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Mangelbeseitigungskosten – Vorschuss muss zeitnah abgerechnet werden

OLG Brandenburg – Az.: 6 U 60/18 – Urteil vom 18.08.2020

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 20.02.2018, Az. 31 O 68/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

I.

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch wegen von der Beklagten im Jahr 2011 mangelhaft ausgeführter Reparaturarbeiten an einem Pkw.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes im Berufungsurteil wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO a.F.) abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist die Berufung auch begründet und die Klage insgesamt abzuweisen.

1. Für den wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 2 Fall 2 ZPO auf die Ausführungen im Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vom 18.08.2020 vorab Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:

a) Wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, ist die Annahme des Landgerichts, das Amtsgericht Oranienburg habe im Vorprozess mit Urteil vom 29.04.2014 über eine Vorschussklage im Sinne des § 637 Abs. 3 BGB und nicht über einen auf Gutachtenbasis geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4 BGB rechtskräftig entschieden, nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich nicht nur aus den vom Landgericht ausgeführten Gründen, wonach das Amtsgericht ausweislich der diesbezüglichen Entscheidungsgründe über „voraussichtliche Ersatzvornahmekosten“ entschieden hat, sondern im Wege der Auslegung auch daraus, dass das Amtsgericht dem Kläger nach Maßgabe des dort eingereichten Kostenvoranschlages einen Bruttobetrag zugesprochen hat, mithin nicht unter Abzug eines auf die Mehrwertsteuer entfallenden Betrages, wie dies bei der Ausurteilung von fiktiven Reparaturkosten geboten gewesen wäre (vgl. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ferner spricht für diese Beurteilung, dass das Amtsgericht antragsgemäß festgestellt hat, dass die Beklagte dem Kläger gegebenenfalls auch weitere auf dem nämlichen Mangel (fehlende Hohlraumversiegelung und fehlender Unterbodenschutz) beruhende Schäden zu ersetzen hat. Denn ein solcher Feststellungsausspruch ist – wenn auch im Rahmen einer Vorschussklage nicht zwingend geboten – im Klarstellungsinteresse als zulässig anerkannt (BGH, Urteile vom 10. November 1988 – VII ZR 140/87, BauR 1989, 81, 83 und vom 1. Februar 2005 – X ZR 112/02, NZBau 2005, 514), während für den Vorbehalt von sogenannten Zukunftsschäden im Rahmen einer auf Schadensersatz gerichteten Klage, die grundsätzlich auf eine abschließende Entscheidung gerichtet ist, überhaupt nur in Ausnahmefällen – bei bereits erkennbar fortschreitenden Schadensfolgen – ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bestehen kann.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass mit einer Vorschussklage nicht endgültig über die Höhe der Mangelbeseitigungskosten entschieden wird, denn über den Vorschuss muss abgerechnet werden. Stellt sich nach Durchführung der vom Anspruchsteller zu veranlassenden Reparatur heraus, dass der Vorschuss nicht ausreichend bemessen worden ist, kann eine Nachzahlung verlangt werden (siehe nur BGH, Urteile vom 18. März 1976 – VII ZR 41/74, BGHZ 66, 138, 141 und vom 20. Februar 1986 – VII ZR 318/84, BauR 1986, 345). Die Wirkung der Vorschussklage ist daher nicht auf den eingeklagten Betrag beschränkt. Sie deckt vielmehr auch hinsichtlich der Unterbrechung der Verjährung spätere Erhöhungen, gleichviel worauf sie zurückzuführen sind, ab, sofern sie nur denselben Mangel betreffen (BGH, aaO; dementsprechend ist neben der Vorschussklage eine Feststellungsklage zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung wie ausgeführt entbehrlich, wegen ihrer Klarstellungsfunktion aber üblich und zulässig).

c) Übersehen hat das Landgericht jedoch, dass Voraussetzung einer auf Schadensersatz gerichteten Nachzahlung jedenfalls ist, dass ein Vorschusskläger im Erfolgsfalle den ausgekehrten Betrag in angemessener Zeit bestimmungsgemäß verwenden und abrechnen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2008 – VII ZR 204/07), denn nur auf Grundlage einer solchen Abrechnung lässt sich feststellen, dass der vorfinanzierte Betrag für die tatsächlich durchgeführte Reparatur unzureichend gewesen ist.

aa) Daran fehlt es vorliegend, denn der Kläger hat den Betrag unstreitig nicht für eine Reparatur verwendet. Stattdessen macht er im vorliegenden Rechtsstreit wiederum nur auf Grundlage eines (neuen) Kostenvorschlages fiktive Reparaturkosten als Schadensersatz geltend. Soweit der Kläger der Auffassung ist, er könne auch nach ursprünglicher Geltendmachung eines Vorschussanspruches jederzeit auf einen Schadensersatzanspruch zurückkommen, ist das materiell-rechtlich zwar richtig und auch prozessual in einem laufenden Verfahren möglich (vgl. OLG Celle, NJW 2013, 475). Der Kläger blendet dabei jedoch aus, dass vorliegend das Amtsgericht Oranienburg bereits über einen abzurechnenden Vorschussanspruch rechtskräftig entschieden hat, womit die Pflicht des Klägers entstanden ist, den von der Beklagten sodann zweckgebunden geleisteten Vorschuss tatsächlich für eine Reparatur zu verwenden und in angemessener Frist abzurechnen (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 637 Rn. 10). Soweit ein Vorschuss sich im Zuge der durchzuführenden Reparaturarbeiten nicht als auskömmlich erweist, kann zwar vom Besteller sodann grundsätzlich ein die endgültigen Mangelbeseitigungskosten umfassender weitergehender Schadensersatzanspruch in Höhe eines Differenzbetrages verlangt werden, aber nur auf der Grundlage nunmehr tatsächlich entstandener Kosten, das heißt nicht – wie hier vom Kläger begehrt – mit einem lediglich fiktiven Betrag auf Gutachten- bzw. Kostenvoranschlagsbasis.

bb) Auf die weitere Frage, ob es prinzipiell möglich ist, nach Geltendmachung eines Vorschussanspruchs einen darüberhinausgehenden weiteren Vorschussanspruch dann geltend zu machen, wenn der bisher ausgeurteilte Betrag aus für den Anspruchsteller unvorhersehbaren Gründen mit Sicherheit unzureichend ist (vgl. OLG Celle, aaO), kommt es vorliegend schon deshalb nicht an, weil der Kläger erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2016 ausdrücklich erklärt hat, zumindest nunmehr einen endgültigen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Unabhängig davon hat der Kläger vorliegend die weitere Klage erst Jahre später erhoben und ist der nach Maßgabe des neuen Kostenvoranschlags erhöhte Reparaturaufwand jedenfalls auch erst infolge des langen Unterlassens einer fachmännischen Reparatur seitens des Klägers entstanden.

d) Darauf, dass im Werkvertragsrecht ein Besteller nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die erst nach Erlass der landgerichtlichen Urteils ergangen ist, einen Schadensersatz nach § 634 Nr. 4 BGB von vornherein nicht mehr – wie vorliegend der Kläger – fiktiv auf Gutachten- bzw. Kostenvoranschlagsbasis geltend machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17), kommt es vor diesem Hintergrund für die Streitentscheidung nicht mehr maßgeblich an. Diese neuere Rechtsprechung fügt sich jedoch ebenso nahtlos wie widerspruchsfrei in die oben dargelegte Beurteilung ein.

e) Einem Klageerfolg selbständig entgegen steht allerdings auch, dass die Annahme des Landgerichts, die mit dem neuen Kostenvoranschlag in Zusammenhang stehenden Reparaturarbeiten beruhten noch adäquat-kausal auf demjenigen Mangel, über den das Amtsgericht Oranienburg im Rahmen der dort geführten Vorschussklage entschieden habe, mit Rücksicht auf die dazu durchgeführte Beweisaufnahme nicht tragfähig ist.

aa) Danach sind die von dem Sachverständigen festgestellten Korrosionsschäden nicht auf von der Beklagten unterlassene Korrosionsschutzmaßnahmen zurückzuführen, wie sie vor dem Amtsgericht Oranienburg in Streit standen, sondern auf eine mangelhafte Lackierung und ungeeignete Ersatzteile (Sitzungsniederschrift vom 11.01.2018, S. 2 f.; Bl. 352 f. d.A.) und damit auf einen anderen Teil der seinerzeit von der Beklagten erbrachten Werkleistung. Zu diesem Teil verhält sich aber auch der vom Amtsgericht Oranienburg ausgeurteilte Feststellungstenor nicht, denn dieser ist ausdrücklich auf die unterlassenen Hohlraumversiegelungs- und Unterbodenschutzarbeiten beschränkt. Damit handelt es sich hier hinsichtlich der Korrosionsschäden um später zu Tage getretene Mangelerscheinungen, die auf andere und erst im weiteren Zeitablauf sichtbar gewordene Mängel der Werkleistung der Beklagten zurückzuführen sind, als vom Amtsgericht Oranienburg durch die Vorschussklage mit Verjährungshemmung festgestellt.

bb) Es liegt ungeachtet dessen auf der Hand, dass der nach Erbringung der Werkleistung eingetretene Zeitablauf von mehreren Jahren, der nunmehr auch allein für die nachträgliche Durchführung von Korrosionsschutzarbeiten zu einem komplizierteren und deshalb kostenintensiveren Reparaturaufwand führen würde, nicht zu Lasten der Beklagten gehen kann. Denn nachdem der Kläger den dafür seinerzeit eingeklagten Vorschussbetrag nicht bestimmungsgemäß und in angemessener Frist verwendet hat, sind nachfolgend eintretende Reparaturerschwerungen schadensrechtlich – hier in Bezug auf den Korrosionsschutzmangel – jedenfalls insoweit nicht der Beklagten anzulasten, als solche Komplikationen zu einem früheren Zeitpunkt die betreffenden Hohlraumversiegelungs- und Unterbodenschutzarbeiten noch nicht hätten verteuern müssen. Es kommt hinzu, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die erreichte Intensität und Initiierung des sich nunmehr darstellenden Schadenszustandes durch zuvor unzulängliche Korrosionsschutzmaßnahmen begünstigt worden sein könnten (Ergänzungsgutachten, S. 3; Bl. 272 d.A.), wofür nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils aber der Kläger selbst dann die Verantwortung zu tragen hätte, wenn die Korrosionsschäden in der Folgezeit als Mangelfolgeschäden eines fehlenden oder unzureichenden Korrosionsschutzes entstanden wären. Das gilt umso mehr, als nach den Ausführungen des Sachverständigen der Istzustand des Fahrzeugs bei Besichtigung darauf hingedeutet hat, dass der Kläger nachträglich selbst einen Korrosionsschutz manuell aufgetragen hat (aaO).

cc) Auf Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist nach allem davon auszugehen, dass der Kläger selbst dann, wenn er den seinerzeit von der Beklagten ausgekehrten Vorschussbetrag bestimmungsgemäß für einen fachmännisch ausgeführten Korrosionsschutz verwendet hätte, mit Blick auf die in der Folgezeit sichtbar gewordenen weiteren Mängel kein für ihn günstigeres Ergebnis hätte erreichen können. Denn soweit sich die im Rahmen des neuen Kostenvoranschlags aufgeführten Reparaturarbeiten nunmehr maßgeblich auf die Beseitigung von später durch Korrosionsschäden zu Tage getretenen Mängeln an Lackierung und Ersatzteilen beziehen, müsste einem dadurch begründeten Schadensersatzanspruch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegenstehen. Die gemäß §§ 634 Nr. 4, 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB geltende zweijährige Verjährungsfrist für auf Mängeln beruhende Schadensersatzansprüche war zum Zeitpunkt der hiesigen Klageerhebung bereits lange abgelaufen. Soweit ersichtlich, war es dem Kläger hinsichtlich der maßgeblich auf einer fehlerhaften Lackierung und Ersatzteilauswahl beruhenden Korrosionsschäden im Vorprozess auch noch gar nicht möglich, deren Vorhandensein anhand von Symptomen geltend zu machen, weil sich eine diesbezügliche Mangelsymptomatik zu diesem Zeitpunkt nicht gezeigt hatte. Jedenfalls verhält sich das amtsgerichtliche Urteil auch ausweislich des dort wiedergegebenen Klägervortrags nicht zu bereits eingetretenen Korrosionsschäden und insoweit auch nicht nur zu einer etwaigen Teilklage.

dd) Vor diesem Hintergrund würde sich im Übrigen nichts anderes ergeben, wenn dem Urteil des Amtsgerichts Oranienburg keine Vorschussklage, sondern eine Schadensersatzklage zugrunde gelegen hätte. Gleiches gälte, wenn man mit der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegten Auffassung annähme, dass trotz eingetretener Rechtskraft des sich über eine Vorschussklage verhaltenden amtsgerichtlichen Urteils dem Kläger ein freier Wechsel auf eine Schadensersatzklage in diesem Prozess möglich wäre. Vor dem Hintergrund des dargelegten Rechtsprechungswandels, wonach fiktiver Schadensersatz im Werkvertragsrecht nicht mehr verlangt werden kann, dürfte sich diese letztere Frage in Sachverhaltskonstellationen wie der vorliegenden allerdings ohnehin als gegenstandslos darstellen.

2. Der von dem Kläger gestellte Feststellungsantrag ist in seiner zuletzt gestellten Fassung zulässig, aber aus vorstehenden Gründen ebenfalls unbegründet.

3. Die Nebenentscheidung zu den Kosten folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO a.F.). Die Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

 

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