zug um Zug gegen die Gestellung einer entsprechenden Sicherheitsbürgschaft, um damit die weiterhin bestehenden Gewährleistungsrechte abzusichern. Dem Kläger stehe mithin ein Austauschrecht im Sinne des § 18 VOL/B zu.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch in erkannter Höhe aus § 631 BGB in Verbindung mit seiner Bestellung als Insolvenzverwalter.

Die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Werkvertragsforderung der Insolvenzschuldnerin ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter auch berechtigt, die Restforderung geltend zu machen.

Die Restforderung ist auch fällig.

Dem Beklagten steht ein Barsicherungseinbehalt nicht zu. Insofern ist die diesem Sicherheitsbehalt zugrundeliegende Klausel 3.4 des Vertrages unwirksam, da sie den Unternehmer unangemessen benachteiligt, § 307 BGB und zudem unklar und widersprüchlich, was gem. § 305 c BGB zu Lasten des Beklagten als Verwender der AGB auszulegen ist.

Nach dem Werkvertrag besteht eine widersprüchliche Regelung, die im Unklaren lässt, ob ausschließlich ein Barsicherheitseinbehalt besteht oder zusätzlich ein Austauschrecht nach § 18 VOL/B. Einerseits nämlich enthält Ziffer 3.4 des Werkvertrages eine Bestimmung dahingehend, von der Schlussrechnung 5 % Sicherheitseinbehalt auf die gesamte Bausumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist einzubehalten. Hiermit ist ausschließlich ein Sicherheitseinbehalt in Form eines Barsicherheitseinbehaltes gemeint, ohne dass in dieser Regelung ein ausdrücklicher Verweis auf eine Austauschmöglichkeit im Sinne des § 18 VOL/B enthalten ist. Auf der anderen Seite befindet sich in Ziffer 2.1. Abs. 1 des Werkvertrages ein allgemeiner Hinweis auf die VOL/B als Vertragsgrundlage für den gesamten Vertrag. Daneben werden in diversen anderen Ziffern des Vertrags ausdrücklich jeweils einzelne Normen und Ziffern der VOL/B in Bezug genommen und einbezogen. Die Auslegung und Würdigung des gesamten Vertragstextes führt zu keinem eindeutigen Ergebnis im Hinblick auf die Frage, ob neben dem Barsicherheitseinbehalt auch ein Austauschrecht des Unternehmers vereinbart werden sollte oder nicht. Für die Vereinbarung eines Austauschsrechts spricht die pauschale und uneingeschränkte Verweisung in Ziffer 2.1 Abs. 1 auf die VOL/B, die entsprechend auch den § 18 VOL/B mit umfasst. Andererseits handelt es sich hierbei um eine ganz generelle und pauschale Verweisung, die im Folgenden näher konkretisiert wird. Insbesondere in Ziffer 3.4 findet eine weitergehende Konkretisierung des Sicherheitseinbehaltes statt. In dieser Konkretisierung findet sich kein Hinweis (mehr) auf ein Austauschrecht gemäß § 18 VOL/B.

Nach § 18 Ziffer 2. Abs. 1 VOL/B kann Sicherheit nur dann durch Bürgschaft geleistet werden, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist. Ziffer 3.4 des Werkvertrages kann jedoch dahingehend ausgelegt werden, dass vorliegend etwas anderes, nämlich ausschließlich ein Bareinbehalt vereinbart wurde.

Gemäß § 305 c BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Bei den hier vorliegenden Regelungen der VOL/B handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von abstrakt vorformulierten, für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen geltende Regelungen, die einseitig vom Verwender gestellt werden. Die AGB sind, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Auslegung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird. Grundsätzlich ist danach auch eine ergänzende Auslegung der AGB möglich zu Gunsten des Verwenders, jedoch nur ausnahmsweise. Derartige Ausnahmen liegen hier nicht vor. Der Beklagte hat als Verwender der AGB eine Regelung gewählt, die offen lässt, ob ausschließlich ein Bareinbehalt gewährt werden soll oder aber eine Austauschmöglichkeit in Form einer Bürgschaft oder Hinterlegung gegeben sein soll. Diese Zweifel gehen zu seinen Lasten und können nicht im Wege der Auslegung zu Gunsten des Verwenders verstanden werden. Dies führt dazu, dass die gesamte Vereinbarung über den Sicherheitseinbehalt gemäß § 305 c Abs. 2 in Verbindung mit § 307 BGB als unwirksam angesehen werden muss, da die ausschließliche Gewährung eines Sicherheitseinbehalts durch Bareinbehalt den Unternehmer unangemessen benachteiligt, indem ihm in erheblichen Umfang liquide Mittel entzogen werden, ohne dem Verwender eine wesentliche zusätzliche Sicherheit zu bieten.

Nach allem besteht kein wirksam vereinbarter Sicherheitseinbehalt, sodass der Beklagte verpflichtet ist, die Restforderung an den Kläger auszukehren.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus § 288 Abs. 2, 247 BGB. Der Beklagte hat die Zahlung endgültig und rechtsgrundlos verweigert und befindet sich mithin mindestens seit dem 01.08.2007 in Verzug.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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