Ein Bauherr wollte am Ortsrand ein Einfamilienhaus in der zweiten Reihe errichten und berief sich auf den Bebauungszusammenhang. Obwohl die Nachbargrundstücke bereits Nebengebäude wie Gartenhäuser aufwiesen, sah das Gericht die Grenze zum Außenbereich als erreicht.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Bebauungszusammenhang in zweiter Reihe: Wo genau endet eine Ortschaft?
- Was war der Auslöser für den Rechtsstreit?
- Innenbereich oder Außenbereich: Welches Recht entscheidet über den Bau?
- Warum verweigerte das Gericht die Berufung?
- Was bedeutet dieses Urteil für Ihr eigenes Bauvorhaben am Ortsrand?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann zählt mein Grundstück am Ortsrand noch zum bebaubaren Innenbereich?
- Erweitern kleine Gartenhäuser oder Nebengebäude den Bebauungszusammenhang meiner Ortschaft?
- Wie beantrage ich einen Bauvorbescheid, um die Bebaubarkeit frühzeitig zu klären?
- Mein Bauvorhaben wurde abgelehnt: Was ist eine Splittersiedlung und wie vermeide ich diesen Ablehngrund?
- Welche Kriterien entscheiden, wo genau die baurechtliche Grenze meiner Ortschaft verläuft?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 LZ 67/19 OVG | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 28.10.2024
- Aktenzeichen: 3 LZ 67/19 OVG
- Verfahren: Beschluss über die Ablehnung der Zulassung der Berufung
- Rechtsbereiche: Baurecht, Verwaltungsrecht
- Das Problem: Ein Bürger wollte einen Bauvorbescheid für ein Einfamilienhaus am Ortsrand erhalten. Die Behörde und das Verwaltungsgericht lehnten dies ab. Der Bürger legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ein.
- Die Rechtsfrage: Gehört das Grundstück, das in der zweiten Reihe am Ortsrand liegt, noch zum bebauten Wohngebiet? Oder liegt es bereits im freien unbebauten Gebiet (Außenbereich)?
- Die Antwort: Der Antrag auf Berufung wurde abgelehnt. Das Grundstück liegt im Außenbereich. Der Kläger konnte keine ausreichenden Gründe für eine Ausdehnung des Wohngebiets belegen.
- Die Bedeutung: Wer am Ortsrand in zweiter Reihe bauen will, muss sehr genau beweisen, dass die Fläche noch zum bebauten Gebiet zählt. Kleine Gartenhäuser oder pauschale Angaben zur Gartennutzung reichen dafür nicht aus.
Bebauungszusammenhang in zweiter Reihe: Wo genau endet eine Ortschaft?
Ein Grundstück am Rande einer Ortschaft, gelegen hinter einer bereits bestehenden Häuserzeile – für viele Bauherren ist das die perfekte Mischung aus ländlicher Idylle und Anbindung an die Gemeinschaft. Doch genau diese Lage kann zur juristischen Fallgrube werden.

Die entscheidende Frage lautet: Gehört dieses Grundstück noch zum bebauten Innenbereich der Gemeinde oder liegt es bereits im rechtlich streng geschützten Außenbereich? Mit dieser Abgrenzung, die über die Zulässigkeit eines ganzen Bauvorhabens entscheidet, musste sich das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2024 (Az.: 3 LZ 67/19) detailliert befassen. Der Fall zeigt eindrücklich, dass die gefühlte Zugehörigkeit zu einem Ort nicht immer mit der rechtlichen Realität übereinstimmt.
Was war der Auslöser für den Rechtsstreit?
Ein Mann wollte auf seinem Grundstück ein Einfamilienhaus errichten. Das Grundstück lag an einem Ortsrand, südlich einer Straße, und schloss sich direkt an ein bereits bebautes Grundstück an. Man spricht hier von einer Bebauung in „zweiter Reihe“. In der unmittelbaren Nachbarschaft gab es bereits ein Wohnhaus, das ebenfalls in zweiter Reihe stand. Der Bauherr plante sein Haus in einer ähnlichen Tiefe und sah sein Vorhaben daher als logische Fortsetzung der bestehenden Bebauung.
Er beantragte bei der zuständigen Baubehörde einen sogenannten Bauvorbescheid. Dies ist eine rechtlich bindende Vorentscheidung über einzelne Fragen eines Bauprojekts, bevor ein kompletter Bauantrag eingereicht wird. Doch die Behörde lehnte ab. Ihre Begründung war, dass sich eine Hauptnutzung in zweiter Reihe nicht in die nähere Umgebung einfüge. Das bereits existierende Haus in der zweiten Reihe sei lediglich ein „Ausreißer“. Auch die Gemeinde verweigerte ihr Einvernehmen mit dem knappen Hinweis auf die „2. Baureihe“.
Nachdem auch sein formaler Widerspruch erfolglos blieb, zog der Bauherr vor das Verwaltungsgericht Schwerin. Das Gericht führte eine Ortsbesichtigung durch, einen sogenannten Augenschein, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen. Das Ergebnis war für den Bauherrn ernüchternd: Das Gericht wies seine Klage ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass sein Grundstück nicht mehr am Bebauungszusammenhang der Ortschaft teilnehme. Dieser Zusammenhang ende mit der hinteren Kante der Häuser in der ersten Reihe. Sein Grundstück liege demnach im Außenbereich. Dort sei sein Vorhaben als „sonstiges Vorhaben“ zu werten, das die Entstehung einer unerwünschten Splittersiedlung befürchten lasse und daher nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 des Baugesetzbuchs (BauGB) unzulässig sei.
Der Bauherr wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren und beantragte die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht. Er war überzeugt, dass das Verwaltungsgericht das Recht falsch angewendet hatte.
Innenbereich oder Außenbereich: Welches Recht entscheidet über den Bau?
Um die Argumentation des Gerichts zu verstehen, müssen Sie die zwei grundlegend verschiedenen Zonen kennen, die das deutsche Baurecht definiert: den Innenbereich und den Außenbereich.
Die Bebauung im Innenbereich richtet sich nach § 34 BauGB. Ein Grundstück liegt im Innenbereich, wenn es sich innerhalb eines „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ befindet. Hier ist ein Bauvorhaben in der Regel zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Das Gesetz soll hier eine geordnete städtebauliche Entwicklung sichern und Baulücken schließen.
Der Außenbereich hingegen, geregelt in § 35 BauGB, soll grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden. Er dient der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung. Wohnbebauung ist hier nur in Ausnahmefällen erlaubt. Eines der Hauptziele des § 35 BauGB ist es, eine Zersiedelung der Landschaft zu verhindern. Ein typischer Grund für die Ablehnung eines Wohnhauses ist daher die Gefahr, dass es die Entstehung einer Splittersiedlung fördert (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) – also einer unstrukturierten, verstreuten Bebauung im Grünen.
Der Weg in die nächste Instanz, die Berufung, ist im Verwaltungsrecht zudem an hohe Hürden geknüpft. Man kann nicht einfach in Berufung gehen, sondern muss deren Zulassung beantragen. Nach § 124 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird eine Berufung nur zugelassen, wenn beispielsweise „ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ bestehen. Genau das musste der Bauherr dem Oberverwaltungsgericht nun beweisen.
Warum verweigerte das Gericht die Berufung?
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) prüfte nicht den Fall komplett neu, sondern ausschließlich, ob die vom Bauherrn vorgebrachten Argumente ausreichten, um die Berufung zuzulassen. Es kam zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall war. Die Analyse des Gerichts zerlegte die Argumente des Bauherrn Punkt für Punkt.
Die Hürde des Zulassungsantrags: Warum bloße Zweifel nicht ausreichen
Zunächst stellte das Gericht klar, welche Anforderungen an einen solchen Antrag gestellt werden. Laut § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO muss der Antragsteller sich detailliert mit den tragenden Argumenten des Vorurteils auseinandersetzen und mit schlüssigen Gegenargumenten aufzeigen, warum diese ernsthaft zweifelhaft sind. Es genügt nicht, lediglich allgemeine Rechtsgrundsätze zu wiederholen oder pauschal zu behaupten, das Gericht habe falsch entschieden. Der Bauherr hätte konkret darlegen müssen, welche tatsächlichen Gegebenheiten das Verwaltungsgericht falsch gewürdigt hat.
Das Kriterium der „Verkehrsauffassung“: Wann wirkt eine Bebauung geschlossen?
Der Kern des Streits war die Frage nach dem „Bebauungszusammenhang“. Das Gericht erklärte, dass es hierbei auf die sogenannte Verkehrsauffassung ankommt. Entscheidend ist, ob die aufeinanderfolgende Bebauung trotz möglicher Lücken nach dem Gesamteindruck als geschlossen und zusammengehörig erscheint. Dies ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Der Bauherr argumentierte, dass sein Grundstück von diesem Eindruck der Geschlossenheit noch geprägt sei. Er verwies auf das benachbarte Wohnhaus in zweiter Reihe und behauptete, alle umliegenden Grundstücke seien bis in eine Tiefe von 70 Metern gärtnerisch bewirtschaftet, was den Eindruck einer zusammenhängenden Nutzung vermittle.
Das OVG folgte dieser Argumentation nicht. Der Vortrag zur gärtnerischen Nutzung sei zu pauschal und unspezifisch. Weder die Luftbilder noch das Protokoll der Ortsbesichtigung des Verwaltungsgerichts stützten diese Behauptung. Die Fläche wurde dort schlicht als „Grünfläche“ beschrieben. Eine bloße Gartennutzung, so das Gericht, begründet nicht automatisch eine sogenannte bebauungsakzessorische Nutzung – also eine Nutzung, die so eng mit dem Wohnen verbunden ist, dass sie den bebauten Bereich optisch erweitert. Hierfür hätte der Bauherr detaillierte Angaben zu Größe, Lage und tatsächlicher Nutzung machen müssen.
Das Gartenhaus-Argument: Kann ein Nebengebäude den Ort erweitern?
Ein weiteres Argument des Bauherrn bezog sich auf ein Gartenhaus auf einem westlich angrenzenden Grundstück. Er meinte, auch dieses Gebäude trage zum Eindruck der Bebauung bei. Die Baubehörde hatte jedoch vorgetragen, dass dieses Gartenhaus inklusive Dachüberstand nur eine Grundfläche von etwa 22 Quadratmetern habe.
Auch hier stellte sich das OVG auf die Seite der Behörde und des Verwaltungsgerichts. Es verwies auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u. a. Urteil v. 30.06.2015 – 4 C 5.14). Demnach sind unter „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in der Regel nur Bauwerke zu verstehen, die dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dienen. Kleinere Nebengebäude wie Gartenhäuser oder Schuppen haben in der Regel nicht die nötige städtebauliche Relevanz, um einen Bebauungszusammenhang zu begründen oder zu erweitern. Sie sind nicht „prägend“. Da der Bauherr die geringe Größe des Gartenhauses nicht substantiiert bestritten hatte, fiel dieses Argument in sich zusammen.
Die „zackige“ Grenze: Muss ein Ort immer eine gerade Linie haben?
Schließlich kritisierte der Bauherr, das Verwaltungsgericht habe die Grenze des Ortes zu schematisch gezogen, indem es sie einfach hinter die letzte Häuserzeile legte. Dies widerspreche der Rechtsprechung, da die Grenze auch unregelmäßig verlaufen könne.
Das OVG sah hierin jedoch keinen Fehler. Es bestätigte, dass die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich tatsächlich für jedes Grundstück einzeln zu bewerten ist und oft eine unregelmäßige, „vor- und zurückspringende“ Linie bildet. Genau das hatte das Verwaltungsgericht aber getan. Es hatte festgestellt, dass der Bebauungszusammenhang an dieser Stelle mit der südlichen Gebäudekante der Häuser in der ersten Reihe endet. Die Tatsache, dass ein einzelnes Nachbargrundstück weiter nach hinten bebaut ist, schafft nicht automatisch Baurecht für alle anderen Grundstücke in der zweiten Reihe. Ein solcher „Ausreißer“ begründet keine neue Regel. Der Bauherr konnte keine besonderen örtlichen Gegebenheiten – wie etwa einen Wall, einen Bach oder einen Waldrand – benennen, die eine andere Grenzziehung rechtfertigen würden.
Da der Bauherr keine überzeugenden Argumente vorbringen konnte, die „ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründeten, lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde damit rechtskräftig.
Was bedeutet dieses Urteil für Ihr eigenes Bauvorhaben am Ortsrand?
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist eine wichtige Erinnerung daran, dass die Grenzen einer Ortschaft im baurechtlichen Sinne oft enger sind, als man sie als Laie wahrnimmt. Wenn Sie ein Bauvorhaben in einer ähnlichen Lage planen, sollten Sie die Situation Ihres Grundstücks anhand der vom Gericht angewendeten Kriterien kritisch prüfen.
Checkliste: Ist Ihr Grundstück in der zweiten Reihe noch Teil des Innenbereichs?
- Analysieren Sie die Hauptbebauung: Wo verläuft die letzte durchgehende Linie von Wohnhäusern? Endet dieser klar erkennbare Zusammenhang vor Ihrem Grundstück?
- Bewerten Sie die „prägende Wirkung“ anderer Bauten: Gibt es in Ihrer direkten Nachbarschaft weitere Wohngebäude in der zweiten Reihe, die den Eindruck eines neuen, geschlossenen Bereichs erwecken? Ein einzelner „Ausreißer“ oder ein kleines Gartenhaus reichen dafür in der Regel nicht aus.
- Untersuchen Sie die Freiflächen: Handelt es sich bei den unbebauten Flächen zwischen den Häusern um echte Baulücken, die optisch zum Siedlungsbereich gehören? Oder wirken sie bereits wie der Übergang zur freien Landschaft (z. B. als große Wiesen, Weiden oder reine Nutzgärten)?
- Suchen Sie nach klaren topografischen Grenzen: Gibt es natürliche oder künstliche Barrieren wie einen Fluss, eine Böschung, einen dichten Waldrand oder eine Straße, die eine logische Grenze des Ortes bilden? Das Fehlen einer solchen Grenze spricht eher für eine Einzelfallbetrachtung entlang der letzten Häuser.
- Dokumentieren Sie die Gartennutzung präzise: Wenn Sie argumentieren wollen, dass Ihr Garten den bebauten Bereich erweitert, reicht die Behauptung einer „gärtnerischen Nutzung“ nicht aus. Sie müssen nachweisen können, dass der Garten als sogenannter „bebauungsakzessorischer Hausgarten“ eine enge funktionale und optische Einheit mit dem Wohnhaus bildet.
- Suchen Sie den frühzeitigen Dialog: Klären Sie die Einschätzung Ihrer zuständigen Baubehörde durch eine formelle Bauvoranfrage, bevor Sie erhebliche Planungskosten investieren. Dies schafft frühzeitig Rechtssicherheit, ob Ihr Grundstück als Innen- oder Außenbereich eingestuft wird.
Die Urteilslogik
Der Bauwille am Ortsrand kollidiert regelmäßig mit dem gesetzlichen Zwang, die fließenden Grenzen zwischen Innen- und Außenbereich strikt anhand der bestehenden Bebauungsstruktur festzulegen.
- Die Abgrenzung der Bebauung: Der Bebauungszusammenhang eines Ortsteils endet grundsätzlich an der letzten, zusammenhängenden Gebäudekante; ein einzelnes, tiefer liegendes Gebäude in der zweiten Reihe begründet für Nachbarn kein fortführendes Baurecht.
- Städtebauliche Relevanz von Bauten: Nur Bauwerke, die dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dienen, definieren den Bebauungszusammenhang; kleinere Nebengebäude wie Gartenhäuser oder Schuppen besitzen in der Regel keine prägende städtebauliche Relevanz.
- Nachweis der Akzessorischen Nutzung: Werden Gärten oder Freiflächen zur Erweiterung des Innenbereichs herangezogen, muss der Bauherr deren enge funktionale und optische Zugehörigkeit zur Wohnnutzung detailliert nachweisen; die pauschale Angabe einer bloßen Grünfläche reicht nicht zur baurechtlichen Qualifizierung aus.
Die Baugrenzen am Siedlungsrand zieht das Baurecht eng, um den Außenbereich effektiv vor dem Entstehen unerwünschter Splittersiedlungen zu schützen.
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Experten Kommentar
Viele Bauherren unterschätzen die Härte der baurechtlichen Grenze: Nur weil das eigene Grundstück direkt an die Bebauung anschließt, ist man noch lange nicht im Innenbereich. Das OVG stellt klar, dass ein einzelnes, weiter hinten stehendes Nachbarhaus oder ein kleines Gartenhaus nicht ausreichen, um für alle anderen Baurecht in der zweiten Reihe zu begründen. Die Baupolizei zieht die rote Linie konsequent entlang der letzten geschlossenen Häuserkante der ersten Reihe. Wer also am Ortsrand in die Tiefe bauen will, muss beweisen, dass die gesamte Struktur schon jetzt eine logische Erweiterung der Siedlung bildet, anstatt nur auf isolierte „Ausreißer“ zu hoffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann zählt mein Grundstück am Ortsrand noch zum bebaubaren Innenbereich?
Die Einstufung Ihres Grundstücks als baurechtlicher Innenbereich (§ 34 BauGB) hängt entscheidend vom Gesamteindruck ab. Ihr Bauvorhaben muss nach der sogenannten Verkehrsauffassung als optisch geschlossene und zusammenhängende Fortsetzung der vorhandenen Hauptbebauung wirken. Ein isoliert stehendes Nachbarhaus in zweiter Reihe wird oft als nicht prägender „Ausreißer“ gewertet und verschiebt die Ortsgrenze nicht automatisch.
Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung die klare Abgrenzung zur freien Landschaft, dem Außenbereich, sichern. Der Bebauungszusammenhang endet normalerweise dort, wo die letzte durchgehende Linie der Wohnhäuser steht. Auch wenn Ihr Grundstück direkt an diese letzte Reihe anschließt, bedeutet dies nicht automatisch Baurecht, wenn dahinter die offene Landschaft beginnt. Die Gerichte prüfen intensiv, ob die aufeinanderfolgende Bebauung trotz möglicher Lücken nach dem Gesamteindruck tatsächlich noch als geschlossen und zusammengehörig erscheint.
Wenn bereits ein Haus in der zweiten Reihe existiert, gibt dies nur scheinbare Sicherheit für Ihre eigenen Baupläne. Ein einzelnes, abseits stehendes Wohngebäude begründet für die Nachbargrundstücke noch keinen neuen Bebauungszusammenhang. Die Baubehörde betrachtet solche Einzelfälle häufig als nicht prägende Bebauung, die keine unerwünschte Vorbildwirkung entfalten soll. Sie sollten die Argumentation zur gärtnerischen Nutzung vermeiden, es sei denn, Sie können detailliert beweisen, dass Ihr Garten als bebauungsakzessorischer Hausgarten fest mit der Wohnnutzung verbunden ist.
Führen Sie eine visuelle Grenzziehung durch: Prüfen Sie vom vordersten Punkt Ihres Grundstücks, ob der Eindruck der geschlossenen Bebauung vorherrscht oder ob bereits die offene, freie Landschaft dominiert.
Erweitern kleine Gartenhäuser oder Nebengebäude den Bebauungszusammenhang meiner Ortschaft?
Nein, kleine Gartenhäuser, Schuppen oder andere Nebengebäude reichen in der Regel nicht aus, um den Bebauungszusammenhang einer Ortschaft zu erweitern. Die gefestigte Rechtsprechung sieht nur solche Bauwerke als prägend an, die dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dienen. Das Gesetz definiert die baurechtliche Ortsgrenze ausschließlich über Gebäude mit städtebaulicher Relevanz.
Unter dem Begriff „Bebauung“ gemäß § 34 BauGB sind primär Wohn- und Hauptgebäude zu verstehen. Diese müssen eine tatsächliche städtebauliche Relevanz für die Umgebung besitzen, um die Ortsgrenze juristisch zu verschieben. Nebengebäude dienen meist nur einer dem Hauptgebäude untergeordneten, sogenannten akzessorischen Nutzung. Sie können daher nicht die Funktion erfüllen, Baurecht für Dritte in der dahinter liegenden Freifläche zu schaffen.
Selbst wenn ein Gartenhaus bereits existiert, gilt es nur selten als grenzbestimmend für die Ortschaft. Das Oberverwaltungsgericht stufte beispielsweise ein Gartenhaus mit nur etwa 22 Quadratmetern Grundfläche als nicht prägend ein. Ein solches kleines Bauwerk wirkt sich nicht auf den Gesamteindruck der Geschlossenheit der Bebauung aus. Es fehlt ihm die notwendige Größe und die Funktion des dauerhaften Aufenthalts, um die baurechtliche Grenze nach hinten zu verschieben.
Ermitteln Sie die genauen Grundflächen und Bauhöhen aller Nebengebäude im Umfeld, falls Sie deren prägende Wirkung beweisen möchten.
Wie beantrage ich einen Bauvorbescheid, um die Bebaubarkeit frühzeitig zu klären?
Der Bauvorbescheid dient dazu, bereits vor dem vollständigen Bauantrag rechtliche Sicherheit zu erhalten und unnötige Architektenkosten zu vermeiden. Es handelt sich um eine formelle Bauvoranfrage bei der zuständigen Baubehörde. Die Behörde trifft damit eine rechtlich bindende Vorentscheidung über klar definierte Einzelfragen Ihres Bauvorhabens. Dieser strategische Schritt ist essenziell, besonders wenn die Einstufung Ihres Grundstücks als Innen- oder Außenbereich unklar erscheint.
Die Regel: Ein Bauvorbescheid ist nur bindend für die exakt gestellten Fragen. Stellen Sie den Antrag, müssen Sie die entscheidende Rechtsfrage präzise formulieren – etwa die Zulässigkeit der Nutzung nach § 34 BauGB. Fragen Sie nur pauschal, erhalten Sie keine verbindliche Aussage für das spätere Gesamtprojekt. Die erteilte Vorentscheidung bindet die Baubehörde für eine bestimmte Frist; diese Bindung entfällt nur, wenn sich die Sachlage oder die Rechtslage grundlegend ändert.
Konkret: Die Antragsstellung erfordert neben der präzisen Frage auch notwendige Unterlagen, wie einen aktuellen Lageplan und Skizzen des geplanten Vorhabens. Der Bauherr im relevanten Fallbeispiel nutzte diese Möglichkeit, um die Einschätzung der Baubehörde zur Bebaubarkeit seines Grundstücks frühzeitig zu klären. Das Bauamt lehnte sein Vorhaben zwar ab, da es das Grundstück nicht als Teil des Bebauungszusammenhangs ansah. Trotz der negativen Antwort sparte der Bauherr hierdurch die erheblichen Planungskosten für einen vollständigen Bauantrag.
Klären Sie die Einschätzung Ihrer zuständigen Baubehörde durch eine formelle Bauvoranfrage, bevor Sie erhebliche Planungskosten investieren.
Mein Bauvorhaben wurde abgelehnt: Was ist eine Splittersiedlung und wie vermeide ich diesen Ablehngrund?
Die Ablehnung wegen drohender Splittersiedlung ist der häufigste juristische Hinderungsgrund für Wohngebäude im Grünen. Eine Splittersiedlung beschreibt die unerwünschte, unstrukturierte Zersiedelung der freien Landschaft und gilt als unzulässiger Eingriff in den geschützten Außenbereich. Dieser Ablehnungsgrund wird relevant, sobald Ihr Grundstück dem Außenbereich zugeordnet wird. Die strategische Vermeidung liegt daher im Nachweis, dass Ihr Vorhaben juristisch zum Innenbereich gehört.
Die Gefahr der Splittersiedlung stellt einen zentralen Versagungsgrund nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB dar. Ziel dieser Regelung ist es, die Landschaft vor unkontrollierter und verstreuter Bebauung zu schützen. Die Baubehörde prüft nicht nur das einzelne Haus, sondern vor allem die Vorbildwirkung für zukünftige, ähnliche Projekte Dritter. Wird das Bauvorhaben als nicht integrierbar angesehen und schafft es einen neuen, unstrukturierten Siedlungsansatz, droht die Versagung.
Strategisch können Sie das Argument der Splittersiedlung nur entkräften, indem Sie sich von der Außenbereichsregelung lösen. Sie müssen präzise nachweisen, dass Ihr Grundstück den bestehenden Bebauungszusammenhang fortsetzt und somit dem Innenbereich (§ 34 BauGB) zuzurechnen ist. Konzentrieren Sie Ihre juristische Argumentation ausschließlich darauf, die vorhandene Nachbarschaftsbebauung als geschlossen und zusammengehörig darzustellen.
Verwenden Sie präzise Fakten wie Luftbilder und Katasterauszüge, um zu beweisen, dass Ihr Bauvorhaben die Siedlung optisch nicht in die offene Landschaft hinausdrängt.
Welche Kriterien entscheiden, wo genau die baurechtliche Grenze meiner Ortschaft verläuft?
Die baurechtliche Grenze einer Ortschaft ist selten eine schematische, gerade Linie. Ihre exakte Lage, der sogenannte Bebauungszusammenhang, wird nicht pauschal gezogen, sondern für jedes Grundstück einzeln bewertet. Entscheidend ist die sogenannte Verkehrsauffassung, also der Eindruck der Geschlossenheit der Bebauung im jeweiligen Bereich. Die Grenze verläuft oft unregelmäßig, indem sie der tatsächlich vorhandenen Bebauung folgt und bildet eine „vor- und zurückspringende“ Linie.
Die Regel: Der Bebauungszusammenhang endet dort, wo die letzte geschlossene Reihe von Hauptgebäuden aufhört. Das Gericht orientiert sich an der hinteren Gebäudekante der letzten zusammenhängenden Häuserzeile. Eine Verlagerung der Grenze nach hinten setzt voraus, dass die Bebauung optisch noch immer als geschlossene Einheit wirkt. Ein einzelnes Haus in zweiter Reihe (ein „Ausreißer“) oder kleine Nebengebäude wie Gartenhäuser haben in der Regel keine prägende Wirkung, um die Ortsgrenze zu verschieben.
Eine unregelmäßige Grenzziehung in Richtung der freien Landschaft ist nur dann gerechtfertigt, wenn konkrete Merkmale dies belegen. Achten Sie auf deutliche topografische Begrenzungen wie Flüsse, tiefe Böschungen, Waldränder oder markante Wege, die eine klare Zäsur zur freien Landschaft bilden. Auch eine bebauungsakzessorische Nutzung, die eng mit den Hauptgebäuden verbunden ist, kann die Grenze beeinflussen. Fehlen solche belegbaren Barrieren, folgt die Grenze meist der letzten zusammenhängenden Reihe von Hauptgebäuden.
Fertigen Sie eine präzise Luftbildaufnahme Ihres Grundstücks und der direkten Nachbarschaft an und markieren Sie alle potenziell grenzziehenden Merkmale als Beweismittel.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Außenbereich
Der Außenbereich definiert jene Teile einer Gemeinde, die außerhalb der geschlossenen Siedlungsstruktur liegen und die das Gesetz grundsätzlich von einer Bebauung freihalten möchte. Geregelt in § 35 BauGB, dient dieser Bereich primär der Land- und Forstwirtschaft und soll die freie Landschaft vor Zersiedelung und unkontrollierter Bautätigkeit schützen.
Beispiel: Da das Grundstück des Bauherrn nicht mehr am Bebauungszusammenhang teilnahm, stuften die Richter das Bauvorhaben als unzulässiges Vorhaben im Außenbereich ein.
Bauvorbescheid
Ein Bauvorbescheid ist eine formelle Bauvoranfrage bei der zuständigen Baubehörde, die eine rechtsverbindliche Vorentscheidung über einzelne, präzise gestellte Fragen eines Bauvorhabens trifft. Bauherren nutzen dieses Instrument, um frühzeitig Gewissheit über die grundsätzliche Zulässigkeit ihres Projekts zu erhalten, bevor sie in teure, detaillierte Planungen investieren.
Beispiel: Der Bauherr beantragte einen Bauvorbescheid, um die entscheidende Frage klären zu lassen, ob sein Grundstück überhaupt noch zum bebauten Innenbereich gehörte.
Bebauungszusammenhang
Den Bebauungszusammenhang bildet die tatsächlich vorhandene, aufeinanderfolgende Bebauung eines Ortes, die nach außen hin den Anschein einer optisch geschlossenen Siedlung erweckt. Dieses zentrale Kriterium bestimmt nach § 34 BauGB die Grenze zwischen dem baurechtlich privilegierten Innenbereich und dem streng geschützten Außenbereich.
Beispiel: Das Oberverwaltungsgericht verneinte den Bebauungszusammenhang für das Grundstück in der zweiten Reihe, weil dieser bereits mit der hinteren Kante der Häuser in der ersten Reihe endete.
bebauungsakzessorische Nutzung
Eine bebauungsakzessorische Nutzung liegt vor, wenn eine Nutzung – beispielsweise eines Gartens oder einer Freifläche – so eng mit dem Hauptgebäude verbunden ist, dass sie funktionell und optisch zur Wohnnutzung dazugehört. Nur wenn eine Freifläche nachweislich diese enge Verbindung zur Hauptbebauung aufweist, kann sie den Bebauungszusammenhang nach hinten erweitern.
Beispiel: Das OVG lehnte die Argumentation des Bauherrn ab, da die bloße gärtnerische Nutzung der Fläche keine bebauungsakzessorische Nutzung im Sinne der Rechtsprechung darstellte.
Splittersiedlung
Als Splittersiedlung bezeichnen Juristen die unerwünschte, unstrukturierte und verstreute Bebauung in der freien Landschaft, deren Entstehung das Baugesetzbuch zwingend verhindern will. Nach § 35 Abs. 3 BauGB ist ein Bauvorhaben im Außenbereich unzulässig, wenn es die Entstehung oder Verfestigung einer solchen, die Landschaft zersiedelnden Wohnansammlung befürchten lässt.
Beispiel: Das erstinstanzliche Gericht lehnte das Bauvorhaben ab, weil es befürchtete, dass das Haus in der zweiten Reihe die Entstehung einer unerwünschten Splittersiedlung fördern würde.
Verkehrsauffassung
Die Verkehrsauffassung ist das juristische Beurteilungskriterium dafür, ob die aufeinanderfolgende Bebauung im Einzelfall nach dem Gesamteindruck als geschlossen und zusammengehörig erscheint. Gerichte wenden diese unbestimmte Rechtsnorm an, indem sie die örtlichen Verhältnisse durch Inaugenscheinnahme prüfen und feststellen, wie ein unbefangener Beobachter die Ortsgrenze wahrnimmt.
Beispiel: Der Kern des Rechtsstreits lag darin, ob die Verkehrsauffassung bestätigte, dass das Grundstück des Bauherrn optisch noch zum Bebauungszusammenhang der Ortschaft zählte.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 3 LZ 67/19 OVG – Beschluss vom 28.10.2024
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