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Selbständiges Beweisverfahren –  Streit über geschuldeten Schallschutzstandard

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 W 78/18 – Beschluss vom 10.08.2018

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 23.07.2018 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 17.07.2018 abgeändert.

Auf Antrag der Antragsteller soll ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt werden zu folgender Frage:

Welcher Minderwert des Hauses H., in K., ergibt sich daraus, dass das Objekt nicht den Anforderungen und dem Mindestschallschutz nach den anerkannten Regeln der Technik, etwa VDI 4100 Schallschutzstufe 2 bzw. den DEGA-Empfehlungen, entspricht. Dabei mag der Sachverständige von dem Schallmessungsergebnis des X-Akustiklabors ausgehen.

Die weiter erforderlichen Anordnungen (Auswahl und Bestellung eines Sachverständigen, Vorschuss pp.) werden dem Landgericht übertragen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Beantwortung der gestellten Ergänzungsfrage glaubhaft gemacht, § 485 Abs. 2 ZPO.

Selbständiges Beweisverfahren -  Streit über geschuldeten Schallschutzstandard
(Symbolfoto: Von Igor Meshkov/Shutterstock.com)

Das selbstständige Beweisverfahren dient nicht nur der Beweissicherung, sondern gemäß § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch dazu, eine umfassende Streiterledigung herbeizuführen oder jedenfalls vorzubereiten. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn Streitfragen im Rahmen dieses Verfahrens frühzeitig, konzentriert und umfassend geklärt werden. Um dieses Verfahrensziel zu erreichen, ist dabei ein großzügiger Maßstab bei der Auslegung der Zulässigkeit von Fragen anzulegen. Die nach § 485 Abs. 2 ZPO unabhängig von einem Beweissicherungsbedürfnis mögliche Erhebung eines Sachverständigenbeweises setzt nur voraus, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat. Das ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des „rechtlichen Interesses“ ist nach ganz herrschender Auffassung weit zu fassen. Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Ein rechtliches Interesse kann nur dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich sind. Dabei kann es sich aber nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann (BGH, NJW 2004, 3488).

Dies vorausgesetzt, haben die Antragsteller ein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs, 2 ZPO an der Beantwortung der gestellten Beweisfrage glaubhaft gemacht. Die Feststellung, ob ihr Hausgrundstück einen Minderwert dadurch erfährt, wenn – den Schallschutzstandard für ein Haus mit drei Wohneinheiten nach der Behauptung der Antragsteller unterstellt – die insoweit geltenden anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind, kann eine umfassende Streiterledigung jedenfalls vorbereiten. Dass die zwischen den Parteien streitige Frage, welcher Schallschutzstandard denn überhaupt geschuldet ist, noch nicht geklärt ist, steht dem nicht entgegen. Das mag nachfolgend geschehen. Ein rechtliches Interesse könnte insoweit nur dann verneint werden, wenn es – wie hier nicht – evident ist, dass der von den Antragstellern ihrer Beweisfrage zugrunde gelegte Schallschutzstandard von der Antragsgegnerin nicht geschuldet ist. Vertiefte Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsüberlegungen sind im selbstständigen Beweisverfahren nicht anzustellen. Wenn die Antragsteller letztlich nicht beweisen können, dass der von ihnen unterstellte Schallschutzstandard tatsächlich vereinbart worden ist, ist das ihr (Kosten-)Risiko. Die Zulässigkeit von Beweisfragen im selbstständigen Beweisverfahrens kann nicht davon abhängig gemacht werden, das zuvor die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen / Anknüpfungstatsachen bereits feststehen. Das ließe sich mit dem großzügigen Maßstab, der an die Zulässigkeit von Fragen im selbstständigen Beweisverfahren anzulegen ist, und dem weitgehenden Verbot einer näheren Rechtsprüfung des Anspruchs nicht vereinbaren.

Die fehlende Durchführung des Abhilfeverfahrens für die unmittelbar beim Senat eingelegte sofortige Beschwerde hindert den Senat nicht an der Entscheidung.

Die weiter erforderlichen Anordnungen (Auswahl und Bestimmung des Sachverständigen, Vorschussanforderung pp.) werden nach § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht übertragen.

Eine Kostenentscheidung ist, da die Beschwerde Erfolg hat, nicht veranlasst (vgl. Zöller/Hergeth, ZPO, 32. Auflage, § 490 Rn. 5).

 

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