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Architektenvertrag – Nichtigkeit wegen Schwarzgeldabrede

LG Siegen – Az.: 5 O 52/10 – Urteil vom 21.07.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Architektenleistung.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten mündlich mit den Leistungsphasen 1-7 des § 15 Abs. 2 der HOAI in der Fassung bis zum 17.08.2009 für die Instandsetzung eines Wohnhauses in der G in Hamburg. Hierbei ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten persönlich oder mit der Firma T + Partner Architekten zustande gekommen ist.

Das Gebäude besteht aus einem Altbau mit Keller, ca. aus dem Jahr 1890 und einem Neubau ohne Keller, ca. aus dem Jahr 1980. Vom 13.03.2006 bis August 2006 wurden die Arbeiten an dem Gebäude der Klägerin durchgeführt.

Die Klägerin beauftragte den Zeugen M mit der Durchführung von Elektroarbeiten und damit, auf der Baustelle während der Umbauarbeiten anwesend zu sein. Der genaue Auftragsumfang des Zeugen M ist zwischen den Parteien streitig.

Für diese Tätigkeit erhielt der Zeuge M insgesamt 11.000,00 EUR, wobei 8.000,00 EUR auf die Elektroarbeiten entfielen.

Nach Durchführung der Arbeiten beauftragte die Klägerin den Gutachter Einemann zur Begutachtung der Arbeiten. Für die von dem Gutachter festgestellten Mängel wird auf das Gutachten vom 16.12.2009 (Bl. 7 ff. der Akte) Bezug genommen. Der Gutachter stellte für sein Gutachten eine Rechnung in Höhe von insgesamt 5.133,58 EUR, welche die Klägerin beglich. Zur Erstellung des Gutachtens musste die Firma B herstellen. Für diese Arbeiten stellte diese einen Rechnungsbetrag in Höhe von 673,54 EUR, welche von der Klägerin ebenfalls ausgeglichen wurde.

Darüber hinaus beauftragte die Klägerin die Architektin Susanne Lehmann, um sich ein Bild über die von ihr vermuteten Mängel zu schaffen. Die Architektin Lehmann besichtigte das Haus und begutachtete die ihr vorgelegten Unterlagen, wofür die Klägerin 3.740,00 EUR zahlte.

Der Beklagte stellte am 08.08.2006 seine Honorarschlussrechnung in Höhe von 9.765,17 EUR netto, welcher von der Klägerin gezahlt wurden.

Die Klägerin gab zunächst mit Schriftsatz vom 29.06.2010 an, dass in Bezug auf die bauüberwachende Tätigkeit des Beklagten zwischen den Parteien „ganz bestimmte Zahlungsmodalitäten“ vereinbart worden seien. Diese Zahlungsmodalitäten konkretisierte sie mit Schriftsatz vom 29.10.2015 dahingehend, dass sie bereits vor Stellung der Schlussrechnung im Juni 2006 an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR in bar und ohne Rechnung zahlte. Dieser Betrag wurde auch nicht in die Schlussrechnung aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte bereits weitere Abschlagszahlungen in Höhe von 8.500,00 EUR erhalten, die in der Schlussrechnung ausgewiesen wurden. Für weitere Details wird auf die Schlussrechnung vom 08.08.2006 (Anlage B1, Bl. 83 der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie habe den Beklagten persönlich und nicht die Firma T und Partner Architekten mit den Leistungsphasen beauftragt. Sie habe den Beklagten nicht nur mit den Leistungsphasen 1-7 des § 15 Abs. 2 der HOAI, sondern auch mit der Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 der HOAI beauftragt. Der Beklagte habe die gesamte Instandsetzung des Gebäudes planen und überwachen sollen.

Die Bauleitung und Bauüberwachung habe sie dem Beklagten in Auftrag gegeben.

An dem Gebäude sei es zu verschiedenen Mängeln gekommen. Das Kellermauerwerk sei durchfeuchtet, ein Bodeneinlauf im Keller sei nicht ausgeführt worden, bei den Regenfallleitungen fehle ein Standrohr mit Reinigungsöffnung, die Ausführungsplanung zur Erneuerung der Kellersohle fehle, der Sockelaufbau entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik, die Dachdämmung sei nicht fachgerecht erstellt worden, es sei falsches Material verwendet worden, die Rohrdurchführung durch die Dampfsperre sei nicht fachgerecht erstellt, die Folie beim Dachausstieg löse sich und die Schalung sei mangelhaft. Zur Behebung dieser Mängel seien Kosten in Höhe von 83.037,72 EUR erforderlich.

Darüber sei hinaus sei vereinbart worden, dass die Kellerräume als Heimkino genutzt werden sollten, was aufgrund der Durchfeuchtung des Kellers jedoch nicht möglich sei.

Der Zeuge M sei auf der Baustelle lediglich eine Hilfsperson für den Beklagten gewesen und habe keine bauleitende oder bauüberwachende Tätigkeit ausgeübt. Diese Tätigkeiten habe der Beklagte von seinem Büro aus Siegen übernommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe wegen der mangelhaften Planung und Bauüberwachung durch den Kläger ein Betrag in Höhe von 92.795,76 EUR als Schadensersatz zu. Hilfsweise stehe ihr dieser Betrag als Kostenvorschuss zu. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 des SchwarzArbG liege nicht vor, da sie keine Kenntnis davon gehabt habe, wie der Beklagte mit dem zusätzlichen Entgelt in Höhe von 5.000,00 EUR umgehe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 94.795,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 92.795,76 EUR seit dem 17.08.2009 zu zahlen sowie Zinsen in gleicher Höhe auf 1.999,32 seit Zustellung des Schriftsatzes;

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Architektentätigkeit des Beklagten für Baumaßnahmen am Haus der Klägerin G, 22587 Hamburg, entstanden ist und der den Betrag von 92.795,76 EUR übersteigt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er sei lediglich mit den Leistungsphasen 1-7 des § 15 Abs. 2 der HOAI beauftragt worden. Mit der Bauüberwachung und Bauleitung habe die Klägerin den Zeugen M beauftragt. Eine Bauüberwachung und Bauleitung habe wegen der Entfernung von Siegen nach Hamburg durch ihn gar nicht stattfinden können.

Darüber hinaus sei die von der Klägerin beauftragte Instandsetzung auf ein Minimum begrenzt worden. Die beauftragte Instandsetzung beinhalte keine Komplettsanierung des Gebäudes. Die Sanierung sollte lediglich die Ausstattung der Wohnräume und eine Modernisierung der Bäder im Wohnhaus betreffen. In die Bausubstanz habe die Klägerin nicht viel Geld investieren wollen. Eine Sanierung des Wohnhauses gegen Feuchtigkeit sei gerade nicht vom Auftragsumfang erfasst gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27.01.2011 (Bl. 198 f. der Akte) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Vernehmung der Zeugen M, Bert Rosenthal und Robert Schwarz. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. O (Blatt 296 ff. der Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2015 (Blatt 680 ff. der Akte) Bezug genommen.

Mit Zustimmung der Parteien wurde durch Beschluss vom 09.06.2016 die Fortsetzung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 92.795,76 EUR aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 oder §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB gegen den Beklagten.

Der zwischen den Parteien geschlossene Architektenvertrag ist wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG nichtig, § 134 BGB.

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, Urteil vom 11.06.2015, VII ZR 216/14; BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2015 – 10 U 14/15). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG geleistet, indem er für den mündlich vereinbarten Werklohn in Höhe von weiteren 5.000 EUR keine Umsatzsteuer verlangt und abgeführt hat. Die Klägerin hat dies erkannt und bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, indem sie mit dem Beklagten ein zusätzliches Entgelt vereinbart hat, das nicht in der Schlussrechnung vom 08.08.2006 enthalten sein sollte und dementsprechend auch keine Umsatzsteueranteil enthielt. Es ist ersichtlich, dass der Klägerin bewusst gewesen ist, dass die vereinbarte weitere Vergütung als Schwarzgeld fließen sollte und es sich bei diesem Betrag um die zwischen den Parteien getroffene „bestimmte Zahlungsmodalität“ handelt. Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2015 – 10 U 14/15).

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sich die getroffene „Ohne-Rechnung-Abrede“ nur auf einen Teil des vereinbarten Werklohns bezieht. Denn auch eine nur teilweise vorhandene Schwarzgeldabrede führt nach neuer Rechtsprechung zu einer vollständigen Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13; vorausgehend OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.08.2013 – 1 U 24/13). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der vereinbarte Teilwerklohn in Höhe von 5.000,00 EUR zu konkreten Teilleistungen zuordnen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13; BGH, Urteil vom 13.11.1998 – V ZR 379/97).

Eine Teilnichtigkeit im Sinne des § 139 BGB kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht. Nach § 139 BGB ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäft nichtig ist und nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die 5.000,00 EUR sollen sich auf den Teil beziehen, der sich auf die bauüberwachenden Tätigkeit bezieht. Dieser Teil lässt sich jedoch nicht von den restlichen Arbeiten des Beklagten trennen. Man kann dies gezahlten 5.000,00 nicht konkret zu erbringende Einzelleistungen zuordnen. Es handelt sich bei dem zwischen den Parteien geschlossen Vertrag um einen einheitlich geschlossenen Architektenvertrag, bei dem lediglich der genaue Umfang der Arbeiten streitig ist. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Schlussrechnung am 08.08.2006 nach Ausführung der gesamten Arbeiten gestellt wurde und eine Aufteilung der zu vergütenden Arbeiten darin nicht erfolgt.

Ebenso ändert auch der Umstand nichts, dass es sich vorliegend um eine nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“ handelt. Bei der nachträglichen Vereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, der die ursprünglich zu zahlende Vergütung für die Architektenleistung abändert. Durch diese Abänderung ist die Vergütung als wesentlicher Bestandteil des Architektenvertrags um einen erheblichen Anteil verändert worden. Statt der vereinbarten 9.765,17 EUR wurden insgesamt 14.765,17 EUR gezahlt, was eine Steigerung von 51,2 % darstellt. Durch diese wesentliche Änderung wird der gesamte ursprüngliche Vertrag in seinem Wesen an die vereinbarten Konditionen angepasst und abgeändert, sodass der gesamte Vertrag in den Anwendungsbereich des § 134 BGB fällt.

Ebenso würde eine andere Beurteilung der nachträglichen „Ohne-Rechnung-Abrede“ der Intention des Gesetzgebers zuwider laufen, die Schwarzarbeit effektiv zu bekämpfen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass es in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen erst nach dem eigentlichen Vertragsschluss zu einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ kommt (vgl. zu alledem OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2015 – 10 U 14/15).

2. Da aufgrund der getroffenen Schwarzgeldabrede ein Erstattungsanspruch nicht in Betracht kommt, besteht auch kein Anspruch auf Feststellung, dass die weiteren Schäden von dem Beklagten zu tragen sind.

II.

Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Zinsen und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 102.795,00 EUR festgesetzt und beruht auf § 3 ZPO.

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