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Irrtumsanfechtung bei Werkvertrag über Hauserrichtung

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 U 166/14 – Beschluss vom 27.04.2017

Irrtum über den Energieverbrauch als Eigenschaftsirrtum

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 08.08.2014, Az. 11 O 211/12, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

I. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Berufungsbegründung zeigt weder Umstände, aus denen sich eine entscheidungserhebliche Rechtsverletzung ergibt, noch konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil auf.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Vertrag zwischen den Parteien nicht durch Anfechtung nichtig geworden ist. Die vom Beklagten ausgesprochene Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB ist unwirksam.

Irrtumsanfechtung bei Werkvertrag über Hauserrichtung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

a) Der Beklagte hat sich auch nach seinem Vortrag nicht über eine Eigenschaft des von der Klägerin errichteten Hauses geirrt. Eigenschaft einer Sache ist neben ihrer natürlichen Beschaffenheit auch ihre tatsächliche Beziehung zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung ist (BGHZ 34, 32, 41). Der Energieverbrauch in einem Haus für Heizung und Warmwasserbereitung ist keine Eigenschaft des Hauses. Er wird zwar auch durch dessen Beschaffenheit, v. a. die Dämmung, und ggf. durch die Beziehung zur Umwelt, nämlich die Lage, bestimmt. Daneben sind aber auch andere Faktoren bestimmend, die dem Haus nicht innewohnen, wie das Nutzungsverhalten der Bewohner und das Wetter.

b) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Anfechtung des Werkvertrages wegen eines Eigenschaftsirrtums durch die Mängelrechte nach § 634 BGB ausgeschlossen ist. Für das Fehlen von Eigenschaften eines Werks haftet der Unternehmer allein nach diesen Vorschriften. Denn die Mängelrechte bieten Regelungen, die den Interessen beider Parteien gerecht werden (BGH NJW 1973, 1234 f.), etwa durch die Möglichkeit zur Nachbesserung und die Verjährungsregelung. Diese Regelungen sollen durch die Möglichkeit, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, nicht umgangen werden.

Der von dem Beklagten behauptete Irrtum würde sich aber als Mangel darstellen. Er behauptet nämlich, er habe die Absprachen zwischen den Parteien so verstanden, dass die Klägerin einen bestimmten Energieverbrauch zusichere. Läge der Verbrauch über dem Zugesagten, wäre das Haus nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB mangelhaft.

c) Jedenfalls hat der Beklagte die Anfechtung nicht unverzüglich i. S. d. § 121 Abs. 1 BGB erklärt. Selbst wenn er erst durch das Gutachten des Sachverständigen  H1 vom 28.03.2013 im selbständigen Beweisverfahren (LG Kiel 11 OH 22/12) erfahren haben sollte, dass der Energiebedarf, den der Energieausweis nennt, auf standardmäßig gewählten Randbedingungen beruht und daraus nicht der konkrete Energieverbrauch für Heizung und Warmwasserbereitung in dem Gebäude errechnet werden kann, hätte er die Anfechtung schuldhaft verzögert. Das Gutachten ist ihm am 09.04.2013 zugestellt worden (Bl. 328 d. BA.). Die Anfechtung hat er erst im Schriftsatz vom 25.06.2013 erklärt (Bl. 377 d. BA.), also fast 2 1/2 Monate nach Zustellung des Gutachtens. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Beklagte seinerzeit in  D1 wohnte, wodurch Übermittlung und Auswertung des Gutachtens verzögert wurden, war dieser Zeitraum nicht erforderlich, um den behaupteten Irrtum zu erkennen und die Konsequenz daraus zu ziehen.

2. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch den von dem Beklagten erklärten Rücktritt nach §§ 634 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB in ein Rückgewährsschuldverhältnis umgestaltet worden ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte zuvor keine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat, fehlt es an einem ausreichenden Vortrag zu einem Mangel.

Der Beklagte geht selbst nicht davon aus, dass das Haus nicht wie vereinbart errichtet worden ist (S. 1 des Schriftsatzes vom 25.06.2013, Bl. 371 d. BA.). Selbst wenn man den Vortrag im selbständigen Beweisverfahren berücksichtigt, wobei dieses nur dazu dient, nach § 493 Abs. 1 ZPO Beweisergebnisse festzuhalten, nicht aber, Vortrag im Streitverfahren zu ersetzen, hat sich der Beklagte zunächst nur auf die Angabe des Energiebedarfs im Energiepass bezogen. Erst nachdem der Sachverständige dargelegt hatte, dass sich daraus der konkrete Energieverbrauch nicht errechnen lässt, hat er zu den Gesprächen vor Vertragsschluss und Prospekten der Streithelferin vorgetragen. Auch dazu hat er aber nur dargelegt, dass von einem Energiebedarf die Rede gewesen sei, aber keine Zusage eines konkreten Energieverbrauchs vorgetragen.

Sollte aus den von dem Beklagten vorgelegten Zeitungsartikeln (Anlagen B 1 und B 2, Bl. 222 – 231 d. A.) der Schluss zu ziehen sein, dass die Streithelferin den Bauherren bestimmte Energieverbräuche garantiere, fehlt immer noch Vortrag zu einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien über einen konkreten zu erwartenden Verbrauch. Zudem hat der Beklagte die Artikel erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit dem Schriftsatz vom 16.07.2014 vorgelegt. Es handelt sich dabei um neuen Vortrag, der nicht mehr nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist. Insbesondere entschuldigt es den Beklagten nicht, dass er im Ausland wohnte und die Unterlagen in Deutschland eingelagert waren. Bereits bei der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, spätestens jedoch nach Vorlage des Gutachtens vom 28.03.2013 hätte er Anlass gehabt, umfassend zu den Vereinbarungen mit der Klägerin vorzutragen. Wenn dazu Unterlagen auszuwerten waren, hätte er entweder selbst nach Deutschland kommen oder jemanden mit der Auswertung beauftragen müssen.

3. Das Landgericht hat den Vortrag des Beklagten zur Anspruchshöhe zu Recht nicht berücksichtigt. Er hat die Höhe erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.07.2014 bestritten, der nach 296a ZPO nicht zu berücksichtigen war. Das Verfahren war entgegen der Auffassung des Beklagten nicht fortzusetzen. Einer Beweisaufnahme über die Anfechtungsgründe bedurfte es nach dem unter 1. Dargelegten nicht. Der Vortrag ist in der Berufungsinstanz neu und nach dem unter 2. Dargelegten nicht mehr zuzulassen.

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