Vorschussforderung und Selbstvornahme: Ein Fall von Mängeln in Pflasterarbeiten
In einem komplexen Fall, der vor dem Gericht verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob ein Kläger das Recht hat, einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung bei Pflasterarbeiten zu verlangen. Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks, das zusammen mit drei weiteren Grundstücken durch eine Zufahrt erschlossen ist. Nach der Abnahme der Bauleistungen zeigten sich diverse Mängel in den Pflasterarbeiten. Trotz mehrfacher Aufforderungen und Fristsetzungen reagierte die beklagte Partei nicht, und der Kläger forderte schließlich einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 75 O 3581/20 >>>
Übersicht
Das Recht auf Selbstvornahme
Der Kläger hatte die Beklagte mehrfach und erfolglos zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Schließlich forderte er einen Kostenvorschuss von 40.000 € für die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger das Recht auf Selbstvornahme nach § 637 BGB hat. Dieses Recht wurde durch die ausdrückliche Erfüllungsverweigerung in der Klageschrift des Klägers aktiviert.
Sachverständige Unterstützung
Ein Sachverständiger wurde hinzugezogen, der die Mängel bestätigte und die Notwendigkeit einer vollständigen Neuverlegung des Pflasters einschließlich Erdaustausch unterstrich. Die Argumente der beklagten Partei, die die Ergebnisse des Sachverständigen in Frage stellten, wurden vom Gericht als nicht überzeugend eingestuft.
Treuwidrigkeit und Fristen
Die Beklagte argumentierte, dass der Kläger sich treuwidrig verhalte, da sie nach Ablauf der Fristen ihre Bereitschaft zur Mangelbeseitigung bekundet hatte. Das Gericht wies dieses Argument zurück. Die vom Kläger gesetzten Fristen waren bereits abgelaufen, und der Kläger hatte das Recht, die Selbstvornahme unter Fristsetzung zur Vorschusszahlung auszuüben.
Kostenschätzung und Vorschussanspruch
Der Sachverständige schätzte die Kosten für die Mängelbeseitigung auf Basis der Preisentwicklung. Das Gericht folgte diesen Ausführungen und stellte fest, dass der Kläger einen berechtigten Vorschussanspruch hat. Die genaue Abrechnung bleibt dem Abrechnungsverfahren nach Durchführung der Selbstvornahme vorbehalten.
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, seine Rechte als Auftraggeber im Baurecht zu kennen und wie entscheidend die Rolle eines Sachverständigen sein kann, wenn es um die Beurteilung von Mängeln und die Schätzung der Kosten für ihre Beseitigung geht.
Probleme mit Vorschusszahlungen zur Mangelbeseitigung im Bauwerkvertrag? Wir können helfen.
Sie haben einen Bauwerkvertrag abgeschlossen und Mängel festgestellt, doch die Vorschusszahlungen zur Mangelbeseitigung werden nicht wie vereinbart geleistet? Gerichtliche Urteile, wie das des LG Landshut (Az.: 75 O 3581/20), zeigen, dass Sie als Kläger Anspruch auf Kostenvorschuss für die Durchführung von Mangelbeseitigungsarbeiten haben könnten. Ich biete Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihres individuellen Falls an, gefolgt von einer umfassenden Beratung zur Durchsetzung Ihrer Rechte. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, welche rechtlichen Schritte in Ihrem Fall sinnvoll sind. Nehmen Sie jetzt Kontakt auf.
Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Selbstvornahme: Die Selbstvornahme bezieht sich auf das Recht eines Vertragspartners, bestimmte Leistungen selbst auszuführen oder durch Dritte ausführen zu lassen, wenn der andere Vertragspartner seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Im Kontext des Baurechts und Werkvertragsrechts, wie in Ihrem Beispiel, kann der Auftraggeber (Kläger) das Recht haben, Mängel selbst zu beseitigen oder beseitigen zu lassen, wenn der Auftragnehmer (Beklagte) trotz Aufforderung und Fristsetzung die Mängel nicht beseitigt hat.
Dieses Recht ist in § 637 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt und wird oft als „Recht zur Selbstvornahme der Mängelbeseitigung“ bezeichnet. Es ermöglicht dem Auftraggeber, die Kosten für die Mängelbeseitigung vorzustrecken und später vom Auftragnehmer zurückzufordern. Dabei ist es wichtig, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer zuvor die Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben hat und diese erfolglos verstrichen ist.
- Vorschussforderung:Die Vorschussforderung bezieht sich auf das Recht, vor der Erbringung einer Dienstleistung oder der Lieferung einer Ware eine Anzahlung oder einen Vorschuss zu verlangen. Dieses Recht kann in verschiedenen Kontexten relevant sein, beispielsweise im Baurecht, im Anwaltsrecht oder bei Freiberuflern und Kleinunternehmen.
Im Baurecht, wie in Ihrem Beispiel, kann der Auftraggeber (Kläger) einen Vorschuss für die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung fordern, wenn der Auftragnehmer (Beklagte) seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Der Vorschuss dient hier als finanzielle Absicherung für den Auftraggeber, der die Mängel selbst beseitigen oder durch Dritte beseitigen lassen will.
Im Anwaltsrecht ist es ebenfalls üblich, dass Anwälte vor der Erbringung ihrer Dienstleistungen einen Vorschuss fordern können. Dieser Vorschuss wird in der Regel mit der endgültigen Rechnung verrechnet.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Vorschussforderung in der Regel vertraglich geregelt sein sollte und beide Parteien sich über die Höhe und die Bedingungen im Klaren sein müssen. In einigen Fällen können gesetzliche Regelungen, wie etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) für Deutschland, die Voraussetzungen und Grenzen einer Vorschussforderung festlegen.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 75 O 3581/20 – Endurteil vom 27.01.2023
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2020 sowie weitere 787,00 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenvorschuss für die Durchführung von Pflasterarbeiten zur Erschließung von insgesamt vier Wohngrundstücken geltend.
Der Kläger ist, gemeinsam mit seiner Ehefrau, Miteigentümer des Grundstücks Flur Nr. x Gemarkung W.. An diesem Grundstück besteht zudem Miteigentum dreier weiterer Miteigentümer. Es handelt sich um eine Zufahrt zur gemeinsamen Erschließung der jeweiligen anliegenden, insgesamt vier Wohngrundstücke, die jeweils mit Doppelhaushälften bebaut wurden. Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer des an die Zufahrtsfläche anliegenden Wohngrundstücks Flur Nr. y, L. Straße x, x W.. Der Neubau einer Doppelhaushälfte auf diesem Baugrundstück des Klägers wurde durch die Beklagte geleistet. Der Kläger hatte hierzu mit der Beklagten am 16.08.2016 einen Generalunternehmervertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Neubaus einer Doppelhaushälfte, Haus 4, geschlossen (K1). Die Beklagte führte im Rahmen des (Gesamt-)Bauvorhabens zur Erschließung der insgesamt vier anliegenden Wohngrundstücke auch die Pflasterarbeiten an der Zufahrt auf Flur Nr. x aus (K2). Die Ausführung der Bauleistungen zur Errichtung der Doppelhaushälfte sowie der Pflasterarbeiten erfolgte bis in das Jahr 2018. Nach dem Bezug der jeweiligen Wohngrundstücke haben die anliegenden Miteigentümer die gepflasterte Zufahrt in Benutzung genommen. Bezüglich der Doppelhaushälfte des Klägers fand die Abnahme der Bauleistungen einschließlich der Außenanlagen unter dem Vorbehalt von Mängeln am 26.04.2018 statt. Die weiteren Miteigentümer der Zufahrtsfläche und Eigentümer der weiteren drei, von dieser Zufahrt erschlossenen Wohngrundstücke ermächtigten den Kläger die diesbezüglichen Mängelrechte im eigenen Namen gegen die Beklagte außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.
Im Jahr 2019 zeigten sich hinsichtlich der Pflasterarbeiten mehrere Mängel (Spurrinnenbildung, kein ordnungsgemäßer Ablauf des Oberflächenwassers, der Kanaldeckel ist nicht ordnungsgemäß eingebaut, erhebliche Unebenheiten).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2019 an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung erfolglos zur Mangelbeseitigung auf (K4). Weitere Aufforderungen zur Mangelbeseitigung unter Fristsetzung vom 27.05.2020 und 24.06.2020 blieben ebenfalls erfolglos (K5, 7). Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.07.2020 forderte der Kläger von der Beklagten nunmehr die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 40.000 € für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung und setzte hierfür erfolglos einer Frist bis 30.07.2020 (K 10). Mit E-Mails vom 18.07.2020 und 05.08.2020 kündigte die Beklagte an, die Mängel noch im August/September beseitigen zu wollen (K11, 12). Am 29.09.20202 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger an, dass am 30.09.2020 die Arbeiten ausgeführt werden sollen, was der Kläger aufgrund des kurzfristigen Termins ablehnte. Ein neuer Termin zur Durchführung der Arbeiten kam in der Folge nicht mehr zustande.
Mit Klageschrift vom 12.11.2020 erklärte der Kläger ausdrücklich, dass eine weitere (Nach-)Erfüllung durch die Beklagte ernsthaft und endgültig abgelehnt werde.
Der Kläger behauptet, für die Beseitigung der gerügten Mängel sei der vollständige Ausbau und Neuverlegung des Pflasters einschließlich Erdaustausch erforderlich. Die Kosten hierfür würden sich auf mindestens 40.000 € belaufen. Insoweit wird auf die Darstellung in der Klageschrift vom 12.11.2020 (Seite 4/5) Bezug genommen. Ungeachtet einer etwaigen Abnahme sei jedenfalls durch die Erklärung in der Klageschrift ein Abrechnungsverhältnis herbeigeführt worden.
Die Klagepartei beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.000,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2020 zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 787,00 € von zu erstatten.
8
Die beklagte Partei beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte wendet ein, aufgrund der Korrespondenz von Juli bis September 2020 sei das Vertrauen erweckt worden, der Kläger akzeptiere weiterhin eine Nachbesserung durch die Beklagte. Dem Kostenvorschussverlagen hätte daher eine nochmalige Fristsetzung vorausgehen müssen. Im übrigen sei ein Erdtausch nicht erforderlich. Die Kosten für die Mangelbeseitigung würden sich allenfalls auf 15.968,10 € belaufen. Insoweit wird ergänzend auf die Darstellung in der Klageerwiderung vom 28.12.2020 (Seite 4/5) Bezug genommen.
Die Parteien wurden angehört. Es wurde Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Zeugen Z.. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2021 wird verwiesen. Weiter wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. Auf das Hauptgutachten vom 21.12.2021, die ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 06.05.2022 und 31.10.2022 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023 wird Bezug genommen.
Im übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Vorschussanspruch in Höhe von 40.000,00 € für die Selbstvornahme der Mangelbeseitigung zu nach § 637 Abs. 1, 3, 634 Nr. 2, 633 BGB. Der Kläger ist infolge der unstreitigen Ermächtigung durch die weiteren Miteigentümer des Gemeinschaftsgrundstücks auch aktivlegitimiert.
1. Die beklagtenseits erbrachten Pflasterarbeiten auf dem Gemeinschaftsgrundstück sind erheblich mangelbehaftet, § 633 Abs. 1, II S. 2 Nr. 2 BGB. Neben den unstreitig nach Abnahme im Jahr 2019 aufgetretenen Mängeln (Spurrinnenbildung, kein ordnungsgemäßer Ablauf des Oberflächenwassers, der Kanaldeckel ist nicht ordnungsgemäß eingebaut, erhebliche Unebenheiten) hat der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) K. nach Probeöffnungen vor Ort festgestellt, dass die Pflasterarbeiten insgesamt nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. An sämtlichen vier beprobten Stellen wurde festgestellt, dass weder eine ausreichende Frostsicherheit noch eine ausreichende Tragfähigkeit des Untergrunds aufgrund des beklagtenseits eingebrachten Materials gewährleistet ist und insgesamt ein Abbruch des Pflasters nebst Erdaustausch und Neuverlegung zur Herstellung eines mangelfreien Gewerks erforderlich ist (siehe Hauptgutachten vom 21.12.2021). Auf den Einwand der beklagten Partei, wonach die Probeöffnungen allesamt im Randbereich lägen und eine belastbare Aussage über den Zustand in der Mitte des gepflasterten Bereich nur getroffen werden könne, wenn auch dort aufgemacht und der Untergrund untersucht werde, hat der Sachverständige wiederholt eingewandt, dass aufgrund der eindeutigen und im wesentlichen gleichgelagerten Ergebnisse an den durchgeführten Probeöffnungen ein grundlegend anders gelagerter Aufbau des Untergrunds im mittleren Bereich der gepflasterten Zufahrt aus technisch-sachverständiger Sicht nicht plausibel sei (siehe Ergänzungsgutachten vom 06.05.2022 und 31.10.2022). Ein Antrag auf ergänzende Begutachtung, insbesondere Durchführung weitere Beprobungen vor Ort, wurde durch die beklagte Partei nach Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 12.01.2023 nicht gestellt.
Das Gericht schließt sich den schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. zur grundlegenden Mangelhaftigkeit der erbrachten Pflasterarbeiten gemäß Hauptgutachten vom 21.12.2021 aus eigener Überzeugung an. Der Sachverständige hat sein Gutachten anhand von Bodenproben erstellt und die theoretisch-technischen Grundlagen auf den konkreten Fall übertragen. Den Einwänden der beklagten Partei konnte der Sachverständige argumentativ und überzeugend entgegen treten, ohne sich in Widersprüche zu setzen. Umstände, die Zweifel an der fachlichen Eignung begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
2. Dem Kläger steht ein Selbstvornahmerecht nach § 637 Abs. 1 BGB zu.
a) Die Mängelgewährleistungsvorschriften sind anwendbar. Das Vertragsverhältnis befindet sich nicht mehr im Erfüllungsstadium. Der Kläger hat unstreitig die Werkleistung abgenommen und sich lediglich die Mängelrechte vorbehalten. Ungeachtet dessen wurde jedenfalls durch die in der Klageschrift ausdrücklich erklärte ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung ein Abrechnungsverhältnis herbeigeführt (vgl. dazu Grüneberg-Retzlaff, BGB,82. Auflage 2023, § 641 Rn. 6 ff.; BGH NJW 2020, 2270 Rn. 19).
b) Der Kläger hat der Beklagten zudem wiederholt und erfolglos angemessene Fristen zur Nacherfüllung/Mangelbeseitigung gesetzt, erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2019 (K4). Zuletzt setzte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2020 eine Frist von 2 Wochen bis 07.07.2020, auf welche die Beklagte nicht reagiert hat. In Anbetracht dessen, dass die erste Aufforderung zur Mangelbeseitigung bereits rund 10 Monate zurück lag, reichte die gesetzte Frist von 2 Wochen auch aus, selbst wenn die Mangelbeseitigung laut den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. einen erheblichen Arbeitsaufwand nebst Erdaustausch erfordern wird.
Dem berechtigten Vorschussanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte nach Fristablauf mit E-Mail vom 18.07.2020 (K11) auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.07.2020 (K10) reagiert hat – mit welchem unter weiterer Fristsetzung nunmehr bereits die Zahlung des Vorschusses für die Selbstvornahme geltend gemacht wurde – und darin die Bereitschaft zur Mangelbeseitigung bekundet hat. Die klägerseits gesetzten Fristen zur Nacherfüllung waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.
Der Geltendmachung des Vorschussanspruches im Rahmen der Selbstvornahme steht auch nicht die Einrede nach § 242 BGB entgegen. Der Kläger verhält sich nicht treuwidrig. Der Geschäftsführer der Beklagten hat sich erstmals am 29.09.2020 beim Kläger gemeldet und konkret Arbeiten für den 30.09.2020 angekündigt, welche der Kläger zu Recht zurückweisen konnte, da die gesetzten Fristen bereits abgelaufen waren und das Selbstvornahmerecht unter Fristsetzung zur Vorschusszahlung ausgeübt wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Antwort des Klägers vom 29.09.2020 (B2), mit welcher die Vereinbarung eines Besprechungstermins zur etwaigen Mangelbeseitigung durch die Beklagte in Aussicht gestellt, zugleich aber Klage angekündigt wurde, sollte es nicht zu einer baldigen und rechtzeitig angekündigten Ausführung der Mangelbeseitigungsarbeiten kommen (B1). Die Beklagte durfte vor diesem Hintergrund nicht darauf vertrauen, dass der Kläger infolgedessen den Vorschussanspruch nicht weiterverfolgt, zumal seitens der Beklagten in der Folge keine weiteren konkreten Schritte zur Terminsabsprache, geschweige denn zur Mangelbeseitigung unternommen wurden. Einer nochmaligen Fristsetzung, wie beklagtenseits eingewandt, bedurfte es vor Klageerhebung nicht.
3. Im Rahmen dessen kann der Kläger nach § 637 Abs. 3 BGB einen Vorschuss in Höhe der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Das Gericht ist hierbei gemäß § 308 Abs. 1 ZPO an den klägerseits in Höhe von 40.000,00 € eingeklagten Vorschuss gebunden, auch wenn die Kostenschätzung des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. deutlich höher ausgefallen ist.
Ausweislich der detaillierten und nachvollziehbaren Berechnungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. belaufen sich diese auf 48.554,17 € auf Preisbasis 2018 beziehungsweise 66.680,00 € auf Preisbasis für November 2022. Den Einwänden der beklagten Partei, dass ein deutlich geringerer Mangelbeseitigungsaufwand erforderlich wäre ist der Sachverständige überzeugend entgegen getreten, ebenso den Einwänden, dass einzelne Position gemäß der Kostenschätzung nicht zu berücksichtigen seien. Auf die Ausführungen in den beiden Ergänzungsgutachten vom 06.05.2022 und 31.10.2022 wird insoweit Bezug genommen. Das Gericht sieht keinen Anlass, die gründlichen und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen und schließt sich dem aus eigener Überzeugung an. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es dem Vorschussanspruch immanent ist, dass nur eine Kostenschätzung möglich ist und die exakte Abrechnung nach Durchführung der Selbstvornahme dem Abrechnungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 637 Rn. 9).
4. Der Vorschussanspruch ist nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
5. Der Kläger hat zudem als materiellen Schadensersatz einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 634 Nr. 4, 633 Abs. 1, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB infolge der mangelhaften Werkleistung der Beklagten. Die klägerseite Berechnung in der Klageschrift vom 12.11.2021 ist sachlich und rechnerisch richtig. Eine Verzinsung wurde insoweit nicht beantragt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Streitwert entspricht der Höhe der Hauptforderung, §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.