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Bauträgervertrag – Übergabe des Sondereigentums

LG Berlin – Az.: 23 O 57/17 – Urteil vom 01.12.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die in der WEG-Anlage …- -… (Bezirk) belegene und im Wohnungsgrundbuch von … , Blatt … eingetragene Wohnung Nr. 20 und den Kellerraum Nr. 20 gemäß dem Aufteilungsplan zur Anlage K2 Zug-um-Zug gegen Zahlung von 20.169,24 EUR zu übergeben.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des gemäß Tenor zu 1. Zug-um-Zug zu leistenden Betrages in Höhe von 20.169,24 EUR in Verzug befindet.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bauträgergesellschaft die Übergabe eines Wohnungseigentums, die Beklagte von der Klägerin im Wege der Widerklage die Abnahme des Gemeinschaftseigentums der WEG-Anlage.

In notarieller Verhandlung vom 29. Juli 2013 (Anlage K1) schlossen die Klägerin als Käuferin und die Beklagte als Verkäuferin einen Bauträgervertrag über das im Urteilstenor zu 1. näher bezeichnete und noch zu errichtende Wohnungseigentum in Berlin-… , … Straße 36 zum Preis von 192.088,- EUR, wobei sich der Kaufpreis durch nachträgliche Sonderwünsche der Klägerin um 3.981,08 EUR erhöhte. Wegen der vereinbarten Voraussetzungen für die Teilzahlungen und wegen des vereinbarten Sicherheitseinbehalts von 5% gemäß § 632a BGB wird auf § 3 des Bauträgervertrages und wegen der Regelungen zum Besitz- und Gefahrübergang sowie zur Abnahme von Gemeinschafts- und Sondereigentum auf § 4 desselben Vertrages verwiesen (Anlage K1 S. 10-13). In § 2a des Vertrages war die Herstellung der Bezugsfertigkeit des Sondereigentums bis zum 30. Juni 2014 vorgesehen sowie die vollständige Fertigstellung aller geschuldeten Bauleistungen und der Außenanlagen bis zum 31. Dezember 2014.

Am 22. April 2016 (Anlage K3) wurde die Abnahme des Sondereigentums erklärt. Unter dem 31. Oktober 2017 erklärte der TÜV Süd für einzelne Erwerber, zu denen die Klägerin nicht gehörte, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums unter Vorbehalt diverser Mängel, die dort wertmäßig mit 200.000,- EUR beziffert waren. Hierzu wird auf die Anlage B3 Bezug genommen.

Anschließend verlangte die Klägerin, die die Kaufpreisraten zu § 3 Nr. 4 lit. a) bis d) des Bauträgervertrages unter Zurückhaltung eines Sicherheitseinbehaltes nach § 632a BGB in Höhe von 9.604,40 EUR bezahlt und die Rate zu § 3 Nr. 4 lit. e) des Vertrages zu Gunsten der Beklagten hinterlegt hatte, die Übergabe des Sondereigentums nebst dazugehörigem Keller. Dies verweigerte die Beklagte mit der Begründung, die Klägerin sei zur Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes verpflichtet.

Die Klägerin stellt die aus dem Urteilstenor zu 1. und zu 2. ersichtlichen Sachanträge.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, sowie im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verpflichten, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentumsanlage „…“, …-, … Berlin, zu erklären, hilfsweise,

festzustellen, dass das Gemeinschaftseigentum der vorgenannten Wohnungseigentums-Anlage abnahmefähig ist.

Sie behauptet, gestützt auf das Nachbegehungsprotokoll des TÜV Süd vom 20. Oktober 2017 (Anlage B7), dass inzwischen weitere Mängel abgearbeitet worden seien, so dass nunmehr nur noch Mängel in Höhe von ca. 40.000,- EUR bestünden, und meint deshalb, dass die Klägerin jedenfalls zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums verpflichtet sei und den Sicherheitseinbehalt auszahlen müsse. Insoweit beruft sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht, das sie nunmehr auch auf die letzte Kaufpreisrate von 3,5% für die vollständige Fertigstellung erstreckt (S. 2 oben des Schriftsatzes vom 14. November 2017).

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg, während sich die zulässige Widerklage – auch in Bezug auf den Hilfsantrag – als unbegründet erweist und der Abweisung unterliegt.

A. Klage

I. Antrag zu 1. (Übergabe des Sondereigentums)

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 4 Nr. 1 des Bauträgervertrages die Übergabe des Sondereigentums mit der beantragten und auf die Kaufpreisrate e) des § 3 Nr. 4 bezogenen Zug-um-Zug-Zahlung verlangen, ohne dass die Beklagte ihr weitere Zurückbehaltungsrechte entgegensetzen könnte. Im Einzelnen:

1.

Der Übergabe- bzw. Herausgabeanspruch der Klägerin folgt aus § 4 Nr. 1 des Bauträgervertrages. Denn nach dieser Regelung geht der Besitz mit der Abnahme des Sondereigentums auf die Käuferin, hier: die Klägerin, über. Hieraus folgt, dass die Besitzübergabe mit Abnahme des Sondereigentums verlangt werden kann.

2.

Das Sondereigentum ist auch tatsächlich durch die schriftliche Erklärung vom 22. April 2016 (Anlage K3) von der Klägerin abgenommen worden, so dass die entsprechende Voraussetzung des § 4 Nr. 1 des Vertrages erfüllt ist. Denn dass die Abnahme des Sondereigentums an diesem Tag stattgefunden habe, hat die Klägerin auf Seite 4 der Klageschrift unter Bezugnahme auf die Anlage K3 selbst ausdrücklich vorgetragen und die Beklagte hat sich diesem Vortrag angeschlossen. Soweit die Klägerin demgegenüber später, nämlich mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 (dort unter II., Bl. 72-73 d.A.), Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Abnahme allein vor dem Hintergrund der Unwirksamkeit der Abnahmeklausel in § 4 Nr. 2 des Vertrages geäußert hat, ist dies unmaßgeblich.

Denn die Abnahme zur Anlage K3 ist erkennbar nicht auf der Grundlage der Klausel in § 4 Nr. 2 des Vertrages erfolgt. Vielmehr weist dieses Abnahmeformular die eigenhändige Unterschrift der Klägerin aus mit der Folge, dass es auf die Wirksamkeit der formularmäßig erteilten Vollmacht schon gar nicht ankommt. Aber selbst dann, wenn der TÜV Süd die Namensunterschrift der Klägerin geleistet haben sollte, so wäre auch dies unbedenklich. Denn ausweislich der Anlage K3 hatte die Klägerin – zusätzlich zu der im Bauträgervertrag erteilten Vollmacht – dem TÜV Süd am 02. April 2016 auch noch eine individuelle Vollmacht für die Abnahme des Sondereigentums erteilt mit der Folge, dass selbst ein Handeln unter fremdem Namen gegenüber der Klägerin wirksam geworden wäre.

3.

Die Beklagte kann der Klägerin auch im Hinblick auf die von dieser noch einbehaltene Erfüllungssicherheit (§ 632a BGB) kein Zurückbehaltungsrecht entgegensetzen. Denn die Auskehrung dieser Sicherheit kann die Beklagten (noch) nicht verlangen, weil die Klägerin das Gemeinschaftseigentum tatsächlich noch nicht abgenommen hat und weil das Gemeinschaftseigentum außerdem auch noch nicht abnahmereif ist.

a)

Die Klägerin hat das Gemeinschaftseigentum tatsächlich noch nicht abgenommen. Denn eine auf das Gemeinschaftseigentum bezogene und von der Klägerin persönlich abgegebene Abnahmeerklärung liegt nicht vor und die Abnahmeerklärung des TÜV Süd vom 31. Oktober 2016 erfolgte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 25. Oktober 2017, dort S. 3 unten (Bl. 73 d.A.), schon gar nicht in ihrem Namen.

b)

Das Gemeinschaftseigentum ist aber – auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beklagten vom 14. November 2017 – noch immer auch nicht abnahmereif. Denn noch immer liegen mehr als nur unwesentliche Mängel im Sinne des § 640 Abs. 1 S. 2 BGB vor, die die Klägerin dazu berechtigen, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verweigern.

Ein Mangel ist nur dann als unwesentlich anzusehen, wenn es dem Besteller zumutbar ist, die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen, und sich mit den Mängelrechten nach § 634 BGB zu begnügen. Dies ist anhand von Art und Umfang des Mangels sowie seiner konkreten Auswirkungen nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen. Mehrere Mängel können dabei je für sich unwesentlich, zusammen aber wesentlich sein (Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, Rn. 9 zu § 640 BGB m.w.N.).

Danach gilt hier Folgendes: Bereits aus der von der Beklagten angegebenen Summe der Werte der noch verbleibenden Mängel von ca. 40.000,- EUR können diese nicht als „unwesentlich“ angesehen werden. Dabei mag es zwar sein, dass dieser Betrag im Verhältnis zum gesamten Bauvolumen der Wohnungseigentumsanlage nur einen sehr geringen Prozentsatz (möglicherweise auch nur einen Promillesatz) ausmacht. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, dass ein Erwerber das Gemeinschaftseigentum bereits dann als im wesentlichen vertragsgemäße Leistung soll akzeptieren müssen, wenn nach dem eigenen Vortrag des Bauträgers noch restliche Arbeiten und Mängelbeseitigungsarbeiten ausstehen, die sich betragsmäßig auf gut 20% seines eigenen Erwerbspreises für das Wohnungseigentum belaufen.

Vorliegend kommt aber hinzu, dass – unabhängig von ihrem Wert – die von der Beklagten mit der Anlage B7 selbst vorgetragenen Restmängel – jedenfalls in der Summe – doch als so gravierend angesehen werden müssen, dass sie nicht mehr als unwesentlich angesehen werden können. Denn vorliegend stehen nicht etwa lediglich optische Mängel in Rede, sondern sicherheitsrelevante Mängel (Positionen 60, 65, 68 und 133 der Anlage B7), Mängel der Feuchtigkeitsabdichtung und Entwässerung (Positionen 10, 19, 30, 33, 77, 78, 134 und Gebäudetechnik Pos. 39 der Anlage B7), der Wärmedämmung (Pos. 28 und 70) und auch des Brandschutzes (Pos. 98,110, 125, 129, 131, Elektrotechnik Pos. 31, 32).

Wegen der Vielzahl dieser teils sicherheitsrelevanten und teils großes Gefahrenpotential für die Gebäudesubstanz (Feuchtigkeitsabdichtung, Entwässerung) aufweisenden Mängel sind diese jedenfalls in der Summe als wesentlich zu beurteilen. Eine Abnahmeverpflichtung für die Klägerin besteht (noch) nicht.

4.

Da noch nicht einmal Abnahmereife vorliegt, kann die Beklagte die Übergabe der Wohnung nicht nur nicht von der Auskehrung des Erfüllungseinbehalts abhängig machen, sondern erst Recht nicht von der letzten Rate in Höhe von 3,5% des Erwerbspreises gemäß § 3 Nr. 4 lit. f) des Vertrages. Denn von „vollständiger Fertigstellung“ kann nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht die Rede sein.

II. Antrag zu 2. (Feststellung des Annahmeverzuges)

Auch dieser Antrag ist begründet. Denn die Beklagte ist gemäß §§ 293, 295, 298 BGB dadurch in Annahmeverzug geraten, dass sie auf das im Klageantrag zu 1. enthaltene Angebot die Erbringung der Gegenleistung abgelehnt hat.

B. Widerklage

Die Widerklage ist unbegründet, weil die Klägerin nach dem zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Sachstand weder zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums verpflichtet noch das Gemeinschaftseigentum abnahmereif war. Zur Begründung kann dabei auf die obigen Ausführungen unter A. 3. b) verwiesen werden.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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