Falscher Bautenstandsbericht: Bauträger und Architekt haften für Schadensersatz
Das Urteil befasst sich mit der Frage der Haftung eines Bauleiters gegenüber dem Erwerber einer Eigentumswohnung bei falscher Bestätigung des Bautenstands in einem Bauträgervertrag. Es geht insbesondere um die Ansprüche des Erwerbers auf Schadensersatz und die Gesamtschuldnerhaftung der am Bau Beteiligten. Kern des Rechtsstreits ist die Pflichtverletzung des vom Bauträger beauftragten Bauleiters bei der Erstellung des Bautenstandsberichts und die daraus resultierenden zivilrechtlichen Folgen. Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Reichweite vertraglicher Pflichten gegenüber Dritten und der persönlichen Haftung wegen Verletzung von Schutzgesetzen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Landgericht Paderborn hat entschieden, dass die Beklagten dem Kläger Schadensersatz und Rückerstattungen aufgrund von falschen Bautenstandsberichten und einer nicht fristgerecht fertiggestellten Eigentumswohnung zahlen müssen.
Zentrale Punkte des Urteils:
- Fehlerhafte Bautenstandsberichte: Der bauleitende Architekt bestätigte einen unzutreffenden Bautenstand von 96,5 %, während das Bauvorhaben tatsächlich nur zu 81,5 % fertiggestellt war.
- Schadensersatzforderungen: Der Kläger forderte Schadensersatz, da er aufgrund der fehlerhaften Informationen zu hohe Zahlungen leistete.
- Nichtigkeit des Zahlungsplans: Der im Bauträgervertrag vereinbarte Zahlungsplan war nichtig, da er zu Lasten des Klägers von den zwingenden Vorschriften des § 3 Abs. 2 MaBV abwich.
- Haftung der Beklagten: Verschiedene Beklagte, darunter die Bauträgergesellschaft, ihre Gesellschafter und der Architekt, wurden zur Zahlung verurteilt.
- Rückzahlung und Zinsansprüche: Der Kläger erhielt die zu viel gezahlten Beträge sowie Zinsen zurück.
- Schadensersatz für Mietausfall: Aufgrund der Verzögerung bei der Fertigstellung der Wohnung machte der Kläger Schadensersatz für entgangene Mieteinnahmen geltend.
- Gesamtschuldnerische Haftung: Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner zur Zahlung der verschiedenen Beträge verurteilt.
- Rechtliche Konsequenzen: Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Genauigkeit in Bautenstandsberichten und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben in Bauträgerverträgen.
Übersicht
Konflikt um Bauträgervertrag und Fehlinformationen
Im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits steht ein komplexer Fall, der sich um einen Bauträgervertrag, fehlerhafte Bautenstandsberichte und daraus resultierende Schadensersatzansprüche dreht. Der Kläger, ein Erwerber einer Eigentumswohnung, klagte gegen mehrere Beklagte, darunter die Bauträgergesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafter und den bauleitenden Architekten. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Bauträgervertrag, abgeschlossen im Januar 2018 zwischen dem Kläger und der Bauträgergesellschaft. Es wurde vereinbart, dass dem Kläger eine noch zu errichtende Eigentumswohnung übertragen wird, für die er einen Kaufpreis von 447.000 Euro zu entrichten hatte. Die Bauarbeiten sollten bis Ende 2018 abgeschlossen sein, jedoch wurde die Wohnanlage bis heute nicht fertiggestellt und die Wohnung nicht übergeben.
Problematik fehlerhafter Bautenstandsberichte
Der Kläger zahlte gemäß einem im Vertrag festgelegten Zahlungsplan, der auf den Bautenstandsberichten des Bauleiters basierte. Problematisch wurde es, als der bauleitende Architekt, der Beklagte zu 4, einen Bautenstand von 96,5 % bestätigte, obwohl das Bauvorhaben tatsächlich nur zu 81,5 % fertiggestellt war. Diese Fehlinformation führte dazu, dass der Kläger eine höhere Rate zahlte, als es dem tatsächlichen Baufortschritt entsprach.
Haftungsfragen und Gerichtsentscheidung
Das rechtliche Problem lag insbesondere in der Frage der Haftung der verschiedenen Parteien. Der Kläger machte geltend, dass die Beklagten ihm gegenüber haftbar seien, da durch die fehlerhaften Angaben zum Bautenstand zu hohe Zahlungen von ihm verlangt wurden. Darüber hinaus behauptete er, dass der vereinbarte Zahlungsplan gegen gesetzliche Vorschriften verstieß und forderte Schadensersatz für entgangene Mieteinnahmen, da die Wohnung aufgrund der Verzögerungen nicht wie geplant vermietet werden konnte.
Das Landgericht Paderborn gab dem Kläger in seinen Forderungen weitgehend Recht. Es urteilte, dass der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner 67.000 Euro sowie weitere Zahlungen in Höhe von 11.225 Euro und 35.708 Euro zuzüglich Zinsen zu erhalten hat. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte zu 1) gegen die Bestimmungen des § 3 Abs. 2 MaBV verstoßen hatte, indem sie Zahlungen entgegennahm, die von den gesetzlichen Vorgaben abwichen. Dies begründet einen bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 817 Abs. 1 BGB. Ebenso wurde der Beklagte zu 3) aufgrund seines bewussten Verstoßes gegen die MaBV zur Zahlung verurteilt, da er als ehemaliger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) Kenntnis von den relevanten Vorschriften hatte und den Kläger zu überhöhten Zahlungen veranlasste.
Bedeutung und Auswirkungen des Urteils
Die Haftung des Beklagten zu 4), des bauleitenden Architekten, ergab sich aus der Tatsache, dass er trotz fehlender direkter Vertragsbeziehung zum Kläger, diesen durch die Ausstellung der unzutreffenden Bautenstandsberichte in seinem Vertrauen schädigte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Architekt wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Berichte für die Zahlungen des Klägers maßgeblich waren. Die falsche Bestätigung des Bautenstands hatte somit direkte finanzielle Konsequenzen für den Kläger.
Die Auswirkungen dieses Urteils sind vielfältig. Zum einen verdeutlicht es die rechtlichen Risiken, die mit Bauträgerverträgen einhergehen können, insbesondere wenn es um die korrekte Angabe des Baufortschritts geht. Zum anderen betont es die Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben bei Zahlungsplänen in solchen Verträgen und stellt klar, dass die Verletzung dieser Vorgaben zu ernsthaften rechtlichen Konsequenzen führen kann.
Das Fazit dieses Urteils unterstreicht die Verantwortlichkeit aller beteiligten Parteien im Bauprozess, insbesondere die des bauleitenden Architekten und des Bauträgers. Es zeigt, dass falsche Angaben oder die Missachtung gesetzlicher Bestimmungen nicht nur zu finanziellen Einbußen, sondern auch zu rechtlicher Haftung führen können. Dieses Urteil setzt somit ein klares Zeichen für die Notwendigkeit von Transparenz und Rechtmäßigkeit in Bauvorhaben und unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes im Baurecht.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was sind die rechtlichen Folgen eines falschen Bautenstandsberichts für den Bauleiter und den Bauträger?
Die rechtlichen Folgen eines falschen Bautenstandsberichts für den Bauleiter und den Bauträger in Deutschland können sowohl Haftungs- als auch vertragsrechtliche Konsequenzen haben.
In Bezug auf die Haftung können sowohl der Bauleiter als auch der Bauträger für Mängel und Schäden haftbar gemacht werden, die aufgrund eines falschen Bautenstandsberichts entstanden sind. Der Bauleiter kann für unrichtige Bautenstandsberichte haftbar gemacht werden, wenn diese dazu führen, dass der Bauherr oder der Bauträger Schäden erleidet, beispielsweise durch Überzahlungen oder Verzögerungen im Bauablauf. Der Bauträger kann ebenfalls haftbar gemacht werden, wenn er aufgrund eines falschen Bautenstandsberichts Leistungen entgegennimmt, die noch nicht fällig sind.
In Bezug auf die vertraglichen Konsequenzen kann ein falscher Bautenstandsbericht dazu führen, dass der Bauvertrag angepasst oder gekündigt wird. Wenn beispielsweise der Baufortschritt nicht wie im Vertrag vereinbart erreicht wurde, kann der Bauherr die Zahlung von Abschlagszahlungen verweigern oder zurückfordern. In einigen Fällen kann der Bauherr auch das Recht haben, den Vertrag außerordentlich fristlos zu kündigen, wenn er aufgrund eines falschen Bautenstandsberichts erhebliche Schäden erlitten hat.
Es ist daher für Bauleiter und Bauträger von großer Bedeutung, korrekte Bautenstandsberichte zu erstellen und sicherzustellen, dass der Baufortschritt den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Andernfalls können sie mit erheblichen rechtlichen Folgen konfrontiert werden.
Das vorliegende Urteil
LG Paderborn – Az.: 4 O 407/21 – Urteil vom 31.03.2022
In dem Rechtsstreit hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO am 31.03.2022 für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 67.000,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden als Gesamtschuldner darüber hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 11.225,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über der Basiszins seit dem 21.1.2021 zu zahlen,
3. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner darüber hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 35.708,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über der Basiszins seit dem 21.1.2021 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten in Höhe von 59 gesamtschuldnerisch zu tragen, die Beklagten zu 1) bis 3) in Höhe von weiteren 10% gesamtschuldnerisch zu tragen und die Beklagten zu 1) und 2) von weiteren 31 % gesamtschuldnerisch zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger macht bereicherungsrechtliche Ansprüche sowie Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten aus einem Bauträgervertrag geltend.
Am 26.01.2018 schlossen der Kläger und die ### Bauträger GmbH und Co. KG, deren Komplementärin bis zum 12.11.2018 die Beklagte zu 1) war, einen Bauträgervertrag.
Die Beklagte zu 2), nunmehr mit Sitz in D., trat als persönlich haftende Gesellschafterin für die Beklagte zu 1) ein, nachdem diese ausgeschieden war. Der Beklagte zu 3) war bis zum 07.11.2018 Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Zudem ist er Geschäftsführer der Beklagten zu 2). Er war bei dem Vertragsschluss vertretend für die Beklagte zu 1) anwesend.
Im Bauträgervertrag war zugunsten des Klägers die Übereignung einer neu zu errichtenden Eigentumswohnung in der Anlage X in P-Stadt zu einem von dem Kläger zu entrichtenden Kaufpreis von 447.000 Euro geschuldet. Die Bauarbeiten wurden von 2017 bis 2018 durchgeführt. Heute finden keine Bauarbeiten mehr statt, obwohl die Wohnanlage nicht fertiggestellt ist, weshalb bis heute keine Abnahme der Wohnung erfolgte.
Gemäß § 6 Ziffer 2. des Bauträgervertrages sollten die einzelnen Raten innerhalb von zehn Tagen vom Kläger gezahlt werden, nachdem der Bauträger unter Vorlage einer Bestätigung des Bauleiters über den Baufortschritt die Raten anfordert.
Der Beklagte zu 4) war der von der Bauträgergesellschaft eingesetzte Bauleiter, der gegenüber dem Kläger den Bautenstand für die erste Teilrechnung mit Schreiben vom 22.06.2018 mit 98,5 % bestätigte (vgl. Anl. K 5, BI. 38 d.A.).
Ferner wurde unter § 6 Ziffer 3 des Bauträgervertrages ein Zahlungsplan vereinbart, welcher zulasten des Klägers in Höhe von 11,2 % von § 3 Abs. 2 MaBV abweicht. Von den zwingenden Vorschriften des § 3 Abs. 2 MaBV hatte der Beklagte zu 3) Kenntnis.
Gemäß § 3 des Bauträgervertrages wurde die Bezugsfertigkeit der Wohnung zum 31.12.2018 garantiert. Die Wohnung ist bis zum heutigen Tage nicht bezugsfertig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag (Anl. K 1, B1.14 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte zu 1) überreichte dem Kläger im Jahr 2018 eine Rechnung in Höhe von 409.005,00 Euro. Zugrunde gelegt wurden 91,5 % (96,5 % abzüglich 5 % für fehlende Bürgschaft) des gesamten Kaufpreises, wobei der Prozentsatz entsprechend dem zugrundeliegenden Zahlungsplans dem tatsächlichen Fertigbaustand entsprechen sollte. Da der Beklagte zu 4) eine Bestätigung dafür erteilte, dass das Bauvorhaben zu 96,5 % fertig gestellt sei, beglich der Kläger die Rechnung, obwohl das Bauvorhaben tatsächlich erst zu 81,5 % fertiggestellt war. Dies hätte der Beklagte zu 4) als Architekt unter Vornahme einer ordnungsgemäßen Besichtigung der Baustelle ohne Weiteres erkennen können. Zudem war zu diesem Zeitpunkt die Rohinstallation für Heizung, Elektro und Sanitär nicht betriebsbereit hergestellt und hatte somit nicht den erforderlichen Bautenstand erreicht.
Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf diese Bezug genommen (vgl. Anl. K 7 BI. 58 d.A.).
Die ortsübliche monatliche Miete für die Wohnung inklusive Stellplatz beträgt nach dem Mietspiegel der P-Stadt 1.103,00 Euro.
Mit Schreiben vom 06.01.2021 forderte der Kläger den Bauträger nach vorangehender Korrespondenz letztmalig und erfolglos zur Unterbreitung eines Lösungsvorschlages hinsichtlich etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche bis zum 20.01.2021 auf (vgl. Anl. K 12, BI. 65 d.A.).
Der Kläger ist der Ansicht, dass er gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von 67.000,00 Euro habe, da das Bauvorhaben im Zeitpunkt der Rechnungsstellung lediglich zu 81,5 % fertiggestellt war. Zudem stünde ihm ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) bis 3) auf Zahlung weiterer 11.225,00 Euro zu, da der vereinbarte Zahlungsplan gegen ein gesetzliches Verbot verstoße.
Ferner meint er, dass ihm gegen die Beklagten zu 1) und 2) für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021 ein Schadensersatzanspruch wegen Mietausfalls in Höhe von 39.708,00 Euro abzüglich bereits geleisteter 4000 Euro entstanden sei, mithin in Höhe von 35.708,00 Euro.
Der Kläger beantragt
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 67.000,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten Ober dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2021 zu zahlen;
2. die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner darüber hinaus zu verurteilen an den Kläger weitere 11.225,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über der Basiszins seit dem 21.1.2021 zu zahlen;
3. die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner darüber hinaus zu verurteilen an den Kläger weitere 35.708,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über der Basiszins seit dem 21.1.2021 zu zahlen;
4. für den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen ein Versäumnisurteil gegen die Beklagten zu erlassen.
Die Klage ist dem Beklagten zu 4) am 31.12.2021 und der Beklagten zu 1) am 05.02.2022 zugestellt worden. Eine Verteidigungsanzeige ist bis heute nicht eingegangen.
Die Klage ist dem in Spanien befindlichen Beklagten zu 3) am 28.01.2022 und der Beklagten zu 2) über den Beklagten zu 3) am 24.02.2022 zugestellt worden. Eine Verteidigungsanzeige ist bis heute nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und schlüssig, sodass die Voraussetzungen des § 331 Abs. 2, 3 ZPO erfüllt sind.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung von 67.000 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 3, 12 Abs. 2 MaBV sowie Schadensersatz auf der Grundlage eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte zu. Ferner steht ihm der geltend gemachte Zinsanspruch zu.
1 a.) Die Beklagte zu 1) hat von dem Kläger eine Zahlung In Höhe von 409.005,00 Euro erhalten, obwohl der Zugrunde liegende und in § 6 Ziffer 3 des Vertrages vereinbarte Zahlungsplan unwirksam ist.
Sofern eine Abschlagszahlungsvereinbarung in einem Bauträgervertrag zu Lasten des Erwerbers von § 3 Abs. 2 MaBV abweicht, ist sie insgesamt nichtig (BGH, Urteil vom 22.12.2000 – VIII ZR 310/99 = WW 2001, 818). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da der vereinbarte Zahlungsplan zulasten des Klägers um 11,2 % von § 3 Abs. 2 MaBV abweicht. Der Bauträger darf die vom Erwerber geleisteten Zahlungen gem. § 813 Abs. 2 BGB jedoch insoweit behalten, wie er auch nach § 3 Abs. 2 MaBV Zahlungen hätte entgegennehmen dürfen, wenn der Zahlungsplan wirksam wäre und der Bauträger die Zahlung unter Berücksichtigung des tatsächlichen Bautenstandes eingefordert hätte (BGH-Urteil vom 22.03.2007 – VI I ZR 268/05, IBR 2007, 428).
Im Zeitpunkt der Rechnungsstellung lag der tatsächliche Bautenstand unter dem ausgewiesenen Prozentsatz. Aufgrund des tatsächlichen Fertigungsstandes des Bauvorhabens zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung, hätten lediglich 76,5 % (81,5 % abzüglich 5 % für fehlende Bürgschaft) des gesamten Kaufpreises, mithin insgesamt 341.955,00 Euro abgerechnet werden dürfen. Die Zuvielzahlung des Klägers beziffert sich somit auf 67.050 Euro, welche dieser entsprechend zurückfordern kann.
Die Beklagte zu 1) haftet nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB. Ihre Nachhaftung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1 S. 1. HGB (vgl. VGH München, Beschluss vom 12.12.2016 4 CS 16.1324, BeckRS 2016, 109999). Die Beklagte zu 2) haftet aus § 130 HGB.
b.) Der Beklagte zu 3) haftet gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 12, 3 Abs. 2 MaBV als ehemaliger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) persönlich, weil er durch bewussten Verstoß gegen die MaBV den Kläger zu einer erheblichen Zuvielzahlung veranlasst und diese entgegengenommen hat (OLG Düsseldorf Urteil vom 15.7.2011 – 23 U 87/09, IBR 2011, 586). Schließlich beruht die vertragliche Vereinbarung gem. § 12 MaBV zwingend auf § 3 MaBV, welcher für die Fälligkeit der Zahlung voraussetzt, dass das Bauvorhaben zu dem ausgewiesenen Prozentsatz fertiggestellt ist. Als langjähriger Geschäftsführer von im Bauträgergeschäft tätigen Unternehmen hatte der Beklagte zu 3) Kenntnis von den zwingenden Vorschriften des § 3 Abs. 2 MaBV. Bei den genannten Vorschriften der MaBV handelt es sich um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 05.12.2008 -V ZR 144/07, IBR 2009, 86; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2011 -23 U 87109, IBR 2011, 586).
c.) Die Haftung des Beklagten zu 4) ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: Zwar besteht zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 4) keine vertragliche Verbindung. Der Beklagte zu 4) wurde von der ### Bauträger GmbH & Co. KG als Bauleiter für die streitgegenständliche Wohnung beauftragt. Der vertraglichen Vereinbarung kommt jedoch zugunsten des Klägers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich das erkennende Gericht anschließt, drittschützende Wirkung zu. Verpflichtet sich der vom Veräußerer einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung mit der Bauleitung beauftragte Architekt diesem gegenüber zur Erstellung von Bautenstandsberichten, die Grundlage für die von den Erwerbern zu erbringende Ratenzahlung des Erwerbspreises sein sollen, kommt dem Vertrag drittschützende Wirkung zugunsten der Erwerber zu (BGH Urteil vom 25.09.2008 – VII ZR 37/07, BeckRS 2008, 22768).
Dem Beklagten zu 4) war bekannt, dass seine Bautenstandsberichte vor allem im Verhältnis zu Dritten, hier dem Kläger, von Bedeutung waren. Denn er adressierte sein Schreiben vom 22.06.2018, mit dem er den Bautenstand von 96,5 % bestätigte und auf die 1. Teilabrechnung durch die Beklagte zu 1) Bezug nahm, an den Kläger und sprach diesen auch persönlich an (vgl. Ani. K 5, BI. 85 d.A.).
Da die Bestätigung für den Kläger die Grundlage für seine Zahlung an die Beklagte zu 1) darstellte, kam er mit den Leistungen des Beklagten zu 4) unmittelbar in Berührung.
Eines besonderen Interesses des Bauträgers und der Beklagten zu 1), den Kläger in den Schutzbereich des Architektenvertrags einzubeziehen, bedurfte es nicht. Der Beklagte zu 4) war als bauleitender Architekt tätig und hat sich als solcher dem Kläger gegenüber ausgewiesen. Seinen Bautenstandsberichten kam daher eine besondere Beweiskraft zu. Sie waren in hohem Maße geeignet, Vertrauen in die Richtigkeit der ausgewiesenen Bautenstände zu erwecken. Bei dieser Sachlage steht die zu vermutende Gegenläufigkeit der Interessen des Bauträgers und des Klägers dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Architektenvertrags nicht entgegen (BGH Urteil vom 25.09.2008 – VII ZR 37/07, BeckRS 2008, 22768 Rn.18 m.w.N.).
Der Beklagte zu 4) hat seine Pflichten verletzt, indem er einen Bautenstand von 96,5 % bestätigte, obwohl er bei ordnungsgemäßer Besichtigung der Baustelle hätte erkennen können, dass das Bauvorhaben tatsächlich erst zu 81,5 % fertiggestellt wer.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich ab dem 21.01.2021 aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 BGB.
II.
Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner auf Zahlung von weiteren 11.225,00 Euro aus § 817 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 3, 12 Abs. 2 MaBV nebst Zinsen zu.
1. Indem die Beklagte zu 1) Zahlungen des Klägers entgegengenommen hat, die zulasten des Klägers von § 3 Abs. 2 MaBV abweichen und den gesetzlichen Vorgaben somit widersprechen, hat sie gegen ein gesetzliches Verbot iSd § 134 BGB verstoßen, womit sie einem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 817 Abs. 1 BGB ausgesetzt ist. Zu ihren Gunsten greift jedoch auch hier § 813 Abs. 2 BGB insoweit, als dass sie den Zahlungsbetrag behalten darf, der bei wirksamer Vereinbarung eines Zahlungsplans im Rahmen des § 3 Abs. 1 und 2 MaBV nicht zu beanstanden wäre (BGH, Urteil vom 22.03.2007 – VII ZR 268/05).
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen kann der Kläger weitere 11.225 Euro herausverlangen, Neben der 11,2%igen Abweichung, waren die jeweils mit 2,1 % bezifferten Posten für Rohinstallation von Heizung, Elektro und Sanitär nicht abrechenbar. Es ergibt sich eine Abweichung von insgesamt 17,5 %. Gerechnet auf die Werklohnforderung ergibt sich ein Betrag von insgesamt 78.225,00 Euro, welcher von der Beklagten zu 1) nicht herausgefordert werden kann. Unter Abzug der 67.000,00 Euro, welche bereits unter den Klageantrag zu 1) fallen, kann der Kläger einen Betrag von 11.225 Euro herausverlangen.
Hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 2) und 3) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter I. 1. verwiesen.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich ab dem 21.01.2021 aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 BGB.
III.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung von 35.708,00 Euro aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 252 BGB zu. Auf diesen Betrag steht ihm zudem der geltend gemachte Zinsanspruch zu.
1. Die nach § 3 Bauträgervertrag von der ### Bauträger GmbH und Co. KG bis zum 31.12.2018 garantierte Bezugsfertigkeit der Wohnung liegt bis heute nicht vor. Damit wurde die geschuldete Leistung entgegen der vertraglichen Vereinbarung aus dem Bauträgervertrag nicht fristgerecht erfüllt, womit die Haftungsvoraussetzungen der §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt sind. Dem Kläger ist es in einem Zeitraum von 36 Monaten (vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021) nicht möglich gewesen, die streitgegenständliche Wohnung für einen monatlichen Mietzins in Höhe von 1.103,00 Euro zu vermieten, womit ihm für. diesen Zeitraum Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 39.708,00 Euro entgangen sind. Diese kann er nunmehr als Verzögerungsschaden in Form es entgangenen Gewinns iSd § 252 BGB in Höhe von 35.708,00 Euro geltend machen, nachdem von Beklagtenseite im November 2021 bereits eine Zahlung in Höhe von 4.000 Euro erfolgte.
Die Haftung der Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 130 HGB (s.o. unter 1. 1.).
2. Der Zinsanspruch ergibt sich ab dem 21.01.2021 aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
V.
Der Streitwert beträgt 113.933,00 Euro.