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Generalunternehmer-Haftung für Wasserschäden im Neubau: Wer haftet nach Abnahme?

Ein Gebäudeversicherer nahm Regress wegen 2018 entstandener Leitungswasserschäden, um die Generalunternehmer-Haftung für Mängel im Neubau festzustellen. Obwohl die Frist zur Nachbesserung nur „umgehend“ lautete, hielt das Gericht sie für gültig, verlangte aber vom Bauherrn den Nachweis des Mangels nach der Abnahme.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 96/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
  • Datum: 20.12.2022
  • Aktenzeichen: 10 U 96/22
  • Verfahren: Berufung
  • Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Schadensersatz, Versicherungsrecht

  • Das Problem: Ein Gebäudeversicherer forderte vom Generalunternehmer die Kosten für die Beseitigung von zwei schweren Wasserschäden in Neubauten zurück. Der Generalunternehmer bestritt die Verantwortung und sah die Ursache in der Sphäre der Bauherren.
  • Die Rechtsfrage: Reicht es aus, einen Bauunternehmer „umgehend“ zur Mängelbeseitigung aufzufordern, um Gewährleistungsansprüche auszulösen? Wer trägt die Beweislast, wenn der Unternehmer behauptet, der Mangel sei erst nach der Bauabnahme durch den Bauherrn verursacht worden?
  • Die Antwort: Ja, die Aufforderung zur „umgehenden“ Behebung genügt als Wirksame Fristsetzung. Der Generalunternehmer haftet für einen der Schäden, weil er nach Abnahme nicht beweisen konnte, dass der Wasserschaden durch ein Fehlverhalten des Bauherrn entstanden war.
  • Die Bedeutung: Die Entscheidung bestätigt, dass eine sehr kurzfristige Aufforderung zur Mängelbeseitigung wirksam ist. Im Streitfall liegt die Beweislast beim Unternehmer, wenn er sich durch ein Fehlverhalten des Bestellers nach der Montage entlasten will.

Wann haftet ein Generalunternehmer für Wasserschäden im Neubau?

Ein Neubau ist bezogen, die Freude ist groß – bis plötzlich Wasser durch die Decke tropft. Dieses Albtraumszenario wurde für die Eigentümer zweier frisch errichteter Mehrfamilienhäuser in Ravensburg zur bitteren Realität. Kurz nach der Fertigstellung im Jahr 2018 traten massive Leitungswasserschäden auf, die Kosten für die Beseitigung beliefen sich auf über 100.000 Euro.

Ein deutlicher Spalt in der Steckverbindung grauer Abwasserrohre lässt Schmutzwasser austreten.
Generalunternehmer haften für Wasserschäden; Beweislast ist entscheidend für Regressansprüche. | Symbolbild: KI

Der Fall, der schließlich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde (Az.: 10 U 96/22, Urteil vom 20.12.2022), entwickelte sich zu einer juristischen Lehrstunde über die Tücken der Beweislast am Bau und die Frage, wie präzise eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung formuliert sein muss. Er zeigt auf, wie ein einziges Wort und die genaue Rekonstruktion von Arbeitsabläufen über Sieg oder Niederlage entscheiden können.

Was war in den beiden Neubauten genau passiert?

Im Zentrum des Konflikts stand ein Generalunternehmer, der 2018 zwei Mehrfamilienhäuser errichtet hatte. Auf der anderen Seite stand der Gebäudeversicherer der Eigentümer. Nachdem der Versicherer die Kosten für die Schadensbeseitigung übernommen hatte, forderte er dieses Geld nun vom Generalunternehmer zurück. Juristisch spricht man hier von einem Regressanspruch, der sich aus dem Übergang der Ansprüche der Bauherren auf den Versicherer ergibt (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG).

Zwei voneinander unabhängige Vorfälle lösten den Rechtsstreit aus:

Im ersten Fall, in einer Wohnung im Haus Nummer 15, war die Ursache schnell gefunden. Ein Abwasserrohr unter der Badewanne war nicht korrekt zusammengesteckt. Das austretende Wasser verursachte einen Schaden von rund 55.000 Euro.

Der zweite Fall ereignete sich in einer Wohnung im Haus Nummer 13. Hier führte ein kleines, aber folgenschweres Loch in der Duschrinne zu einem Wasserschaden in Höhe von etwa 47.000 Euro.

Die Bauherren forderten den Generalunternehmer in zwei Schreiben auf, die Mängel „umgehend“ zu beheben. Als dies nicht zur Zufriedenheit der Eigentümer geschah, beauftragten sie selbst Firmen mit der Reparatur und ließen die Kosten von ihrer Versicherung decken. Der Versicherer klagte daraufhin die gesamte Summe beim Generalunternehmer ein. Das erstinstanzliche Landgericht Ravensburg wies die Klage jedoch vollständig ab. Die Begründung: Die Bauleistungen seien bereits abgenommen worden. Damit liege die Beweislast für das Vorhandensein der Mängel zum Zeitpunkt der Übergabe bei den Bauherren bzw. deren Versicherer. Diesen Beweis habe der Versicherer nicht erbringen können. Gegen diese Entscheidung legte der Versicherer Berufung ein.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Um die Argumentation des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie drei zentrale rechtliche Weichenstellungen im Baurecht verstehen, die in diesem Fall den Ausschlag gaben.

Der Generalunternehmervertrag und die VOB/B
Zwischen den Bauherren und dem Generalunternehmer wurde ein Vertrag geschlossen, der die Geltung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), vorsah. Die VOB/B ist ein spezielles Regelwerk für Bauverträge, das die gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in vielen Punkten ergänzt und modifiziert. Insbesondere die Regeln zur Mängelhaftung in § 13 VOB/B waren hier von zentraler Bedeutung.

Die Abnahme als juristischer Wendepunkt
Die Abnahme ist der entscheidende Moment im Bauprozess. Sie bezeichnet die formale Entgegennahme des fertigen Werks durch den Bauherrn, der damit im Wesentlichen bestätigt, dass die Leistung vertragsgemäß erbracht wurde. Vor der Abnahme muss der Unternehmer beweisen, dass sein Werk mangelfrei ist. Nach der Abnahme kehrt sich diese Beweislast um: Nun muss der Bauherr beweisen, dass ein auftretender Mangel bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorhanden war. Im vorliegenden Fall ging das Gericht davon aus, dass eine Abnahme stattgefunden hatte – eine Feststellung, an die das Berufungsgericht gebunden war (§ 314 ZPO).

Die Fristsetzung zur Nacherfüllung
Entdeckt ein Bauherr nach der Abnahme einen Mangel, kann er nicht einfach selbst einen Handwerker beauftragen und die Rechnung an den ursprünglichen Unternehmer weiterleiten. Er muss dem Unternehmer zunächst die Möglichkeit geben, den Mangel selbst zu beseitigen. Dafür muss er ihm eine angemessene Frist setzen. Nur wenn der Unternehmer diese Frist verstreichen lässt, darf der Bauherr die sogenannte Selbstvornahme durchführen und Schadensersatz für die entstandenen Kosten verlangen (§ 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B). Ein zentraler Streitpunkt war, ob die Aufforderung, „umgehend“ zu handeln, eine solche wirksame Frist darstellt.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Oberlandesgericht Stuttgart rollte den Fall neu auf und kam zu einem differenzierten Ergebnis. Es gab der Klage für den einen Wasserschaden statt, wies sie aber für den anderen zurück. Die richterliche Analyse folgte dabei einer präzisen juristischen Logik, die sich Schritt für Schritt durch die Argumente beider Seiten arbeitete.

Genügt ein „umgehend“ als Frist zur Mängelbeseitigung?

Zunächst widmete sich das Gericht der formalen Frage der Fristsetzung. Der Generalunternehmer argumentierte, die Aufforderung zur „umgehenden“ Mängelbeseitigung sei zu unbestimmt und daher keine wirksame Fristsetzung im Sinne des § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B. Das OLG folgte dieser Ansicht nicht. Es stützte sich auf eine etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die zwar ursprünglich für das Kaufrecht entwickelt wurde, deren Grundsätze aber übertragbar seien (vgl. BGH, Urteil v. 18.03.2015 – VIII ZR 176/14).

Die Richter stellten klar: Der Zweck einer Fristsetzung ist es, dem Unternehmer unmissverständlich vor Augen zu führen, dass er handeln muss und nur einen begrenzten Zeitraum dafür hat. Der Begriff „umgehend“ oder „unverzüglich“ signalisiert eine besondere Dringlichkeit und macht dem Empfänger klar, dass er ohne schuldhaftes Zögern tätig werden muss. Damit war die Voraussetzung für die späteren Schadensersatzansprüche erfüllt.

Fall 1: Das Rätsel um das getrennte Rohr – Ein Sieg dank Beweislastumkehr

Beim Wasserschaden, der durch das nicht verbundene Abwasserrohr der Badewanne entstand, folgte das Gericht einer feinen Unterscheidung in der Beweislast. Zwar musste der Versicherer wegen der erfolgten Abnahme grundsätzlich beweisen, dass das Rohr schon bei der Übergabe nicht korrekt verbunden war. Unstreitig war jedoch, dass die Sanitärarbeiten, inklusive des Anschlusses der Wanne, zur Leistung des Generalunternehmers gehörten.

Der Generalunternehmer verteidigte sich mit der Behauptung, seine Mitarbeiter hätten das Rohr korrekt montiert. Die Trennung müsse später erfolgt sein, möglicherweise weil die Bauherren selbst die Badewanne verschoben hätten. Mit dieser Argumentation verlagerte sich die juristische Dynamik. Wenn ein Unternehmer behauptet, ein Mangel sei erst nach seiner Arbeit durch ein Verhalten aus der Sphäre des Auftraggebers entstanden, dann muss er diese Behauptung auch beweisen.

Das OLG führte eine erneute Beweisaufnahme durch und vernahm die beteiligten Handwerker und Bauleiter als Zeugen. Dabei zeigten sich erhebliche Widersprüche in den Aussagen des Mitarbeiters des Sanitär-Subunternehmens. Seine Erinnerungen waren vage, es fehlten jegliche schriftliche Belege wie Regieberichte oder Abrechnungen für ein angebliches späteres Versetzen von Wannen. Die anderen Zeugen konnten seine Darstellung nicht bestätigen.

Da der Generalunternehmer den ihm obliegenden Beweis für ein späteres, von den Bauherren verursachtes Verschieben der Wanne nicht führen konnte, ging das Gericht von einem ursprünglichen Montagefehler aus. Die Verantwortung lag damit bei ihm, da er für das Verschulden seiner Subunternehmer wie für eigenes einzustehen hat (§ 278 BGB). Das Gericht verurteilte ihn daher zur Zahlung von 54.927,93 Euro für diesen Schaden. Ein kleiner Abzug von 1.000 Euro erfolgte, da eine Position in der Kostenaufstellung des Versicherers nicht ausreichend begründet war.

Fall 2: Das Loch in der Duschrinne – Ein ungelöstes Rätsel zu Lasten des Bauherrn

Völlig anders bewertete das Gericht den zweiten Wasserschaden, der durch ein Loch in der Duschrinne verursacht wurde. Hier griff die grundlegende Regel der Beweislast nach der Abnahme in vollem Umfang. Der Versicherer als Kläger musste zweifelsfrei nachweisen, dass das Loch bereits bei der Übergabe der Wohnung vorhanden war.

Diesen Beweis konnte er nicht erbringen. Das erstinstanzliche Gericht hatte bereits festgestellt, dass der Zeitpunkt der Entstehung des Lochs unklar sei. Die Form des Lochs und die Eindrückungen deuteten auf eine erhebliche Krafteinwirkung hin. Es war denkbar, dass es bei der Baureinigung durch das unachtsame Hantieren mit einem Werkzeug entstanden war oder sogar auf eine mutwillige Beschädigung durch Dritte zurückging.

Das OLG Stuttgart sah keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an dieser Beweiswürdigung der Vorinstanz begründen würden, und war daher an deren Tatsachenfeststellung gebunden (§ 529 Abs. 1 ZPO). Da die Ursache des Lochs im Dunkeln blieb und ein Mangel bei Abnahme nicht bewiesen werden konnte, scheiterte der Anspruch des Versicherers. Die Klage wurde für diesen Teil des Schadens abgewiesen.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieses Urteil ist weit mehr als eine Entscheidung über zwei Wasserschäden. Es beleuchtet grundlegende Prinzipien der Verantwortung und Risikoverteilung im Baurecht, die für jeden Bauherrn und Unternehmer von Bedeutung sind.

Die formale Abnahme ist kein reiner Verwaltungsakt, sondern der juristische Wendepunkt eines Bauvorhabens. Sie markiert den Übergang der Beweislast vom Unternehmer auf den Bauherrn. Dieses Urteil unterstreicht eindrücklich, wie entscheidend eine sorgfältige und lückenlose Prüfung des Werks vor der Abnahme ist. Jeder nicht entdeckte Mangel wird danach zu einem Problem, dessen Existenz bei Übergabe der Bauherr im Streitfall beweisen muss. Eine gründliche Endkontrolle, idealerweise unterstützt durch einen unabhängigen Sachverständigen, ist daher keine übertriebene Vorsicht, sondern eine kluge Investition zur Risikominimierung.

Der Fall demonstriert zudem, wie fundamental die Beweislast die Weichen in einem Prozess stellt. Wo Fakten nicht mehr eindeutig geklärt werden können, verliert die Partei, die den Beweis führen muss. Beim Loch in der Duschrinne scheiterte der Anspruch des Versicherers, weil er die entscheidende Frage – wann entstand das Loch? – nicht beantworten konnte. Bei der Badewanne hingegen profitierte er davon, dass der Generalunternehmer seine Gegenthese – der Bauherr sei schuld – nicht belegen konnte. Die Lehre daraus ist die überragende Bedeutung einer lückenlosen Dokumentation während der gesamten Bauphase, von Bautagebüchern über Fotos bis hin zu klaren Protokollen, um im Zweifel die entscheidenden Fakten belegen zu können.

Schließlich zeigt die Entscheidung zur Wirksamkeit der Fristsetzung, dass Gerichte bei der Auslegung von Willenserklärungen auf den erkennbaren Zweck abstellen. Die Aufforderung zur „umgehenden“ Mängelbeseitigung wurde als ausreichend anerkannt, weil sie dem Unternehmer klar signalisierte, dass er in Verzug gerät, wenn er nicht unverzüglich handelt. Dennoch bleibt es für Bauherren die sicherste Vorgehensweise, in einer Mängelrüge stets eine konkrete, datumsgenaue Frist zu setzen. Dies schafft unmissverständliche Klarheit und vermeidet unnötige rechtliche Auseinandersetzungen über die Auslegung von Begriffen wie „umgehend“ oder „sofort“.

Die Urteilslogik

Die juristische Verantwortlichkeit für Baumängel hängt fundamental von der Beweislast ab, deren Verteilung sich mit der formalen Abnahme des Bauwerks endgültig ändert.

  • Die Abnahme dreht die Beweislast: Nach der formalen Entgegennahme des Werks muss der Bauherr jeden später entdeckten Mangel beweisen, indem er lückenlos nachweist, dass dieser bereits zum Zeitpunkt der Übergabe existierte.
  • Dringlichkeit schafft Fristwirkung: Der Auftraggeber setzt den Unternehmer wirksam in Verzug, indem er die Mängelbeseitigung „umgehend“ oder „unverzüglich“ verlangt; eine exakte Datumsangabe ist dafür nicht zwingend erforderlich.
  • Verlagerung des Beweises bei Gegenbehauptung: Behauptet der Unternehmer, der festgestellte Mangel sei erst nachträglich durch Einwirkung oder Fehler aus der Sphäre des Bauherrn entstanden, muss er diese entlastende Tatsache selbst stichhaltig belegen.

Eine lückenlose Baudokumentation und die präzise Einhaltung formaler Schritte entscheiden im Streitfall über den Erfolg von Haftungsansprüchen.


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Experten Kommentar

Beim Bau geht es oft nicht darum, wer den Fehler machte, sondern wer ihn beweisen muss. Das Stuttgarter OLG bestätigt die Härte der Bauabnahme: Danach trägt der Bauherr das Beweisrisiko für Mängel, weshalb die Klage für das unklare Loch in der Duschrinne scheiterte. Die strategische Lehre für Generalunternehmer liegt in der Verteidigung: Sobald man behauptet, der Mangel sei später durch den Bauherrn selbst verursacht worden, kippt die Beweislast zurück zum Unternehmer. Wer die Haftung für Subunternehmer-Fehler erfolgreich abwenden will, muss diese Gegenbehauptung durch lückenlose Dokumentation belegen – vage Aussagen von Mitarbeitern reichen dafür nicht aus.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer trägt die Beweislast für Mängel (wie Wasserschäden) nach der Abnahme des Neubaus?

Die Abnahme des Neubaus ist der entscheidende juristische Wendepunkt im Bauprozess. Nach diesem formalen Akt kehrt sich die Beweislast vollständig um. Fortan muss nicht mehr der Generalunternehmer (GU) die Mangelfreiheit belegen, sondern Sie als Bauherr müssen zwingend nachweisen, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Abnahme existierte.

Der Grund für diese Umkehrung: Mit der Unterschrift bestätigen Sie formal, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß ausgeführt wurde. Das Gesetz geht deshalb davon aus, dass später auftretende Schäden eher durch Nutzung, Verschleiß oder unklare Umstände entstanden sind. Nur wenn Sie als Bauherr nachweisen, dass der Mangel – zum Beispiel ein nicht korrekt verbundenes Rohr – schon ursprünglich auf einem Baufehler beruhte, besteht ein Anspruch. Ohne diesen präzisen Nachweis wird es extrem schwierig, Mängelansprüche erfolgreich durchzusetzen.

Die Tragweite dieser Regel zeigte sich im Fall eines Wasserschadens in Ravensburg, der durch ein kleines Loch in einer Duschrinne entstanden war. Das Gericht konnte den Zeitpunkt der Entstehung des Loches nicht feststellen. Es war denkbar, dass es bei der Baureinigung durch eine Krafteinwirkung oder durch andere Dritte verursacht wurde. Da der Kläger nicht beweisen konnte, dass das Loch bereits bei Übergabe vorhanden war, scheiterte die Klage für diesen Teil des Schadens.

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Haftet der Generalunternehmer auch für die Baumängel, die seine Subunternehmer verursacht haben?

Ja, der Generalunternehmer haftet vollumfänglich für alle Mängel, die seine Subunternehmer oder weitere beauftragte Firmen verursachen. Sie müssen sich nicht mit internen Streitigkeiten über die Verantwortung zwischen GU und Drittfirmen auseinandersetzen. Rechtlich gilt der Generalunternehmer als Ihr alleiniger Vertragspartner und muss für seine Erfüllungsgehilfen einstehen. Dies vereinfacht die Rechtsverfolgung für Sie als Bauherr erheblich.

Diese weitreichende Verantwortung basiert auf der sogenannten Stellvertreterhaftung nach § 278 BGB. Der Generalunternehmer bedient sich zur Erfüllung des Bauvertrages Dritter; deren Verschulden bei der Ausführung wird ihm wie eigenes Verschulden zugerechnet. Unabhängig davon, ob der GU die Sanitärfirma oder den Elektriker direkt beauftragt hat oder diese nur Sub-Sub-Unternehmer sind, liegt die Verantwortung für das mangelfreie Gesamtwerk bei ihm.

Nehmen wir an, ein Abwasserrohr wurde durch den Mitarbeiter eines Subunternehmers nicht korrekt zusammengesteckt. Der GU kann die Verantwortung für diesen Montagefehler nicht ablehnen, indem er auf den Subunternehmer verweist. Im Ravensburger Fall wurde der Generalunternehmer zur Zahlung verurteilt, weil das Gericht den Fehler des Subunternehmers als seinen eigenen Fehler wertete. Die Frage, wie sich der GU das Geld intern von der schuldhaften Firma zurückholt, muss den Bauherrn nicht betreffen.

Identifizieren Sie in Ihren Vertragsunterlagen klar den Generalunternehmer und richten Sie alle Mängelrügen, Fristsetzungen und Korrespondenzen ausschließlich an diesen.


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Genügt die Formulierung „umgehend“ als wirksame Fristsetzung, um Mängelbeseitigung zu verlangen?

Die Regel: Ja, die Formulierung „umgehend“ erfüllt in der Regel die Anforderungen an eine wirksame Fristsetzung zur Mängelbeseitigung. Dieses Wort signalisiert dem Unternehmer unmissverständlich eine besondere Dringlichkeit. Der Empfänger muss ohne schuldhaftes Zögern handeln, andernfalls gerät er in Verzug. Bauherren, die in Panik eine schnelle Reaktion forderten, können aufatmen: Solche Begriffe gelten nicht automatisch als Formfehler.

Gerichte stellen fest, dass der Zweck einer Fristsetzung erfüllt ist, wenn dem Bauunternehmer klar wird, dass er nur einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung hat. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte, dass Begriffe wie „umgehend“ oder „unverzüglich“ hinreichend bestimmt sind. Die Richter stützten sich hierbei auf die etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welche die gerichtliche Akzeptanz dieser Dringlichkeitsbegriffe begründet. Wichtig ist nur, dass es sich nicht lediglich um eine allgemeine Bitte handelt.

Trotz dieser rechtlichen Akzeptanz sollten Sie die Fristsetzung aus strategischen Gründen präziser gestalten. Eine konkrete, datumsgenaue Frist vermeidet jede unnötige Auseinandersetzung über die Auslegung des Begriffs „umgehend“. Konkret: Fordern Sie den Generalunternehmer nicht nur auf, sich schnellstmöglich zu melden. Benennen Sie stattdessen ein fixes Enddatum, beispielsweise „spätestens bis zum [Datum in 10-14 Tagen]“.

Haben Sie bereits „umgehend“ gefordert, sollten Sie umgehend ein ergänzendes Schreiben mit einem klar definierten Datum nachweisbar (per Einschreiben) versenden.


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Wann darf ich Mängel selbst beheben lassen und die Kosten vom Generalunternehmer zurückfordern?

Sie dürfen Mängel erst dann auf Kosten des Generalunternehmers (GU) beheben lassen, wenn Sie ihm zuvor eine wirksame Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben und diese Frist erfolglos abgelaufen ist. Das Gesetz räumt dem ursprünglichen Generalunternehmer immer das Recht der ersten Wahl zur Mängelbeseitigung ein. Nur wenn er diese Chance verstreichen lässt, ist der Weg zur Selbstvornahme eröffnet.

Die Regel der Fristsetzung schützt den Generalunternehmer davor, ohne Vorwarnung mit den Kosten fremd beauftragter Reparaturen konfrontiert zu werden. Er soll die Möglichkeit erhalten, den von ihm verursachten Mangel selbst zu korrigieren. Setzen Sie keine ausreichende und nachweisbare Frist, verlieren Sie in der Regel Ihren Anspruch auf Kostenersatz. Die Frist muss dabei angemessen sein, also realistisch bemessen nach Art und Umfang des Mangels; bei akuten Schäden kann sie jedoch sehr kurz sein.

Konkret: Nachdem bei den Objekten in Ravensburg Wasserschäden auftraten und die Eigentümer dem GU eine Frist zur Beseitigung gesetzt hatten, durften sie nach deren Ablauf externe Fachfirmen beauftragen. Die Reparaturkosten dieser Fremdfirmen konnten anschließend als Schadensersatz vom Generalunternehmer eingefordert werden. Diesen Prozess, geregelt in § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, müssen Bauherren zwingend einhalten, um später nicht selbst auf den hohen Reparaturkosten sitzen zu bleiben.

Um Ihren Anspruch rechtlich sauber zu belegen, dokumentieren Sie das genaue Datum des Fristablaufs und holen Sie Kostenvoranschläge für die Drittbeauftragung erst danach ein.


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Wie sichere ich mich bei der Bauabnahme am besten ab, um spätere Beweisprobleme zu vermeiden?

Die Bauabnahme markiert den kritischen Übergang der Beweislast vom Generalunternehmer auf Sie als Bauherrn. Um die Gefahr zu entschärfen, dass Sie verdeckte Mängel später selbst beweisen müssen, ist die Hinzuziehung eines externen Experten unverzichtbar. Sichern Sie sich präventiv ab, indem Sie stets einen unabhängigen Bausachverständigen beauftragen. Dieser prüft das gesamte Werk lückenlos, bevor Sie Ihre Unterschrift leisten und die Haftung übernehmen.

Der Sachverständige muss vor der formalen Abnahme die Bauleistung technisch bewerten und alle potenziellen Risiken identifizieren. Sein Fokus liegt auf Bereichen, die nach dem Einzug nur noch unter hohem Aufwand zugänglich sind, etwa mangelhafte Rohranschlüsse oder Duschabläufe. Ohne diesen fachkundigen Blick geben Sie im Streitfall Ihr stärkstes Beweismittel aus der Hand. Verweigern Sie die Abnahme, solange noch schwerwiegende Mängel offen sind oder Restarbeiten nicht abgeschlossen wurden.

Legen Sie außerdem größten Wert auf eine lückenlose Dokumentation. Erstellen Sie zusammen mit dem Sachverständigen ein detailliertes Abnahmeprotokoll, das sämtliche Beanstandungen mit Fotos belegt. Selbst wenn Sie die Abnahme nicht verweigern können oder wollen, müssen Sie einen expliziten Mängelvorbehalt im Protokoll erklären. Dieser Vorbehalt sorgt dafür, dass die Beweislast für die bereits festgestellten Mängel nicht auf Sie übergeht.

Kontaktieren Sie umgehend einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen und leiten Sie ihm alle Pläne zur gründlichen Vorbereitung der Abnahme weiter.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abnahme

Die Abnahme ist der formelle Akt, mit dem der Bauherr das fertiggestellte Bauwerk als vertragsgemäß entgegennimmt und damit bestätigt, dass die Leistung im Wesentlichen erbracht wurde.
Dieser juristische Wendepunkt markiert den Übergang des Risikos vom Bauunternehmer auf den Bauherrn und entscheidet darüber, wer im Streitfall die Beweislast für Mängel trägt.

Beispiel: Da die Abnahme der Mehrfamilienhäuser in Ravensburg formal erfolgte, kehrte sich die Beweislast um, sodass die Bauherren beweisen mussten, dass die Leitungswasserschäden bereits bei Übergabe existierten.

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Beweislast

Die Beweislast legt fest, welche Partei in einem Rechtsstreit die tatsächlichen Umstände beweisen muss, die ihr günstig sind, andernfalls verliert sie den Prozess.
Das Gesetz schafft damit klare Regeln für unaufklärbare Sachverhalte; wer eine Tatsache behauptet, muss diese auch belegen, um Rechtssicherheit im Zivilprozess zu gewährleisten.

Beispiel: Beim Wasserschaden durch das Loch in der Duschrinne scheiterte der Versicherer, weil er die Beweislast für das Vorhandensein des Mangels zum Zeitpunkt der Abnahme nicht erfüllen konnte.

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Generalunternehmer

Ein Generalunternehmer (GU) ist der zentrale Vertragspartner des Bauherrn, der die gesamte Bauleistung zu einem festen Preis übernimmt und für die Koordination sowie Ausführung aller Gewerke verantwortlich ist.
Der GU vereinfacht den Bauprozess für den Auftraggeber, da er als alleiniger Ansprechpartner für das gesamte Werk haftet und gemäß § 278 BGB auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einstehen muss.

Beispiel: Obwohl die fehlerhafte Montage des Abwasserrohres durch einen Subunternehmer erfolgte, wurde der Generalunternehmer in Ravensburg zur Zahlung des Schadensersatzes verurteilt, weil er für dessen Fehler verantwortlich war.

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Regressanspruch

Ein Regressanspruch ist das Recht einer Partei (meist einer Versicherung), die für einen Schaden aufgekommen ist, dieses Geld von der ursächlich schuldhaften dritten Partei zurückzufordern.
Das Prinzip dient der Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögensverhältnisse, indem die letztliche finanzielle Verantwortung dorthin verschoben wird, wo der Schaden entstanden ist; dies geschieht häufig durch den gesetzlichen Übergang der ursprünglichen Ansprüche.

Beispiel: Nachdem der Gebäudeversicherer die 100.000 Euro für die Beseitigung der Wasserschäden an die Eigentümer gezahlt hatte, leitete er den Regressanspruch gegen den Generalunternehmer ein.

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Selbstvornahme

Die Selbstvornahme bezeichnet das Recht des Bauherrn, Mängel nach erfolgloser Fristsetzung auf Kosten des ursprünglichen Unternehmers von einer Drittfirma beheben zu lassen.
Das Gesetz gewährt dem Bauherrn diesen Weg der Ersatzvornahme, um nicht unbegrenzt auf die Erfüllung des Vertrages warten zu müssen, wenn der Unternehmer seine Pflicht zur Nacherfüllung verstreichen lässt.

Beispiel: Nach Ablauf der Frist zur Mängelbeseitigung waren die Eigentümer berechtigt, die Selbstvornahme der Reparaturen zu veranlassen und die Kosten anschließend als Schadensersatz vom Generalunternehmer einzufordern.

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VOB/B

Die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B) ist ein spezielles Regelwerk, das als Allgemeine Geschäftsbedingungen häufig in Bauverträge einbezogen wird und die Mängelhaftung im Vergleich zum reinen BGB modifiziert.
Dieses Regelwerk schafft einen branchenspezifischen Standard, der viele Abläufe am Bau klarer regelt, insbesondere die Formalitäten der Abnahme und die genauen Fristen für Mängelansprüche.

Beispiel: Da im Streitfall die VOB/B als Vertragsgrundlage vereinbart wurde, richtete sich die Beurteilung der Mängelhaftung und der Fristsetzung nach den spezifischen Regeln des § 13 VOB/B.

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Wirksame Fristsetzung

Eine wirksame Fristsetzung ist eine unmissverständliche Aufforderung an den Unternehmer, einen Mangel innerhalb eines begrenzten und angemessenen Zeitraums zu beseitigen.
Nur wenn diese Frist erfolgreich gesetzt wurde und ergebnislos verstreicht, darf der Bauherr die Mängelbeseitigung durch Dritte beauftragen oder Schadensersatz für die sogenannte Selbstvornahme verlangen.

Beispiel: Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied, dass die Aufforderung, „umgehend“ zu handeln, eine wirksame Fristsetzung darstellte, weil sie dem Generalunternehmer die Dringlichkeit seines Handelns klar signalisierte.

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Das vorliegende Urteil


OLG Stuttgart – Az.: 10 U 96/22 – Urteil vom 20.12.2022


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