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Grundstück am Steilhang gerät ins Rutschen – Abrißverfügung

Ein kleines Grundstück am Meer, dessen Steilhang unaufhaltsam erodiert, wird zur Gefahrenzone: Ein dort stehender Schuppen droht, mit der Küste ins Meer zu stürzen. Die Bauaufsichtsbehörde sieht akute Gefahr und ordnet den sofortigen Abriss des Bauwerks an. Doch der Eigentümer wehrt sich vehement gegen die behördliche Forderung – eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts soll nun Klarheit schaffen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 B 6/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: VG Schleswig
  • Datum: 28.04.2025
  • Aktenzeichen: 8 B 6/25
  • Verfahrensart: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Eilverfahren
  • Rechtsbereiche: Öffentliches Baurecht, Verwaltungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Eigentümer eines Grundstücks am Steilufer, auf dem ein Schuppen steht. Er legte Widerspruch gegen die Beseitigungsanordnung der Bauaufsichtsbehörde ein und beantragte einstweiligen Rechtsschutz, da er die Gefahr als nicht akut ansah und eine langjährige Duldung des Schuppens durch die Behörde geltend machte.
  • Beklagte: Die Bauaufsichtsbehörde. Sie hatte die sofortige Beseitigung des Schuppens angeordnet und ein Zwangsgeld angedroht. Sie begründete dies mit einer konkreten Gefahr durch Küstenabbrüche und baurechtlicher Unzulässigkeit des Schuppens.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Eigentümer besitzt ein Grundstück an einem Steilufer, das durch Küstenabbrüche schrumpft. Ein seit den 1990er Jahren dort befindlicher Schuppen war der Abbruchkante bis auf etwa 4,50 Meter nahegekommen.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Bauaufsichtsbehörde ordnete die sofortige Beseitigung des Schuppens an, da er eine Gefahr durch drohende Küstenabbrüche darstelle und baurechtlich unzulässig sei. Der Eigentümer wollte die Vollziehung dieser Anordnung sowie die angedrohte Zwangsgeldzahlung aufschieben.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht ordnete die Aussetzung der angedrohten Zwangsgeldzahlung an. Den Antrag des Eigentümers, die Beseitigungsanordnung selbst auszusetzen, lehnte das Gericht jedoch ab.
  • Begründung: Die Beseitigungsverfügung ist voraussichtlich rechtmäßig, da vom Schuppen eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen ausgeht. Diese Gefahr entsteht durch die fortschreitende Erosion des Steilufers, wodurch der Schuppen abstürzen könnte. Das Gericht sah die Ermessensausübung der Behörde als fehlerfrei an und lehnte die Einwände des Eigentümers ab. Die angedrohte Zwangsgeldzahlung wurde ausgesetzt, um die Entscheidung im Hauptverfahren nicht vorwegzunehmen.
  • Folgen: Der Eigentümer muss den Schuppen beseitigen. Die angedrohte Zwangsgeldzahlung wird jedoch vorerst nicht fällig, bis über den Widerspruch in der Hauptsache entschieden wurde. Der Eigentümer trägt die Kosten dieses Eilverfahrens.

Der Fall vor Gericht


Grundstück am Abgrund: Muss der alte Schuppen weg?

Viele Menschen träumen von einem Grundstück mit besonderer Lage, vielleicht direkt am Wasser oder mit einer atemberaubenden Aussicht. Doch was passiert, wenn diese besondere Lage auch besondere Gefahren birgt, zum Beispiel durch ein langsam erodierendes Steilufer? Genau mit dieser Frage musste sich das Verwaltungsgericht Schleswig auseinandersetzen, als ein Grundstückseigentümer gegen die Anordnung kämpfte, seinen Schuppen abzureißen.

Was war passiert? Der Schuppen am Steilufer

Baukontrolleur und Eigentümer am Küstenschuppen bei Abbruchkontrolle
Alter Schuppen am gefährlichen Küstenabbruch: Konflikt zwischen Eigentümer und Baukontrolleur wegen Erosions- und Absturzgefahr. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Eigentümer, nennen wir ihn Herrn S., besitzt ein Grundstück in X X, das direkt an einem etwa 15 Meter hohen Steilufer liegt. Seit er das Grundstück 1994 gekauft hat, frisst sich die Küste unaufhaltsam landeinwärts – im Durchschnitt etwa einen halben bis einen Meter pro Jahr. Bei Sturmfluten können es sogar bis zu zehn Meter auf einmal sein. Bereits 2013 musste ein Wochenendhaus auf dem Grundstück weichen, weil es zu nah an die damalige Abbruchkante geraten war. Ein kleinerer Lagerschuppen, der schon Mitte der neunziger Jahre dort stand und etwa 15 Kubikmeter Rauminhalt hat, blieb jedoch stehen. Seitdem nutzt Herr S. das Grundstück nur noch für Wochenendausflüge. Es liegt im sogenannten Außenbereich, das bedeutet, es befindet sich außerhalb von Gebieten, die offiziell für eine Bebauung vorgesehen sind. Im Flächennutzungsplan (ein Plan der Gemeinde, der die geplante Nutzung von Flächen festlegt) ist das Gebiet als Wald ausgewiesen. In der Nähe gibt es nur ein Ausflugslokal als weitere Bebauung.

Die Kontrollen und die plötzliche Anordnung

Am 19. Februar 2024 stellte ein Baukontrolleur der zuständigen Behörde fest, dass der Schuppen nur noch etwa 4,50 Meter von der Abbruchkante entfernt war. Eine weitere Kontrolle am 4. Juni 2024 zeigte keine Veränderung. Doch dann, am 1. Februar 2025, erhielt Herr S. eine Ordnungsverfügung (eine verbindliche Anweisung einer Behörde) vom 17. Januar 2025. Darin wurde er aufgefordert, den Schuppen unverzüglich, spätestens bis zum 10. Februar 2025, zu beseitigen. Eine Anhörung (die Möglichkeit für Betroffene, sich vor einer Entscheidung zu äußern) hatte es vorher nicht gegeben.

Die Behörde ordnet an: Sofortiger Abriss und Zwangsgeld

Gleichzeitig mit der Abrissaufforderung ordnete die Bauaufsichtsbehörde die Sofortige Vollziehung an. Das bedeutet, Herr S. musste dem Abrissgebot nachkommen, auch wenn er dagegen Widerspruch (ein Rechtsmittel, mit dem man eine behördliche Entscheidung überprüfen lassen kann) einlegen würde. Für den Fall, dass er den Schuppen nicht fristgerecht beseitigt, drohte die Behörde ein Zwangsgeld (eine Geldstrafe, um die Befolgung einer Anordnung zu erzwingen) in Höhe von 5.000 Euro an. Zusätzlich wurden Gebühren von 477 Euro fällig.

Warum die Behörde den Abriss forderte

Die Bauaufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung mit den Paragrafen § 58 Absatz 2 und § 80 Satz 1 der Landesbauordnung (LBO) (das Gesetz, das die baulichen Anforderungen in Schleswig-Holstein regelt). Sie sah eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Wanderern, die oben am Hang oder unten am Ufer entlanggehen könnten, sowie eine Notwendigkeit, die baurechtliche Ordnung durchzusetzen. Der Schuppen sei ohne Baugenehmigung (die offizielle Erlaubnis, ein Gebäude zu errichten oder zu ändern) gebaut worden und mit 15 Kubikmetern Rauminhalt auch nicht verfahrensfrei (also ohne Genehmigung erlaubt) gewesen. Eine nachträgliche Genehmigung sei im Außenbereich nicht möglich, da keine Privilegierung (eine gesetzliche Ausnahme, die bestimmte Bauvorhaben im Außenbereich erlaubt, z.B. für Landwirte) vorliege und die gesicherte Erschließung (Anschluss an öffentliche Versorgung wie Wasser, Abwasser, Strom und eine Zufahrt) fehle, insbesondere ein Wasseranschluss. Die Behörde betonte, dass der Abriss allein schon wegen der fehlenden Erschließung notwendig sei, selbst wenn Gutachten die Standsicherheit bestätigen würden. Man müsse im Sinne der Sicherheit und Ordnung handeln.

Warum die Behörde sofort handeln wollte

Von einer Anhörung des Herrn S. habe man abgesehen, weil Gefahr für Leben und Gesundheit gedroht habe. Die sofortige Vollziehung sei notwendig, weil das öffentliche Interesse an der Beseitigung des gefährdenden Zustands überwiege.

Der Eigentümer wehrt sich: Keine Eile, keine Gefahr?

Herr S. legte am 7. Februar 2025 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Schleswig. Das ist ein schnelles Gerichtsverfahren, um vorläufig eine Entscheidung zu treffen, bevor im Hauptverfahren endgültig entschieden wird. Er argumentierte, es gebe keine Eile, da die Kontrolleure zuvor keine Gefahr gesehen hätten und sich die Lage nicht verändert habe. Seine eigene Messung habe sogar einen Abstand von 5,20 Metern ergeben. Eine Gefahr für Wanderer bestreite er; der Wanderweg führe ohnehin oft nah an die Kante, und eine nahe Gastronomie sehe auch keine Gefahr. Die Gefahr durch den Schuppen sei nicht größer als durch natürliche Abbrüche von Küstenteilen oder Bäumen. Über eine Baugenehmigungspflicht sei er nie informiert worden, da der Schuppen schon beim Kauf da gewesen sei. Nach 30 Jahren Duldung sei ein sofortiger Abriss ermessensfehlerhaft (die Behörde hat ihren Entscheidungsspielraum falsch genutzt). Er sei an Risikominimierung interessiert und werde den Schuppen selbst beseitigen, wenn weitere Abbrüche erfolgen.

Die Entscheidung des Gerichts: Schuppen muss weg, Zwangsgeld vorerst nicht

Das Verwaltungsgericht Schleswig entschied: Der Widerspruch von Herrn S. bekommt eine aufschiebende Wirkung nur für die Androhung des Zwangsgeldes. Das bedeutet, das Zwangsgeld darf vorerst nicht eingetrieben werden, bis endgültig über den Widerspruch entschieden ist. Im Übrigen, also bezüglich der Abrissverfügung selbst, wurde der Antrag von Herrn S. abgelehnt. Er muss die Kosten des Verfahrens tragen. Der Streitwert (der finanzielle Wert des Interesses, um das gestritten wird) wurde auf 3.000 Euro festgesetzt.

Warum entschied das Gericht so? Eine schrittweise Erklärung

Das Gericht musste nun verschiedene Punkte prüfen. Zuerst legte es den Antrag von Herrn S. so aus, dass er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Abrissverfügung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Zwangsgeldandrohung wollte, aber nicht gegen die Gebühren.

Durfte die Behörde den Sofortvollzug überhaupt anordnen? (Formalities)

Ja, das durfte sie. Die Anordnung des Sofortvollzugs muss schriftlich begründet werden, und das hat die Behörde getan, indem sie auf den gefährdenden Zustand hingewiesen hat. Das reichte formal aus.

Die wichtigste Frage: Ist der Abriss des Schuppens rechtmäßig?

Hier prüft das Gericht im Eilverfahren, ob der Bescheid der Behörde voraussichtlich rechtmäßig ist. Es wägt das Interesse von Herrn S., den Schuppen vorerst stehen zu lassen, gegen das öffentliche Interesse am sofortigen Abriss ab.

Gab es die richtige Rechtsgrundlage? (Legal basis for demolition)

Die Behörde hatte sich auf § 58 Abs. 2 LBO (eine Art Generalklausel, die es der Behörde erlaubt, Gefahren abzuwehren) und § 80 Satz 1 LBO (Beseitigung illegal errichteter Bauten) berufen. Das Gericht sagte, § 80 Satz 1 LBO passt hier nicht, weil es nicht primär um die illegale Errichtung geht, sondern um die aktuelle Gefahr. Die richtige Grundlage sei allein § 58 Abs. 2 LBO. Das ist aber kein Problem, da man die Rechtsgrundlage austauschen kann, wenn die neue Regelung ein ähnliches Ziel verfolgt und die Entscheidung dadurch nicht völlig anders wird.

War die Abrissverfügung formell korrekt – trotz fehlender Anhörung? (Formalities of the order itself)

Hier gab es einen Fehler: Herr S. wurde vor der Entscheidung nicht angehört, obwohl das nötig gewesen wäre. Die von der Behörde genannte Ausnahme (Gefahr für Leben und Gesundheit) lag laut Gericht nicht so zwingend vor, dass man auf jede Anhörung verzichten konnte. Aber dieser Fehler wurde geheilt. Das bedeutet, er wurde nachträglich korrigiert. Wie? Indem Herr S. im Gerichtsverfahren seine Argumente vorbringen konnte und die Behörde darauf reagiert hat. Eine Heilung ist möglich, wenn die Anhörung nachgeholt wird und ihren Zweck erfüllt – nämlich der Behörde die Sichtweise des Betroffenen zur Kenntnis zu bringen und ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken.

Die Kernfrage: Bestand eine konkrete Gefahr durch den Schuppen? (Material legality)

Ja, das Gericht sah eine konkrete Gefahr. Der Schuppen ist unbestritten nicht genehmigt. Ob er jemals legal war oder einen Bestandsschutz (eine Art Gewohnheitsrecht, das unter bestimmten Umständen den Fortbestand eines eigentlich nicht mehr zulässigen Zustands erlaubt) genoss, spielte keine Rolle mehr. Entscheidend war die aktuelle Gefahr. Diese Gefahr bestand für Wanderer und Personen, die sich im Schuppen aufhalten könnten, falls dieser durch die fortschreitende Erosion abstürzt.

Das Gericht führte aus, dass der Schuppen die ohnehin bestehenden Gefahren durch den Küstenabbruch sogar noch erhöht. Denn nicht nur Erde, sondern auch der Schuppen samt Inhalt könnte abstürzen. Das Eigengewicht des Schuppens könnte einen Abbruch begünstigen und das Wachstum von Pflanzen verhindern, die den Hang stabilisieren könnten. Nach Einschätzung des Landesbetriebs für Küstenschutz (LKN.SH) könnte schon eine einzige Sturmflut den Schuppen zum Absturz bringen.

Außerdem erfüllt das Grundstück die Anforderungen an die Eignung von Baugrundstücken (§ 13 LBO) nicht mehr. Durch den Küstenabbruch ist das Grundstück nicht mehr ausreichend sicher. Auch die Standsicherheit des Schuppens selbst (§ 12 LBO) ist auf einem abbrechenden Grundstück nicht dauerhaft gegeben. Das Gericht war überzeugt, dass bei weniger als fünf Metern Abstand zur Kante schon zwei bis drei größere Abbrüche den Schuppen gefährlich nah an den Abgrund rücken oder ihn abstürzen lassen könnten.

Hat die Behörde ihr Ermessen richtig genutzt?

Wenn eine Behörde eine Entscheidung trifft, hat sie oft einen gewissen Spielraum, das sogenannte Ermessen. Das Gericht prüft nur, ob die Behörde diesen Spielraum fehlerfrei genutzt hat. Hier sah das Gericht keine Fehler. Trotz der endgültigen Folge eines Abrisses sei die Entscheidung wegen der konkreten Gefahr richtig und verhältnismäßig (der Eingriff steht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck). Es handele sich ja „nur“ um einen gelegentlich genutzten Schuppen, nicht um ein Wohnhaus, und das Grundstück könne weiterhin für Ausflüge genutzt werden. Selbst Herr S. plane ja eine Beseitigung bei fortschreitender Erosion.

Was ist mit den Einwänden des Eigentümers?

Ungleichbehandlung im Vergleich zum Nachbarn?

Herr S. hatte auf das nahe Ausflugslokal verwiesen. Das Gericht sah hier aber keine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Grundgesetz (Gleichheitssatz). Das Lokal habe einen deutlich größeren Abstand zur Kante (Terrasse ca. 19m, Gasthaus ca. 30m). Auch der Vergleich mit herabfallenden Bäumen zog nicht: Bäume sind keine baulichen Anlagen und fallen daher nicht in die Zuständigkeit der Bauaufsicht.

Hat die Behörde ihr Recht auf Einschreiten verwirkt?

Herr S. meinte, die Behörde habe den Schuppen 30 Jahre geduldet und könne nun nicht plötzlich den Abriss fordern. Das nennt man Verwirkung. Eine Verwirkung liegt aber nur selten vor. Dass ein illegaler Zustand lange besteht, führt nicht automatisch dazu, dass die Behörde nicht mehr einschreiten darf. Es hätte ein aktives Handeln der Behörde geben müssen, das bei Herrn S. das Vertrauen erweckt, der Zustand sei in Ordnung. Die bloße Kenntnis vom Schuppen reichte nicht aus. Zudem, so das Gericht, würde eine Duldung sich höchstens auf die fehlende Genehmigung beziehen, nicht aber auf eine aktuelle Gefahr. Bei Gefahr muss die Behörde handeln können.

Gäbe es mildere Mittel als den Abriss?

Nein, das Gericht sah keine milderen Mittel. Eine Nutzungsuntersagung (Verbot, den Schuppen zu benutzen) würde die Absturzgefahr nicht beseitigen. Ein Standsicherheitsnachweis würde auch nicht helfen, da sich das Grundstück ständig verkleinert und damit die Grundlage für jede Standsicherheit entfällt.

Die Frage, ob die gesetzte Frist für den Abriss (bis 10. Februar) angemessen war, spielte keine Rolle mehr, da sie bereits abgelaufen war. Eine zu kurze Frist würde erst bei der tatsächlichen zwangsweisen Durchsetzung des Abrisses relevant.

Das Zwangsgeld: Warum hier eine andere Entscheidung fiel

Obwohl der Abriss des Schuppens als rechtmäßig angesehen wurde, ordnete das Gericht für die Zwangsgeldandrohung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an. Das bedeutet, die Behörde darf das Zwangsgeld von 5.000 Euro vorerst nicht von Herrn S. fordern. Warum dieser Unterschied? Die Androhung eines Zwangsgeldes ist ein Schritt der Vollstreckung (Durchsetzung einer Anordnung). Bei der Frage, ob ein Zwangsmittel sofort eingesetzt werden darf, gelten oft strengere Maßstäbe oder es gibt eine gesonderte Interessenabwägung, die hier zugunsten von Herrn S. ausfiel, zumindest vorläufig. Die genauen Gründe für diese spezielle Entscheidung bezüglich des Zwangsgeldes werden im Beschluss nicht weiter ausgeführt, es ist aber üblich, dass Gerichte die Vollstreckungsmaßnahmen kritischer prüfen, solange das Hauptverfahren noch nicht abgeschlossen ist.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Eigentümer von Grundstücken in Gefahrenlagen nicht darauf vertrauen können, dass lange geduldete Bauten dauerhaft bestehen bleiben dürfen. Auch nach 30 Jahren kann die Behörde den sofortigen Abriss anordnen, wenn eine konkrete Gefahr entsteht – hier durch die fortschreitende Küstenerosion, die den Schuppen zum Absturzrisiko machte. Das Gericht machte deutlich, dass bereits ein Abstand von wenigen Metern zur Abbruchkante ausreicht, um eine Gefährdung von Personen anzunehmen und drastische Maßnahmen zu rechtfertigen. Die Entscheidung warnt Grundstückseigentümer in ähnlichen Lagen, dass sie nicht auf eine dauerhafte Duldung durch die Behörden setzen sollten und bei veränderten Gefahrenlagen schnell handeln müssen.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann darf eine Behörde den Abriss eines Gebäudes auf meinem Grundstück anordnen?

Eine Behörde, in der Regel die Bauaufsichtsbehörde, darf den Abriss eines Gebäudes auf Ihrem Grundstück nur unter bestimmten, strengen Voraussetzungen anordnen. Ein solcher Abriss ist ein sehr weitreichender Eingriff in Ihr Eigentum. Die Anordnung muss immer auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Das bedeutet, der Abriss muss notwendig, geeignet und das mildeste Mittel sein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Hauptgründe für eine Abrissanordnung

Die wichtigsten Gründe, die eine Baubehörde zu einer Abrissanordnung ermächtigen können, lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:

  1. Illegale Bauten: Dies betrifft Gebäude, die entweder ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet wurden oder die, obwohl sie genehmigt waren, später erheblich und unzulässig von der Genehmigung abweichen und den aktuellen Bauvorschriften nicht entsprechen.
    • Fehlende oder ungültige Baugenehmigung: Ein Gebäude, das ohne die gesetzlich vorgeschriebene Baugenehmigung gebaut wurde (sogenannte formelle Illegalität), ist grundsätzlich illegal. Die Behörde kann den Abriss anordnen, wenn das Gebäude nicht nachträglich genehmigt werden kann. Eine nachträgliche Genehmigung ist oft ausgeschlossen, wenn das Gebäude den aktuellen Bauvorschriften (z.B. Abstandsflächen, Nutzung, Größe) widerspricht oder gegen einen Bebauungsplan verstößt.
    • Verstoß gegen materielle Bauvorschriften: Auch wenn ein Gebäude ursprünglich genehmigt war, kann eine Abrissanordnung ergehen, wenn es gegen wesentliche, jetzt geltende materielle Bauvorschriften verstößt (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, Abstandsflächen zum Nachbargrundstück) und dieser Verstoß nicht durch Umbau oder andere Maßnahmen behoben werden kann. Dies ist oft der Fall, wenn das Gebäude eine Gefahrenquelle darstellt oder die Rechte Dritter, wie zum Beispiel Nachbarn, unzumutbar beeinträchtigt.
  2. Gefährliche Zustände: Eine Abrissanordnung kann auch ergehen, wenn ein Gebäude eine konkrete und unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt.
    • Einsturzgefahr: Wenn ein Gebäude statisch instabil ist und einzustürzen droht, was Menschenleben gefährden könnte, ist dies ein dringender Grund für eine Abrissanordnung.
    • Brandgefahr: Wenn ein Gebäude aufgrund von Baumängeln oder illegalen Umbauten ein unkontrollierbares Brandrisiko darstellt.
    • Gesundheitsgefahr: In seltenen Fällen können auch erhebliche gesundheitliche Gefahren, die vom Gebäude ausgehen (z.B. extreme Schimmelbildung bei unzumutbarer Wohnsituation), einen Abriss rechtfertigen, wenn keine milderen Mittel greifen.

Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit als wichtigste Grenze

Eine Abrissanordnung ist fast immer das letzte Mittel. Bevor die Behörde einen Abriss anordnet, muss sie prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen ausreichen würden, um den rechtmäßigen Zustand herzustellen oder die Gefahr abzuwenden. Dazu gehören beispielsweise:

  • Die Aufforderung zur nachträglichen Beantragung einer Baugenehmigung.
  • Die Anordnung, das Gebäude oder Teile davon umzubauen, um den Vorschriften zu entsprechen.
  • Eine Nutzungsuntersagung, also das Verbot, das Gebäude für bestimmte Zwecke zu nutzen.
  • Die Anordnung, das Gebäude zu sichern oder Instand zu setzen.

Nur wenn solche milderen Mittel nicht möglich sind, keinen Erfolg versprechen oder die Gefahr so groß ist, dass sie sofortiges Handeln erfordert, darf ein Abriss angeordnet werden. Die genauen Vorschriften und die Auslegung dieser Grundsätze können je nach Landesbauordnung (dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes) variieren.


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Was bedeutet es, wenn mein Grundstück oder Gebäude im „Außenbereich“ liegt, und wie beeinflusst das Bauvorhaben oder die Duldung von Bauten?

Wenn Ihr Grundstück oder Gebäude im sogenannten „Außenbereich“ liegt, bedeutet das, dass es sich außerhalb der zusammenhängenden Bebauung einer Ortschaft befindet. Stellen Sie sich vor, es ist das Gebiet, das nicht eindeutig als Wohngebiet, Gewerbegebiet oder Dorfzentrum erkennbar ist – also meist freies Land, Felder, Wälder, Streusiedlungen oder einzelne Höfe. Der Gesetzgeber schützt diesen Bereich besonders, um die Natur und Landschaft zu erhalten, eine ungeordnete Zersiedelung zu verhindern und die Infrastrukturkosten für Gemeinden niedrig zu halten.

Auswirkungen auf Bauvorhaben im Außenbereich

Der Grundsatz lautet: Bauvorhaben im Außenbereich sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Regeln sind hier deutlich strenger als in bebauten Gebieten (dem „Innenbereich“). Das deutsche Baugesetzbuch (BauGB) regelt dies in erster Linie in § 35. Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von Vorhaben:

  1. Privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB): Das sind Bauvorhaben, die typischerweise zum Außenbereich gehören und dort auch sinnvoll sind. Dazu zählen zum Beispiel:
    • Land- oder forstwirtschaftliche Betriebe: Ställe, Scheunen oder Wohngebäude, die für den Betrieb notwendig sind.
    • Öffentliche Versorgungseinrichtungen: Windenergieanlagen, bestimmte Anlagen für die Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung.
    • Die Genehmigung solcher Vorhaben ist wahrscheinlicher, da sie dem Charakter des Außenbereichs entsprechen und dort ihren Zweck erfüllen müssen.
  2. Sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB): Hierunter fallen alle anderen Bauvorhaben, die nicht zu den privilegierten Vorhaben gehören, zum Beispiel ein Wohnhaus, das nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Für diese Vorhaben gelten sehr hohe Hürden. Sie sind im Außenbereich nur ausnahmsweise zulässig, wenn sie keine „öffentlichen Belange“ beeinträchtigen. Öffentliche Belange sind zum Beispiel:
    • Der Landschafts- und Naturschutz.
    • Die Leistungsfähigkeit der Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, Abwasser) und Verkehrswege (sogenannte „gesicherte Erschließung“).
    • Das Orts- und Landschaftsbild.
    • Die Vermeidung einer Zersiedelung.
    • Dies bedeutet in der Praxis, dass die Genehmigung für solche Vorhaben oft sehr schwierig zu erhalten ist, da viele dieser öffentlichen Belange durch neue Bebauung im Außenbereich beeinträchtigt werden könnten.

Umgang mit bestehenden Gebäuden (Bestandsschutz)

Die Frage, wie mit bereits existierenden Gebäuden im Außenbereich umgegangen wird, hängt davon ab, ob diese Gebäude einst rechtmäßig errichtet und genutzt wurden.

  • Rechtmäßig errichtete Gebäude genießen Bestandsschutz: Wenn ein Gebäude einmal ordnungsgemäß genehmigt wurde und den damals geltenden Vorschriften entsprach, darf es in der Regel in seinem bestehenden Umfang und seiner Art der Nutzung erhalten bleiben. Das bedeutet, Sie dürfen notwendige Instandhaltungsarbeiten durchführen oder das Gebäude modernisieren, auch wenn es nach heutigen Regeln im Außenbereich nicht mehr genehmigungsfähig wäre.
  • Grenzen des Bestandsschutzes: Der Bestandsschutz schützt jedoch nicht jede Änderung oder Erweiterung. Eine wesentliche Erweiterung, eine Nutzungsänderung oder ein Wiederaufbau nach vollständiger Zerstörung ist oft wie ein Neubau zu behandeln und muss die strengen Anforderungen für Bauvorhaben im Außenbereich erfüllen. Das bedeutet, selbst wenn Ihr Haus schon lange im Außenbereich steht, ist ein Anbau oder eine Umwandlung in beispielsweise ein Gewerbebetrieb oft nur schwer möglich.
  • Gebäude ohne Genehmigung („Schwarzbauten“): Wenn ein Gebäude im Außenbereich ohne die erforderliche Genehmigung errichtet wurde, genießt es keinen Bestandsschutz. Die Bauaufsichtsbehörde kann in solchen Fällen Maßnahmen ergreifen, um den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, bis hin zur Anordnung des Abrisses.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Lage eines Grundstücks im Außenbereich bedeutet eine stark eingeschränkte Baufreiheit, um die besonderen Eigenschaften dieser Landschaft zu schützen. Für neue Bauvorhaben sind die Anforderungen hoch, und auch bestehende Gebäude unterliegen Einschränkungen, insbesondere bei Veränderungen.


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Welche rechtlichen Schritte kann ich einleiten, wenn ich eine Abrissverfügung erhalte, besonders wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wird?

Wenn eine Behörde eine Abrissverfügung erlässt, handelt es sich um eine behördliche Anordnung, ein Gebäude oder einen Gebäudeteil abzureißen. Wird zusätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet, bedeutet dies, dass die Anordnung unmittelbar umgesetzt werden kann, auch wenn rechtliche Schritte dagegen unternommen werden. Dies ist eine besondere Dringlichkeitsmaßnahme, die den üblichen Schutz der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufhebt.

Der Widerspruch: Die erste Reaktion

Grundsätzlich ist der erste Schritt gegen eine behördliche Anordnung wie eine Abrissverfügung der Widerspruch. Dieser muss in der Regel innerhalb eines Monats nach Zustellung der Verfügung bei der Behörde eingereicht werden, die die Verfügung erlassen hat. Der Widerspruch ist ein formeller Rechtsbehelf, mit dem die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Entscheidung überprüft werden soll.

Für die betroffene Person ist es wichtig zu wissen: Ein Widerspruch hat bei einer Abrissverfügung mit angeordneter sofortiger Vollziehung keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, die Behörde darf die Abrissverfügung trotz des eingelegten Widerspruchs durchsetzen.

Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung: Der entscheidende Schritt bei Dringlichkeit

Da der Widerspruch allein die sofortige Vollziehung nicht aufhält, ist parallel dazu ein separater Antrag erforderlich: der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Dieser Antrag wird beim zuständigen Verwaltungsgericht gestellt. Das Gericht prüft dann in einem Eilverfahren, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt war und ob die Abrissverfügung selbst offensichtlich rechtswidrig ist.

Das Verwaltungsgericht wägt dabei die Interessen der Behörde (oft öffentliches Interesse an Sicherheit oder Ordnung) gegen die Interessen des betroffenen Eigentümers ab. Das Gericht kann dann, falls es die sofortige Vollziehung für nicht gerechtfertigt oder die Abrissverfügung für offensichtlich rechtswidrig hält, die sofortige Vollziehung vorläufig aussetzen. Dies bedeutet, dass die Abrissverfügung bis zu einer endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren nicht umgesetzt werden darf. Ein solcher Gerichtsentscheid ist für die betroffene Person von größter Bedeutung, da er Zeit verschafft und einen drohenden Abriss vorläufig verhindern kann.

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht: Das Hauptverfahren

Unabhängig von einem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung kann nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren – oder in bestimmten Fällen direkt – eine Klage gegen die Abrissverfügung beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Dies ist das Hauptverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Abrissverfügung umfassend geprüft wird.

Auch eine Klage hat, genau wie der Widerspruch, keine aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Daher ist der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung so wichtig, um die Umsetzung der Anordnung während des laufenden Klageverfahrens zu verhindern. Das Klageverfahren kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Am Ende entscheidet das Gericht, ob die Abrissverfügung rechtmäßig war oder aufgehoben werden muss.


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Kann ein Gebäude, das schon viele Jahre auf meinem Grundstück steht, nachträglich abgerissen werden?

Ja, grundsätzlich kann ein Gebäude, das schon viele Jahre auf einem Grundstück steht, auch nachträglich Gegenstand einer Abrissverfügung oder Nutzungsuntersagung werden. Das Alter allein schützt ein Bauwerk in der Regel nicht vor bauaufsichtlichen Maßnahmen. Es gibt jedoch wichtige juristische Prinzipien, die in solchen Fällen eine Rolle spielen.

Wann ein Gebäude geschützt sein kann: Der Bestandsschutz

Ein Gebäude genießt Bestandsschutz, wenn es entweder mit einer gültigen Baugenehmigung errichtet wurde oder wenn es zur Zeit seiner Errichtung den damals geltenden Bauvorschriften entsprach und diese später geändert wurden.

  • Formeller Bestandsschutz: Dieser liegt vor, wenn das Gebäude ordnungsgemäß genehmigt wurde. Auch wenn sich die Baugesetze seitdem geändert haben, darf ein formell genehmigtes Gebäude in seinem Bestand grundsätzlich bleiben.
  • Materieller Bestandsschutz: Dieser betrifft Gebäude, die zwar ohne Baugenehmigung errichtet wurden, aber zur Zeit ihrer Errichtung vollständig den damals geltenden Bauvorschriften entsprachen. Auch diese Gebäude können unter bestimmten Umständen vor Abriss geschützt sein. Das ist oft schwer nachzuweisen, da die damaligen Bauvorschriften ermittelt und die Bauausführung danach bewertet werden müssen.

Wenn ein Gebäude jedoch von Anfang an illegal, also ohne Genehmigung und nicht den geltenden Vorschriften entsprechend, errichtet wurde und dies auch nach den damaligen Gesetzen so war, besteht in der Regel kein Bestandsschutz.

Verwirkung des staatlichen Abrissrechts

Ein weiterer Aspekt, der für Sie als Eigentümer relevant sein könnte, ist die sogenannte Verwirkung behördlicher Eingriffsrechte. Auch wenn ein Gebäude ursprünglich illegal errichtet wurde und somit kein Bestandsschutz besteht, kann das Recht der Baubehörde, den Abriss anzuordnen, in Ausnahmefällen verwirkt sein. Dies bedeutet, dass die Behörde ihr Recht verloren hat, eine Maßnahme zu ergreifen, weil sie dieses Recht über einen sehr langen Zeitraum nicht ausgeübt hat und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Für eine Verwirkung müssen typischerweise zwei Elemente vorliegen:

  1. Zeitmoment: Es muss ein erheblicher Zeitraum verstrichen sein, in dem die Behörde untätig geblieben ist, obwohl sie Kenntnis von dem illegalen Zustand hatte oder hätte haben müssen. Das sind oft viele Jahre, manchmal Jahrzehnte.
  2. Umstandsmoment: Zum Zeitmoment muss ein Umstandsmoment hinzukommen. Das bedeutet, dass der Eigentümer oder ein Dritter (z.B. ein Käufer des Grundstücks) aufgrund des Verhaltens der Behörde (oder deren Untätigkeit) darauf vertrauen durfte, dass der Zustand des Gebäudes nicht mehr beanstandet wird. Dieses Vertrauen muss schutzwürdig sein. Ein Beispiel hierfür könnte sein, dass die Behörde über Jahre hinweg Kenntnis von dem Gebäude hatte und dies durch bestimmte Handlungen (z.B. Erhebung von Grundsteuern, Duldung einer Nutzung) zu erkennen gab, ohne einzuschreiten.

Wichtig zu wissen: Eine Verwirkung tritt nicht automatisch ein, nur weil ein langer Zeitraum vergangen ist. Es ist eine Ausnahme und in der Praxis oft schwierig durchzusetzen. Die Behörde verliert ihr Recht beispielsweise nicht, wenn das Gebäude eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (z.B. Einsturzgefahr, Brandgefahr, erhebliche Gesundheitsgefährdung). In solchen Fällen kann die Behörde auch nach langer Zeit noch eingreifen, da die Sicherheit immer Vorrang hat. Auch bei schwerwiegenden Verstößen gegen das Planungsrecht, die das Stadtbild oder die öffentliche Nutzung stark beeinträchtigen, ist eine Verwirkung unwahrscheinlicher.

Was das Alter des Bauwerks bedeutet

Das Alter eines Bauwerks spielt in erster Linie eine Rolle für den Nachweis des materiellen Bestandsschutzes (durch die damals geltenden Bauvorschriften) und als Teil des Zeitmoments bei der Frage der Verwirkung. Es ist aber kein absolutes Schutzmerkmal für sich allein. Ein Gebäude, das nie rechtmäßig war und auch keine Vertrauensgrundlage durch behördliche Duldung geschaffen hat, kann auch nach vielen Jahren noch abgerissen werden, insbesondere wenn es die öffentliche Sicherheit gefährdet oder gravierende Bauvorschriften verletzt.

Für Sie als Eigentümer bedeutet dies, dass die Frage, ob ein lange bestehendes Gebäude abgerissen werden kann, von verschiedenen Faktoren abhängt: Ob es jemals genehmigt war, ob es den Bauvorschriften seiner Zeit entsprach, und ob die Baubehörde über viele Jahre hinweg untätig war und dadurch ein schutzwürdiges Vertrauen beim Eigentümer entstanden ist.


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Welche Rolle spielen Gefahren für die Sicherheit bei behördlichen Anordnungen und kann ich als Eigentümer diese Gefahren beseitigen?

Die Abwehr von Gefahren ist eine der wichtigsten Aufgaben von Behörden im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Behördliche Anordnungen, wie zum Beispiel eine Abrissverfügung für ein marodes Gebäude, dienen dazu, solche Sicherheitsrisiken zu beseitigen oder zu verhindern.

Was bedeutet „konkrete Gefahr“ und welche Gefahren sind relevant?

Damit eine Behörde eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr ergreifen kann, muss in der Regel eine konkrete Gefahr vorliegen. Das bedeutet, es handelt sich nicht um eine bloße Vermutung oder eine allgemeine Möglichkeit, sondern um eine Situation, in der ein Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit eintreten wird. Es muss eine spezifische Bedrohung für einen bestimmten Ort oder Personenkreis bestehen.

Behörden sind zum Handeln berechtigt oder sogar verpflichtet, wenn konkrete Gefahren für grundlegende Schutzgüter wie die folgenden bestehen:

  • Leib und Leben von Menschen: Dies ist der Fall, wenn zum Beispiel ein Bauwerk einzustürzen droht oder herabfallende Teile Personen verletzen könnten.
  • Gesundheit: Wenn etwa gefährliche Stoffe austreten oder massive Schimmelbildung die Gesundheit von Bewohnern oder Dritten beeinträchtigen kann.
  • Öffentliche Sicherheit und Ordnung: Hierzu gehören die Unversehrtheit des Staates und seiner Einrichtungen, der Schutz von Eigentum Dritter (z.B. Nachbargebäude) und die Umwelt. Eine akute Brandgefahr oder eine drohende Verunreinigung des Grundwassers sind Beispiele hierfür.

Für Sie als Eigentümer bedeutet das, dass eine behördliche Anordnung wie eine Abrissverfügung nicht ohne triftigen Grund ergeht, sondern auf der festgestellten Existenz einer solchen konkreten und schwerwiegenden Gefahr beruht.

Kann ich als Eigentümer diese Gefahren selbst beseitigen?

Ja, in vielen Fällen können und sollten Sie als Eigentümer selbst Maßnahmen ergreifen, um bestehende Gefahren zu beseitigen. Das Hauptziel der Behörden ist stets die Abwendung oder Beseitigung der Gefahr. Wenn Sie die Gefahr eigenständig, schnell und wirksam beseitigen, kann dies eine behördliche Anordnung oft überflüssig machen.

Stellen Sie sich vor, an Ihrem Haus löst sich ein Balkongeländer und droht herunterzufallen. Wenn Sie umgehend einen Fachmann beauftragen, der das Geländer repariert oder entfernt, bevor die Behörde einschreiten muss, ist die Gefahr gebannt. Die Behörde hat dann keinen Grund mehr, eine eigene Anordnung zu erlassen.

Es ist entscheidend, dass die Beseitigung der Gefahr vollständig und nachhaltig erfolgt. Eine unzureichende oder nur vorübergehende Reparatur ist in der Regel nicht ausreichend, um die Behörde von der Notwendigkeit weiterer Schritte zu überzeugen. Sollten Sie als Eigentümer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen, kann die Behörde die notwendigen Maßnahmen selbst veranlassen (diese Vorgehensweise nennt man Ersatzvornahme) und Ihnen die dabei entstandenen Kosten in Rechnung stellen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Außenbereich

Der Außenbereich bezeichnet Flächen außerhalb der zusammenhängenden Bebauung einer Gemeinde, also außerhalb der eigentlichen Ortschaften. Nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) gelten für den Außenbereich strengere Bauvorschriften: Dort sind Bauvorhaben grundsätzlich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt, etwa für land- oder forstwirtschaftliche Nutzungen oder öffentliche Versorgungseinrichtungen. Der Schutz des Außenbereichs dient dem Erhalt der Natur, Landschaft und Vermeidung der Zersiedelung. Für Besitzer von Grundstücken im Außenbereich bedeutet das eine stark eingeschränkte Baufreiheit, und neue Gebäude bedürfen meist einer besonderen Rechtfertigung.

Beispiel: Ein Landwirt darf im Außenbereich eine Scheune errichten, ein Privatperson darf dort dagegen üblicherweise nicht einfach ein Wohnhaus bauen.


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Ordnungsverfügung

Eine Ordnungsverfügung ist eine behördliche Anordnung, mit der eine Person verpflichtet wird, bestimmte Maßnahmen zu treffen oder zu unterlassen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Sie ist verbindlich und kann beispielsweise das Entfernen eines Gebäudes oder das Einstellen von störenden Tätigkeiten verlangen. Die rechtliche Grundlage für Ordnungsverfügungen findet sich häufig im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder spezialgesetzlich, wie hier in der Landesbauordnung. Ordnungsverfügungen sind vollziehbar – die Behörde kann bei Nichtbefolgung Zwangsmittel einsetzen.

Beispiel: Wird ein Gartenzaun widerrechtlich errichtet, kann die Behörde per Ordnungsverfügung dessen Rückbau anordnen.


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Sofortige Vollziehung

Die sofortige Vollziehung ist eine Ausnahme im Verwaltungsrecht, die es einer Behörde erlaubt, eine Anordnung trotz eines eingelegten Rechtsbehelfs – zum Beispiel Widerspruch – sofort durchzusetzen. Sie hebt die normalerweise aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs auf, wenn etwa Gefahr für Leben oder öffentliche Sicherheit besteht oder andere wichtige Gründe vorliegen (vgl. § 80 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Sie dient dazu, dass notwendige Maßnahmen schnell umgesetzt werden können, ohne auf das langsame reguläre Rechtsverfahren warten zu müssen.

Beispiel: Bei der Gefahr eines einsturzgefährdeten Gebäudes kann die Abrissverfügung sofort vollzogen werden, obwohl der Eigentümer Widerspruch eingelegt hat.


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Bestandsschutz

Bestandsschutz bedeutet, dass ein Gebäude oder Zustand, der zum Zeitpunkt seiner Entstehung rechtmäßig war, auch dann weiterbestehen darf, wenn sich die gesetzlichen Vorschriften später geändert haben. Es wird unterschieden zwischen:

  • Formellem Bestandsschutz: Das Bauwerk wurde mit gültiger Genehmigung errichtet.
  • Materiellem Bestandsschutz: Das Bauwerk entsprach bei Errichtung den damals geltenden Bauvorschriften, auch ohne Genehmigung.

Bestandsschutz verhindert nicht beliebige Nutzungsänderungen oder Erweiterungen, sondern schützt nur den unveränderten Fortbestand. Ohne Bestandsschutz kann ein Gebäude auch nach vielen Jahren noch abgerissen werden, besonders wenn es eine Gefahr darstellt.

Beispiel: Ein 30 Jahre alter Schuppen, der damals genehmigt war, wird nicht wegen neuer Vorschriften abgerissen, solange er keine Gefahr darstellt oder wesentlich verändert wird.


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Verwirkung

Verwirkung bedeutet, dass ein öffentlich-rechtliches Anspruchs- oder Eingriffsrecht der Behörde verloren gehen kann, wenn sie es über einen längeren Zeitraum nicht nutzt und der Betroffene darauf vertrauen durfte, dass keine Maßnahmen mehr ergriffen werden. Dies setzt zwei Voraussetzungen voraus: einen erheblichen Zeitablauf mit Behördentätigkeitslosigkeit und einen Umstand, der ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen begründet. Verwirkung ist allerdings eine Ausnahme und greift nur selten. Besonders bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bleibt das Eingriffsrecht der Behörde in der Regel bestehen – selbst wenn Jahre vergangen sind.

Beispiel: Hat die Baubehörde 30 Jahre geduldet, dass ein illegaler Schuppen steht und durch ihr Verhalten signalisiert, dass dies in Ordnung ist, könnte eine Abrissanordnung verwirkt sein – doch bei einer Gefahr darf die Behörde dennoch handeln.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 58 Abs. 2 Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO): Diese Generalklausel erlaubt der Bauaufsichtsbehörde, Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzuordnen. Sie ist vorrangig für Gefahrenabwehrmaßnahmen bei baulichen Anlagen relevant. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Behörde stützte die Abrissverfügung auf diese Vorschrift, da der Schuppen eine konkrete Gefahr durch Einsturz infolge des Küstenabbruchs darstellt.
  • § 80 Satz 1 LBO: Regelt die Beseitigung von illegal errichteten baulichen Anlagen. Die Vorschrift bildet die formale Grundlage für Abrissanordnungen bei fehlender Baugenehmigung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Behörde führte § 80 als Rechtsgrundlage an, das Gericht sah diesen jedoch als sekundär an, da der Schwerpunkt auf Gefahrenabwehr nach § 58 Abs. 2 lag.
  • Baugenehmigungspflicht und Verfahrensfreiheit (§ 62 LBO): Bauwerke benötigen grundsätzlich eine behördliche Genehmigung, sofern sie nicht verfahrensfrei sind (kleinere, klar definierte Sonderbauten). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Schuppen ist weder genehmigt noch verfahrensfrei, was die Behörde zur Anordnung des Abrisses berechtigt, da keine nachträgliche Genehmigung im Außenbereich möglich ist.
  • Außenbereichsvorschriften (§ 35 Baugesetzbuch – BauGB): Baumaßnahmen im Außenbereich sind grundsätzlich verboten, nur unter besonderen Voraussetzungen (Privilegierung) zulässig, typischerweise für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Grundstück liegt im Außenbereich ohne Privilegierung, deshalb konnte der Schuppen auch nicht legalisiert werden, was den Abriss rechtfertigt.
  • Verhältnis von Gefahr, Standsicherheit und Verhältnismäß (§§ 12, 13 LBO): Bauliche Anlagen müssen standsicher sein und auf geeigneten Baugrund errichtet werden; bei Gefährdungen besteht eine Handlungspflicht der Behörde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fortschreitende Erosion gefährdet die Standsicherheit des Schuppens und die Sicherheit von Personen, weshalb das Gericht den Abriss als verhältnismäßig und geboten ansah.
  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) – Anhörung vor belastenden Entscheidungen (§ 28 VwVfG): Grundsätzlich ist vor einer belastenden Verwaltungsentscheidung eine Anhörung des Betroffenen erforderlich, außer im Gefahrenfall. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlende vorherige Anhörung war formal rechtswidrig, jedoch heilte das Verfahren dies durch die gerichtliche Kontrolle und Nachholung während des Widerspruchsverfahrens.
  • Rechtsgrundsätze zur Verwirkung: Eine Behörde kann rechtswidrige Zustände trotz langjähriger Duldung grundsätzlich noch beseitigen, sofern keine berechtigten Vertrauensschutzgründe vorliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte eine Verwirkung, da die Behörde keine aktive Zusicherung für den Bestand gegeben hatte und die aktuelle Gefahr weiterhin ein Eingreifen erforderte.
  • Art. 3 Grundgesetz (Gleichheitssatz): Verbietet unannehmbare Ungleichbehandlung in vergleichbaren Situationen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ein Vergleich des Schuppens mit dem Ausflugslokal wurde vom Gericht abgelehnt, da unterschiedliche Gefährdungslagen und Abstände vorliegen.

Das vorliegende Urteil


VG Schleswig – Az.: 8 B 6/25 – Beschluss vom 28.04.2025


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