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Schadenersatzanspruch des Unternehmers wegen Bauzeitverzögerungen am Bauvorhaben

KG Berlin, Az.: 7 U 12/12, Urteil vom 28.05.2013

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.1.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 35 des Landgerichts Berlin – 35 O 218/10 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 79.106,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 72% und die Beklagte zu 28% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Entschädigung nach § 642 BGB wegen Bauzeitverzögerungen am Bauvorhaben zur Grundsanierung des Bürogebäudes des D B und der unterirdischen Anbindung an das J, D … /W … in Berlin. Die Klägerin war dabei unter Einbeziehung der VOB/B gemäß Auftrag der Beklagten vom 12.6.2009 mit Arbeiten in drei Bauabschnitten (im Folgenden: BA 1 , BA 2 und BA 3) beauftragt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 20.1.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 35 des Landgerichts Berlin – 35 O 218/10  – Bezug genommen.

Gegen das ihr am 24.1.2012 zugestellte klageabweisende Urteil hat die Klägerin am 30.1.2012 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 26.4.2012 begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft erfasst und ihren Vortrag im Schriftsatz vom 2.12.2011 nebst der ergänzenden baubetrieblichen Aufarbeitung in der Anlage K 9 gänzlich übergangen, in der sie den tatsächlichen Bauablauf dem Sollablauf unter Einbeziehung aller Bauabschnitte gegenübergestellt und Eigenverzögerungen eliminiert habe. Es sei auch differenziert dargestellt worden, welche konkreten Behinderungen welche Verzögerungen zur Folge hatten. Sie habe keine Obliegenheiten zur Kompensation der eingetretenen Verzögerungen missachtet. Unerheblich sei es, dass bei Auftragserteilung noch kein Bauablaufplan vorgelegen habe, der dann auf der Basis der Vertragsfristen erstellt worden sei. Bereits der von der Bauüberwachung des Beklagten vorgelegte Bauablaufplan mit einem erst zum 31.8.2009 möglichen Arbeitsbeginn stellt sich als störungsmodifiziert fortgeschriebener Plan dar. Der Baubeginn sei vertraglich auf den 15.6.2009 festgelegt worden. Das Ende des Störungskomplexes 1 (verspätete Übergabe der Baugrube) sei unstreitig, da die Baugrube erst am 23.10.2009 übergeben worden sei. Streitig sei nur der Baubeginn gewesen. Schon deswegen sei die vollständige Klageabweisung unverständlich. Auf den Störungskomplex 2 (fehlende/unzureichende Ausführungsplanung) und den Störungskomplex 3 (mangelhafte/unzureichende auftraggeberseitige Vorunternehmerleistung) sei das Landgericht überhaupt nicht eingegangen und habe damit ihren Vortrag übergangen. Den Störungskomplex 4 (Witterung) habe das Landgericht ohne Auseinandersetzung mit der hinreichenden Darlegung der außergewöhnlichen und über den Zehnjahresdurchschnitt hinausgehenden Anzahl an Eistagen verneint.

Für den von ihr geltend gemachten und dem Grunde und der Höhe nach begründeten Anspruch komme es nach der Rechtsprechung des BGH auf die Auslegung der Vertragsbestimmungen an, ob und inwieweit Fristüberschreitungen als Obliegenheitsverletzungen der Beklagten zu werten seien. Der Beklagten habe es oblegen, das Baugelände ab dem 15.6.2009 aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen und eine ordnungsgemäße Ausführungsplanung und Vorunternehmerleistung bereitzustellen. Diese Obliegenheiten habe die Beklagte zu allen Störungskomplexen verletzt. Im Übrigen habe das Landgericht seine Hinweispflichten und das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, was den Antrag auf Zurückverweisung rechtfertige, zumal aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche und erforderliche Beweisaufnahme unterblieben sei.

Mit Schriftsatz vom 18.3.2013 stellt die Klägerin klar, dass sie die geltend gemachte Forderung nunmehr auf Ziff.9.1. der Schlussrechnung vom 27.12.2010 (Anl. BK1) stütze.

Die Klägerin beantragt,

1. die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen;

2. hilfsweise, das Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 278.601,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (6.8.2010) zu zahlen;

3. die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.

Der Zurückverweisungsantrag sei schon deshalb nicht begründet, weil die Klägerin keine neuen Tatsachen vorgetragen habe, eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht mithin nicht vorgelegen habe.

Hinsichtlich des BA 1 sei keine vertragliche Beginnfrist vereinbart worden. Für den BA 1 seien keine zehn Monate erforderlich gewesen. Die Auswertung der Kalkulation der Klägerin ergeben acht Monate. Baubeginn sei frühestens der 31.8.2009 gewesen. Die Klägerin sei ihrer Obliegenheit zur anderweitigen Nutzung ihrer Ressourcen nicht nachgekommen. Die Klägerin berücksichtige nicht, dass sie selbst zur Behinderungen und Verzögerungen beigetragen habe. Sie habe es versäumt, Verankerungen für die Schalung der Betonvorsatzschale in der Gründungsebene vorzusehen.

Am 19.4.2013 hat der Senat den Parteien einen Hinweis zum Beginn des Annahmeverzugs erteilt, auf den Bezug genommen wird.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den wegen des besseren Verständnisses in den Entscheidungsgründen geschilderten Sachverhalt Bezug genommen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nur zum Teil begründet.

I.

Keinen Erfolg hat der Antrag der Klägerin auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens nach § 538 Abs. 2 ZPO.

Zu Recht rügt die Beklagte die Argumentation der Klägerin für ihren Zurückverweisungsantrag. Die Klägerin trägt in der Berufung nichts Neues vor, sondern hält ihren erstinstanzlichen Vortrag für ausreichend schlüssig und die rechtliche Würdigung des Landgerichts für unzutreffend. Mithin kann auch kein unterbliebener Hinweis verfahrensfehlerhaft sein, denn die Klägerin trägt nichts dazu vor, wie sie ihren Vortrag anders oder umfassender gestaltet hätte. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Landgericht ihren Vortrag teilweise nicht zur Kenntnis genommen hat; denn eine Zurückverweisung ist nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 und 4 ZPO ausgeschlossen, wenn der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist. So liegt der Fall hier.

II.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin der aus der Urteilsformel ersichtliche Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB zu.

1.

Soweit die Klägerin klargestellt hat (Bl. II/94 Mitte), dass sie ihre Forderung nunmehr auf die Schlussrechnung vom 27.12.2010 (Anl.K3 und BK1)  stützt, ist dies ohne entscheidende Bedeutung. Die Rechnung soll zwar auch streitgegenständlich im Verfahren 14 O 375/10 Landgericht Berlin / 27 U 118/12 Kammergericht sein, jedoch nicht die hier streitige Mehrkostenforderung. Dies ist bisher nicht bestritten worden. Mit dem Einwand  im Schriftsatz vom 2.4.2013, einzelne Rechnungsposten einer Schlussrechnung könnten nicht Gegenstand einer einklagbaren Forderung sein, dringt die Beklagte nicht durch, weil der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB auf einem besonderen Sachverhalt beruht und daher einen selbständigen Streitgegenstand bildet, der unabhängig von der Schlussrechnung prozessual geltend gemacht werden kann. Maßgeblich ist daher allein, ob dieser Anspruch in dem Parallelverfahren rechtshängig gemacht worden ist. Das ist nicht der Fall.

2.

Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 642 BGB besteht dem Grunde nach, allerdings nicht in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang von 5,78 Monaten, sondern nur im Umfang von 3,9 Monaten.

a) Gemäß § 642 BGB kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn der Besteller durch das Unterlassen einer bei der Herstellung des Werkes erforderlichen Mitwirkungshandlung in Verzug der Annahme kommt. Dies gilt für den BGB- und den VOB/B-Vertrag gleichermaßen (BGHZ 143, 32). § 642 BGB spricht dem Unternehmer wartezeitbedingte Mehrkosten zu, die er bei Angebotsabgabe nicht kalkulieren konnte; die „Entschädigung“ soll ihm einen Ausgleich dafür bieten, dass er seine Arbeitskraft und Geschäftskapital vorgehalten hat. Der Anspruch setzt nicht eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Bestellers voraus, vielmehr knüpft § 642 BGB nur an eine bloße (verschuldensunabhängige) Obliegenheitspflichtverletzung und den damit verbundenen Annahmeverzug des Bestellers an; deshalb umfasst er auch nicht entgangenen Gewinn und entgangenes Wagnis (BGHZ 143, a.a.O.; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Februar 2007 – 8 U 47/06).

Zur Darstellung eines Verzögerungsschadens genügt es allerdings nicht, die Verzögerung, Stillstandszeiten und die Vorhaltekosten vorzutragen. Vielmehr muss konkret dargetan  werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt (vgl. OLG Hamm BauR 2004, 1304). Soweit ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage ist, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers (BGH NJW 2002, 2716).

Unter Berücksichtigung dieser gefestigten Rechtsgrundsätze kann eine zur Entschädigung verpflichtende Behinderung der Beklagten nur teilweise festgestellt werden.

b) Dabei geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus: In dem auf dem Angebot der Klägerin vom 21.4.2009 basierenden Auftrag vom 12.6.2009 waren der 15.6.2009 als Baubeginn und der 11.5.2010 (zunächst falsch 2009) als Bauende angegeben (LO mit der Anl. K 1, die aus Laschen 1-77 besteht, hier  Lasche 1 und 1.1. Im Folgenden betrifft die Zahl hinter dem Komma die Laschen). Gemäß den besonderen Vertragsbedingungen 214 (Anl. K 1 , 1.3) sind diese Fristen als verbindliche Vertragsfristen und ferner ohne Bauzeitenplan weitere Einzelfristen gemäß Anlage (Anl. K 1, 1.5) vereinbart worden, wonach die Vorbereitung Ausführung/Ausführungsplanung sofort nach Auftragserteilung erfolgen sollte, die Bauausführung der BA 2 und BA 3 am 15.6.2009 beginnen und die Fertigstellung dieser Bauabschnitte im September 2009, die Fertigstellung des BA 1 im April 2010 erfolgen sollten. Gemäß Ziff.10.18 der weiteren besonderen Vertragsbedingungen (Anl. K1, 1.6) sollte die Klägerin auf der Grundlage des von der Beklagten vorgegebenen Rahmenterminplans einen detaillierten Baufristenplan erstellen und auch etwaige Änderungsmodalitäten festgelegt. Die Klägerin erstellte daraufhin am 15.6.2009 für den BA 1 den sogenannten „Soll-0-Bauablaufplan“ (Anl. K 1, 61), nach dem sie von der Übergabe der Baugrube am 14.7.2009, einem Baubeginn (Erdarbeiten/Rohbau BA1) am 15.7.2009 und durchgehender Bauzeit von 10 Monaten ausging, der der Beklagten allerdings nicht übergeben worden ist.

Die Beklagte übergab der Klägerin  am 16.6.2009 den Entwurf eines Bauablaufplans (Anl. K1, 3), der für die Rohbauarbeiten am BA 1 (Pos. 6.4.26) den Zeitraum 22.6.2009 bis 30.4.2010 vorsah, wobei der Beginn (Verlegung der Leerrohre unter der Bodenplatte) erst am 31.8.2009 erfolgen sollte.

Der Ausführungsbeginn des BA 1 war unstreitig allerdings erst am 23.10.2009 möglich und die Abnahme erfolgte am 14.10.2010 (Anl. K 2).

Aus dieser Verzögerung leitet die Klägerin ihre Mehrkostenansprüche her, die sie auf die im Tatbestand genannten vier Störungskomplexe (verspätete Baugrubenübergabe, mangelhafte Ausführungsplanung, mangelhafte Vorunternehmerleistungen/Wassereinbruch und Witterung) stützt. Die Klägerin bezieht sich zur Darlegung ihres Anspruchs im Wesentlichen auf die baubetriebliche Stellungnahme der PBI Pietschmann Beratende Ingenieurgesellschaft mbH vom 14.6.2010 (gesonderte Anl. K 1, nachfolgend: GA) und die ergänzende baubetriebliche Analyse vom 1.12.2011 (Anl. K 9, nachfolgend: ErgänzungsGA), die erforderlich war, weil nicht nachvollziehbar ist, wie in einer Stellungnahme vom 14.6.2010 „Entschädigungsansprüche des AN für den Ausführungszeitraum vom 12.5.2010 bis 8.11.2010“ begutachtet werden können.

c) Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts ergeben sich folgende Bauverzögerungen, die bei der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Beklagte gegen Mitwirkungspflichten verstoßen hat:

Störungskomplex 1 (Verzögerung mit der Baugrubenübergabe)

aa) Nach den vertraglichen Vereinbarungen, die nach dem Auftrag (Anl. K 1) und den damit verbundenen besonderen Vertragsbedingungen 214 (Anl. K 1, 1.3) einen allgemeinen Beginn der in Auftrag gegebenen Leistungen am 15.6.2009 und zumindest keine einschränkende Regelung für den BA 1 vorsahen, durfte die Klägerin die Leistungen auch zu diesem Zeitpunkt beginnen. Dass sie tatsächlich dazu gar nicht bereit und imstande war (§ 297 BGB), behauptet auch die Beklagte nicht. Angesichts der im Bauvertrag vereinbarten Frist für den Baubeginn am 15.6.2009 ist das Angebot gemäß § 296 BGB entbehrlich. Einen vom Baubeginn abweichenden Übergabetermin für die Baugrube haben die Parteien nicht vereinbart. Der von der Beklagten am 16.6.2009 übergebene Entwurf eines Bauablaufplans ist nicht zum Gegenstand des Vertrages gemacht worden. Die darin enthaltenen Fristen, sind mithin keine Vertragsfristen im Sinne des § 5 Nr. 1 VOB/B (in der hier gültigen Fassung von 2006). Demnach musste die Baugrube zum Vertragsbeginn zur Verfügung stehen. Das war unstreitig nicht der Fall.

bb) Selbst wenn das Angebot des Unternehmers entbehrlich ist, gehört es nicht nur bei einem hier gegebenen VOB/B-Vertrag (§ 6 Nr.1 VOB/B) zu seinen Pflichten, dass er anzeigt, wenn er wegen hindernder Umstände zur Leistungserbringung nicht in der Lage ist und seine Leistungsbereitschaft und seinen Leistungswillen damit gegenüber dem Auftraggeber zum Ausdruck bringt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 296 Rn. 1). Das ist zwar nicht durch den Soll-0-Bauablaufplan geschehen, weil dieser der Beklagten unstreitig nicht übergeben worden ist. Ihre Leistungsbereitschaft hat die Klägerin jedoch mit dem Schreiben vom 16.7.2009 (Anl. K 1, 8; dort Ziff. 3)) gegenüber der Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem sie klar gestellt hat, dass sie mit den Bauarbeiten am 27.7.2009 beginnen könne. Spätestens ab diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte daher mit der Übergabe der Baugrube im Annahmeverzug.

Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Senats vom 19.4.2013 auf Verzögerungen beim Kranaufbau verweist, kommt es darauf nicht an, weil sie ihren Anspruch darauf zu keiner Zeit gestützt hat. Es gibt keinen „Störungskomplex“ dazu. Ausgangspunkt für die Berechnung der Entschädigung war stets die Übergabe der Baugrube. Deshalb kommt es für den Beginn des Annahmeverzugs auch nur darauf an, wann die Klägerin ihre Leistungsbereitschaft hinsichtlich der Baugrube zum Ausdruck gebracht hat.

cc) Unstreitig ist die Baugrube für den BA 1 nach der Fertigstellung durch den Vorunternehmer erst ab 23.10.2009 freigegeben worden. Damit ist die Beklagte ihrer Mitwirkungspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen, denn diese besteht bei Bauverträgen darin, dass der Besteller das Baugrundstück als für die Leistung des Auftragnehmers aufnahmebereit zur Verfügung stellt. Dies gilt auch, wenn noch andere Unternehmer Vorarbeiten zu erbringen haben (BGHZ 143, 32, juris Tz 24). Die Baugrube ist nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden, denn die Arbeiten sollten, wie bereits ausgeführt, nach dem Auftrag bereits am 15.6.2009 aufgenommen werden. Im Vertrag ist keine Regelung enthalten, dass dies bezüglich eines bestimmten Leistungsteils überhaupt noch nicht möglich war und die Leistung erst zu einem konkreten späteren Zeitpunkt beginnen sollte.

dd) Die Argumentation der Beklagten, es sei lediglich eine Fertigstellungsfrist für den BA 1 zum 11.5.2010 vertraglich festgelegt worden  (Bl. II/60), ist nicht nachvollziehbar. Man kann nicht unabhängig vom Anfangstermin auf Einhaltung des Endtermins pochen. Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass unabhängig vom Zeitpunkt der Baugrubenübergabe in jedem Fall eine Fertigstellung bis zum 11.5.2010 erfolgen kann. Vielmehr war die Klägerin auch angesichts dieses Endtermins berechtigt, ihre Leistung mit sofortiger Wirkung zu erbringen und von der Beklagten die dazu gebotene Mitwirkungshandlung, die Bereitstellung der Baugrube, zu fordern. Damit ist die Beklagte spätestens ab 27.7.2009 in Annahmeverzug geraten.

ee) Dieser Verzug bestand jedenfalls bis zum 23.10.2009 fort. Noch mit Email vom 8.9.2009 (Anl. K 1, 11) teilen L +L Architekten (nachfolgend: … ) mit, dass bis zum 10.9.2009 nicht der erbetene verbindliche Termin für den Beginn BA 1 mitgeteilt werden kann und dies mindestens 7 Tage vor dem Beginn erfolgen werde. Mit Email vom 9.9.2009 (Anl. K 1, 14) wird von …  ein nicht abgestimmter Termin vom 12.10.2009 in Aussicht gestellt, im Baubesprechungsprotokoll vom 16.9.2009 (Anl. K 1, 16) bereits der Wassereinbruch festgestellt und von einer wahrscheinlichen Übergabe am 9.10.2009 gesprochen. Am Folgetag kommt es zu einer weiteren Behinderungsanzeige der Klägerin (Anl. K 1, 17). Es folgen Verschiebungen auf den 14.10.2009 (Anl. K 1, 18) und neue Ablaufplanentwürfe der Klägerin vom 6.10.2009 (Anl. K 1,19 (14.10.2009 – 23.7.2010) und das geprüfte Exemplar der Beklagten vom 15.10.2009 (Anl. K1, 22) nebst Aufforderung zur Mitteilung von Verkürzungsmaßnahmen (Anl. K 1, 21 u. 25). Darauf reagiert die Klägerin mit Email vom 15.10.2009 (Anl. K1, 23) und Schreiben vom 16.10.2009 (Anl. K1,26), rügt gleichzeitig die erneut nicht erfolgte Übergabe der Baugrube sowie die bereits erfolgte Bereitstellung eines zusätzlichen Bauleiters und eines Poliers ab 13.10.2009 und teilt die noch fehlenden Vorleistungen mit. Mit Schreiben vom 21.10.2009 (Anl. K1, 28) erfolgt eine weitere detaillierte Behinderungsanzeige nebst Mehrkostenankündigung. Schließlich teilt … am 26.10.2009 (Anl. K1, 29) mit, dass ab 21./23.10.2009 absolute Baufreiheit bestehe und gibt Anweisungen zur veränderten Ausführung der Vorsatzschale und Perimeterdämmung. Daraus folgt, dass die Klägerin wiederholt darauf gedrungen hat, die Baugrube bereit zu stellen, um mit dem Bau beginnen zu können.

ff) Ob die Klägerin später geänderte Baupläne und die darin vorgesehene Übergabe der Baugrube zum 28.8.2009 akzeptiert hat, spielt entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Senats keine Rolle. Auf die Vertragsfristen haben die geänderten Bauabläufe keinen Einfluss. Da die Baugrube nicht zur Verfügung stand, blieb der Klägerin gar nichts anderes übrig, als sich mit den neuen Bauablaufplanungen einverstanden zu erklären. Auf die Entschädigung nach § 642 BGB hat sie damit jedenfalls nicht verzichtet. Dass darüber eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden ist, behauptet die Beklagte nicht.

gg) Der Annahmeverzug wegen der verzögerten Baugrubenübergabe ab dem 27.7.2009 bis zum 23.10.2009  von 2,9 Monaten (89 Tagen) ist damit schlüssig dargetan. Insoweit ist entgegen der Auffassung des Landgerichts auch eine hinreichend schlüssige Darlegung und Gegenüberstellung von vorgesehenem und tatsächlichen Bauablauf erfolgt. Erhebliche Einwände dagegen hat die Beklagte nicht vorgetragen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, welche Beschleunigungsmaßnahmen die Klägerin ergreifen sollte, wenn ihr noch nicht einmal die Baugrube und damit die Grundlage für den Beginn der Bauausführung von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden ist.

Störungskomplex 2 (fehlende/unzureichende Ausführungsplanung)

aa) Im Anschluss hat die Klägerin weitere Verzögerungen gerügt.

Beanstandet wurde von der Klägerin (Anl. K 1, 30 Bautagebericht Nr.2 unten und Schreiben vom 21.10.2009, Anl. K 1, 40) dass die bauseits errichtete Bohrpfahlwand (Foto in Anl. K 1, 31) planungswidrig zu weit in die Baugrube hineinragte, so dass die an den Pfählen anzubringende Betonausgleichsschicht von 10 cm nicht möglich war, um noch die Wände plangerecht herzustellen. … haben daraufhin mit Schreiben vom 26.10.2009 (Anl. K 1, 29) angeordnet, was deswegen geändert bzw. wie angepasst werden sollte. Darauf folgte die Behinderungsanzeige Nr. 2 der Klägerin vom 28.10.2009, die am 27.11.2009 aufgehoben wurde (Anl. K1, 41 u. 42). Die Klägerin leitet daraus eine Verzögerung von 15 Arbeitstagen her (GA S.44).

Am 2.11.2009 erfolgte die Behinderungsanzeige Nr. 3 (u.a. wegen planabweichender Vorleistungen und fehlender Bewehrungsplananpassungen, Anl. K 1, 43; GA S.46 f) die nach 3 Tagen am 4.11.2009 beseitigt wurde.

Mit Behinderungsanzeige Nr.4 vom 3.11.2009 (Anl. K 1, 45) wurden die geänderten Bewehrungspläne beanstandet (Änderung der Vouten im Bereich Bohrpfahlwand). Die Behinderung wurde von der Klägerin erst am 3.12.2009 (Anl. K 1, 46) teilweise aufgehoben. Es soll eine erneute Umstellung des Bauablaufs die Folge gewesen sein (Bodenplatte in zwei statt einem Arbeitsgang), woraus die Klägerin eine Behinderung von weiteren 22 Tagen herleitet (GA S. 48).

Mit Behinderungsanzeige Nr.5 vom 6.11.2009 (Anl. K 1, 47) wurde erneut die Bewehrungsplanung bemängelt und am 11.11.2009 (Anl. K 1,48) wieder aufgehoben, woraus die Klägerin eine Verzögerung von 4 Tagen herleitet (GA S. 48).

Mit Behinderungsanzeige Nr.6 vom 11.11.2009 (Anl. K1, 49) rügte die Klägerin Umplanungen im Bereich der Bodenplatte. Die notwendigen Ausführungsunterlagen seien erst am 4.12.2009 geliefert worden (Anl. K1, 46). Es sei eine Verzögerung von 17 Tagen eingetreten (GA S. 49).

Mit Behinderungsanzeige Nr.8 vom 23.11.2009 (Anl. K 1, 50 u. 51) beanstandete die Klägerin die Ausführungsplanung bezüglich des oberen Fugenbandes im Bereich der Außenwände des UG 2 mit der Folge einer Behinderung von 3 Tagen bis 25.11.2009, (GA S 49).

Mit Behinderungsanzeige Nr. 9 vom 26.11.2009 (Anl. K1, 52) wurde die Bewehrungsplanung „im Bereich Außenwände UG 2, kreuzende Baugrubenaussteifung“ gerügt. Die Fortsetzung der Arbeiten sei erst am 2.12.2009 möglich gewesen. Folglich habe die Behinderung 5 Tage gedauert (GA S 50).

bb) Insgesamt ergeben sich daraus 69 Tage Verzögerung, rund 2,26 Monate. Die Klägerin macht aber für die Störungskomplexe 1 und 2 zusammen nur 4,25 Monate (GA S.53) geltend, womit auf den Komplex 2 nur rund ein Monat entfallen würde. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Berechnung der Klägerin in vollem Umfang richtig ist. Allein der schlüssige Vortrag der Klägerin zu den Behinderungen lässt jedenfalls eine Mindestschätzung der Verzögerungen für die Störungskomplexe 1 und 2 gemäß § 287 ZPO zu; denn diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, soweit es darum geht, inwieweit verschiedene Behinderungen zu einer Gesamtverzögerung der Fertigstellung des Bauwerks geführt haben (BGH NJW 2005, 1650). Da die Klägerin für den Störungskomplex 1 nur eine Verzögerung von 2,9 Monaten geltend machen kann, ergibt sich unter Berücksichtigung des § 308 Abs. 1 ZPO eine Verzögerung von insgesamt 3,9 Monaten

cc) Der Vortrag der Beklagten zu den von der Klägerin  behaupteten Behinderungen (Klageerwiderung S. 48 ff, Bl. I / 83 ff.) schließt die Mindestschätzung nicht aus, weil die Beklagte die Verzögerungen teilweise selbst zugesteht und nicht darlegt, wann der Klägerin die von ihr geforderten Pläne übergeben worden sind. Es reicht z.B. nicht aus, hinsichtlich der Behinderungsanzeige Nr.2 die von der Klägerin berechneten 15 Arbeitstage zurückzuweisen, wenn feststeht, dass die Vorleistungen nicht der ursprünglichen Planung entsprachen und erst angepasst werden mussten. Eine eigene Berechnung zu den jedenfalls teilweise zugestandenen Verzögerungen legt die Beklagte nicht vor. Die Verzögerung bei der Übergabe der Baugrube ist ohnehin unstreitig.

Störungskomplex 3 (Vorunternehmerleistung)

aa) Mit Baubehinderungsanzeige Nr.7 vom 11.11.2009,  rügte die Klägerin die Anweisung zur Nichtbetonage der Sohle UG2. Die Behinderung dauerte gemäß Schreiben vom 18.11.2009 (Anl. K1, 57)  2 Tage (GA S. 54).

Mit Baubehinderungsanzeige Nr.10 vom 26.11. und 3.12.2009 (K1, 53) wurde der Wasserdurchfluss Bohrpfahlwand angezeigt und die Behinderung am 9.12.2009 (K1,53) teilweise per 8.12.2009 wieder aufgehoben, Dauer 9 Tage (GA S.54 f).

Mit Schreiben vom 18.1.2010 (K1, 36) überreichte die Klägerin einen weiteren Bauablaufplan in dem sie auch die ursprünglich vorgesehenen Ausführungszeiten eingetragen hatte und macht insoweit geltend (GA S.56), aus der Behinderung Nr.10 resultiere, dass die Bodenplatte insgesamt erst Mitte Dezember 2009 und nicht Ende der ersten Augustwoche habe fertig gestellt werden können, sodass die Folgearbeiten (Vorsatzschale und Wände) erst in der ungünstigen kalten Jahreszeit fortgesetzt werden konnten. Laut dem Ablaufplan vom 18.1.2010 habe die Fertigstellung erst zum 2.11.2010 und mithin mit 5,72 Monaten Verspätung erfolgen können (GA S 57).

bb) Dieser Vortrag der Klägerin ist insgesamt unschlüssig, weil nicht dargetan ist, wie sich aus Verzögerungen von 2 bzw. 9 Arbeitstagen eine Fertigstellung des BA 1 erst zum 2.11.2010 und darauf beruhend eine Verzögerung von 5,72 Monaten ergeben kann. Die Fortsetzung der Arbeiten in der kalten Jahreszeit beruht ersichtlich nicht nur auf der Behinderungsanzeige Nr. 10, sondern hauptsächlich darauf, dass der Soll-0-Ablaufplan wegen der verspäteten Übergabe der Baugrube nicht eingehalten werden konnte. Außerdem leitet die Klägerin einen weiteren Störungskomplex aus witterungsbedingten Gründen ab. Die Behinderungsanzeigen Nr. 7 und 10 bleiben daher bei der Schätzung der Verzögerung außer Betracht; denn eine auf den Tag genaue Berechnung der Verzögerung nimmt die Klägerin selbst nicht vor. Sie macht nicht geltend, dass die Behinderungen von 2 bzw. 9 Tagen die Baufertigstellung um weitere 11 Tage verzögert haben, sondern trägt diese beiden Behinderungsanzeigen als im Ergebnis ungeeigneten Beleg für eine wesentlich längere Behinderung vor, die rechnerisch nicht nachvollziehbar ist.

Störungskomplex 4 (Witterungsbehinderungen)

aa) Die Klägerin macht geltend, durch die vorgenannten Behinderungen hätten sich die Rohbauarbeiten zur Herstellung der Bodenplatte und der Wände des UG2, die ursprünglich laut Soll-0-Bauablauf noch Ende August fertig gestellt werden sollten, bis Februar 2010 hingezogen. Diese Verschiebung in die ungünstige Jahreszeit sei bei der Ermittlung des Anspruchs auf Bauzeitverlängerung zu berücksichtigen (GA S.57). Die extrem lange Frostperiode von Anfang Dezember 2009 bis Ende Februar 2010 habe ohne Wetterschutzmaßnahmen keine oder nur erheblich eingeschränkte Arbeiten ermöglicht. Zwischen dem 9.12.2009 und dem 16.1.2010, dem Zeitpunkt der Fertigstellung Wetterschutzdachs, habe es im BA 1 dementsprechend 11 Behinderungsanzeigen durch Schlechtwetter gegeben (GA S 58).

bb) Damit dringt die Klägerin nicht durch.

 

(1) Zutreffend hat sie nämlich bemerkt, dass sie in jedem Fall die Rohbauarbeiten auch innerhalb der kalten Jahreszeit hätte ausführen müssen. Ob die Tabelle auf GA S. 60 (vgl. auch Tabellen in Anl. K1, 58) und die Behauptung zutreffen, dass es im Dezember 2009/Januar 2010 insgesamt 14/22 Frost/Eistage über dem Zehnjahresdurchschnitt gegeben habe, kann dahinstehen. Es mag sein, dass angesichts einer ungewöhnlich hohen Anzahl von Schlechtwettertagen dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung zustünde, was für den Fall der Einhaltung der Vertragsfristen und etwaiger Vertragsstrafeansprüche bei Nichteinhaltung durchaus von Bedeutung sein kann. Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Auftraggeber seinerseits dem Auftragnehmer die dadurch eintretenden Verzögerungen auch zu ersetzen hat, denn dieser kann diese Tage ebenfalls nicht vorhersehen und beeinflussen. Diese Frost- und Eistage hätte die zumindest bis Mai 2010 kalkulierten Rohbauarbeiten ohnehin behindert.

(2) Hinzu kommt, dass der Anspruch aus § 642 BGB an den Annahmeverzug des Auftraggebers anknüpft. Dieser ist beendet, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 293  Rn. 11). Weitere sich daran anschließende Verzögerungen werden von dem Entschädigungsanspruch aus § 642 Abs. 2 BGB nicht erfasst, der ausdrücklich nur auf die Dauer des Verzuges abstellt.

d) Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass sich die Beklagte wegen der Störungskomplexe 1 und 2 in der dafür von der Klägerin geltend gemachten Dauer von 3,9 Monaten im Annahmeverzug befand und sie zu entschädigen hat.

3.

Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich für die Dauer des Verzuges gemäß § 642 Abs. 2 BGB nach der vereinbarten Vergütung und orientiert sich damit als Entgeltforderung nicht an den Grundsätzen des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB (BGH NJW 2008, 1523). Maßgeblich ist daher, wie die Klägerin die vertraglich vereinbarte Vergütung kalkuliert hat. Nach den eingangs geschilderten Rechtsgrundsätzen soll die Entschädigung die bei der Urkalkulation noch nicht zu berücksichtigenden Zeiten der Verzögerung angemessen ausgleichen.

Bei der Forderungsberechnung unterscheidet die Klägerin im Ansatz zutreffend zwischen Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung und Materialpreissteigerungen (GA S.66 ff). Mit ihrer danach berechneten Forderung von 234.118,70 EUR netto (GA S. 66) = 278.601,25 EUR brutto dringt sie aber nur zu einem Teil durch.

a) Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung

Die Klägerin berechnet Mehrkosten aus der Bauzeitverlängerung des BA 1 von 208.531,56 EUR. Dem liegen die Formblätter 222 und 223 (GA S. 66 und Anl. K 1, 1.8) zu Grunde. In diesen Formblättern legt die Klägerin die Kalkulation für das gesamte Bauvorhaben dar. Sie können mithin nicht Grundlage für die Entschädigung sein, die sich nur auf den  BA 1 beziehen  kann; denn für den BA 2 und BA 3 macht die Klägerin keine Verstöße der Beklagten gegen Mitwirkungspflichten geltend. Es wäre daher unangemessen, die Entschädigung nach den gesamten Baukosten zu berechnen; denn es ist nicht ersichtlich, dass die Verzögerungen beim BA 1 zugleich zu Verzögerungen bei den BA 2 und 3 geführt haben. Das hat die Klägerin offensichtlich auch erkannt, denn sie legt mit der Anlage 8 zum ErgänzungsGA (Anl. K 9) eine Kalkulation vor, die sich nur auf den BA 1 bezieht. Die Schätzung der angemessenen Vergütung (§ 287 ZPO) kann daher auch nur auf diese Kalkulation gestützt werden. Von den darin in der Spalte 14 ausgewiesen 16,03 % entfallen auf Allgemeine Geschäftskosten (AGK) 8,44%, Baustellengemeinkosten (BGK) 5,43% und Wagnis und Gewinn (WuG) 2,11%. Diese Kalkulation entspricht der Urkalkulation für das gesamte Bauwerk (siehe Formblatt 222) und belegt, wie die Klägerin den Werklohn für den BA 1 ermittelt hat. Die Spalte 14 kann daher als Schätzungsgrundlage für die Entschädigung herangezogen werden; denn das Zahlenwerk als solches ist unstreitig. Die Beklagte hat dagegen auf S. 34,35 der Berufungserwiderung (Bl. II/82f.) und S. 32 ff. der Klageerwiderung (Bl. I /67ff.) keine konkreten Einwände, sondern nur allgemeine Bedenken gegen die Art der Abrechnung erhoben, die aber bei der Ermittlung der angemessenen Entschädigung aus den unter Ziff. 2 genannten Gründen keine Rolle spielen.

Demnach entfallen auf die AGK 57.387,82 EUR, auf BGK 36.794,06 EUR und auf WuG 14.837,54 EUR netto. Kalkuliert hat die Klägerin diese Beträge für die Dauer des von ihr berechneten Annahmeverzuges von 5,78 Monaten (GA S. 70), die allerdings nicht begründet ist. Bei der nach den oben getroffenen Feststellungen zur Verlängerung der Bauzeit um 3,9 Monate kann sie eine angemessene Entschädigung daher auf dieser Grundlage nur in Höhe von 67,5% (3,9 Monate von 5,78 kalkulierten Monaten) verlangen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa) Die AGK hat die Klägerin mit 57.387,82 EUR netto kalkuliert. Davon stehen ihr als angemessene Entschädigung 67,5% = 38.736,77 EUR netto zu. AGK fallen grundsätzlich während der Bauzeit an und wären daher bei einer längeren Bauzeit von der Klägerin dementsprechend in die Kalkulation einbezogen worden.

bb) Entsprechendes gilt für die BGK, die die Klägerin mit netto 36.794,06 EUR kalkuliert hat. Auch diese Kosten wären bei längerer Bauzeit höher kalkuliert worden. Es ist daher angemessen, sie bei der Entschädigung mit 67,5% = 24.835,99 EUR netto zu berücksichtigen.

cc) Das gilt allerdings nicht für WuG, denn Gewinn und Wagnis gehören nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat auch unter Berücksichtigung der teilweise abweichend vertretenen Auffassungen folgt (vgl. zum Meinungsstreit Ingenstau/Korbion, VOB, 18 Aufl., § 6 Abs.6 Rn.60 m.w.N.), nicht zum Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 642 Rn.5; BGHZ 143,32).

dd) Hinzu kommen noch die Kosten für das Vorhalten der Baustelleneinrichtung. Die Klägerin setzt dabei den Betrag von 7.552,82 EUR an, den sie ausweislich ihrer Kalkulation (Anl. K 8) für die Vorhaltedauer von 10 Monaten in die Angebots/Auftragssumme eingerechnet hatte und der mit der Auftragserteilung auch vereinbart wurde (GA S. 66). Im Gegensatz zu den vorhergehenden Positionen teilt sie diesen Betrag aus unerfindlichen Gründen aber auch in ihrer Ausgangsberechnung nicht durch die Anzahl der Monate, sondern multipliziert ihn ungeschmälert mit der von ihr angenommenen Verzögerungsdauer von 5,78 Monaten. Dies greift nicht. Wenn sie die Kosten für das Vorhalten der Baustelleneinrichtung für 10 Monate mit 7.552,86 EUR kalkuliert hat, kann sie auch nur den auf die Verzögerung anfallenden Teil von 3,9 Monaten, also 39% als angemessene Entschädigung verlangen.

Außerdem ist auch hier zu berücksichtigen, dass sich die Verzögerung nur auf den BA 1 bezieht, mithin Kosten, die sich nur auf die BA 2 und  3 beziehen, abzuziehen sind. Ausgewiesen sind in der Anl. K 8 für diese Bauabschnitte in der UPos 13 Gerüstbaukosten von 108,62 EUR, so dass für den BA 1 höchstens 7.444,62 EUR für die Dauer von 10 Monaten zu Grunde gelegt werden können. Davon kann die Klägerin als Entschädigung 39% = 2.903,40 EUR netto beanspruchen.

b) Mehrkosten Betonstahl  (25.155,90 EUR)

Der Anspruch steht der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB)  nicht zu.

Im Vertrag war zunächst eine Stahlpreisgleitklausel vereinbart (vgl. Anl. K1, 1.3 Ziffer 10.2.2 in Verbindung mit K1, 1.7), die nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten (Bl.I/96) nachträglich auf Wunsch der Klägerin einvernehmlich wieder abbedungen wurde.

Die Klägerin hat mit den Rechnungen der ATG Deutschland GmbH vom 20.8. und 21.9.2009 (Anl. K1, 77) belegt, dass sie zu diesem Zeitpunkt für das Bauvorhaben Betonstahl zum Preis von 380,00 EUR/to erworben hat. Dem entsprach der kalkulierte Angebotspreis von 440,91 EUR (380,00 EUR + 16,03 %). Mit der Auftragsbestätigung der ATG Deutschland GmbH vom 18.5.2010 (ebenfalls Anl. K1, 77) hat sie belegt, dass der Preis zu diesem Zeitpunkt 578,00 EUR/to betragen hat. Daraus ergibt sich jedoch nur eine Menge von 125 to. Eine Rechnung liegt insoweit nicht vor. Die Klägerin hat in der Klage vorgetragen (Bl. I/11), dass am 30.4.2010 eine vertragliche Preisbindung ausgelaufen sei und sie anschließend noch 127,05 to Baustahl beschaffen musste, wobei insoweit im GA auf S.67 eine Bewehrungsliste vom 10.6.2010 (Anl. K 1, 76) erwähnt wird. Diese Liste für den BA 1 ab 1.OG, die lediglich die Angabe „Ausdruck 10.6.2010“ aufweist, weist zwar im Ergebnis diese Gesamtmenge aus, was aber nicht belegt, dass und welche Menge nach dem 1.5.2010 tatsächlich zum höheren Preis gekauft werden musste. Die Datumsangaben in der Liste zu den einzelnen Positionen stammen zudem durchweg bereits aus 2009, teilweise sogar aus der Zeit vor der Auftragserteilung. Dass die Preisvereinbarung mit ihrem Lieferanten am 30.4.2010 auslief, war der Klägerin unzweifelhaft bekannt. Warum sie in Ansehung des zumindest seit Februar 2010 reibungslosen Bauablaufs nicht rechtzeitig den Stahl zum alten Preis bestellt hat oder bestellen konnte, ist nicht dargetan. Die vereinbarte Stahlpreisgleitklausel ist, wie oben erwähnt, auf ihren eigenen Wunsch im August 2009, als die Verzögerungen zumindest weitgehend bereits bekannt waren, außer Kraft gesetzt worden. Zwar findet § 254 BGB (Mitverschulden) auf den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB keine Anwendung, weil es sich um einen Erfüllungsanspruch handelt. Gleichwohl trifft auch den Auftragnehmer die Verpflichtung, die Kosten bei einer Baubehinderung so gering wie möglich zu halten, denn er hat zumindest als Nebenpflicht dafür zu sorgen, dass Vermögen seines Auftraggebers nicht geschädigt wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., §  280 Rn. 28). Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betont hat, die Baustelle habe eine Lagerung des Baumaterials nicht ermöglicht, hätte sie die Beklagte durch eine entsprechende Anzeige darauf hinweisen müssen, dass sie den Stahl nur dann zu den günstigeren Preisen einkaufen konnte, wenn ihr der Lagerplatz zur Verfügung gestellt wird. Das ist unstreitig nicht geschehen. Es ist auch nicht ersichtlich warum der Einkauf zu einem Zeitpunkt vor dem 30.4.2010 mit anschließender Lieferung zur Baustelle auf Abruf nicht möglich war. Eine angemessene Entschädigung nach § 642 BGB kann damit nicht festgestellt werden.

c) Mehrkosten Stahlträger (431,24 EUR)

Der Anspruch der Klägerin ist unbegründet. Es gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Die Klägerin behauptet, entsprechend der Bewehrungsliste vom 10.6.2010 seien noch 2 Stahlträger der LV-Pos. 3.3.920 (lt. Kalkulation : U-Stahlrahmen, Türöffnungen) und 6 Stahlträger der Pos. 3.2.1600 (Auflagerträger HE 200B für Treppenläufe) zu verbauen gewesen (GA S.68). Insoweit liegt nicht einmal ein Auftragsbestätigung, geschweige denn eine Rechnung vor. Die in der Vorposition genannte Bestätigung der ATG Deutschland GmbH enthält keinerlei Aussage zu Trägerpreisen. Der Gutachter überträgt  schlichtweg den Preisanstieg von 52% für den Bewehrungsstahl auf die Einheitspreise der Träger. Dies ist unschlüssig. Im Übrigen bleibt auch hier die Frage offen, warum diese Baumaterialien nicht früher bestellt wurden. Ausweislich der Kalkulation wurden zu diesen Positionen 7 Stück und 24 Stück benötigt. Offensichtlich sind die meisten rechtzeitig bestellt worden. Wenn die Klägerin 2 bzw. 6 Stück vergessen hat, rechtfertigt dies keine Entschädigung nach § 642 BGB.

d) Zusammenfassend ergibt sich danach folgende Abrechnung der angemessenen Entschädigung:

AGK     38.736,77  €

BGK     24.835,99  €

WuG     –    €

Baustelleneinrichtung 2.903,40  €

Mehrkosten Betonstahl –    €

Mehrkosten Stahlträger –    €

66.476,16  € 19% MWSt 12.630,47  € 79.106,63  €

Die Umsatzsteuer fällt an, da die gemäß § 642 BGB zu zahlenden Entschädigung Entgelt im Sinne des § 10 Abs.1 UStG ist  (BGH NJW 2008, 1523).

4.

Die geltend gemachten Zinsen sind, soweit der Klage stattzugeben ist, aus §§ 286, 288 Abs.2 BGB begründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92Abs. 1, 97 Abs. 1,708 Nr. 10,711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 Abs.2 ZPO).

Der von der Beklagten beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 22. 5. 2013 keine neuen Tatsachen enthält, die der Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigen musste.

 

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