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Werkvertrag – Vergütungsanspruch Unternehmer nach Kündigung des Bestellers

OLG Köln – Az.: I-16 U 52/18 – Beschluss vom 12.07.2018

Gründe

A.  Der Senat schätzt die Sach- und Rechtslage wie folgt ein:

Da einerseits mit der Berufung nicht angegriffen wird, dass die in § 3.1 des Vertrages vom 12.05.2014 enthaltene Pauschalhonorarvereinbarung sowie die in § 3.2 vereinbarten Grundsätze der Berechnung des Honorars bei nicht von dem Architekten zu vertretender Vertragsbeendigung unwirksam sind, und andererseits mangels Rechtsmittels der Beklagten feststeht, dass nach den vom LG festgestellten Tatsachen der Vertrag nicht im Hinblick auf eine behauptete Schwarzgeldabrede gemäß § 134 BGB nichtig ist und auch nicht durch eine berechtigte außerordentliche Kündigung beendet wurde, liegt eine „freie“ Besteller-Kündigung vor, womit die streitgegenständliche Vergütung des Klägers unter Beachtung des § 649 Satz 2 und 3 BGB a.F. zu bestimmen ist. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist bei der Honorarberechnung zwischen der Vergütung für die erbrachten Leistungen und der Entschädigung für die nicht erbrachten Leistungen zu unterscheiden.

I.   Vergütung für die erbrachten Leistungen

Die vor der Vertragsbeendigung erbrachten Leistungen sind gemäß § 632 BGB abzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR 83/05 = BGHZ 174, 267, zitiert nach juris Rz. 14). Die Darlegungs- und Beweislast für die erbrachten Leistungen trifft somit den Kläger als Auftragnehmer (s. nur Baumgärtel/Prütting/Laumen, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2009, § 649 Rz. 5), er muss insbesondere auch die erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen abgrenzen (BGH, Urt. v. 04.12.1997 – VII ZR 187/96 = BauR 1998, 357, zitiert nach juris Rz. 18).

1.  Der Kläger ist seiner Darlegungslast weder erst- noch zweitinstanzlich gerecht geworden.

a.  In dem Anspruchsbegründungs-Schriftsatz vom 19.07.2017 (Bl 16 GA) fehlt jede Substantiierung zur Leistungserbringung, es wird allein auf die Schlussrechnung vom 01.12.2015 (Bl 30 GA) verwiesen, die indes lediglich feststellt, die HOAI-Leistungsphasen 1 und 2 seien zu 100% und 3 zu 70% erbracht worden. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung vom 04.08.2017 diesen pauschalen Vortrag mit Nichtwissen bestritten und auf ihr vorprozessuales Vorbringen zu der alleinigen Erbringung des Vertrags-Ziels 1 zu 80% = 2.760,80 EUR brutto (Bl 44f GA) verwiesen hatte, hat der Kläger mit der Replik vom 06.10.2017 (Bl 79f GA) 12 Unterlagen (Anlagen K 5-16) zur Gerichtsakte gereicht, von denen u.a. 6 als „Entwurf“, 2 als „Küchenplanung“ und 1 als „Badplanung“ bezeichnet sind. Insoweit fehlt jedweder Vortrag dazu, wie diese Unterlagen sich zu den einzelnen HOAI-Leistungsphasen verhalten. Die bloße Einreichung von Unterlagen ersetzte keinen substantiierten Sachvortrag.

b.  In der Berufungsbegründung erfolgt keine weitere Substantiierung, denn das Vorbringen des Klägers, der von ihm dargestellte Planungsstand sei anhand der zur Verfügung gestellten Unterlagen nachvollziehbar, führt auch hier nicht weiter. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, zur Herbeiführung der ausreichenden Substantiierung Unterlagen auszuwerten und den HOAI-Leistungsphasen zuzuordnen. Die Rüge, das Landgericht habe seine Hinweispflichten verletzt, verhilft der Berufung schon deshalb nicht zum Erfolg, weil entsprechendes neues Vorbringen bereits innerhalb der Berufungsbegründungsfrist hätte erfolgen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.04.2016 – VI ZB 4/16 = NJW-RR 2016, 952 Rz. 14).

2.  Hat der Kläger somit die erbrachten Leistungen nicht hinreichend dargelegt, ist insoweit nur auf die von der Beklagten zugestandene 80%ige Erbringung des „Vertrags“-Ziels 1 abzustellen. Entgegen der Berechnung der Beklagten kann aufgrund der Unwirksamkeit des vereinbarten Pauschalhonorars nicht auf das in dem Vertrag vom 12.05.2014 für das „Vertrags“-Ziel 1 vereinbarte Pauschalhonorar abgestellt werden. Auf Basis des vom Landgericht angesetzten Honorar-Mindestsatzes von 57.292,24 EUR brutto entfallen gemäß der Berufungsbegründung (Bl 227 GA) 3.438,91 EUR netto auf die Leistungsphase 1. Davon hat der Kläger 80% erbracht, womit ihm ein Honorar iHv 2.751,13 EUR netto = 3.273,84 EUR brutto zusteht.

II.  Entschädigung für die nicht erbrachten Leistungen

Nach § 649 Satz 2 BGB a.F. ist die Honorarentschädigung für die nicht erbrachten Leistungen in der Form zu berechnen, dass das Rest-Netto-Honorar ermittelt und dieses um die ersparten Aufwendungen und den anderweitigen Erwerb reduziert wird.

1.  Rest-Netto-Honorar

Auf der Basis der Berechnungen zu Ziffer I. 2. ist von dem Gesamthonorar iHv 57.292,24 EUR brutto der Anteil für die erbrachten Leistungen (= 3.273,84 EUR brutto) abzuziehen. Es ergibt sich ein Resthonorar iHv (54.018,40 EUR brutto =) 45.393,61 EUR netto. Von diesem Nettowert ist auszugehen, denn die Honorarentschädigung gemäß § 649 Satz 2 BGB a.F. unterliegt nicht der Umsatzsteuerpflicht (s. BGH, Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR 83/05 = BGHZ 174, 267, zitiert nach juris, Rz. 14 ff.).

2.  Reduzierung um ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb

a.  Der Kläger macht gemäß der Regelung in § 10 Satz 6 des Vertrages vom 12.05.2014 ein Honorar iHv 60% der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden vereinbarten Vergütung geltend, beziffert also den Anteil für ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb mit 40%.

b.  Entgegen der Einschätzung des Landgerichts dürfte diese Vertragsklausel nicht AGB-widrig sein.

(1)  Soweit die Vorinstanz meint, die Klausel verstoße gegen § 307 BGB, weil sie eine unzumutbare Belastung des Bestellers mit der Darlegungs- und Beweislast begründe, kann dem nicht gefolgt werden. Denn entgegen der Ansicht des Landgerichts trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der ersparten Aufwendungen sowie des anderweitigen Erwerbs von vornherein die Beklagte als Bestellerin (BGH, Urt. v. 21.12.2000 – VII ZR 467/99 = BauR 2001, 666, zitiert nach juris Rz. 13; v. 05.05.2011 – VII ZR 181/10 = BauR 2011, 1331, zitiert nach juris Rz. 29; s. Handbuch der Beweislast, a.a.O., § 649 Rz. 15, 19). Auch der erst zum 01.01.2009 eingefügte Satz 3 des § 649 BGB enthält keine abweichende Beweislastverteilung zugunsten des Bestellers (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 05.05.2011, a.a.O., Rz. 29).

(2)  Entspricht somit die Beweislastregel in der streitgegenständlichen Klausel gerade der gesetzlichen Beweislastverteilung scheidet auch eine Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 12 BGB aus (s. Ulmer/Brandner/Hensen-Christensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016 zu (4) Architekten- und Ingenieurverträge, Rz. 7).

(3)  § 309 Nr. 5 b) BGB findet zwar analoge Anwendung (BGH, Urt. v. 10.10.1996 – VII ZR 250/94 = BauR 1997, 156, zitiert nach juris Rz. 15), ist aber nicht verletzt. Denn im Gegensatz zu den, den maßgeblichen BGH-Urteilen vom Urt. 10.10.1996 (VII ZR 250/94 = BauR 1997, 156) und vom 04.12.1997 (VII ZR 187/06 = BauR 1998, 357) zugrunde liegenden Sachverhalten wird der Beklagten in § 10 Satz 7 des Vertrages vom 12.05.2014 ausdrücklich die Möglichkeit des Gegenbeweises eröffnet, und dies nicht nur für die ersparten Aufwendungen, sondern auch – wie geboten (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 12. Teil Rz. 154; Ulmer/Brandner/Hensen-Christensen, a.a.O.) – für den anderweitigen Erwerb.

(4)  Eine Unwirksamkeit gemäß dem ebenfalls entsprechend anwendbaren § 308 Nr. 7 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1996, a.a.O., Rz. 17) läge dann vor, wenn die sich aus der streitgegenständlichen Klausel ergebende Vergütung des Klägers unangemessen hoch wäre. Prüfungsmaßstab für die Angemessenheit der pauschalierten Vergütung ist das, was ohne die Klausel typischerweise geschuldet wäre (BGH, Urt. v. 10.10.1996, a.a.O., Rz. 17; v. 05.05.2011, a.a.O., Rz. 31). Dabei liegt die Beweislast bzgl der Unangemessenheit bei der Beklagten als AGB-„Kundin“ (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.1991 – IV ZR 187/90 = NJW 1991, 2763, zitiert nach juris Rz. 17). Diesen Beweis dürfte sie nicht geführt haben:

(a)  Dass anstelle der gesetzlichen Vermutung des § 649 Satz 3 BGB, wonach der Anteil der ersparten Aufwendungen 95% beträgt, dieser gemäß § 10 Satz 6 des Vertrages vom 12.05.2014 nur 40% ausmacht, führt noch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten. Denn der BGH (Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 181/10 = BauR 2011, 1331, zitiert nach juris Rz. 28 und 2. Leitsatz) hat ausdrücklich festgestellt, dass § 649 Satz 3 BGB kein gesetzliches Leitbild für Pauschalierungsabreden darstellt und ein Überschreiten des dort normierten Wertes keine Unangemessenheit indiziert.

(b)  Da § 10 Satz 6 und 7 des Vertrages vom 12.05.2014 ausdrücklich auch den Gegenbeweis bezüglich des anderweitigen Erwerbs zulassen, kann die Unangemessenheit auch nicht damit begründet werden (so BGH, Urt. v. 10.10.1996, a.a.O., Rz. 20), dass der Kläger mit 60% des Honorars für die nicht ausgeführten Leistungen plus der nicht anzurechnenden anderweitigen Auslastung seiner Arbeitskapazität besser als bei Durchführung des Vertrages stünde.

(c)  In der baurechtlichen Literatur wird beim Architektenvertrag ein Abzug von 40% für ersparte Aufwendungen vielfach als nicht unangemessen bewertet, da diese Höhe in der gesamten Baubranche seit Jahrzehnten akzeptiert und gebilligt worden sei und damit als branchenüblich bezeichnet werden könne (s. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rz. 1137; Staudinger-Peters/Jacoby, BGB, Bearbeitungsstand 2014, § 649 Rz. 39; ferner Münchener Kommentar-Busche, BGB, 7. Aufl. 2018, § 648 Rz. 35; kritischer: Kniffka/Koeble, a.a.O., Rz. 150 ff.; Korbion/Mantscheff/Vygen-Wirth, HOAI, 9. Aufl. 2016, Teil B Rz. 244).

(d)  Gegenteiliges kann auch den beiden maßgeblichen BGH-Entscheidungen vom 10.10.1996 und 04.12.1997 nicht entnommen werden, denn dort war die Pauschale von 40% für ersparte Aufwendungen jeweils nur deshalb AGB-widrig, weil der Gegenbeweis nicht zugelassen worden war. Gegen die Berechtigung der 40%-Pauschale an sich hat der BGH nichts vorgebracht. Im Gegenteil deutet der BGH an, dass es unbeachtlich ist, wenn der Architekt im Rahmen des § 649 BGB einen Gewinn iHv 60% des Honorars erzielt (Urt. v. 10.10.1996, a.a.O. Rz. 19).

c.  Auf Basis der streitgegenständlichen Vertragsklausel stehen dem Kläger für die nicht erbrachten Leistungen 60% des Rest-Netto-Honorars iHv 45.393,61 EUR, also 27.236,17 EUR zu.

III.  Gesamtforderungen des Klägers

1.  Die Vergütungen für die erbrachten Leistungen iHv 3.273,84 EUR sowie für die nicht erbrachten Leistungen iHv 27.236,17 EUR addieren sich auf eine Gesamtvergütung iHv 30.510,01 EUR. Abzüglich der bereits vereinnahmten 8.296,30 EUR beläuft sich damit die Klageforderung auf 22.213,71 EUR.

2.  Die aus Verzugsgesichtspunkten ab dem 14.05.2016 begründeten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB) belaufen sich bislang auf 1.980,65 EUR.

3.  Die in Höhe von 1.590,91 EUR geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten sind nicht berechtigt, denn der Kläger hat nicht dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts bereits ein Verzug der Beklagten vorlag.

B.  Auf Basis vorstehender Erörterungen und unter Berücksichtigung der wechselseitigen Prozessrisiken unterbreitet der Senat den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO folgenden Vergleichsvorschlag:

I.  Zum Ausgleich der Klageforderung zahlt die Beklagte an den Kläger 18.000 EUR.

II.  Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

C.  Die Parteien werden um Stellungnahme binnen 3 Wochen gebeten, ob der Vergleichsvorschlag angenommen wird. Für den Fall übereinstimmender Annahmeerklärungen wird das Zustandekommen und der Inhalt des Vergleichs ohne Termin durch schriftlichen Beschluss festgestellt, § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO.

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