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Bauträgervertrag – Unwirksamkeit Abnahmeklausel

OLG Nürnberg – Az.: 13 U 1908/16 – Urteil vom 26.04.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. August 2016, Az. 9 O 4198/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 63.003,05 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Vorschuss für die Beseitigung eines Baumangels der Kalt- und Warmwasserversorgung.

Die Beklagte errichtete in den Jahren 2004 und 2005 drei Häuser auf ihrem Grundstück in der E…..straße 85, 87 und 89 in N mit insgesamt 35 Wohnungen. Mit Teilungserklärung vom 3. März 2004 (Anlage K1) wurde das Grundstück der Klägerin gemäß § 8 WEG aufgeteilt. Mit notariell beurkundeten Bauträgerverträgen (vgl. Anlage K2) verkaufte die Beklagte die Miteigentumsanteile und die jeweiligen Sondereigentumsanteilen an die Mitglieder der Klägerin verbunden mit einer Bauerrichtungsverpflichtung.

Die Warmwasserversorgung der Wohnungen wurde mit Begleitheizungen versehenen Steigleitungen ausgeführt. Mit Schreiben vom 26. März 2010 (Anlage K4) rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten Mängel in der Warmwasser- und Kaltwasserversorgung und forderte diese zur Mangelbeseitigung bis 21. April 2010 auf. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 20. April 2010 (Anlage K5) mit, dass sie in den von den gerügten Mangelerscheinungen betroffenen Wohnungen sogenannte Zirkulationsregler eingebaut und hierdurch die gerügten Mängel beseitigt habe. Im Übrigen wandte sie ein, dass die Mangelbeseitigung unverhältnismäßig sei.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 beim Landgericht Nürnberg-Fürth die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (Az.: 9 OH 5311/10) beantragt. Sie hat darin Mängel der Warm- und Kaltwasserversorgung an sieben konkret bezeichneten Wohnungen behauptet, die sich in den Häusern Nr. 87 und 89 befinden.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Warmwasserversorgung in der gesamten Wohnanlage mangelhaft sei. Bei einer Vielzahl von Wohnungen dauere es bei den Warmwasserentnahmestellen unangemessen lange bis nach dem Öffnen der Entnahmestellen Warmwasser entnommen werden könne. Die Warmwasserausstoßzeiten seien entgegen der einschlägigen DIN und den anerkannten Regeln der Technik zu lang; die anfallenden Verwurfmengen bis zur Entnahme von Warmwasser seien zu groß. Bei den Kaltwasserentnahmestellen lägen die Entnahmetemperaturen entgegen der einschlägigen DIN und den anerkannten Regeln der Technik zu hoch.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie wegen dieser Mängel die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 61.000,00 € verlangen könne. Die Beklagte sei mehrfach erfolglos zur Mangelbeseitigung aufgefordert worden. Die Klägerin habe daher von Herrn Dipl.-Ing. (FH) T J ein Planungskonzept zur Mangelbeseitigung erstellen lassen. Nach dessen Konzept sei beabsichtigt, den Mangel durch Herstellung einer echten Zirkulationsanlage zu beseitigen.

Die Beklagte hat bereits in erster Instanz bestritten, dass die Warmwasserversorgung in der gesamten Wohnanlage mangelhaft sei. Die Klägerin habe im selbständigen Beweisverfahren lediglich an sieben Wohnungen Mängelerscheinungen gerügt. Die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S erschöpften sich zunächst darin, dass die in sechs der sieben seinerseits streitgegenständlichen Wohnungen verbauten Zirkulationsregler mangels Zulassung einer qualifizierten Organisation mangelhaft seien. Darüber hinaus müsse nach den Ausführungen des Sachverständigen zunächst eine Überprüfung der jeweiligen Begleitheizungen und eine etwaige Reparatur derselben an erster Stelle stehen. Nach Überprüfung der Begleitheizungen komme dann gegebenenfalls der Einbau eines so genannten „Rohr-in-Rohr-Zirkulationssystems“ in Betracht. Konsequenterweise habe die Beklagte nach Vorliegen des Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren der Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2011 ausdrücklich angeboten, zunächst nach dem Vorschlag des Sachverständigen die ursprüngliche Reduzierung der Warmwasserausstoßzeiten eingebauten Zirkulationsregler der Firma M auszubauen und in der Folge eine Fachfirma die Begleitheizbänder auf Funktionalität überprüfen zu lassen. Aufgrund der erklärten Bereitschaft zur Mangelbeseitigung befinde sich die Beklagte auch nicht mit der Mangelbeseitigung bei den hier allein maßgeblichen, im selbständigen Beweisverfahren verfahrensgegenständlichen Wohnungen in Verzug.

Die Beklagte beanstandet ferner, dass die behaupteten Mangelbeseitigungskosten überhöht seien. Der Mangelbeseitigungsaufwand sei nicht erforderlich und die beanspruchten Kosten seien nicht angemessen, zumal die Kostenschätzung des Dipl.-Ing. J auch Arbeiten am Haus Nr. 85 beinhalte, welches eindeutig nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gewesen sei.

Die Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, dass sich die verjährungshemmende Wirkung des selbständigen Beweisverfahrens nur auf die dort gerügten Mängel den Wohnungen Nr. 24, 26, 18, 27, 30, 34 und 28 erstrecke. Im Übrigen sei Verjährung eingetreten.

Das Erstgericht hat die Beklagte mit Endurteil vom 12. August 2016 (Bl. 157 ff. d.A.) zur Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 60.823,05 € zur Behebung der an der Versorgung aller 35 Wohnungen in den Häusern der Klägerin mit warmen und kaltem Wasser sowie zum Ersatz der Kosten für die Erholung eines Gutachtens durch den Privatsachverständigen Dipl.-Ing. L in Höhe von 2.180,00 € verurteilt.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte zweifle zwar nicht an den Feststellungen des Sachverständigen S, wonach in den sieben von ihm untersuchten Wohnungen in den Anwesen Hausnummer 87 und 89 nicht zugelassene Zirkulationsregler eingebaut seien und es genau in diesen untersuchten Wohnungen zu den unzulässig langen Wasserausstoßzeiten komme. Sie wende sich aber gegen die hieraus vom Erstgericht gezogene Schlussfolgerung, dass ein von der Beklagten zu verantwortender Mangel in der Kalt- und Warmwasserversorgung sämtlicher 35 Wohnungen der streitgegenständlichen Wohnungseigentumsanlage gegeben sein solle, mit dessen Beseitigung sich die Beklagte überdies im Verzug befinde. Ferner gehe das Erstgericht fälschlicherweise davon aus, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, weil die am 29. Juni 2005 unstreitig erfolgte Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums unwirksam sei. Diese Entscheidung stelle eine Überraschungsentscheidung dar, da das Erstgericht zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen habe, dass eine Unwirksamkeit der Abnahme in Betracht komme. Ein solcher Hinweis wäre aber geboten gewesen, da das Erstgericht im vorliegenden Verfahren und in einem Parallelprozess keinen Zweifel daran gelassen habe, dass es von einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 29. Juni 2005 ausgehe.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.8.2016, Az. 9 O 4198/12, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Erstgericht rechtsfehlerfrei angenommen habe, dass der Klägerin ein Kostenvorschuss in geltend gemachter Höhe zustehe. Der Anspruch sei nicht verjährt, da die Abnahmeklausel in den Bauträgerverträgen wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei. Die Gewährleistungsfrist habe daher noch nicht zu laufen begonnen, so dass die Ansprüche nicht verjährt seien. Aber selbst wenn eine wirksame Abnahme erfolgt wäre, wäre die fünfjährige Gewährleistungsfrist durch den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom 29. Juni 2010, eingereicht bei Gericht am gleichen Tag, rechtzeitig gehemmt worden. Der Beklagten sei es nach Treu und Glauben auch verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und der Klägerin deshalb keine Mängelrechte gemäß §§ 633 ff. BGB zustehen würden. Der Klägerin stehe auch ein Kostenvorschuss gemäß § 637 Abs. 3 BGB zu, da sich die Beklagte schon vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens mit der Mangelbeseitigung in Verzug befunden habe. Das Erstgericht habe auch zu Recht festgestellt, dass die Beklagte den Kostenvorschuss für die Herstellung einer Zirkulation für alle sieben Steigstränge schulde und nicht nur eingeschränkt auf sieben Wohnungen. Die Verjährungshemmung durch das selbständige Beweisverfahren habe sich nach der Symptomrechtsprechung nicht nur auf die sieben Wohnungen beschränkt, bei denen eine zu große Menge Stagnationswasser und zu niedrige Warmwassertemperaturen gerügt worden seien. Sie habe vielmehr alle Mängel erfasst, die auf die gleiche Ursache zurückzuführen seien.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1. Das Erstgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin zur Behebung von Mängeln an der Versorgung aller 35 Wohnungen in den Häusern Nr. 85, 87 und 89 mit Warm- und Kaltwasser ein Vorschussanspruch in Höhe von 60.823,05 € aus § 637 Abs. 3, § 634 Nr. 2 BGB zusteht.

a) Die Rüge der Beklagten, dass, selbst wenn man der Feststellung der Mangelhaftigkeit der unzulässig langen Warmwasserausstoßzeiten in sieben Wohnungen noch folgen möge, das Landgericht zu Unrecht den Schluss gezogen habe, dass ein Vorschuss zur Behebung an der Versorgung aller 35 Wohnungen zu zahlen sei, ist nicht begründet.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) S hat in seinem Gutachten vom 5. September 2011 im selbständigen Beweisverfahren der Parteien festgestellt, dass bei keiner der von ihm untersuchten sieben Wohnungen auch nach dreiminütiger Warmwasserentnahme die nach den Arbeitsblättern des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (im Folgenden: DVGW) aus hygienischen Gründen erforderliche Warmwasserentnahmetemperatur von 55° C erreicht werde (vgl. Gutachten vom 5. September 2011, S. 21, Bl. 70 d.A.).

Auch wenn der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) S in den übrigen Wohnungen keine Zapfversuche vorgenommen hat, bestehen für den Senat auch ohne diese auf Grundlage der bereits getroffenen Feststellungen des Sachverständigen keine vernünftigen Zweifel daran, dass auch bei den nicht untersuchten Wohnungen ebenfalls die erforderliche Warmwassertemperatur von 55° C innerhalb der zulässigen Ausstoßzeiten nicht erreicht wird. Mangelursache für die festgestellte zu niedrige Warmwassertemperatur ist eine bei allen drei Häusern in strukturell gleichartiger Weise ausgeführte, fehlerhafte Warmwasserversorgung:

Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) S hat in seinem Gutachten vom 5. September 2011 erläutert, dass im Kellergeschoss von Haus 1 die Zentralheizung mit der zentralen Trink-Warmwasserbereitung installiert sei (vgl. Gutachten, a.a.O., S. 8, Bl. 57 d.A.). Über die Tiefgarage, über die alle drei Gebäude miteinander verbunden seien, seien die Häuser mit den notwendigen Versorgungsleitungen aus dem Haus 1 verbunden. Das vertikale Warmwasserversorgungssystem sei als Steigstrang ohne eine Zirkulationsrohrleitung ausgeführt worden. Nach der vorliegenden Leistungsbeschreibung seien die Trinkwarmwasser-Steigstränge deshalb mit einer selbstregulierenden, elektrischen Begleitheizung ausgestattet (vgl. Gutachten, a.a.O., S. 11, Bl. 60 d.A.). Die installierte Elektrobegleitheizung sei für eine Haltetemperatur von 55° C konzipiert, was den Vorgaben der DVGW-Arbeitsblätter entspreche (vgl. Gutachten, a.a.O., S. 21, Bl. 70 d.A.). In seinem Ergänzungsgutachten vom 17. Januar 2014 hat der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) S ausgeführt, dass sich von den Begleitheizungen 3 Stück im Haus E….straße 85 (Haus 1), und jeweils zwei Heizkreise im Haus Nr. 87 (Haus 2) und Haus Nr. 89 (Haus 3) befänden. Der Sachverständige hat aufgrund von Strommessungen festgestellt, dass „alle“ installierten Elektro-Begleitheizkreise der Trink-Warmwasserstränge einen Defekt aufweisen würden (vgl. Ergänzungsgutachten, a.a.O., S. 7 und Prüfprotokoll – Anlage 1). Es seien deshalb zur Herstellung einer regelgerechten Trinkwarmwasserversorgung eine Sanierung „aller“ davon betroffenen Steigstränge erforderlich (vgl. Ergänzungsgutachten, a.a.O.).

Nach diesen Feststellungen ist davon auszugehen, dass (auch) die drei Elektrobegleitheizungen im Haus 1, in dem der Sachverständige keine Zapfversuche vorgenommen hat, defekt sind und damit einen Sachmangel aufweisen. Schon der Umstand, dass die Beklagte im Haus 1 – anders als in den Häusern 2 und 3 – nicht nur zwei, sondern sogar drei Begleitheizungen eingebaut hat, spricht dafür, dass im Haus 1, das nach den vorliegenden Bauschnitten im Bauantrag (vgl. Bl. 84 d.A.) die gleiche Geschosszahl wie die Häuser 2 und 3 hat, die Länge der Warmwasserrohre und damit der Wärmeverlust nicht niedriger, sondern höher als in den Häusern 2 und 3 ist. Im Hinblick auf den auch beim Haus 1 vorliegenden Defekt der installierten Begleitheizungen und die strukturelle Gleichartigkeit der ausgeführten Warmwasserversorgung über Steigstränge, die ohne Zirkulationsleitung ausgeführt sind, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die erforderliche Warmwassertemperatur von 55° C innerhalb der zulässigen Ausstoßzeiten ebenso wenig wie in den untersuchten Wohnungen in den Häusern 2 und 3 erreicht wird. Die Beklagte hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, aus denen sich ergeben würde, dass sich die im Haus 1 ausgeführte Warmwasserversorgung in Länge oder Art oder sonstiger Weise von derjenigen in den Häusern 2 und 3 unterscheiden würde.

b) Das Erstgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die in den Erwerbsverträgen enthaltene Abnahmeklausel und die auf dieser Grundlage erfolgte Teilabnahme des Gemeinschaftseigentums am 29. Juni 2005 nicht wirksam sind. Der Beklagten ist es gleichwohl als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde.

aa) In der Abnahmeklausel Ziffer VI. Nr. 2 des Bauträgervertrags ist bezüglich des Gemeinschaftseigentums folgendes geregelt:

„Die Abnahme des sonstigen Gemeinschaftseigentums und der Garage erfolgt nach vollständiger Fertigstellung durch den Verwalter und mindestens zwei von der Eigentümerversammlung gewählten Käufer. Diese Personen werden hiermit vom Käufer unwiderruflich zur Abnahme und Vornahme aller hierzu erforderlichen oder zweckdienlichen Maßnahmen und Erklärungen bevollmächtigt.“

bb) Die streitgegenständliche Abnahmeklausel benachteiligt die Erwerber gegen das Gebot von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB). Da die Klausel eine unwiderrufliche Bevollmächtigung zur Abnahme beinhaltet, wird dem einzelnen Erwerber nicht die Möglichkeit offen gelassen, das Gemeinschaftseigentum selbst abzunehmen oder von einer Vertrauensperson seiner Wahl abnehmen zu lassen. Das Werk abzunehmen ist aber grundsätzlich Sache des Bestellers (§ 640 BGB). Nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Ansicht, die der Senat für überzeugend hält, sind daher Klauseln unwirksam, wenn dem Erwerber sein originäres Abnahmerecht genommen wird oder wenn sie so verstanden werden können, dass der Erwerber selbst nicht mehr zur individuellen Abnahme berechtigt ist (OLG Karlsruhe, IMR 2011, 460; OLG Koblenz, IBR 2003, 25; OLG Stuttgart, ZWE 2015, 363; OLG Düsseldorf, IBR 2013, 280; OLG Karlsruhe, IBR 2011, 641; OLG München, BauR 2009, 701; Basty, Der Bauträgervertrag, 9. Aufl., Rdnr. 1046 m.w.N.). Dies kann z.B. bei einer unwiderruflichen Vollmacht – wie hier – der Fall sein (Basty, a.a.O.). Bei dem Erwerber darf nicht der Eindruck entstehen, dass nur der Bevollmächtigte abnehmen darf. Dies ist jedoch bei der vorliegenden Abnahmeklausel, welche eine unwiderrufliche Bevollmächtigung Dritter mit der Abgabe der Abnahmeerklärung beinhaltet, der Fall.

cc) Ohne Erfolg beanstandet die Berufung, dass das Erstgericht eine „Überraschungsentscheidung“ getroffen habe, weil es nicht darauf hingewiesen habe, dass die Unwirksamkeit der unstreitig am 29. Juni 2005 erfolgten Abnahme in Betracht komme. Die Klägerin habe erstmals mit Schriftsatz vom 20. Januar 2016 behauptet, dass die Abnahme nicht wirksam sei. Wäre ein Hinweis erfolgt, hätte die Beklagte vorgetragen, dass sich die Klausel vor derjenigen, die der Entscheidung der BGH vom 30.06.2016 – VII ZR 188/13 zugrunde lag, wesentlich unterscheide, weil dort eine Abnahme durch den Bauträger selbst ermöglicht worden sei.

Die Rüge ist unbegründet. Es kann dahinstehen, ob der geforderte richterliche Hinweis geboten war. Die Entscheidung beruht schon nicht auf einer etwaigen Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Zutreffend ist zwar, dass der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine andere Abnahmeklausel (Abnahme durch den Bauträger als Erstverwalter) zugrunde lag. Nach der vorgenannten herrschenden Meinung ist aber – wie ausgeführt – auch eine Klausel unwirksam, die – wie hier – den Eindruck erweckt, der Erwerber sei nicht mehr zur individuellen Abnahme berechtigt. Die nunmehr vorgetragene Rechtsansicht führt zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit der Klausel.

dd) Die Unwirksamkeit der am 29. Juni 2005 erfolgten Teilabnahme des Gemeinschaftseigentums steht der Geltendmachung von Mängelrechten aus § 634 BGB nicht entgegen.

Zutreffend ist zwar die Ansicht der Beklagten, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13 (NJW 2017, 1604) Mängelrechte aus § 634 BGB vor der Abnahme grundsätzlich nicht geltend gemacht werden können.

Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung aber weder ausdrücklich noch konkludent seine gefestigte Rechtsprechung aufgegeben, wonach es einem Bauträger als Verwender einer unwirksamen Abnahmeklausel nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 1143 Rdnr. 24; NJW 2016, 1572; NJW 1987, 837; NJW-RR 2006, 740). Auch wenn diese Entscheidungen vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2017 ergangen sind, lag ihnen ebenfalls erkennbar die Ansicht zugrunde, dass Mängelrechte aus § 634 BGB vor der Abnahme grundsätzlich nicht bestehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass es andernfalls eines Rückgriffs auf den Einwand aus § 242 BGB nicht bedurft hätte. Es besteht daher kein Anlass für die Annahme, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 19. Januar 2017 an seiner vorgenannten Rechtsprechung zum Einwand aus § 242 BGB bei der Verwendung unwirksamer Abnahmeklauseln abrücken wollen.

Der damit weiterhin anwendbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt der überzeugende Gedanke zugrunde, dass die Inhaltskontrolle von Formularklauseln ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders dient; der Verwender kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm gestellten AGB berufen (BGH, NJW 1987, 837; NJW-RR 2006, 740). Der Unternehmer kann sich auf das Fehlen der Abnahme nicht berufen, wenn er diese selbst verhindert hat, z.B. weil er durch die Verwendung unwirksamer AGB den Anschein einer Abnahme erweckt hat (BGH, NJW-RR 2016, 1143 Rdnr. 26). Überdies wäre auch ausreichend, wenn offensichtlich ist, dass der Unternehmer die Mängel nicht beseitigen will (OLG Hamm, NJW 2015, 960).

Nach diesen Maßstäben ist es der Beklagten als Verwenderin der unwirksamen Klausel verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der Vertrag sich bzgl. des Gemeinschaftseigentums noch im Erfüllungsstadium befinde (vgl. zu ganz ähnlicher Entscheidung BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 1572). Die Beklagte hat durch die Stellung der streitgegenständlichen Abnahmeklausel den Eindruck erweckt, dass das Erfüllungsstadium aufgrund der erfolgten Abnahme des Gemeinschaftseigentums beendet sei (vgl. BGH, a.a.O.). Sie muss sich daher nach Treu und Glauben als Verwender den Nachteil tragen, dass sie trotz etwa fehlender Abnahme des Gemeinschaftseigentums mit Mängelrechten aus dem Vertrag konfrontiert wird.

c) Das Erstgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin der Beklagten erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung gemäß § 637 Abs. 1 BGB gesetzt habe.

aa) Die Beklagte beanstandet, dass sie – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – auf die letzten Mangelrüge der Klägerin vom 26. März 2010 (Anlage K4) mit Schreiben vom 20. April 2010 (Anlage K5) reagiert und mitgeteilt habe, dass aus ihrer Sicht sich die gerügten Mängel an der Warmwasserversorgung der sieben vorgerichtlich gerügten Wohnungen durch Einbau von Zirkulationsreglern durch eine Fachfirma beseitigen haben lassen. Nach dem selbständigen Beweisverfahren habe sie unverzüglich mit Schreiben vom 10. Oktober 2011 (Anlage B1) angeboten, zunächst nach dem Vorschlag des Sachverständigen die Regler auszubauen und in der Folge durch eine Fachfirma die Begleitheizbänder überprüfen zu lassen.

bb) Die Rüge ist nicht begründet. Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 20. April 2010 mitgeteilt, dass sie die gerügten Mangelerscheinungen durch den Einbau von Zirkulationsreglern beseitigt habe, was jedoch nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S nicht zutraf. Zwar müssen dem Unternehmer in aller Regel zwei oder drei Versuche ermöglicht werden, um einen Mangel zu beseitigen. Die Beklagte hat aber durch den in ihrem Schreiben vom 20. April 2010 enthaltenen Hinweis, dass weitergehende Maßnahmen, die mit erheblichen Öffnungsarbeiten an den gemauerten Leitungskanälen und im Estrich vielen Wohnungen verbunden wären, nicht erforderlich seien und dass derartige Arbeiten unverhältnismäßig seien, aus Empfängersicht zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, derartige Mangelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen. Ob diese Erklärung für die Annahme einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Mangelbeseitigung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ausreicht, kann offenbleiben. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 9. Juni 2010 (Anlage B22) neben neuen Mängel auch die mit Schreiben vom 26. März 2010 gerügten Mängel der Haustechnik – mit Ausnahme der Wohnungen H und K – nochmals gerügt und (auch) hierfür eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 8. September 2010 gesetzt. Darüber hinaus hat sie wegen der drohenden Verjährung die Abgabe eines Verjährungsverzichts verlangt. Schon aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte innerhalb dieser Frist keine Mangelbeseitigung bei der Warmwasserversorgung durchgeführt hat, hat sie ihr Nachbesserungsrecht verloren.

Darüber hinaus wäre eine weitere Fristsetzung auch entbehrlich gewesen, da die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juni 2010 (Anlage B23) zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die geforderte Mangelbeseitigung ernsthaft und endgültig ablehnt (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Eine endgültige Erfüllungsverweigerung kann insbesondere vorliegen vor, wenn der Unternehmer während der vorprozessualen umfassenden Auseinandersetzung nachhaltig und beharrlich das Vorliegen von Mängeln verneint und die Pflicht zur Gewährleistung schlechthin bestreitet (BGH, NJW-RR 2014, 1512). Die Beklagte hat im vorgenannten Schreiben die gerügten Mängel der Haustechnik als unbegründet zurückgewiesen und eine gerichtliche Klärung im Hinblick auf einen Regress der Beklagten gegenüber dem mit der Ausführung beauftragten Subunternehmer für „unausweichlich“ gehalten. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Mängel an der Warmwasserversorgung bereits im Jahr 2009 von der Hausverwaltung gerügt worden waren, musste und konnte diese Erklärung der Beklagten aus Empfängersicht nur als endgültige Ablehnung einer Mangelbeseitigung verstanden werden.

d) Die Höhe des zuerkannten Vorschussanspruchs ist nicht zu beanstanden.

aa) Zwar ist eine Vorschussklage, wenn die richtige Sanierung im Voraus nicht zu bestimmen ist, nur insoweit begründet, als die Mindestkosten festgesetzt werden können (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil Rdnr. 222). Kann der Sachverständige nicht sicher voraussagen, ob eine kostengünstigere oder eine kostenträchtigere Sanierung notwendig sein wird, so kann – jedenfalls bei ganz erheblichen Unterschieden – Vorschuss nur in Höhe der kostengünstigeren Variante zuerkannt werden (Kniffka/Koeble, a.a.O.).

bb) Im Streitfall hat das Erstgericht zu Recht die Kosten nach dem Planungskonzept des Privatsachverständigen Dipl-Ing. (FH) J zuerkannt, deren Höhe der Gerichtssachverständige Dipl.-Ing. (FH) S für plausibel gehalten hat. In erster Instanz hat sich die Beklagte zwar darauf berufen, dass eine Sanierung auch durch Herstellung einer sogenannten „Rohr-in-Rohr-Zirkulation“ ausreichend wäre. Das Erstgericht hat aber zutreffend dargelegt, dass die voraussichtlichen Kosten für diese Sanierungsvariante – bezogen auf die geschuldete Sanierung aller sieben Steigstränge – nur unwesentlich niedriger wären als diejenigen, die bei Umsetzung des Sanierungsvorschlags des Dipl.-Ing. (FH) J voraussichtlich anfallen werden. Da es sich ohnehin nur grobe Kostenschätzungen handelt, ist es bei diesem geringfügigen Kostenunterschied nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die voraussichtlichen Kosten für die vom Privatsachverständigen Dipl.-Ing. (FH) J vorgeschlagene Sanierungsvariante zuerkannt hat.

e) Entgegen der Ansicht der Berufung der Beklagten ist der geltend gemachte Vorschussanspruch auch nicht bezüglich der 28 im selbständigen Beweisverfahren nicht verfahrensgegenständlichen Wohnungen gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt.

aa) Die durch die Einreichung und alsbaldige Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom 29. Juni 2010 eingetretene Verjährungshemmung umfasst die festgestellten Mängel an der gesamten Warmwasserversorgung des Gemeinschaftseigentums in allen drei Häusern der Klägerin.

Durch eine hinreichend genaue Beschreibung der beanstandeten Mangelerscheinungen im Beweisermittlungsantrag werden alle Mängel des Bauwerks erfasst, auf die die Mangelerscheinungen zurückzuführen sind und ohne Beschränkung auf die Stellen, wo sie sich gezeigt haben, zum Gegenstand des Verfahrens und damit von der Hemmung umfasst (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rdnr. 480).

Da die gerügten Mangelerscheinungen unangemessen langer Warmwasserausstoßzeit in den sieben konkret benannten Wohnungen auf einer mangelhaften Ausführung der Warmwasserversorgung zurückzuführen sind, erfasst die eingetretene Verjährungshemmung durch den Beweisantrag die als Einheit anzusehende Warmwasserversorgung aller drei Häuser, auf deren mangelfreie Herstellung jeder einzelne Wohnungseigentümer aufgrund des Bauträgervertrags einen Anspruch hat. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob der einzelne Eigentümer durch die Mängel am Gemeinschaftseigentum wirtschaftlich tangiert ist (OLG Stuttgart, BauR 2003, 1394, 1397; Werner/Pastor, a.a.O., Rdnr. 476).

f) Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren erstmals Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergeben soll, dass eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums nach der (unwirksamen) Teilabnahme vom 29. Juni 2005 ausdrücklich oder konkludent erklärt worden ist, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an.

Die Klägerin hat die fünfjährige Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB durch den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom 29. Juni 2010, eingegangen beim Landgericht am gleichen Tag, welcher der Beklagten demnächst zugestellt wurde, rechtzeitig gehemmt, selbst wenn man von einer Wirksamkeit der zuvor erfolgten Teilabnahme am 29. Juni 2005 ausgehen würde.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Vordergrund stehen tatrichterliche Fragen der Beweiswürdigung im Einzelfall.

Die Rechtsfrage, ob es einem Bauträger als Verwender einer unwirksamen Abnahmeklausel nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde, ist durch die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Es bestehen auch – wie ausgeführt – keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgerichtshof von dieser – auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten – Rechtsprechung im Hinblick auf seine Entscheidung vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13, dass Mängelrechte grundsätzlich nur nach Abnahme geltend gemacht werden können, nicht mehr festhält.

 

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