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Architektenvertrag – Haftungsausschluss bei fehlendem Chloridschutz in Tiefgarage

LG Karlsruhe – Az.: 6 O 135/16 – Urteil vom 14.12.2018

1. Die Beklagten zu 2. – 4. werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 217,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.6.2016 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage bzgl. der Beklagten zu 2. – 4. abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 90 % und tragen die Beklagten zu 1. 6,7 % und die Beklagten zu 5./6. gesamtschuldnerisch 3,3 %. Die durch die Beweisaufnahme vom 12.10.2018 verursachten Kosten trägt die Klägerin allein.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. – 4., sowie die ihnen entstandenen Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Karlsruhe – 2 OH 11/14 -.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten zu 2. – 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten zu 2. – 4. können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der Y GmbH & Co. KG Ansprüche wegen Kosten für Mangelbeseitigung und Schadensersatz gegen Planer, Bauüberwacher, Fachplaner und ausführendes Unternehmen für ein Bauvorhaben in K geltend.

Mit Vertrag vom 29.12.2009 wurde die Beklagte zu 1. von der Y GmbH & Co. KG beauftragt, die Erd-, Maurer-Betonarbeiten an dem Bauvorhaben „Neubau einer Studentenwohnanlage in K“ zu erbringen; insbesondere besondere gehörten zu den Leistungen die Rohbau-Betonbauarbeiten in einer Tiefgarage. Nachdem die Beklagte zu 2. für dieses Vorhaben bereits die Leistungsphasen der HOAI zu 1 (Grundlagenermittlung) und 2 (Vorplanung) erbracht hatte, wurde sie mit Vertrag vom 19.03.2008 mit Architektenleistungen gemäß Leistungsphasen 3 und 4 HOAI (Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung) und am 28.05.2008/06.02.2009 mit den weiteren Leistungsphasen 5, 6 und 8 HOAI (Ausführungsplanung, Vorbereiten der Vergabe, Bauüberwachung) beauftragt. Die Beklagten zu 3. und 4. sind Gesellschafter der Beklagten zu 2. Das Ingenieurbüro für Baustatik H, dessen Gesellschafter die Beklagten zu 5. und 6. sind, wurde als Fachplaner mit der Erbringung der Tragwerksplanung beauftragt.

Die Y GmbH & Co. KG hat ihre Ansprüche im Zusammenhang mit Mangelsachverhalten der Studentenwohnanlage und ihrer Beseitigung, insbesondere Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten.

Nach Fertigstellung des Bauvorhabens und Teilabnahme der Leistungen der Beklagten zu 1. sind in Betonteilen der Tiefgarage Risse aufgetreten. Wegen dieser Mängel wurde ein selbstständiges Beweisverfahren beim Landgericht Karlsruhe durchgeführt (Az. 2 OH 11/14). Gegen die Beklagte zu 1. richtete sich ursprünglich eine Klage wegen Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 11.764,26 EUR, sowie gegen die Beklagten zu 2. – 4. in Höhe von 217,67 EUR und gegen die Beklagten zu 5./6. in Höhe von 5.735,34 EUR. Nach mündlicher Verhandlung vom 4.7.2017 hat die Klägerin mit dem Beklagten zu 1., 5. und 6. einen Vergleich geschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 14.05.2018 verwiesen.

Sowohl die Wandsockel als auch die Stützenfüße in der Tiefgarage werden wegen mit Tausalzen belastetem Schmelz- und Schleppwasser der Pkw erhöht mit Chlorid beansprucht, weshalb sie besonders gegen Chloride zu schützen sind. Am 23.8.2016 wurde wegen verspätet aufgebrachtem Chloridschutz die Klage gegen die Beklagten zu 2. – 4. für zusätzliche Pflasterarbeiten inklusive Baustelleneinrichtung und Gutachterkosten in Höhe von 88.157,68 EUR erweitert.

Die Klägerin trägt vor:

Für die durch fehlende bzw. fehlerhafte Außenabdichtung entstandenen Risse des Mangeltyps 1 bei der Rampe nahe der Südwestecke des Lagerraums seien die Beklagten zu 2. – 4. als Planer und Bauüberwacher verantwortlich. Für die Risssanierung, Baustelleneinrichtung, Schutzmaßnahmen und Malerarbeiten seien insgesamt Kosten von 8.750,59 EUR brutto notwendig, von denen auf die Beklagten 2. – 4. ein Anteil von 2,49 %, mithin 217,67 EUR entfielen.

Im Hinblick auf die Klageerweiterung habe die Beklagte zu 2. die Leistungen für die Beschichtung der Wandsockel und Stützenfüße zu spät vergeben. Kenntnis von der Notwendigkeit einer Beschichtung habe bei der Bauherrin, wie aus der Aktennotiz 13 des Zeugen S ersichtlich, erst ab dem 12.8.2011 und damit nach Einbau des Tiefgaragenpflasters bestanden. Nachdem die Beklagte zu 2. die fehlende Abdichtung bemerkt habe, sei die Beschichtung auch nur oberhalb der Pflasterkante aufgebracht worden. Erst im Nachgang sei dann auch die Beschichtung der Bauteile unter dem Pflasterhorizont erfolgt, was von Anfang an geboten gewesen sei. Bei ordnungsgemäßer Planung der Arbeiten wäre der Oberflächenschutz vor der Herstellung des Pflasters aufgetragen worden. Zur Ausführung der Beschichtungsarbeiten hätten daher die bereits eingebauten Pflaster ausgebaut und anschließend wieder eingebaut werden müssen. Es seien zusätzliche Kosten i.H.v. 75.287,83 EUR zzgl. Gutachterkosten i.H.v. 12.869,85 EUR entstanden.

Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagten zu 2. – 4. werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 88.375,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten zu 2.- 4. beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, die Notwendigkeit der Aufbringung eines Chloridschutzes auf die Wandsockel und die Stützenfüße der Tiefgarage sei der Bauherren lange vor der Ausführung der Pflasterarbeiten bekannt gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. hätten den Bauherrenvertreter, den sach- und fachkundigen Dipl.-Ing. B, mehrfach auf die Notwendigkeit eines Chloridschutzes oberhalb und unterhalb des einzubringenden Bodenbelages und die sich bei fehlender Beschichtung ergebenden Konsequenzen hingewiesen. Trotz der Hinweise sei eine besondere Beschichtung der Fundamente und Stützenfüße gegen Chlorid aus Kostengründen abgelehnt worden.

Das Gericht hat verhandelt am 04.07.2017 und 12.10.2018 und in dieser zweiten Verhandlung die Zeugen M, C, S und W vernommen. Die Akte des selbstständigen Beweisverfahrens beim Landgericht Karlsruhe – Az. 2 OH 11/14 – war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Architektenvertrag - Haftungsausschluss bei fehlendem Chloridschutz in Tiefgarage
(Symbolfoto: Von PHOTOCREO Michal Bednarek/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist, soweit über sie nach dem Teilvergleich vom 14.5.2018 noch wegen der Beklagten zu 2. – 4. zu entscheiden war, zu einem geringen Teil begründet und im Übrigen unbegründet.

I.

1. Die Beklagten zu 2. – 4. haften als planende und bauüberwachende Architekten der Klägerin aus abgetretenem Recht und §§ 634 Ziffer 4, 636, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Architektenvertrag wegen Planungs- oder Bauüberwachungsfehlern in Höhe von 217,67 EUR.

a. Gemäß dem im Jahr 2008/2009 geschlossenen Architektenvertrag war der Beklagte zu 2. auch für die Ausführungsplanung und die Bauüberwachung verantwortlich. Der Architekt darf in seiner Planung nur eine Konstruktion vorsehen, von der er völlig sicher ist, dass sie den an sie zu stellenden Anforderungen genügt. Besonders hoch sind die planerischen Anforderungen im Hinblick auf eine – gefahrenträchtige – Abdichtung gegen Feuchtigkeit (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.2.2013 – 23 U 185/11 -, BauR 2013, 1283). Der Umfang der Pflicht zur Bauüberwachung richtet sich nach den im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen und umfasst vor allem das Überwachen der Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und dem Leistungsverzeichnis, den Regeln der Baukunst und Technik und den einschlägigen Vorschriften sowie das Koordinieren der an dem Baugeschehen fachlich Beteiligten (vgl. BGH, Urteil vom 10.2.1994 – VII ZR 20/93 -, BGHZ 125, 111-116; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Auflage, 2018, Rdn. 1996, 2013 m.w.N. der Rechtsprechung). Der bauüberwachende Architekt muss die Baustelle und die dort tätigen Handwerker „im Griff haben“ (vgl. Werner/Pastor, a.a.O. Rdn. 2014 m.w.N. der Rechtsprechung). Der Architekt muss sein Augenmerk im Rahmen der ihm übertragenen Bauleitung/-überwachung insbesondere auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten, typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte richten, wozu Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten, Ausschachtungs- und Unterfangungsarbeiten sowie vergleichbare Arbeiten gehören. Solche Arbeiten müssen in besonderer, gesteigerter Weise vom Architekten beobachtet und überprüft werden (BGH, Urteile vom 6.7.2000 – VII ZR 82/98 -, BauR 2000, 1468; vom 9.11.2000 – VII ZR 362/99 -, BauR 2001, 273). Sobald sich Mängel der Architektenleistung – wie vorliegend – im Bauwerk verkörpert haben, kann die Architektenleistung nicht mehr nachgebessert werden und kommen nur noch Schadenersatzansprüche gegen den Architekten in Frage (BGH, Beschluss vom 1.2.1965 – GSZ 1/64 -,BGHZ 43, 227, 232).

b. Die Beklagte zu 2. hat gegen diese Pflichten verstoßen. Das Gericht legt dabei die nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. G aus dem selbständigen Beweisverfahren (2 OH 11/14) zugrunde. Danach ist die Südwestecke des Lagerraums unter der Rampe mit starken Kalkablagerungen behaftet und erwies sich zum Zeitpunkt der Ortstermine als feucht. Es handelt sich um die Nahtstelle zwischen Alt- und Neubau. Die zum Neubau gehörende Wand wurde gegen die vorhandene ältere Wand stumpf anbetoniert. Die Wasserundurchlässigkeit dieser Wand muss gewährleistet sein. Hierzu hätte es auf der Außenseite der Wand einer funktionstüchtigen Abdichtung bedurft, die die Nahtstelle zwischen Alt- und Neubau überdeckt. Dieser Bereich wurde vom Sachverständigen nicht freigegraben, da die damit einhergehenden Kosten nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Schaden stehen. Falls keine Abdichtung auf der Außenseite der Wand aufgebracht worden sein sollte, liegt ein Planungsfehler der Architekten vor. Wurde die Abdichtung geplant und auch eingebracht, dann erfüllt ihre Funktion nicht und es wäre ein Ausführungsfehler gegeben.

c. Zur Höhe des der Klägerin von den Beklagten zu 2. – 4. zu erstattenden Schadens hat der Sachverständige zwar keine eigenen Feststellungen getroffen, jedoch die Gesamtkosten mit ca. 2.500,00 EUR angegeben. Die Klägerin hat daraufhin in nachvollziehbarer Weise nach den Risstypen Quoten gebildet und für die Beklagten zu 2. – 4. einen Betrag von 217,67 EUR errechnet. Wegen dieser, von den Beklagten bestrittenen Kosten, war nicht nochmals der Sachverständige Dipl. Ing. G zu beauftragen, da die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten und Kosten verbunden wäre, die zu der Bedeutung des Betrages von 217,67 EUR in keinem Verhältnis stehen (§ 287 Abs. 2 ZPO – vgl. Zöller/Greger, ZPO. Kommentar, 32. Auflage, Rn 5 zu § 287 Abs. 2 ZPO m.w.N.).

2. Die Beklagten zu 2. – 4. haften nicht für die Kosten wegen zusätzlicher Pflasterarbeiten im Zusammenhang mit der Beschichtung von Wandsockel und die Stützenfüße der Tiefgarage gegen Chloridbelastung.

Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem stillschweigenden Haftungsausschluss aus. Die Beklagten zu 2. – 4. haben nachgewiesen, dass die Auftraggeberin, die Y GmbH & Co. KG, aus Kostengründen nach entsprechenden, sie aufklärenden Hinweisen der Beklagten zu 2. vor erstmaliger Ausführung der Pflasterarbeiten das Risiko der Chloridbelastung in der errichteten Tiefgarage mit der für einen dauerhaften Gebrauch notwendigen Beschichtung erkannt und gebilligt hat. Nach den umfassenden Hinweisen der Beklagten zu 2. wäre es der Auftraggeberin ohne weiteres rechtzeitig möglich gewesen, die hier geltend gemachten Zusatzkosten für den Aus- und erneuten Einbau der Pflaster zu vermeiden. Das ihr bekannte und übernommene Risiko hat sich bereits bei der Weiterveräußerung, indem die Erwerber auf einem dauerhaften Chloridschutz bestanden, verwirklicht.

a. Nach oben unter I 1 a. genannten Maßstäben kommt grundsätzlich eine Haftung wegen einer nicht geplanten oder im Rahmen der Bauüberwachung nicht rechtzeitig organisierten Aufbringung eines Chloridschutzes auf die Wandsockel und die Stützenfüße der Tiefgarage in Betracht. Eine Ausnahme besteht, wenn die Auftraggeberin – hier: die Y GmbH & Co. KG – nach Aufklärung und Belehrung durch den Architekten die Bedeutung und Fehlerhaftigkeit der Planung kannte und sich mit der Planung und Ausführung einverstanden erklärte (vgl. BGH, Urteile vom 17.5.1984 – VII ZR 169/82 -, BGHZ 91, 206, 213 vom 29.9.2011 – VII ZR 87/11 , BauR 2012, 115; vom 10.2.2011 – VII ZR 8/10 -, BauR 2011, 869; vom 12.5.2005 – VII ZR 45/04 -, BauR 2005, 1314; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.8.2008 – 10 U 4/06 -, BauR 2009, 1926; Werner/Pastor, aaO, Rn 1990, 1993). Zu beachten ist dabei, dass zum Wesen des Architektenvertrags gehört, dass nicht alle Planungsvorgaben bereits beim Vertragsabschluss feststehen, sondern erst im Laufe des Planungsprozesses entwickelt und zum Vertragsgegenstand werden können (vgl. BGH, Urteil vom 21.3.2013 – VII ZR 230/11 -, BGHZ 197,93). Für den Haftungsausschluss tragen die Beklagten zu 2. – 4. nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.

b. Nach den Aussagen der vernommenen Zeugen steht für das Gericht mit der gebotenen Gewissheit fest, dass die Y GmbH & Co. KG über Risiken bzw. Konsequenzen einer unterlassenen Beschichtung durch die Beklagte zu 2. aufgeklärt worden war. Die Y GmbH & Co. KG konnte nicht davon ausgehen, dass sie die Tiefgarage, die im Winter Frosteinwirkungen und einem dem Zweck des befahrbaren Bauwerks geschuldeten Tausalzeintrag ausgesetzt ist, ohne eine Beschichtung dauerhaft ohne eine Substanzbeeinträchtigung würde nutzen können. Zumindest konkludent war sie mit dem Vorgehen der Beklagten zu 2. – 4., d. h. den Pflasterarbeiten in der Tiefgarage ohne vorherige Beschichtung gegen Chloridbelastung, wie sie später tatsächlich ausgeführt wurde, einverstanden.

aa. Eine Behauptung ist dann als bewiesen anzusehen, wenn das Gericht von deren Wahrheit überzeugt ist. Voraussetzung für diesen sogenannten Vollbeweis (§ 286 ZPO) ist die volle richterliche Überzeugung. Diese kann nicht mit mathematischen Methoden ermittelt und darf deshalb nicht allein auf mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnungen gestützt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.03.1989 – VI ZR 232/88 -, NJW 1989, 3161, 3162). Es bedarf auch keiner absoluten Gewissheit oder „an Sicherheit grenzender“ Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteile vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10 -, NJW 2013, 790; vom 18.06.1998 – IX ZR 311/95 -, NJW 1998, 2969).

bb. Die Zeugen M, C, S und W haben bei ihrer Vernehmung vom 12.10.2018 für das Gericht nachvollziehbar und glaubhaft die Gespräche zwischen der Beklagten zu 2. und der Auftraggeberin, vertreten durch einen sog. Bauherrenvertreter, geschildert. Dabei waren die Angaben in sich und auch miteinander stimmig, wiesen keine Widersprüche auf und waren ersichtlich von dem jeweiligen Bemühen geprägt, auch acht Jahren nach den Vorgängen dem Gericht aus ihrer Erinnerung ein wahrheitsgetreues Bild der damaligen Gespräche zu vermitteln. Wegen der im Detail und auch in den jeweiligen Schwerpunkten der Erinnerung sehr unterschiedlichen Aussagen bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine Absprache der Zeugen in Vorbereitung der Vernehmung. Die sich daraus ergebenden nachvollziehbar lückenhaften Ausführungen haben auch auf Nachfragen im Kern folgendes Geschehen überzeugend dargestellt:

Vor Ausführung der Pflasterarbeiten in der Tiefgarage hat ein Vertreter der Beklagten zu 1. den Bauherrenvertreter der Y GmbH & Co. KG auf Bedenken hingewiesen, die Arbeiten vor dem Aufbringen von Schutz gegen Chloridbelastung auszuführen (Aussagen Zeugen M, S). Die Auftraggeberin ist sodann über ihren Bauherrenvertreter B an die Beklagte zu 2. zur Klärung herangetreten (Aussage Zeuge M). Diese Hinweise der Beklagten zu 1. hat die Beklagte zu 2. durch ihre Mitarbeiter, die Zeugen M, C und W, dem Bauherrenvertreter B ca. ab Februar 2010 (Aussagen Zeuge W, C) auf der Baustelle erläutert und vertieft, bevor irgendeine Pflasterarbeit in der Tiefgarage vorgenommen wurde (Aussagen Zeuge M, W). Es wurde mitgeteilt, dass bei einer fehlenden Beschichtung durch Autos, die mit Schnee und Salz in die Tiefgarage einführen, bei dem dann entstehenden Tauwasser durch das Salz die Fundamente bzw. Bewehrungen beschädigt werden könnten. Deshalb sei, um das Eindringen des Salzwassers zu verhindern, eine Beschichtung notwendig (Aussagen Zeuge W, C). Der Bauherrenvertreter, Herr B (vgl auch Mail vom 25.1.2012), hat das auch so verstanden; er hat Bauerfahrung, kennt sich aus und hat auch nicht den Eindruck gemacht, dass er nicht verstünde, worum es ginge (Aussage Zeuge S).Da die Pflasterarbeiten nicht unmittelbar bevorstanden, wurde eine Entscheidung durch die Auftraggeberin offensichtlich nicht sofort getroffen (Aussagen Zeuge M, W). Wiederum zeitlich vor den Pflasterarbeiten in der Tiefgarage, jedoch in einem kürzeren Abstand, wurde die Auftraggeberin mehrfach auf die mit der fehlenden Beschichtung verbundenen Risiken hingewiesen (Aussagen Zeuge M, W, C). Aus Kostengründen (Aussage Zeuge M) wurde durch den Bauherrenvertreter der Auftraggeberin diese Zusatzarbeit abgelehnt, sie wurden ausdrücklich „nicht gewünscht“ (Aussagen Zeuge M, W, C, S; vgl. auch Mail vom 5.7.2010 mit Protokoll der Besprechung vom 01.07.2010). Damit wurde – zumindest konkludent – ein Haftungsausschluss vereinbart.

Weiteres Indiz für den vorausgegangenen Haftungsausschluss ist das Verhalten der Auftraggeberin im Zusammenhang mit der Veräußerung des Bauvorhabens. Der Bauherrenvertreter, Herr H, bat die Beklagte zu 2. um ein Angebot für eine Beschichtung. Er wurde dann durch den Zeugen M darauf hingewiesen, dass wegen des bisher bereits eingebrachten Pflasters nunmehr nur noch eine Beschichtung oberhalb möglich sein könnte und diese Beschichtung nicht ausreichend wäre, da sie ja auch unterhalb des Pflasters notwendig sei. Dennoch sollte nach Forderung des Bauherrenvertreters das Angebot nur oberhalb des Pflasters eingeholt werden (Aussagen Zeugen M,W). Es sollte auch ein wenig Kies rausgekratzt werden, damit die Beschichtung auch geringfügig tiefer eingebracht werde (Aussage Zeuge M). Für den Zeugen M war dieses Vorgehen „quasi Betrug am Käufer gewesen. Denn es war ja klar, dass die Beschichtung auch unterhalb der Bepflasterung hätte erfolgen müssen.“

Gründe, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln, ergaben sich für das Gericht weder aus ihrer Vernehmung, noch wurden solche vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

cc. Soweit es bei der Frage, ob der Auftraggeberin das Risiko in seiner ganzen Tragweite bewusst war und sie die Ausführung ohne Beschichtung gebilligt hat, auf innere Einschätzungen ankommt, ist zu beachten, dass dem Prozessgegner – hier: der Klägerin – eine so genannte sekundäre Darlegungslast obliegt, wenn die primär darlegungsbelastete Partei – hier: die Beklagten zu 2. – 4. – außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner zumutbar nähere Angaben machen kann (zur sekundären Darlegungslast bei inneren Tatsachen siehe BGH, Urteil vom 18.5.2005 – VIII ZR 368/03 -, NJW 2005, 2395 m.w.N. unter II 3 b cc; Zöller/Greger, aaO., Rn 34 vor § 284 ZPO). Trotz Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 04.07.2015, wonach der gesamte Ablauf der Gespräche darzulegen und auch mit jeweiligen Beweisangeboten zu versehen sei, die bislang erst von der Beklagtenseite mit den angegebenen Zeugen geführt werde, und vom 12.10.2018, dass für diesen Ablauf und die wechselseitigen Bedenken und die Gespräche von Klägerseite keine Zeugen, insbesondere die Bauherrenvertreter nicht benannt worden seien, hat die Klägerin weder vor noch in der Verhandlung vom 12.10.2018 einen Zeugen benannt, und auch kein weiteres Schriftsatzrecht zur Aufklärung möglicher Zeugen beantragt.

II.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung – soweit hierüber noch zu entscheiden war – folgt aus §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1, 98 Satz 1 2. Halbsatz ZPO in Verbindung mit der im Teilvergleich vom 14.5.2018 getroffenen Kostenregelung.

Die Klägerin und die Beklagten zu 1., 5. und 6. haben zu den Gerichtskosten und ihren Anwaltskosten am 14.5.2018 folgende, auszulegende Kostenvereinbarung getroffen: „Ausgehend von dem Streitwertbeschluss des Landgerichts Karlsruhe im Hauptsacheverfahren vom 04.07.2017 werden die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Hauptsacheverfahrens auf Grundlage des jeweiligen, im Streitwertbeschluss bestimmten Streitwerts zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.) sowie zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 5.) und zu 6.) gegeneinander aufgehoben.“ Daraus ergibt sich, dass bezogen auf ihren jeweiligen Streitwert die Parteien des Vergleichs jeweils die Hälfte der Gerichtskosten tragen. Der Streitwert wurde vom Gericht am 4.7.2017 zur Beklagten zu 1. mit 11.764,26 EUR, zu den Beklagten Ziffer 2. bis 4. mit 88.375,35 EUR und zu den Beklagten zu 5./6. mit 5.735,34 EUR festgesetzt. Die Hälfte der jeweils zu tragenden Gerichtskosten errechnen sich damit zur Beklagten zu 1. mit 5.882,12 EUR und zu den Beklagten zu 5./6. mit 2.867,67 EUR. Bezogen auf den Gesamtstreitwert von 88.375,35 EUR entfallen an Gerichtskosten auf die Beklagte zu 1. damit 6,7 % (5.882,12 EUR ./. 88.375,35 EUR) und die Beklagten zu 5./.6 gesamtschuldnerisch weitere 3,3 % (2.867,67 EUR ./. 88.375,35 EUR). Die übrigen Gerichtskosten von 90 % trägt die Klägerin allein.

Die durch die Beweisaufnahme vom 12.10.2018 verursachten Kosten trägt die Klägerin allein (vgl. zur Kostenregelung bei Beweisaufnahmen Zöller/Herget, aaO., Rn 5 zu § 92 m.w.N.).

Die Klägerin trägt nach §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1, 98 Satz 1 2. Halbsatz ZPO und nach Maßgabe des Vergleichs vom 14.5.2018 auch die den Beklagten zu 2. – 4. entstandenen außergerichtlichen Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht K (2 OH 11/14).

Die Gerichts- und Sachverständigenkosten des selbständigen Beweisverfahrens tragen entsprechend ihrer Vereinbarung vom 14.5.2018 die Beklagte zu 1. zu 2/3, die Beklagten zu 5./6. gesamtschuldnerisch zu 1/3. Die Rechtsanwaltskosten der Parteien des Vergleichs vom 14.5.2018 aus dem genannten selbständigen Beweisverfahren trägt jede Partei selbst.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Die Berufung war für die Beklagten zu 2. – 4. nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen (§ 511 Abs. 4 ZPO) nicht vorliegen.

 

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