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Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerungen

OLG Braunschweig – Az.: 8 U 59/16 – Urteil vom 15.06.2017

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. April 2016 – 8 O 296/12 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2. wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

2.

Die Klage gegen den Beklagten zu 1. wird abgewiesen.

II.

Die Berufung hinsichtlich des Beklagten zu 1. wird zurückgewiesen.

III.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. erster und zweiter Instanz.

Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

IV.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

VI.

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf die Wertstufe bis 140.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagten im Rahmen des Ausbaus der Kreisstraße X in der Ortsdurchfahrt W. auf Schadenersatz wegen Bauzeitverzögerungen in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU, Seite 3 bis 9, Bl. 434 bis 440 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Der Klägerin stünden weder gegen den Beklagten zu 1. noch gegen die Beklagte zu 2. Ansprüche wegen einer eventuellen Bauzeitverzögerung im Zusammenhang mit den von der Klägerin ausgeführten Kanal- und Straßenbauarbeiten zu. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5, 2 Nr. 6, 6 Nr. 6 VOB/B für einen Mehrvergütungsanspruch lägen nicht vor. Auch ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 642 BGB bestehe nicht. Die Klage sei unschlüssig. Schon der Vortrag der Klägerin zu den Ursachen der veränderten Verlegung der Rohrleitungstrasse, welche sich an den Schacht RAP 23 anschließe, und die darauf beruhende Verlegung der Versorgungsleitungen in diesem Bereich zeichne sich durch eine gewisse Wechselhaftigkeit und Widersprüchlichkeit aus. Zunächst sei die Planänderung von der Klägerin damit begründet worden, dass ein im Schachtbereich stehender Baum auf Anordnung der Beklagten nicht habe gefällt werden dürfen, sondern habe erhalten werden sollen. Sodann sei der gegenüber der Bauplanung veränderte Standort des Schachtes auf eine Änderung der Ausführung dieses Schachtes zurückgeführt worden. Schließlich habe die Klägerin vorgetragen, dass der jetzige Standort des Schachtes gemeinsam mit den Beklagten ausgewählt worden sei. Der von den Beklagten geplante Verlauf der Rohrleitungstrasse, die an den Schacht RAP 23 anschließe, sei ursächlich für die Kollision mit den Versorgungsleitungen in diesem Bereich gewesen. Die Klägerin habe schon nicht substantiiert dargelegt, wann und mit wem der Standort des Schachtes RAP 23 gemeinsam festgelegt worden sei.

Der Vortrag der Klägerin sei auch aus anderen Gründen unschlüssig.

Zwar sei ein Entschädigungsanspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die vertraglich vereinbarte Bauzeit eingehalten worden sei. Die Klägerin habe aber nicht dargelegt, dass sie die behauptete Bauzeitverzögerung durch einen verstärkten Einsatz von Personal und Material habe ausgleichen müssen, so dass ihr insoweit Mehraufwendungen entstanden seien. Vielmehr habe sie eingeräumt, die Arbeiten nach der Umlegung der Versorgungsleitungen mit der ursprünglich vorgesehenen Anzahl von Arbeitern fortgesetzt zu haben.

Es fehle auch an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin zu den (weiteren) Voraussetzungen eines Verzögerungsanspruchs. Eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung des Verzögerungsschadens habe die Klägerin trotz entsprechenden Hinweises der Kammer nicht abgegeben. Es sei vorzutragen gewesen, welcher einzelne Arbeitsschritt aufgrund welcher konkreten Störung des Bauablaufes nicht – wie geplant – habe ausgeführt werden können. Weiter hätte dargelegt werden müssen, welche Personen und Geräte an welchem Tag für welche Arbeiten hätten eingesetzt werden sollen. Schließlich hätte ausgeführt werden müssen, welche konkreten Arbeiten aufgrund der Behinderung nicht hätten ausgeführt werden können und weshalb andere Arbeiten nicht hätten vorgezogen werden können. Diese Substantiierungsanforderungen an die Darlegung eines Verzögerungsschadens seien auch bei Großbaustellen – wie der vorliegenden – einzuhalten. Der Sachvortrag der Klägerin genüge diesen Anforderungen nicht. So habe sie keine Aufstellung darüber vorgelegt, welche Geräte und Arbeitskräfte für welche Arbeiten hätten eingesetzt werden sollen.

Es mangele auch an Vortrag der Klägerin zum tatsächlichen Bauablauf. Die Klägerin habe nicht dargelegt, an welchen Tagen sie welche Arbeitsschritte mit welchen Gerätschaften und Arbeitskräften ausgeführt habe. Ein Vergleich des tatsächlichen mit dem geplanten Bauablauf könne deshalb nicht vorgenommen werden. Über die Frage des Vorliegens einer Bauzeitverzögerung sei daher kein Beweis zu erheben. Näherer Sachvortrag zur bauablaufbezogenen Störung sei der Klägerin auch zumutbar gewesen, weil hierdurch entstehende Mehrkosten in den Schadensersatzanspruch hätten einbezogen werden können.

Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerungen
(Symbolfoto: Von Lykovata/Shutterstock.com)

Die Klägerin habe schließlich nicht dargelegt, dass ihr aufgrund der behaupteten Bauzeitverzögerung ein konkreter Schaden entstanden sei. Die Besonderheit des Falles bestehe darin, dass sich die vertraglichen Ausführungsfristen nicht verlängert hätten, weil das Bauvorhaben fristgemäß fertiggestellt worden sei. Der Klägerin sei auch kein Mehraufwand durch den Einsatz zusätzlichen Personals sowie zusätzlicher Maschinen und Geräte entstanden. Ein Schaden könne mithin nur dann bejahrt werden, wenn die Klägerin das Bauvorhaben ohne die streitige Behinderung zeitlich früher hätte abschließen können und die hierdurch freigewordenen Arbeitskräfte und Maschinen anderweitig hätte einsetzen können. Dafür fehle es an zureichendem Sachvortrag. Die Klägerin hätte vortragen müssen, dass die freigewordenen Arbeitskräfte und Maschinen auf einer anderen Baustelle hätten eingesetzt werden können. Sie habe auch nicht vorgetragen, dass sie andere Aufträge wegen der behaupteten Bauablaufstörung nicht habe annehmen können oder dass sie diese nur mit Verzögerungen habe durchführen können. Die Klägerin habe lediglich pauschal vorgetragen, dass die Kanalbauarbeiten am 10.03.2008 hätten beginnen sollen und dass sie nach 15 Tagen einen ausreichenden Vorlauf erreicht hätten, um mit den Straßenbauarbeiten beginnen zu können. Weiter habe sie sich darauf beschränkt vorzutragen, dass die Kanalbauarbeiten nach dem Wegfall der streitigen Behinderung am 15.05.2008 mit der ursprünglich vorgesehenen Personalstärke von 7 Facharbeitern wieder hätten aufgenommen werden können.

Bei den geltend gemachten Mehrkosten handele es sich schließlich um nicht ersatzfähige Sowieso-Kosten, weil sie der Klägerin auch ohne die streitige Behinderung entstanden wären. Die eingesetzten Arbeitskräfte und Maschinen hätten von ihr ohnehin bezahlt werden müssen. Teilweise habe die Klägerin sogar eingeräumt, dass sie Arbeitskräfte und Maschinen während des Verzögerungszeitraumes anderweitig eingesetzt habe. Es könne auch unterstellt werden, dass die Klägerin für die Umlegung der Versorgungsleitungen eine zusätzliche Vergütung erhalten habe. Auch diese sei bei der Ermittlung eines möglichen Schadens zu berücksichtigen.

Aus den vorstehenden Gründen bedürfe es keiner Entscheidung darüber, ob die Beklagten zu 1. und 2. der Klägerin als Gesamtschuldner hafteten.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 19.04.2016 zugestellte (Bl. 447 d.A.) Urteil mit Schriftsatz vom 13.05.2016, bei dem Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen am selben Tage (Bl. 485 d.A.), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.06.2016, eingegangen am selben Tage (Bl. 496 d.A.), einem Montag, begründet.

Die Klägerin rügt, dass das Urteil auf einer Verletzung formellen und materiellen Rechts beruhe. Das Landgericht sei bereits auf die Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Anspruchsgrundlagen nicht eingegangen. Zudem habe es erheblichen Sachvortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und hierdurch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Es treffe nicht zu, dass der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin wechselhaft und widersprüchlich sei. Es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin ihre Arbeiten nicht – wie geplant – hätte aufnehmen können. Weiter sei unstreitig, dass der Schacht RAP 23 anders als ursprünglich geplant errichtet worden sei und der veränderte Verlauf der Rohrleitungstrasse im Anschluss an den Schacht RAP 23 eine Verlegung der Versorgungsleitungen erforderlich gemacht habe, um eine Kollision zu vermeiden. Der vermeintliche Widerspruch im Sachvortrag der Klägerin bestehe nicht. Es sei vielmehr so gewesen, dass es mehrere, von der Klägerin im einzelnen dargestellte Änderungen der Rohrleitungstrasse gegeben habe. Lediglich die letzte Änderung habe zu einer Kollision mit den Versorgungsleitungen geführt. Dies sei mit Schriftsatz vom 07.04.2014 (Bl. 220 ff. d.A.) vereinzelt dargelegt worden. Es habe eine Änderung der Trassenführung und der Schachthöhe des Schachtes RAP 23 gegeben. Weiter hätten die Beklagten angeordnet, dass der Schacht RAP 23 außerhalb des Kronenbereiches eines Baumes positioniert werden sollte und dass das Gewässer der III. Ordnung in einer Rohrleitung bis zum Schacht RAP 23 mit einem Längsgefälle von 3,7 % geführt werden sollte. Die jeweiligen Planungsänderungen seien dem Anlagenkonvolut K 24 zu entnehmen. Schließlich sei in einer Baubesprechung vom 28.11.2007 festgelegt worden, dass der Schacht RAP 23 nicht aus Fertigteilen hergestellt, sondern gemauert werden sollte. Die dritte entscheidende Änderung der Trassierung sei im März 2008 erfolgt. Die Streithelfer hätten der Klägerin am 10.03.2008 ihre geänderte Ausführungsplanung vom 06.03.2008 vorgelegt. Die Klägerin habe diese Planungsänderungen aufgenommen und als blaue durchgehende Linie in den Plänen des Anlagenkonvolutes K 24 dargestellt. Bei einer Umsetzung der Ursprungsplanung vom 07.06.2007 und vom 20.11.2007 wäre es nicht zur Kollision der geplanten Rohrleitungstrasse ab dem Schacht RAP 23 mit den dort verlegten Strom- und Gasleitungen gekommen. Eine Umverlegung dieser Leitungen wäre nicht erforderlich gewesen. Erst die Ausführungsplanung vom 10.03.2008 habe dazu geführt, dass die Strom- und Gasleitungen nahezu vollständig in der Kanalbautrasse gelegen hätten. Nach der ursprünglichen Planung der Beklagten wäre lediglich eine Verlegung der Gas- und Elektroleitungen im Abschnitt zwischen Baukilometer 0+650 bis 0+720 erforderlich gewesen. Für diesen Sachverhalt habe die Klägerin erstinstanzlich Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.

Es sei auch unzutreffend, dass die Klägerin die Position des Schachtes RAP 23 selbst festgelegt habe. Die Position des Schachtes RAP 23 sei am 12.03.2008 anlässlich der gemeinsamen Baubesprechung in Anwesenheit der Beklagten festgelegt worden. Die Position des Schachtes sei von den Streithelfern der Beklagten zu 2. am 13.03.2008 – vor dem Erdaushub – nochmals überprüft und bestätigt worden. Für diesen Sachverhalt sei Beweis durch Vernehmung der Zeugen S., A. und P. angetreten worden. Diesen Sachvortrag der Klägerin habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft übergangen.

Das Landgericht habe auch § 4 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B fehlerhaft angewendet. Die Fertigstellung der Werkleistung innerhalb der vereinbarten Vertragsfrist schließe Entschädigungsansprüche des Auftragnehmers wegen Bauzeitverzögerungen nicht aus. § 4 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B gebe dem Auftragnehmer ein eigenes Leistungsbestimmungsrecht. Es habe der Klägerin daher freigestanden, mit den Arbeiten im 2. Bauabschnitt ab dem Schacht RAP 23 am 10.03.2008 zu beginnen. Zwar sei zwischen dem 1. und dem 2. Bauabschnitt eine Unterbrechung der Arbeiten wegen der Winterpause geplant gewesen. Für die Straßenbauarbeiten sei jedoch insgesamt eine Bauzeit von 100 Arbeitstagen kalkuliert gewesen, wobei auf den 2. Bauabschnitt 48 Arbeitstage entfallen wären. Hätte die Klägerin – wie von ihr geplant – am 02.04.2008 mit den Straßenbauarbeiten beginnen können, wäre sie am 06.06.2008 mit den Straßenbauleistungen fertig gewesen. Hierfür sei Beweis durch Vernehmung der Zeugen W. und P. angetreten worden. Dieser Beweis hätte erhoben werden müssen.

Auf einen vermehrten Personal- und Materialeinsatz komme es aus Rechtsgründen nicht an. Das vom Landgericht zitierte Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 02.11.2000 – Az. 8 U 201/99 – (BauR 2001, 1739, 1745 unter 4.c)) betreffe die Anspruchsgrundlage des § 6 Nr. 6 VOB/B und nur am Rande die Anspruchsgrundlage des § 642 BGB. Die Klägerin stütze ihren Anspruch aber nicht auf § 6 Nr. 6 VOB/B, sondern auf § 642 BGB. § 642 BGB setze keine schuldhafte Pflichtverletzung des Auftraggebers voraus. Die Klägerin habe substantiiert dargelegt, dass sich die Beklagten mit den ihnen obliegenden Mitwirkungspflichten vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 im Verzug befunden haben. Hierfür sei Beweis angetreten worden. Erst am 02.06.2008 habe die Klägerin mit den Straßenbauarbeiten beginnen können.

Es sei der Klägerin auch nicht möglich gewesen, den Arbeitsablauf anders zu organisieren, indem bestimmte Arbeiten vorgezogen worden wären. Die Versorgungsleitungen seien nahezu auf der gesamten Trasse von Schacht RAP 23 bis zum Schacht RAP 25 mit den Bauarbeiten kollidiert. Straßenbauarbeiten seien daher in der Zeit vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 nicht möglich gewesen. Die Verlegung der kreuzenden Gasleitungen sei unstreitig zwischen dem 09.04.2008 und dem 06.05.2008 erfolgt. Die Verlegung der Stromleitungen habe am 07.05.2008 begonnen. Am 13.05.2008 hätten die Kanalbauarbeiten fortgesetzt werden können. Am 02.06.2008 habe die Klägerin mit den Straßenbauarbeiten beginnen können.

Vor diesem Hintergrund habe das Landgericht die Klage nicht als unschlüssig abweisen dürfen. Es sei im Einzelnen dargelegt worden, welche Arbeiten im Bau-Soll geplant gewesen und welche im Bau-Ist ausgeführt worden seien. Die vom Landgericht an den Soll-Ist-Vergleich gestellten Anforderungen seien überzogen. Das gelte auch für die Darlegung der Folgen des Annahmeverzuges der Beklagten. Insoweit griffen zugunsten der Klägerin Darlegungserleichterungen ein. Die Folgen der Baubehinderung für den Bauablauf gehörten zur anspruchsausfüllenden Kausalität, auf die § 287 ZPO anwendbar sei (unter Hinweis auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 – und vom 24.02.2005 – VII ZR 225/03 -).

Die Beklagten seien ihrer Verpflichtung zur Überlassung von Ausführungsplänen für die geänderte Rohrleitungstrasse ab dem Schacht RAP 23 und der Zurverfügungstellung eines geeigneten Baufeldes nicht rechtzeitig nachgekommen. Die Klägerin habe in der Baubesprechung vom 06.03.2008 angekündigt, mit ihren Arbeiten am 10.03.2008 beginnen zu wollen. Die Pflichtverletzung der Beklagten folge aus § 3 Nr. 1, 4 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B. Der Auftraggeber sei verpflichtet, das Baugeschehen so zu steuern, dass ein störungsfreier Ablauf aller Arbeiten gewährleistet sei, und dem Auftragnehmer die erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zu übergeben. Die formularmäßige Abwälzung dieser Koordinierungspflicht auf den Auftragnehmer stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, die der Inhaltskontrolle nicht standhalte. Außerdem sei Ziffer 2.10 der Baubeschreibung nicht so zu verstehen, dass der Klägerin damit die Koordinierungspflicht habe auferlegt werden sollen. Es handele sich lediglich um die Übernahme einer Informationspflicht, nicht aber der Koordinierungspflicht des Auftraggebers. Ein anderes Verständnis der Baubeschreibung laufe auf ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 9 Nr. 2 VOB/A hinaus und sei daher nicht VOB/B-konform (unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.04.1993 – VII ZR 118/92 -). Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Übernahme einer Koordinierungspflicht keine besondere Vergütung erhalten habe und ihr auch kein Weisungsrecht gegenüber anderen Gewerken eingeräumt worden sei.

Die Klägerin sei im Verzugszeitraum vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 auch leistungsbereit gewesen. Sie habe die Erbringung ihrer Bauleistung für den 10.03.2008 angeboten. Dies sei in der Bauanlaufbesprechung am 06.03.2008 erfolgt. Ein wörtliches Angebot der Leistung sei gemäß § 295 BGB ausreichend gewesen. Die Behinderung sei für die Beklagten seit der Baubesprechung vom 12.03.2008 ausweislich des Protokolls der Streithelferin zu 1. vom 14.03.2008 (Anlage K 8, Anlagenband) offenkundig gewesen. Mit Schreiben vom 31.03.2008 und 02.04.2008 (Anlagenkonvolut K 9, Anlagenband) habe die Klägerin die Behinderung gegenüber den Beklagten auch angezeigt.

Auch zu den Folgen der Behinderung sei ausreichend vorgetragen worden. Insbesondere sei ausgeführt worden, dass die Kanalbauarbeiten zwangsläufig vor Herstellung der Straße hätten erfolgen müssen. Sowohl die Regenwasser-Hausanschlüsse als auch das Setzen der Straßenabläufe hätten vorausgesetzt, dass die Kanalbauarbeiten abgeschlossen waren. Die Herstellung des Kanals habe vor den Anschlüssen erfolgen müssen. Wegen der Kollision mit den Versorgungsleitungen hätten die Kanalbauarbeiten am 10.03.2008 aber nicht beginnen können. Die Ausführungsreihenfolge – zuerst der Kanal, dann die Anschlüsse, anschließend der Straßenbau – sei zwingend. Hätte es die Behinderung der Kanalbauarbeiten nicht gegeben, hätten die Straßenbauarbeiten in der Zeit vom 02.04.2008 bis zum 06.06.2008 abgeschlossen werden können. Die Streithelfer der Beklagten zu 2. hätten dazu den Bauablaufplan Anlage StV 9 (Leitzordner) vorgelegt. Die Beklagten hätten den darin dokumentierten Bauablauf nicht bestritten. Vorsorglich beziehe sich die Klägerin auch auf das Zeugnis der erstinstanzlich benannten Zeugen P., A. und S. sowie auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Da der Asphaltaufbruch und das Aufnehmen der Gosse, der Bordsteine und der Gehwegpflasterung erst am 02.06.2008 habe beginnen können, hätten sich alle Folgearbeiten zeitlich nach hinten verschoben. Die Eröffnung der Ortsdurchfahrt W. sei – nach Restarbeiten der Klägerin – dann am 02.10.2008 erfolgt. Die Klägerin habe erst am 10.03.2008 aufgrund der ihr übergebenen Ausführungspläne erkennen können, dass die Rohrleitungstrasse ab dem Schacht RAP 23 mit den Versorgungsleitungen für Strom und Gas kollidiere.

Es sei auch unzutreffend, dass die Klägerin Personal und Arbeitsgerät im Verzögerungszeitraum auf anderen Baustellen habe einsetzen können. Lediglich in der Zeit vom 11.04.2008 bis zum 06.05.2008 habe sie andere Arbeiten ausgeführt, die nicht im ursprünglichen Auftragsumfang enthalten gewesen seien. Die Vorhaltezeiten und die darauf entfallenden Mehraufwendungen für die Kanalbauarbeiten habe die Klägerin unter Vorlage ihrer Urkalkulation und der in dem EFB-Preisblatt festgehaltenen Kalkulationsgrundlagen substantiiert dargelegt. Dieselbe Berechnung habe sie auf Seite 16 der Klageschrift auch für die Straßenbauarbeiten vorgenommen. Die hiervon abweichende Feststellung des Landgerichtes treffe nicht zu. Das Landgericht habe den Sachvortrag der Klägerin unter Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs nicht zur Kenntnis genommen.

Zu Unrecht habe das Landgericht auch eine schlüssige Darlegung des Schadens verneint. Die Klägerin habe dargelegt, dass ohne die Behinderung durch die kollidierenden Versorgungsleitungen die Arbeiten wesentlich früher hätten abgeschlossen werden können. Die Arbeitskräfte und Maschinen hätten dann anderweitig eingesetzt werden können. Es habe durchaus andere Bauvorhaben gegeben. Hierzu sei auf den Seiten 13 bis 18 der Klageschrift (Bl. 13 bis 18 d.A.) der Klageschrift hinreichend vorgetragen worden. Es habe den Beklagten oblegen, diesen Sachvortrag substantiiert zu bestreiten. Dies sei nicht geschehen. Mit Schriftsatz vom 07.04.2014 (ab Seite 37, Bl. 256 ff. d.A.) habe die Klägerin ihren diesbezüglichen Sachvortrag auf die Einwendungen der Streithelfer sogar noch ergänzt.

Eine Anrechnung des Nachtrags Nr. 3 auf den Verzögerungsschaden komme nicht in Betracht. Hinsichtlich der Kanalbauarbeiten würden Mehraufwendungen im Zeitraum vom 19.03.2008 bis zum 01.04.2008 geltend gemacht. Die Arbeiten im Rahmen des Nachtrags Nr. 3 (Arbeiten im Zusammenhang mit der Umverlegung der Versorgungsleitungen) habe die Klägerin außerhalb des genannten Zeitraumes ausgeführt. Etwaige Erlöse aus dem Nachtrag Nr. 3 brauche sich die Klägerin auf ihren Entschädigungsanspruch gemäß § 642 Abs. 1 BGB nicht anrechnen zu lassen. Dies gelte jedenfalls für die Einzelkosten der Teilleistung für Personal, Material und Geräte (EKT). Die Vergütung des Nachtrags Nr. 3 stelle zudem keinen anderweitigen Erwerb im Sinne des § 642 Abs. 2 BGB dar, weil sie nicht in einem kausalen Zusammenhang zur Behinderung stehe.

Schließlich hafte der Klägerin neben der Beklagten zu 2. auch der Beklagte zu 1. für den eingetretenen Schaden. Beide Beklagten seien Gesamtschuldner. Der Anspruch richte sich gegen mehrere Schuldner. Zudem bestehe eine Identität des Leistungsinteresses. Auch sei die Klägerin von beiden Beklagten in einer einheitlichen Vertragsurkunde mit einer einheitlichen Auftragssumme beauftragt worden. Diesen Vertrag habe der Beklagte zu 1. für sich und zugleich als Vertreter für Beklagte zu 2. abgeschlossen. Die Verpflichtungen der Beklagten aus dem Vertrag seien gleichstufig. Die Bauleistungen seien in einem einheitlichen Vergabeverfahren gemeinsam ausgeschrieben und nicht in Lose aufgeteilt worden. Die Gemeinschaftsvereinbarung zwischen den Beklagten sei lediglich eine Vereinbarung im Innenverhältnis und nicht Grundlage des zwischen den Parteien abgeschlossenen Bauvertrages geworden. Einer Haftung des Beklagten zu 1. für den Schaden könne daher nicht entgegengehalten werden, dass die Ursache der Bauablaufstörung aus der Sphäre der Beklagten zu 2. stamme.

Die Rechtsverletzung durch das Landgericht sei auch erheblich. Hätte das Landgericht den Vortrag der Klägerin nicht als unschlüssig erachtet, so hätte es über die Höhe des Entschädigungsanspruches Beweis durch Vernehmung von Zeugen und durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. April 2016 – 8 O 296/12 – abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 136.911,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.01.2010 zu zahlen; hilfsweise, das Urteil des Landgerichts G. vom 14. April 2016 – 8 O 296/12 – und das zugrundeliegende Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht Göttingen zurückzuverweisen.

Die Beklagten zu 1. und 2. und die Streithelfer der Beklagten zu 2. beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1. verteidigt das landgerichtliche Urteil. Eine Haftung des Beklagten zu 1. komme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Dies folge bereits aus einer vertraglichen Haftungsausschlussklausel. Die Vertragsparteien hätten eine Haftung der Beklagten zu 1. und 2. für etwaige Behinderungsfolgen – gleich welcher Art und Höhe – vertraglich ausgeschlossen. Gemäß Ziffer 2.10 der Baubeschreibung sei vereinbart worden: „Behinderungen sind nicht gänzlich auszuschließen. Sie sind bei der Kalkulation zu berücksichtigen und werden nicht gesondert vergütet.“ Dieser Haftungsausschluss sei zulässig. Ziffer 1 der Baubeschreibung enthalte eine Ergänzung zur Berücksichtigung von Behinderungskosten. Derartige Kosten hätten bereits bei der Kalkulation der Vertragspreise berücksichtigt werden müssen. Dazu habe sich die Klägerin nicht geäußert. Sie habe den ihr entstandenen Schaden auch nicht substantiiert dargelegt. Hierfür hätten die kalkulatorischen Ansätze aus der Urkalkulation offengelegt und gegengerechnet werden müssen. Das sei nicht geschehen. Soweit die Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung ergänzenden Sachvortrag gehalten habe, sei dieser verspätet und im Berufungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen.

Hilfsweise beruft sich der Beklagte zu 1. darauf, dass die vermeintlichen Behinderungsfolgen ausschließlich in den Leistungsbereich des Vertrages mit der Beklagten zu 2. fielen. Die Beklagten seien keine Gesamtschuldner, sondern Teilschuldner. Es handele sich um eine Bauherrengemeinschaft. Die Leistungspflichten und das Leistungsinteresse seien hinsichtlich beider Beklagter nicht identisch. Beide Beklagten hätten der Klägerin unterschiedliche Leistungen in Auftrag gegeben, die gegenüber beiden Beklagten auch getrennt abgerechnet worden seien. Bereits die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom 10.05.2007 (Anlage K 1, Anlagenband) sei nach Gewerken und Beklagten zu 1. und 2. getrennt erfolgt. Eine einheitliche Beauftragung liege nicht vor. Die Klägerin habe diesen Umstand bei den von ihr erstellten Leistungsverzeichnissen und Angeboten berücksichtigt. Diese seien nach Auftragssummen getrennt aufgestellt worden. Entsprechend sei die schriftliche Auftragserteilung vom 10./12.07.2007 (Anlage K 2, Anlagenband) nach Kostenanteilen erfolgt. Der Beklagte zu 1. habe gegenüber der Klägerin nur den Ausbau der Kreisstraße X als reine Straßenbaumaßnahme beauftragt. Die Beklagte zu 2. habe der Klägerin die Gewerke 2 bis 5 beauftragt. Die vermeintlichen Behinderungen bezögen sich ausschließlich auf die Gewerke 2 bis 5. Die bauleitenden Maßnahmen für das Gewerk 1 habe der Beklagte zu 1. allein ausgeführt. Die Beklagte zu 2. habe sämtliche bauleitenden Maßnahmen für die Gewerke 2 bis 5 den Streithelfern übertragen. Die Trassierung der Rohrleitungen, deren Höhe ab Schacht RAP 23 und die Haltungen (Schächte) fielen ausschließlich in den Leistungsbereich der Gewerke 2 bis 5. Leistungsänderungen zur Trassierung der Rohrleitungen, deren Höhe sowie zum Gewässer III. Ordnung und zu den Haltungen (Schächten) beträfen ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2.. Nur die Beklagte zu 2. und deren Streithelfer hätten insoweit Anordnungen erteilt. An diesen Anordnungen sei der Beklagte zu 1. weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt gewesen (Beweis: Zeugnis M. und Zeugnis S.).

Der Nachtrag Nr. 3 sei weder vom Beklagten zu 1. geprüft noch von ihm beauftragt worden. Eine Vollmacht der Beklagten zu 2., für den Beklagten zu 1. Aufträge zu erteilen, habe nicht vorgelegen. Der Beklagte zu 1. habe sich auch nicht an der Festlegung des Standortes des Schachts RAP 23 beteiligt. Er habe gegenüber der Klägerin weder Anordnungen erteilt noch Pläne oder Planänderungen vorgelegt. Es seien auch keine zusätzlichen Leistungen oder Nachtragsleistungen vom Beklagten zu 1. gegenüber der Klägerin in Auftrag gegeben worden.

Der Beklagte zu 1. habe auch keine Vertragsfristen verletzt. Einen Bauablaufplan habe die Klägerin erst am 13.03.2008 eingereicht. Diesen Plan habe der Beklagte zu 1. für das Gewerk 1 nicht anerkannt. Zudem habe der Mitarbeiter der Klägerin P. dem Zeugen S. des Beklagten zu 1 erklärt, dass der Plan nicht eingehalten werden könne, weil er unrealistisch sei (Beweis: Zeugnis S.).

Gegenüber dem Beklagten zu 1. habe es keine Behinderungsanzeige der Klägerin gegeben. Die Behinderungsanzeigen vom 01.04.2008 und vom 02.04.2008 seien an die Beklagte zu 2. gerichtet gewesen und von der Streithelferin zu 1. zu Recht zurückgewiesen worden.

Entgangenen Gewinn gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B könne die Klägerin ohnehin nicht beanspruchen, weil sie weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten zu 1. dargetan habe. Auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 642 BGB lägen in Bezug auf den Beklagten zu 1. nicht vor. So fehle es bereits an einem Angebot der Klägerin zur Ausführung der Leistung gegenüber dem Beklagten zu 1..

Die Klägerin habe den behaupteten Verzögerungsschaden auch nicht konkret dargelegt. Insoweit nimmt der Beklagte zu 1. auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug.

Die Beklagte zu 2. meint, das Landgericht habe die gegen sie gerichtete Klage rechtsfehlerfrei abgewiesen. § 4 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B habe es zutreffend angewandt. Niemand habe behauptet, dass es der Klägerin nicht gestattet gewesen sei, ihre Leistungen eigenverantwortlich auszuführen. Das Landgericht habe lediglich darauf abgestellt, dass die Klägerin keine Mehraufwendungen dargelegt habe, die auf die von ihr behauptete Behinderung zurückzuführen seien. Dem sei beizutreten. Ein Mehrvergütungsanspruch scheide daher aus.

Den Bauzeitenplan vom 13.03.2008 habe die Klägerin erst vorgelegt, nachdem sich die Probleme im Zusammenhang mit der Umverlegung der Ver- und Entsorgungsleitungen bereits angekündigt hätten. Der Plan habe ausschließlich dazu gedient, vermeintliche Verzögerungsansprüche vorzubereiten. Die Klägerin habe den von ihr behaupteten Schaden auch nicht schlüssig dargelegt. Hierfür sei es erforderlich gewesen, die Folgen der unterlassenen Mitwirkung im Einzelnen darzulegen. Die Darlegung des Annahmeverzuges des Bestellers und dessen Dauer gehörten zur anspruchsbegründenden Kausalität. Die Behinderung und deren Kausalität seien gemäß § 286 ZPO nachzuweisen. Weder die Behinderung noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden seien einer schätzenden Bewertung gemäß § 287 ZPO zugänglich. Darlegungserleichterungen kämen der Klägerin insoweit nicht zugute. Wie bei § 6 Nr. 6 VOB/B müsse auch beim Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB eine bauablaufbezogene Darstellung erfolgen. Daran fehle es. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren neuen Sachvortrag gehalten habe, sei dieser präkludiert.

Zudem greife der Haftungsausschluss ein. Nach der Baubeschreibung habe sich die Klägerin hinsichtlich der Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen im Baugrund mit den jeweiligen Versorgungsträgern abstimmen müssen. Hierin liege kein unzulässiges Abwälzen von Risiken auf den Auftragnehmer.

Die Berufungsbegründung enthalte auch im Übrigen keine durchgreifenden Berufungsangriffe. Die Beklagte zu 2. nimmt ergänzend auf ihren Sachvortrag in ihren Schriftsätzen vom 12.02.2013, 19.04.2013, 15.01.2014, 27.06.2014, 27.01.2015 und 23.05.2016 nebst Beweisantritten Bezug.

Die Streithelfer zu 1. bis 3. sind der Ansicht, das Landgericht habe die Klage zu Recht mangels Schlüssigkeit als unbegründet abgewiesen. Eine Beweiserhebung über die Behauptungen der Klägerin komme deshalb nicht in Betracht. Im Übrigen machen sich die Streithelfer die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zu eigen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Sie hat in Bezug auf die Beklagte zu 2. insoweit Erfolg, als die Haftung der Beklagten zu 2. dem Grunde nach festzustellen war. Soweit sich die Berufung auch gegen den Beklagten zu 1. richtet, ist das Rechtsmittel dagegen unbegründet.

I.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1. auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 136.911,55 EUR nebst Zinsen gemäß § 642 BGB oder aus einem anderen Rechtsgrund besteht nicht.

Der Beklagte zu 1. ist nicht passivlegitimiert.

1.

Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 642 Abs. 1 BGB). § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch im Falle des Gläubigerverzuges. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der Besteller durch das Unterlassen einer bei der Herstellung des Werkes erforderlichen Handlung in Verzug der Annahme kommt, §§ 293 bis 299 BGB (vgl. Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 18.09.2016, § 642 Rdn.1).

2.

Die Klägerin macht geltend, dass es in der Zeit vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 nicht möglich gewesen sei, Straßenbauarbeiten im engeren Sinne auszuführen, weil die zeitlich vorgelagerten Kanalbauarbeiten aus von den Beklagten zu vertretenden Gründen behindert gewesen seien. Aufgrund von Planänderungen der Beklagten sei es zu Kollisionen mit Versorgungsleitungen im Baubereich gekommen. Diese hätten dazu geführt, dass die Gas- und Stromleitungen neu hätten verlegt werden müssen. Eine bloße Umlegung dieser Leitungen sei nicht in Betracht gekommen. Nach der Neuverlegung der Versorgungsleitungen hätten die Kanalbau- und Rohrverlegungsarbeiten durchgeführt werden müssen. Erst ab dem 02.06.2008 habe die Klägerin mit den eigentlichen Straßenbauarbeiten beginnen können (vgl. Seite 13 der Klageschrift, Bl. 13 d.A.). Hierdurch habe sich eine Bauzeitüberschreitung von 40 Arbeitstagen ergeben. Die Ausführungszeit für die der Klägerin beauftragten Leistungen habe sich um mindestens 40 Arbeitstage verlängert. Die Baustelleneinrichtung, das Personal und die Maschinen hätten um den genannten Zeitraum länger vorgehalten werden müssen.

Weiterhin sei es zu einem Stillstand der Kanalbauarbeiten in der Zeit vom 19.03.2008 bis zum 01.04.2008 gekommen. Hierdurch habe sich die Bauzeit um mindestens 7 Arbeitstage verlängert (vgl. Seite 15 der Klageschrift, Bl. 15 d.A.).

Insgesamt sei der Klägerin aufgrund von Produktivitätsverlusten in den genannten Zeiträumen ein Schaden in Höhe von 115.051,72 EUR netto (= 136.911,55 EUR brutto) entstanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schadensberechnung der Klägerin auf den Seiten 14 bis 18 der Klageschrift (Bl. 14 bis 18 d.A.) verwiesen.

3.

Der Beklagte zu 1. haftet der Klägerin für die behaupteten Verzögerungen nicht. Er hat keine der Klägerin gegenüber obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt. Das Leistungshindernis stammt ausschließlich aus der Risikosphäre der Beklagten zu 2..

a)

Zwar hat der Beklagte zu 1. den Einwand fehlender Passivlegitimation lediglich zur Hilfsbegründung erhoben (vgl. Seite 4 der Berufungserwiderung des Beklagten zu 1. vom 16.08.2016, Bl. 542 d.A.). Es handelt sich jedoch nicht um alternativen Sachvortrag im engeren Sinne. In Bezug auf die Prüfungsreihenfolge von Anspruchsvoraussetzungen sind die Gerichte grundsätzlich frei. Eine Bindungswirkung des Parteivorbringens in Bezug auf die Prüfungsreihenfolge besteht nicht.

b)

Die Beklagten zu 1. und 2. sind lediglich Teilschuldner und keine Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421, 427 BGB. Versäumnisse der Beklagten zu 2. bei der Planung der Kanalbauarbeiten können dem Beklagten zu 1. nicht angelastet werden.

aa)

Verpflichten sich mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesamtschuldner. § 427 BGB ist eine Auslegungsregel, die den Anwendungsbereich des § 420 BGB einschränkt. Aus der Interessenlage der Parteien kann sich ergeben, dass lediglich Teilschulden gewollt sind. So hat der Bundesgerichtshof bei Bauherrengemeinschaften eine Teilschuldnerschaft der einzelnen Bauherren angenommen, wenn es sich um sogenannte Aufbauschulden handelt (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1988 – VII ZR 242/87 -, NJW-RR 1989, 465 ff.). Bei Bauverträgen über die Errichtung eines Hauses mit Eigentumswohnungen hafteten die künftigen Wohnungseigentümer für die Erstellungskosten entgegen § 427 BGB in der Regel nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur anteilig, gleichviel, worauf sich die jeweiligen Werkleistungen beziehen, welchen Umfang sie haben und wie begütert der einzelne Wohnungseigentümer ist (vgl. BGH, a.a.O., Rdn. 7 und BGH, Urteil vom 18.06.1979 – VII ZR 187/78 -, BGH Z 75, 26, 28). Der Bundesgerichtshof hat dies mit der besonderen Interessenlage in solchen Fällen und den beiderseitigen Erwartungen der Vertragspartner begründet. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass das mit einer gesamtschuldnerischen Haftung verbundene Wagnis regelmäßig weit über das den einzelnen Wohnungseigentümer wirtschaftlich und sozial Zumutbare hinausgehen würde und für den Bauhandwerker erkennbar ist, dass die künftigen Wohnungseigentümer dieses Wagnis nicht ohne weiteres auf sich nehmen wollen.

bb)

Zwar handelt es sich bei den Beklagten zu 1. und 2. nicht um Wohnungseigentümer, sondern um Gebietskörperschaften, die sich zu einem gemeinsamen Bauvorhaben zusammengeschlossen haben. Auch hier bestand – für die Klägerin erkennbar – jedoch eine besondere Interessenlage, die gegen eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten sprach. Diese ergab sich aus folgenden Gesichtspunkten:

(1)

Die Straßenbaulasten sind regelmäßig von derjenigen Körperschaft zu tragen, in deren Zuständigkeitsbereich sich die Straße befindet, die saniert oder gebaut werden soll. Haftungsverlagerungen in Zuständigkeitsbereiche anderer Gebietskörperschaften kommen danach regelmäßig nicht in Betracht.

(2)

Abgesehen von unterschiedlichen öffentlich-rechtlichen Zuständigkeiten für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung sprechen vorliegend auch die Vertragsgrundlagen für eine bloße Teilschuldnerschaft des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2..

(a)

Bereits die Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 10.05.2007 (Anlage K 1, Anlagenband) war von dem ausschreibenden Landkreis (Beklagten zu 1.) nach Auftraggebern und Gewerken getrennt formuliert worden. So heißt es unter Ziffer 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe:

„Es ist beabsichtigt, die oben genannte Leistung im Namen und für Rechnung (Auftraggeber) Landkreis, (Gewerk 1) und Gemeinde E. (Gewerk 2 – 5) zu vergeben.“

Der Ausschreibung lagen folgende Gewerke zugrunde:

Gewerk 1 Ausbau der Kreisstraße (reine Straßenbaumaßnahme)

Gewerk 2 Gewässer III. Ordnung

Gewerk 3 Schmutzwasserkanal

Gewerk 4 Trinkwasserhaltung

Gewerk 5 Hausanschlüsse

(b)

Die HVA-B-StB-Besondere Vertragsbedingungen 3 (03/06) – Anlagenkonvolut K 1, Anlagenband -, die Gegenstand der Ausschreibung waren, sahen unter Ziffer 6 (Sicherheitsleistung) und unter Ziffer 7 (Rechnungen) vor:

„6 Sicherheitsleistung

(…)

Vertragserfüllungsbürgschaft 5 % der Auftragssumme, Gewährleistungsbürgschaft 3 % der Abrechnungssumme. Die Bürgschaften sind anteilig der einzelnen Angebots- bzw. Abrechnungssummen dem Landkreis und der Gemeinde E. vorzulegen.

 

7 Rechnungen

(…)

Für folgende Leistungen sind getrennte Rechnungen zu erstellen:

Gewerk 1, Rechnung an Landkreis.

Gewerk 2 – 5, Rechnung an Gemeinde E.

(c)

In der Präambel zur allgemeinen Baubeschreibung (Anlagenkonvolut K 1, Anlagenband) ist – eingerahmt und in Fettdruck – ausgeführt:

„Da es sich bei der Baumaßnahme um eine Gemeinschaftsmaßnahme zwischen dem Landkreis und der Gemeinde E. handelt, sind die zu erbringenden Leistungen in 5 Gewerken ausgeschrieben.

Die Leistungen von Gewerk 1 werden durch den Landkreis und die Leistungen von Gewerk 2 – 5 von der Gemeinde E. abgerechnet.

Gemäß Punkt 3.11 sind somit auch getrennte Aufmaße und Rechnung zu erstellen.“

Dementsprechend sind die einzelnen Leistungen im Leistungsverzeichnis – mit Ausnahme der Baustelleneinrichtung – nach Gewerken getrennt aufgeführt, nämlich:

„00. Baustelleneinrichtung

01. Ausbau der Kreisstraße

02. Gewässer III. Ordnung

03. Schmutzwasserkanal

04. Trinkwasserleitung

05. Hausanschlüsse“

(d)

Die Zuschlagserteilung erfolgte zwar mit Schreiben des Landkreises vom 09.07.2007 (Anlage K 2, Anlagenband) „im Namen und für Rechnung des Landkreises, der Gemeinde E. und der Samtgemeindewerke B.“ über die gesamte Auftragssumme von 1.545.664,46 EUR. Diese ist auf Seite 2 des Auftragsschreibens jedoch in folgende Kostenanteile aufgeteilt:

„Kostenanteil Landkreis 950.388,67 €

Kostenanteil Gemeinde E. 526.097,84 €

Kostenanteil Samtgemeindewerke B. 69.177,95 €

Die Leistungen des Gewerkes 5 (Hausanschlüsse) werden gegebenenfalls direkt von den betroffenen Anwohnern in Auftrag gegeben.“

Die Erklärung ist von dem Landrat des Landkreises, dem Gemeindedirektor der Gemeinde B. und dem Werkleiter der Samtgemeindewerke B. unterzeichnet worden.

Mit dieser Art der Zuschlagserteilung ist für die Klägerin nach Maßgabe ihres objektiven Empfängerhorizontes (§§ 133, 157 BGB) hinreichend deutlich geworden, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten gerade nicht gewollt war, sondern dass jeder Auftraggeber nur für die von ihm beauftragten Gewerke einstehen wollte. Ein gemeinsames Leistungsinteresse lag ebenfalls nicht vor, weil jeder Beklagte nur diejenigen Leistungen in Auftrag gegeben hat, die in seinen Zuständigkeitsbereich fielen und an deren Erbringung er ein Interesse hatte. Dass die einzelnen Gewerke im Rahmen der Gesamtbaumaßnahme aufeinander abzustimmen waren, führt nicht zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten. Dementsprechend findet eine Zurechnung von Mitwirkungspflichten der Beklagten untereinander nicht statt. Die Beklagten haften nur für diejenigen Risiken, die aus ihrem jeweiligen Vertragsverhältnis stammen.

(3)

Die Klägerin hat die Erklärungen der Beklagten auch im Sinne einer Teilschuldnerschaft aufgefaßt. Die Schlussrechnungen wurden von der Klägerin getrennt nach Vertragspartnern und Gewerken erstellt. Auf die Schlussrechnung vom 24.04.2009 gegenüber dem „Kostenträger: Gemeinde E.“ (Anlage K 12, Anlagenband) wird insoweit Bezug genommen.

(4)

Darüberhinaus hat die Klägerin mit der früheren Gemeinde E. als Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. am 09.09.2010 / 21.10.2010 eine Vergütungsvereinbarung (Anlage B 1.12, Anlagenband) getroffen, in deren Präambel ausgeführt wird:

„Die Parteien sind über einen Vertrag über den Ausbau der Kreisstraße X. in der OD W. miteinander verbunden. Die Schlussrechnung der Auftragnehmerin vom 24.04.2009 hat zu Differenzen zwischen der Auftragnehmerin und der Auftraggeberin geführt, deretwegen die Auftraggeberin einen Vorbehalt erklärt hat (…)“.

Die Klägerin hat hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass sie die einzelnen Beklagten als selbständige Auftraggeber ansah, mit denen gesonderte Verhandlungen über die Höhe des Werklohnes zu führen sind. Andernfalls hätte der Beklagte zu 1. an dem Abschluss der Vereinbarung vom 09.09. / 21.10.2010 beteiligt werden müssen.

(5)

Schließlich war auch die Bauüberwachung nach Gewerken getrennt organisiert. So hat die Streithelferin der Beklagten zu 2. in ihrem Schriftsatz vom 17.01.2014 auf Seite 2 (Bl. 179 d.A.) ausgeführt:

„Für die Planung der Baumaßnahme sind mit den beteiligten Beklagten getrennte Ingenieurverträge geschlossen worden. Eine Baubegleitung erfolgte nur für die Gewerke 2 bis 5, deren Bauherren seinerzeit die Gemeinde E. und Samtgemeindewerke B. waren.

Die Bauüberwachung des Gewerks 1 oblag dem Landkreis bzw. dessen damit beauftragten Vertretern.“

c)

Der Beklagte zu 1. haftet für die Vorhaltekosten der Klägerin auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges, §§ 642 Abs. 1, 293 ff BGB. Zwar konnten die Straßenbauarbeiten nicht – wie geplant – am 02.04.2008 beginnen, weil die Verlegung der Gasleitungen in der Zeit zwischen dem 09.04.2008 und dem 06.05.2008 erfolgt ist und die Verlegung der Stromleitungen erst am 07.05.2008 beginnen konnte, so dass die Fortsetzung der Kanalbauarbeiten erst am 13.05.2008 und die der Straßenbauarbeiten erst am 02.06.2008 möglich war. Der Beklagte zu 2. befand sich in dieser Zeit jedoch nicht im Annahmeverzug.

aa)

Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Für die Darlegung des Annahmeverzuges und dessen Dauer gelten die von der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 6 VOB/B entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2002 – VII ZR 224/00 -, NJW 2002, 2716 ff., und BGH, Urteil vom 20.02.1986 – VII ZR 286/84 -, BGHZ 97, 163 ff. sowie Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 18.09.2016, § 642 BGB Rdn. 69). Voraussetzung für den Anspruch ist zunächst die unterlassene Mitwirkung in einem Zeitpunkt, zu dem sie für die Herstellung des Werkes erforderlich gewesen wäre (vgl. Kniffka, a.a.O.). Unstreitig konnten in der Zeit vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 keine Straßenbauarbeiten im engeren Sinne von der Klägerin ausgeführt werden. Ursache hierfür war nicht eine fehlende Mitwirkungshandlung des Beklagten zu 1., sondern die verzögerte Ausführung der Kanalbauarbeiten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 2., die wiederum auf die Notwendigkeit der Verlegung der Versorgungsleitungen in diesem Bereich zurückzuführen war. Das Leistungshindernis stammte mithin aus dem Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2.. Haftungsbegründend ist stets, dass der Besteller die erforderliche Mitwirkung unterlassen hat. Das Verhalten eines Dritten kann einen Anspruch aus § 642 BGB nicht begründen (vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.05.2017, § 642 BGB Rdn. 18).

bb)

Hinsichtlich der Erbringung der Straßenbauleistungen im engeren Sinne fehlt es zudem an einem ordnungsgemäßen Angebot der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1.. Ein tatsächliches Angebot der Bauleistung gemäß § 294 BGB ist nicht erfolgt. Zwar kann unter den in § 295 BGB genannten Voraussetzungen auch ein wörtliches Angebot genügen. Ein solches liegt aber nicht vor. In der Baubesprechung vom 06.03.2008 hat die Klägerin lediglich angekündigt, am 10.03.2008 mit der Errichtung der Verkehrssicherung beginnen zu wollen, an die sich die Kanalbauarbeiten hätten anschließen sollen. Die Erbringung von Straßenbauleistungen im engeren Sinne hat die Klägerin dem Beklagten zu 1. aber nicht angeboten. Dies war ihr auch nicht möglich, weil bereits die Kanalbauarbeiten nicht ausgeführt werden konnten, die Voraussetzung für den Beginn der Straßenbauarbeiten im engeren Sinne waren.

cc)

Die Haftung des Beklagten zu 1. ist auch gemäß § 297 BGB ausgeschlossen. Gemäß § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug der Annahme, wenn der Schuldner zur Zeit der Abgabe des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken (Unvermögen des Schuldners). Vorliegend war die Klägerin nicht in der Lage, die Straßenbauleistungen zu erbringen, weil diese voraussetzten, dass die Verlegung der Versorgungsleitungen abgeschlossen war und die Kanalbauarbeiten schon einen gewissen Vorlauf erreicht hatten. Diese Arbeiten betrafen das Vertragsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2.. Zwar gilt, dass sich der Gläubiger nach Treu und Glauben, § 242 BGB, nicht auf § 297 BGB berufen kann, wenn er die Leistungsfähigkeit des Schuldners selbst herbeigeführt hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 297 Rdn. 2 m.w.N.). Vorliegend stammte das Leistungshindernis aber nicht aus dem Vertragsverhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1., sondern aus dem Vertragsverhältnis zur Beklagten zu 2.. Der Beklagte zu 1. hatte in Bezug auf die Übergabe fehlerfreier Pläne und der Zurverfügungstellung eines geeigneten Baugrunds für die Kanalbauarbeiten keine Mitwirkungspflichten verletzt. Die Gewährleistung der Baufreiheit oblag vielmehr der Beklagten zu 2..

Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch die Beklagte zu 2. ist dem Beklagten zu 1. auch nicht zurechenbar. Der Beklagte zu 1. hatte mit der geänderten Trassenführung und der Änderung der Ausführungsplanung durch die Beklagte zu 2. nichts zu tun. Er verhält sich daher nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, wenn er sich gegenüber der Klägerin auf das Unvermögen der Leistungserbringung gemäß § 297 BGB beruft.

4.

Auch eine Haftung des Beklagten zu 1. aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen kommt vorliegend nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch ausdrücklich nicht auf § 6 Nr. 6 Satz 1 VOB/B (in der Fassung vom 29.10.2002) stützt, fehlt es auch an einer vertraglichen Pflichtverletzung des Beklagten zu 1. gegenüber der Klägerin.

a)

Für die Gewährung von Schadensersatz müssen die hindernden Umstände von einer Vertragspartei zu vertreten sein (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 6 Nr. 6 VOB/B Rdn. 13). In Betracht kommen der Gläubigerverzug, der Schuldnerverzug und die positive Vertragsverletzung (vgl. Ingenstau/Korbion, a.a.O., Rdn. 9). Die Vertragspartei haftet dabei sowohl für eigenes Verschulden (§ 276 BGB) als auch für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB).

b)

Die Beklagte zu 2. war vorliegend nicht Erfüllungsgehilfin des Beklagten zu 1. in Bezug auf die Erstellung von Ausführungsplänen und die rechtzeitige Durchführung der Kanalbauarbeiten, die die Straßenbauarbeiten erst ermöglichten. Die Beklagte zu 2. hatte in diesem Zusammenhang eigene Vertragspflichten zu erfüllen, nämlich die Pflicht zur Einziehung von Erkundigungen in Bezug auf den Verlauf von Versorgungsleitungen im Erdreich und die Pflicht, der Klägerin mangelfreie Ausführungspläne zur Verfügung zu stellen. Der Bauherr schuldet dem Auftragnehmer grundsätzlich eine ordnungsgemäße Planung.

c)

Der Beklagte zu 1. hat gegenüber der Klägerin auch keine sonstigen Vertragspflichten verletzt. Eigene Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Gewährleistung der Leitungsfreiheit im Baubereich und in Bezug auf die Ermöglichung der Kanalbauarbeiten oblagen dem Beklagten zu 1. nicht. Der Beklagte zu 1. hatte die Klägerin lediglich mit der reinen Straßenbaumaßnahme (Ausbau der Kreisstraße 3) beauftragt. Die übrigen Gewerke fielen in den Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2..

II.

Die Berufung ist insoweit begründet, als festzustellen war, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2. dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 642 Abs. 1 BGB, deren Höhe noch weiterer Sachaufklärung bedarf.

1.

Der Anwendbarkeit des § 642 Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, dass sich der Fall im Anwendungsbereich des § 6 Nr. 6 VOB/B bewegt.

a)

Gegenstand des Bauvertrages vom 09./10./12.07.2007 ist die VOB/B in der Fassung von 2002. Der Ausschreibung der Arbeiten lag die HVA B-StB-Angebot 2 (03/06) – Anlagenkonvolut K 1 – zugrunde. Diese nimmt auf die VOB Teil B „Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen DIN 1961, Ausgabe 2002“ Bezug und erklärt diese zum Bestandteil des Angebotes des Bieters. Da bei beiden Vertragsparteien vorausgesetzt werden kann, dass ihnen der Inhalt der VOB/B (2002) bekannt ist, bestehen gegen die Wirksamkeit der Einbeziehung in den Vertrag gemäß § 305 BGB keine Bedenken. § 6 Nr. 6 VOB/B (2002) enthält zwar keine Verweisung auf § 642 BGB wie spätere Fassungen der VOB/B, wonach § 642 BGB unberührt bleibt. Für frühere Fassungen der VOB/B hat der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 642 BGB aber auch ohne Verweisung in der VOB/B unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98 – Rdn. 24, BGH Z 143, 32 ff. und Ingenstau/Korbion, VOB, 19. Aufl., § 6 Abs. 6 VOB/B Rdn. 3). Danach ist § 642 BGB beim aufrechterhaltenen (ungekündigten) Vertrag neben § 6 Nr. 6 VOB/B anwendbar.

2.

Der Auftragnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB. Er muss die Voraussetzungen des Annahmeverzuges und dessen Dauer darlegen und beweisen. Auch muss er die Grundlagen für die Entschädigung darlegen und beweisen. Die Grundlagen werden aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Vergütungsvereinbarung abgeleitet. Sind sie plausibel dargelegt worden, ist § 287 ZPO anwendbar (vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 18.09.2016, § 642 Rdn. 68). Zur anspruchsbegründenden Kausalität gehört dabei die Darlegung der unterlassenen Mitwirkung und des Annahmeverzuges sowie dessen Dauer. In der Regel ist daher – wie bei § 6 Nr. 6 VOB/B – eine bauablaufbezogene Darstellung erforderlich (vgl. Kniffka, a.a.O., § 642 Rdn. 69 m.w.N.).

a)

Das Landgericht vertritt die Auffassung, dass es an einer solchen bauablaufbezogenen Darstellung der Behinderung und ihrer Folgen durch die Klägerin fehle. Die Klage sei unsubstantiiert. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat nicht geteilt.

b)

Zwar gelten zugunsten der Klägerin keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen. Die Frage, ob eine unterlassene Mitwirkung des Auftraggebers zu einer Behinderung des Auftragnehmers geführt hat, betrifft die haftungsbegründende Kausalität und damit den konkreten Haftungsgrund. § 287 ZPO ist insoweit nicht anwendbar. Darlegungs- und Beweiserleichterungen gemäß § 287 ZPO kann der Auftragnehmer nur in Anspruch nehmen, wenn es um die nicht mehr dem Haftungsgrund zuzurechnenden Folgen der Behinderung, z.B. für den weiteren Bauablauf, geht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 24.02.2005 – VII ZR 225/03 – Rdn. 29 ff., BauR 2005, 861 ff., und BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 – Rdn. 15 ff., BGHZ 162, 259 ff. sowie Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand. 18.09.2016, § 642 BGB Rdn. 82). Die Behinderung und ihre Kausalität sind gemäß § 286 ZPO nachzuweisen. Weder die Behinderung noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung ist daher einer schätzenden Bewertung gemäß § 287 ZPO zugänglich. Voraussetzung des Anspruchs gemäß § 642 BGB ist die unterlassene Mitwirkung des Auftraggebers in einem Zeitpunkt, zu dem sie für die Herstellung des Werkes erforderlich gewesen wäre (vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 18.09.2016, § 642 BGB Rdn. 69).

c)

Die Klägerin war in der Ausführung ihrer Leistungen aufgrund der kreuzenden Versorgungsleitungen, die eine Umverlegung erforderlich machten, behindert. Ausweislich des Protokolls der Baubesprechung vom 06.03.2008 (Anlage K 7, Anlagenband) wollte die Klägerin nach der Winterpause am 10.03.2008 ihre Arbeiten wieder aufnehmen:

„Verkehrsführung

Verkehrsbehördliche Anordnung ist vom AG eingeholt, die halbseitige Sperrung zw. L. und F. wird am Montag, 10.03.08, ab 06:30 Uhr von Fa. K.eingerichtet.

Abnahme der Baustrecke und Umleitung durch Herrn S. am 10.03.08 ab 07:30 Uhr. (…)

Gewässer III. Ordnung

Einrichtung der Baustelle durch den AN am 10.03.08, Aufnahme der Arbeiten anschließend.

(…)

Am Montag wird dem AN der neue Rohrleitungsplan übergeben

(…)“

Die Wiederaufnahme der Arbeiten am 10.03.2008 war der Klägerin aber nicht möglich. Aus dem Baubesprechungsprotokoll vom 12.03.2008 (Anlage K 8, Anlagenband) ist zum Grund der Behinderung ausgeführt:

„Trotz einer Neutrassierung und Reduzierung der Nennweiten kommt es in Teilbereichen mit parallelen Gas- und Elektroleitungen mit dem Gewässer III. Ordnung zu Konflikten.

Zitiert wurden die Unfallverhütungsvorschriften der Bau-BG und die allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften, ein Arbeiten im Rohrgraben mit freiliegenden Versorgungsleitungen ist unter bestimmten Voraussetzungen (Anweisungen des Versorgers, Personal des Versorgungsträgers vor Ort) erlaubt. Explizit wurde auf eine Gefahrenquelle hingewiesen, Arbeiten mit schwebenden Lasten, die bei Herabstürzen die Leitungen zerstören und es hierbei zu Todesfällen kommen kann.

Herr S., Fa. G., verweigert die Weiterarbeit aufgrund der oben genannten Gefahrenquellen. Diese Aussage wurde gegenüber allen Beteiligten zum ersten Mal am 12.03.08 auf der Baubesprechung in Gegenwart der Versorgungsträger geäußert. (…)“

Die Ausführungspläne der Streithelferin zu 1., die den Verlauf der neuen Trasse zeigten, wurden der Klägerin unstreitig erst am 10.03.2008 ausgehändigt. Die kreuzenden Versorgungsleitungen im Baubereich waren vor diesem Zeitpunkt für die Klägerin daher nicht erkennbar. Die Klägerin hat die Behinderung am 12.03.2008 zwar nicht schriftlich im Sinne des § 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B (2002) angemeldet. Gemäß § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B (2002) hat der Auftragnehmer Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände aber auch dann, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt ist. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Prüfungsfrist war dies am 12.03.2008 der Fall. Im Rahmen der Baubesprechung vom 12.03.2008 wurde die Behinderung von der Klägerin ausdrücklich thematisiert und als Grund für die vorläufige Einstellung der Arbeiten genannt. An dieser Baubesprechung hat ausweislich des Besprechungsprotokolls (Anlage K 8, Anlagenband) für die Samtgemeindewerke B. L. teilgenommen. Laut Verteiler hat die Gemeinde E. ein Protokoll der Besprechung vom 12.03.2008 erhalten. Die Beklagte zu 2. war damit über den Tatbestand der Behinderung und seine Folgen für den Bauablauf hinreichend informiert.

Unabhängig davon hat die Klägerin unter dem 31.03.2008 und 02.04.2008 schriftliche Behinderungsanzeigen an die Gemeinde E. gerichtet (vgl. Anlagenkonvolut K 9, Anlagenband), in denen sowohl die Art der Behinderung als auch deren Folgen mitgeteilt wurden. Die Behinderung und deren Folgen waren der Beklagten zu 2. daher seit dem 12.03.2008, spätestens aber seit dem 02.04.2008 positiv bekannt.

Die Behinderungsanzeige muss die Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit die Gründe der Behinderung ergeben. Der Auftragnehmer hat die Angaben zu machen, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98 – Rdn. 11, BGHZ 143, 32, 35 und BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 -, MDR 2005, 922 f.). Diesen Anforderungen wurden die Behinderungsanzeigen der Klägerin gerecht. Sie hat den Beklagten den Grund ihrer Behinderung mitgeteilt und erklärt, dass diese Behinderung zur Einstellung der Arbeiten führe.

d)

Eine konkretere Darstellung der Behinderung und ihrer Folgen durch die Klägerin war auch im Rahmen des von ihr geltend gemachten Entschädigungsanspruchs nicht erforderlich.

Zwar reicht es grundsätzlich nicht aus, eine oder mehrere Pflichtverletzungen des Auftraggebers vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03 -, MDR 2005, 922 f.). Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers (vgl. BGH, a.a.O.).

Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichtes wird der Sachvortrag der Klägerin diesen Anforderungen gerecht. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass in der Zeit vom 02.04.2008 bis zum 01.06.2008 keine Straßenbauarbeiten im engeren Sinne ausgeführt werden konnten, weil das Problem der kreuzenden Leitungen im Baubereich noch nicht gelöst war. Ebenso ist unstreitig, dass in der Zeit vom 19.03.2008 bis zum 01.04.2008 von der Klägerin keine Kanalbauarbeiten ausgeführt werden konnten, weil sich im Baugrund Versorgungsleitungen befanden, die die Arbeiten behinderten. Für die Gewährleistung der Baufreiheit in diesem Bereich war jedoch die Beklagte zu 2. verantwortlich. Diese muss sich ein Planungsverschulden ihrer Streithelfer gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Vorliegend bestand die Besonderheit darin, dass ein Vorziehen von Arbeiten aus anderen Leistungsbereichen nicht in Betracht kam, weil die Klägerin aus technischen Gründen eine zwingende Bearbeitungsreihenfolge einhalten musste (zuerst die Verlegung der Versorgungsleitungen, sodann der Kanalbau und – nach einem gewissen Vorlauf der Kanalbauarbeiten – der Straßenbau im engeren Sinne). Für die vertraglich geschuldeten Leistungen herrschte in den genannten Zeiträumen ein absoluter Baustopp. Zwar hat die Klägerin kein Balkendiagramm erstellt, in dem der vorgesehene Bauablauf (Bau-Soll) dem tatsächlichen Bauablauf (Bau-Ist) gegenübergestellt ist. Da die Behinderung jedoch nicht nur einzelne Leistungsbereiche betraf, sondern alle Vertragsleistungen, war eine konkretere bauablaufbezogene Darstellung der Behinderung und ihrer Folgen von der Klägerin nicht zu fordern. Die Behinderung hat zu einer Parallelverschiebung der vertraglichen Leistungen geführt. Ein Regelfall, der eine konkretere bauablaufbezogene Darstellung erforderlich gemacht hätte, liegt deshalb nicht vor.

3.

Es trifft auch nicht zu, wie die Beklagte zu 2. und ihre Streithelfer meinen, dass die Klägerin die ihre Leistung behindernden Umstände selbst zu vertreten habe, weil sie sich nicht rechtzeitig bei den Versorgungsträgern nach dem Verlauf der Leitungen im Erdreich erkundigt habe. Unstreitig ist es nach Vertragsabschluss zu mehreren Planänderungen gekommen, unter anderem im Bereich der Trassenführung. Diese Änderungen konnte die Klägerin bei Vertragsschluss nicht voraussehen und musste sie daher bei ihrer Angebotskalkulation auch nicht berücksichtigen. Erst am 10.03.2008 wurden der Klägerin Ausführungspläne übergeben, die die neue Trassenführung zeigten, aus der sich ergab, dass die Versorgungsleitungen nahezu auf der gesamten Strecke im Arbeitsbereich lagen. Zwar ist unter Ziffer 2.10 der Leistungsbeschreibung (Anlagenkonvolut K 1, Anlagenband) bestimmt:

„2.10 Anlagen im Baubereich

– Leitungen –

Im Bereich der Ausbaustrecke befinden sich Leitungen folgender Versorgungsträger:

(…)

Über die genaue Lage der vorh. Leitungen hat sich der AN vor Beginn der Bauausführungen bei den zuständigen Versorgungsträgern Auskünfte einzuholen.

Es muss damit gerechnet werden, das(s) Versorgungsleitungen umgelegt oder erneuert werden müssen.

Es ist Sache des AN, sich mit den Versorgungsträgern abzustimmen.

(…)“

Unter Ziffer 8. der Baubeschreibung (Anlagenkonvolut K 1, Anlagenband) ist weiter ausgeführt:

„Jeder an der Baustelle Verantwortliche hat mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsanlagen zu rechnen, Sorgfalt zu wahren, Beschädigungen zu verhindern, Mitarbeiter und Nachunternehmer zu unterweisen und zu überwachen, so zu arbeiten, dass der Bestand und die Betriebssicherheit der Anlagen bei und nach der Arbeit gewährleistet ist.

Vor der Durchführung der Bauarbeiten ist vor Baubeginn eine aktuelle Auskunft über die Lage und Tiefe der Versorgungsanlage bei allen Versorgern einzuholen. Bei Beginn der Bauarbeiten müssen Planungsunterlagen neuesten Standes an der Baustelle vorliegen.

(…)“

Diese Erkundigungspflicht der Klägerin bestand jedoch allein im Interesse der Verkehrssicherheit (zur Verhinderung der Beschädigung von Stromleitungen pp.) und der Sicherheit der Mitarbeiter der Klägerin. Sie führte nicht dazu, dass die Planungsverantwortung auf die Klägerin überging. Gemäß § 9 Nr. 2 VOB/A darf dem Auftragnehmer im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen – um eine solche handelt es sich hier – kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus abschätzen kann. Aufgrund der Bindung des öffentlich-rechtlichen Auftraggebers im Innenverhältnis ist davon auszugehen, dass dieser sich bei der Vergabe auch an die Regelungen der VOB/A halten will.

Bei Erteilung des Zuschlags mit Schreiben vom 09.07.2007 konnte die Klägerin nicht wissen, dass ihre Arbeiten nahezu auf der gesamten Strecke durch kreuzende Versorgungsleitungen behindert würden. Dieser Zustand ist erst aufgrund der am 10.03.2008 überreichten Änderungsplanung der Streithelferin zu 1. eingetreten und für die Klägerin erkennbar geworden. Es war auch nicht Aufgabe der Klägerin, eine Grundlagenermittlung zu betreiben. Die Planungsverantwortung für die Kanalbauarbeiten lag allein bei der Beklagten zu 2. und der Streithelferin zu 1.. Diese bestimmten den Trassenverlauf, der zu sich kreuzenden Leitungen geführt hat. Auf die fehlerhafte Planung der Streithelferin zu 1. hat die Klägerin keinen Einfluss genommen. Die Streithelferin zu 1. hatte im Rahmen der ihr obliegenden Grundlagenermittlung den Verlauf der Versorgungsleitungen zu klären und im Rahmen ihrer Ausführungsplanung zu berücksichtigen. Dies hätte bereits vor der Ausschreibung und Zuschlagserteilung geschehen müssen. Die Behinderung ist daher von der Beklagten zu 2. und deren Streithelferin zu vertreten.

4.

Rechtsfolge ist, dass die Klägerin von der Beklagten zu 2. eine angemessene Entschädigung verlangen kann (§ 642 Abs. 1 BGB). Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzuges an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft hätte erwerben können (§ 642 Abs. 2 BGB). Wie bei § 649 Satz 2 BGB obliegt dem Besteller die Darlegungs- und Beweislast für die ersparten Aufwendungen und die anderweitige Verwendung der Arbeitskraft (vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 18.09.2016, § 642 BGB Rdn. 73). Den Unternehmer trifft aber die Erstdarlegungslast, so dass er nach entsprechendem Bestreiten des Bestellers substantiiert zu den Ersparnissen und der Möglichkeit anderweitigen Erwerbs vortragen muss (vgl. Kniffka, a.a.O., Bamberger/Roth-Voit, BGB, § 642 Rdn. 16).

Die Schadensberechnung der Klägerin in der Klageschrift vom 06.12.2012 (Seite 14 ff., Bl. 14 ff. d.A.) genügt diesen Anforderungen. Die Klägerin hat sich anderweitig erzielten Erwerb auf ihren Entschädigungsanspruch anrechnen lassen. Sie hat vorgetragen, dass über die von ihr vorgenommene Anrechnung hinaus das für das Bauvorhaben vorgehaltene Personal und die Geräte nicht kurzfristig an anderen Baustellen hätten eingesetzt werden können und dass während des Unterbrechungszeitraums von 47 Arbeitstagen keine Füllaufträge hätten angenommen werden können. Es wäre nunmehr Sache der Beklagten zu 2. gewesen, im Einzelnen darzulegen, welchen anderweitigen Erwerb die Klägerin erzielt hat bzw. hätte erzielen können, um den Schaden zu minimieren. Daran fehlt es.

Die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Vorhaltekosten ist streitig. Insoweit ist Beweis durch die Vernehmung von Zeugen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben.

5.

Ein Schaden der Klägerin scheidet auch nicht deshalb aus, weil es der Klägerin trotz der Behinderung gelungen ist, die vertraglich vereinbarte Bauzeit einzuhalten.

a)

Der Schaden der Klägerin besteht in den geltend gemachten Produktivitätsverlusten. Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass sie das Bauvorhaben 47 Arbeitstage früher hätte fertigstellen können, wenn es nicht zu der Behinderung gekommen wäre. In diesem Fall hätte sie das für die Baustelle vorgehaltene Personal und die Maschinen anderweitig gewinnbringend einsetzen können. Das pauschale Bestreiten dieser Behauptung durch die Beklagte zu 2. ist unerheblich. Es ist unstreitig, dass die Klägerin das Bauvorhaben trotz des Baustopps in der vertraglich vereinbarten Zeit fertiggestellt hat, ohne den Personal-, Material- und Maschineneinsatz zu verstärken. Dies bedeutet, dass die Klägerin das Bauvorhaben bei gleicher Arbeitsleistung ohne den Baustopp entsprechend früher hätte abschließen können.

b)

Die Beklagte zu 2. kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Klägerin durch den Baustopp keine Vermögensnachteile erlitten habe.

Zum einen besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Unternehmer sein Personal und seine Maschinen gewinnbringend einsetzen kann (sog. Rentabilitätsvermutung). Zum anderen ist die Rechtsnatur des Anspruchs aus § 642 BGB umstritten, insbesondere ob dieser einen konkreten Schadensnachweis voraussetzt (verneinend: Schwenker in Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 642 Rdn. 5). § 642 BGB gewährt einen Ausgleich für die Äquivalenzstörung, die dadurch eintritt, dass die Vergütung für eine Bauleistung vereinbart worden ist, die ohne Störung durch unterlassene Mitwirkung des Gläubigers erfolgt (vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 18.09.2016, § 642 BGB Rdn. 4). Es handelt sich um eine Risikozuordnung nach Art einer Gefährdungshaftung, die nicht den vollen Ausgleich für alle Schäden und auch nicht das Erfüllungsinteresse gewährt (vgl. Kniffka, a.a.O., § 642 BGB Rdn. 5). Der Anspruch soll den Unternehmer dafür entschädigen, dass er während des Verzuges Arbeitskraft und Kapital bereithält und seine zeitliche Disposition durchkreuzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2008 – VII ZR 280/05 – Rdn. 11, NJW 2008, 1523 f. und BGH, Urteil vom 07.07.1988 – VII ZR 179/87 -, BauR 1988, 739, 740). Er hat daher Entgeltcharakter (vgl. BGH NJW 2008, 1523 f. und Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 642 Rdn. 5). Die Vorschriften zur Berechnung von Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB, sind auf den Anspruch aus § 642 BGB nicht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98 -, BGHZ 143, 32, 40 und BGH NJW 2008, 1523 f. Rdn. 11). Umfasst von dem Anspruch aus § 642 BGB sind verzugsbedingte Nachteile des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR212/07 – Rdn. 28, NJW 2009, 3717 ff.), zu denen auch die Gerätestillstandskosten gehören (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 22.04.2004 – 8 U 227/02 -, BauR 2004, 1621 ff.). Der Anspruch aus § 642 BGB gewährt indes keinen Anspruch auf Ersatz bzw. Entschädigung für Wagnis und entgangenen Gewinn (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98 – Rdn. 26, BGHZ 143, 32 ff. und OLG Braunschweig, a.a.O., Rdn. 48).

6.

Die Höhe des Anspruchs bedarf der Beweiserhebung.

a)

Vorliegend enthält die Berechnung der Klägerin eine Umlage von 7,62 % (vgl. Seite 13 der Klageschrift, Bl. 13 d.A.). Die Klägerin hat behauptet, dass diese Umlage ihrer Urkalkulation entspreche und die allgemeinen Geschäftskosten und die Baustellengemeinkosten abdecke. Nicht in dieser Umlage enthalten seien Wagnis und Gewinn (Beweis: Zeugnis H. W., Bl. 13 d.A., und Einholung eines Sachverständigengutachtens). Dieser Beweis ist zu erheben.

b)

Soweit die Beklagte zu 2. darüberhinaus einwendet, dass die Klägerin ihre Urkalkulation nicht vorgelegt habe, so trifft dieses nicht zu. Auf die Anlage K 14 (Anlagenband) wird insoweit Bezug genommen. Diese Kalkulation stammt vom 29.05.2007, mithin aus der Zeit vor Vertragsabschluss. Ausweislich der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 10.05.2007 war die Urkalkulation dem Angebot des Bieters beizufügen. Das pauschale Bestreiten der Behauptung der Klägerin, dass die Abrechnung ihrer Urkalkulation entspreche, reicht danach nicht aus (§ 138 Abs. 2 und 4 ZPO).

C.

Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwertes beruht auf § 3 ZPO.

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