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Unwirksame Abnahme durch den WEG-Verwalter: Wer zahlt?

Ein Bauträger wurde für eine 2003 errichtete Wohnanlage vor Gericht auf fast 700.000 Euro verklagt. Die Ursache: Eine vermeintliche unwirksame Abnahme durch den WEG-Verwalter. Trotz fast 20 Jahren seit der Fertigstellung drohen dem Bauunternehmen erhebliche Nachzahlungen, weil eine wichtige Frist womöglich nie begann.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 28 U 3253/23 Bau | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 19.12.2023
  • Aktenzeichen: 28 U 3253/23 Bau
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Wohnungseigentumsrecht, Baurecht

  • Das Problem: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verklagte die Bauträgerin ihrer Wohnanlage. Es ging um mangelhafte Balkone und die Forderung nach Geld für die Reparatur.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Bauträgerin für die Mängel an den Balkonen zahlen? Oder sind die Ansprüche der Eigentümergemeinschaft wegen einer angeblichen Abnahme oder Verjährung hinfällig?
  • Die Antwort: Ja. Die Bauträgerin muss für die Mängel an den Balkonen zahlen. Das Gericht sah die Abnahme durch den Verwalter als unwirksam an. Die Balkonplatten gehören zum Gemeinschaftseigentum.
  • Die Bedeutung: Dieses Urteil stärkt die Rechte von Wohnungseigentümergemeinschaften. Bauträger haften für Mängel am Gemeinschaftseigentum. Eine Abnahme durch den Verwalter ist nicht immer wirksam.

Der Fall vor Gericht


Warum eine einzige Klausel den Bauträger 700.000 Euro kostete

Es war nur ein kleiner Passus in den Kaufverträgen, versteckt im Kleingedruckten. Eine Klausel, die dem Hausverwalter die Macht gab, das gesamte Gemeinschaftseigentum für alle Wohnungseigentümer abzunehmen.

Der Bauträger bei der unwirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den WEG-Verwalter: mangelhafte Balkone bleiben Streitpunkt.
Ungültige Abnahmeklausel durch Verwalter stoppte Verjährungsfrist und kostete Bauträger 700.000 Euro. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein praktischer Schachzug, der dem Bauträger einer 2003 errichteten Wohnanlage Zeit und Mühe sparen sollte. Doch genau dieser Schachzug entpuppte sich Jahre später als juristischer Bumerang. Er pulverisierte die gesamte Verteidigungsstrategie des Unternehmens gegen eine Mängelforderung von fast 700.000 Euro.

Weshalb scheiterte die Verteidigung an der angeblichen Abnahme?

Der Bauträger baute seine Verteidigung auf einem einzigen Datum auf: dem 8. Juni 2005. An diesem Tag, so argumentierte er, habe der Verwalter das Gemeinschaftseigentum offiziell abgenommen. Mit dieser Abnahme beginne die fünfjährige Gewährleistungsfrist zu laufen. Als die Wohnungseigentümergemeinschaft 2012 Mängel an den Balkonen rügte, seien alle Ansprüche längst verjährt. Eine simple Rechnung.

Doch die Richter des Oberlandesgerichts München sahen hier einen fundamentalen Denkfehler. Die Klausel in den Verträgen, die dem Verwalter diese Abnahme überhaupt erst erlaubte, war von Anfang an unwirksam. Die Begründung ist einleuchtend: Die Abnahme ist eines der wichtigsten Rechte des Käufers. Er erklärt damit, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Dieses zentrale Recht kann man ihm nicht einfach per Formularvertrag wegnehmen und auf einen Dritten übertragen – schon gar nicht auf den vom Bauträger oft selbst eingesetzten Erstverwalter. Ein solcher Verwalter bietet nicht die Gewähr für eine unabhängige und kritische Prüfung. Das benachteiligt die Käufer unangemessen.

Auch das Argument des Bauträgers, die Eigentümergemeinschaft habe die Abnahme durch den Verwalter später per Beschluss gebilligt, zündete nicht. Ein Beschluss, so das Gericht, kann eine von vornherein unwirksame Vertragsklausel nicht heilen. Im Klartext: Ohne eine wirksame Abnahme hatte die Verjährungsfrist nie zu laufen begonnen. Die Mängelrüge aus dem Jahr 2012 kam nicht zu spät. Sie kam gerade rechtzeitig.

Zählen die Balkone nicht zum Privateigentum der Wohnungsbesitzer?

Der Bauträger versuchte eine zweite Verteidigungslinie. Die Mängel beträfen doch die Balkone. Und Balkone, so die Argumentation, seien Sondereigentum. Jeder Eigentümer müsse sich also selbst um seine Ansprüche kümmern. Die Gemeinschaft als Ganzes könne gar nicht klagen.

Auch dieser Einwand verfing nicht. Die Richter stellten klar, dass es einen Unterschied zwischen dem Balkonbelag und der tragenden Struktur gibt. Die fehlerhaft gegossenen Betonplatten der Balkone – die sogenannten Kragplatten – sind für die Statik des gesamten Gebäudes von Bedeutung. Sie sind damit zwingend Gemeinschaftseigentum. Die Zuständigkeit der klagenden Eigentümergemeinschaft war damit gegeben. Sie war die richtige Klägerin.

Warum gab es keinen Abzug für den Wertzuwachs „Neu für Alt“?

Zuletzt brachte der Bauträger ein Billigkeitsargument vor. Die Sanierung der Balkone fast 20 Jahre nach dem Bau würde deren Lebensdauer verlängern. Die Eigentümer erhielten also etwas Besseres als das, was sie ursprünglich bekommen hätten. Dieser Vorteil, so der Bauträger, müsse von der Schadenssumme abgezogen werden – ein sogenannter Abzug „Neu für Alt“.

Das Gericht schob diesem Argument einen Riegel vor. Zum einen wurde der Einwand zu spät im Verfahren vorgebracht. Zum anderen durchkreuzte er den Sinn des Gewährleistungsrechts. Ein Bauunternehmer, der ein mangelhaftes Werk abliefert, soll es unverzüglich reparieren. Er kann sich nicht darauf berufen, dass sein eigenes, jahrelanges Zögern bei der Mängelbeseitigung ihm nun einen finanziellen Vorteil verschaffen soll. Der Anspruch des Käufers auf ein von Anfang an mangelfreies Werk wird nicht dadurch geschmälert, dass der Verursacher des Mangels seine Pflichten lange ignoriert hat.

Die Urteilslogik

Fehlerhafte Vertragsklauseln zur Abnahme von Gemeinschaftseigentum entfalten keine Wirkung und sichern damit die Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft langfristig.

  • Abnahme durch Dritte ist unwirksam: Ein Formularvertrag darf das essenzielle Abnahmerecht für Gemeinschaftseigentum nicht auf einen Dritten, wie den Erstverwalter, verlagern, da dies Käufer unangemessen benachteiligt.
  • Zwingendes Gemeinschaftseigentum: Bauteile, die für die Statik oder den Bestand eines Gebäudes wesentlich sind, wie tragende Balkonkonstruktionen, zählen zwingend zum Gemeinschaftseigentum.
  • Keine Vorteile aus Mängelbeseitigung: Ein Verursacher von Mängeln darf aus seiner verzögerten Mängelbeseitigung keinen finanziellen Vorteil durch einen Abzug „Neu für Alt“ ziehen.

Die Justiz sichert grundlegende Käuferrechte und stellt sicher, dass Bauträger für mangelhafte Leistungen umfassend haften.


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Stehen Sie als WEG ebenfalls wegen Baumängeln am Gemeinschaftseigentum mit einem Bauträger im Konflikt? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Angelegenheit.


Experten Kommentar

Mancher Bauträger sieht in der Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine reine Formalie, die man geschickt delegieren kann. Dieses Urteil stellt aber klar: Eine Klausel, die dem Verwalter die Abnahme erlaubt, ist von Anfang an unwirksam, denn das zentrale Recht der Käufer, Mängel ordentlich zu prüfen, lässt sich nicht per Formularvertrag aushebeln. Wer nach mangelhaften Balkonen oder Rechten der WEG sucht, sieht hier, dass die Uhr für Gewährleistungsansprüche erst dann zu ticken beginnt, wenn wirklich ordentlich abgenommen wurde. Für Bauträger ist das eine klare Ansage: Die Verantwortung für ein mangelfreies Werk verschwindet nicht einfach im Kleingedruckten – schon gar nicht durch den eigenen Erstverwalter.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie muss die Abnahme meines Gemeinschaftseigentums richtig erfolgen?

Die Abnahme Ihres Gemeinschaftseigentums muss persönlich durch die Wohnungseigentümer selbst oder durch einen von ihnen unabhängig bevollmächtigten Dritten erfolgen. Klauseln im Bauträgervertrag, die diese zentrale Aufgabe einem vom Bauträger eingesetzten Erstverwalter übertragen, sind höchstrichterlich als unwirksam anzusehen. Dieses entscheidende Recht darf Ihnen nicht pauschal entzogen werden.

Die Regel lautet klar: Die Abnahme stellt einen der wichtigsten Schritte im Kaufprozess Ihrer Immobilie dar. Sie bestätigen damit, dass das Werk des Bauträgers im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat daher das grundlegende Recht, sein Sondereigentum sowie anteilig das Gemeinschaftseigentum selbst oder durch einen speziell von ihm Bevollmächtigten abzunehmen.

Problematisch sind oft Klauseln in Bauträgerverträgen. Diese versuchen häufig, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums pauschal einem Erstverwalter zu übertragen. Juristen nennen das unwirksam, besonders wenn dieser Verwalter vom Bauträger selbst eingesetzt wurde. Der Grund: Ein solcher Verwalter kann keine wirklich unabhängige und kritische Prüfung gewährleisten. Dadurch werden Ihre Käuferrechte unangemessen beschnitten. Eine von vornherein unwirksame Klausel kann übrigens auch nicht durch einen späteren WEG-Beschluss geheilt werden. Dies hat das Oberlandesgericht München in einem vergleichbaren Fall kürzlich bekräftigt. Erst mit einer wirksamen Abnahme beginnt die fünfjährige Gewährleistungsfrist für Mängel zu laufen. Ohne diese Abnahme bleiben Ihre Mängelansprüche deutlich länger bestehen.

Ein passender Vergleich: Beim Kauf eines Neuwagens würde niemand die finale Qualitätskontrolle dem Hersteller selbst überlassen. Sie vertrauen einer unabhängigen Prüfstelle. Genauso entscheidend ist eine objektive Abnahme Ihres Gemeinschaftseigentums. Nur so werden Mängel erkannt und Ihre Rechte gewahrt.

Überprüfen Sie sofort Ihren Bauträgervertrag. Suchen Sie nach Klauseln zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Markieren Sie insbesondere Passagen, die einem Verwalter pauschal die Abnahmevollmacht erteilen. Solche Formulierungen bergen enorme Risiken für Ihre Gewährleistungsansprüche, wie der Bauträger im zitierten Fall erfahren musste. Zögern Sie nicht, im Zweifel eine fachkundige Rechtsberatung einzuholen. Ihre finanzielle Sicherheit hängt davon ab.


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Welche Rechte habe ich als einzelner Käufer bei Mängeln im Sondereigentum?

Für Mängel, die ausschließlich Ihr Sondereigentum betreffen (beispielsweise Ihre Sanitäranlagen oder Innentüren), sind Sie als einzelner Käufer primär selbst für die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Bauträger zuständig. Anders verhält es sich, wenn das Gemeinschaftseigentum betroffen ist – hier muss die Eigentümergemeinschaft aktiv werden, wie bei den tragenden Balkonplatten im Gerichtsfall.

Als Erwerber einer Eigentumswohnung besitzen Sie das direkte Recht, Mängel an Ihrem Sondereigentum beim Bauträger zu rügen. Typischerweise umfasst dies alle Bauteile innerhalb Ihrer eigenen vier Wände, die weder tragend sind noch andere Eigentümer unmittelbar betreffen. Denken Sie an die Oberflächen, Armaturen, Türen oder die Elektroinstallationen in Ihrer Wohnung; bei solchen Mängeln sind Sie eigenständig befugt, den Bauträger zur Nachbesserung aufzufordern und Ihre Ansprüche geltend zu machen.

Jedoch ist die Abgrenzung zum Gemeinschaftseigentum oft eine knifflige Angelegenheit. Bauteile, die für die Statik des Gesamtgebäudes wichtig sind oder die äußere Gestalt beeinflussen, gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum. Dazu zählen Fassadenbereiche, Dächer, tragende Wände und eben auch die tragenden Elemente von Balkonen, wie die sogenannten Kragplatten. Selbst wenn Sie den Balkon als ‚Ihren‘ wahrnehmen, ist die Substanz rechtlich oft Gemeinschaftseigentum. In solchen Fällen ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) die einzig richtige Partei, um Mängel geltend zu machen. Eine falsche Einschätzung dieser Zuständigkeit kann gravierende Folgen haben und schlimmstenfalls dazu führen, dass Ihre Ansprüche verjähren, weil die falsche Partei geklagt hat. Ihre Teilungserklärung gibt hierüber Aufschluss.

Ein passender Vergleich ist Ihr Fenster: Das Glas mag zu Ihrem Sondereigentum gehören, die Fensterrahmen und die äußere Verkleidung hingegen sind oft Teil des Gemeinschaftseigentums, da sie die Fassade prägen und das gesamte Gebäude schützen. Ist das Glas gesprungen, handeln Sie allein. Ist der Rahmen undicht und beeinträchtigt die Bausubstanz, ist die Gemeinschaft gefragt.

Dokumentieren Sie umgehend alle Mängel präzise. Machen Sie Fotos und schreiben Sie eine detaillierte Beschreibung des Problems. Ebenso wichtig ist es, Ihre Teilungserklärung gründlich zu prüfen. Darin ist genau festgelegt, welche Bauteile explizit Ihrem Sondereigentum zugewiesen sind und welche zum Gemeinschaftseigentum gehören. Nehmen Sie bei Unsicherheiten nicht vorschnell rechtliche Schritte allein in die Hand, besonders bei Bauteilen, die sowohl Sondereigentum als auch Gemeinschaftseigentum betreffen könnten, wie Fassadenanteile an Balkonen. Ein Fehler bei der Zuständigkeitsprüfung kann zum Verlust Ihrer wertvollen Ansprüche führen.


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Was mache ich, wenn mein Bauträger Mängel nicht beheben will?

Wenn Ihr Bauträger Mängel nicht beheben will, müssen Sie aktiv werden und Ihre Ansprüche durchsetzen. Passivität führt nicht zum Ziel. Es ist entscheidend, Mängel umgehend und nachweisbar zu rügen. Ein zögernder Bauträger kann sich später nicht auf einen vermeintlichen Vorteil durch den Zeitablauf berufen. Sie haben ein Recht auf ein mangelfreies Werk. Dies sollten Sie unbedingt einfordern.

Die Regel lautet: Entdecken Sie Mängel an Ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum, müssen Sie sofort handeln. Rügen Sie den Schaden schriftlich und nachweisbar beim Bauträger an. Ein Einschreiben mit Rückschein oder eine persönliche Übergabe mit Empfangsbestätigung sind hierfür ideal. Legen Sie dabei eine klare Frist zur Mängelbeseitigung fest, etwa 14 Tage. Damit setzen Sie den Bauträger in Verzug.

Wichtig ist zu wissen: Der Bauträger kann sich nicht darauf verlassen, dass sein jahrelanges Ignorieren der Mängelbeseitigung ihm später Vorteile verschafft. Ein Gericht hat klargestellt, dass ein sogenannter „Neu für Alt“-Abzug wegen einer langen Zeitspanne bis zur Reparatur nicht gerechtfertigt ist, wenn der Unternehmer selbst die Reparaturpflicht lange vernachlässigte. Ihr Anspruch auf ein mangelfreies Werk bleibt bestehen. Ohne eine wirksame Abnahme beginnen Gewährleistungsfristen zudem möglicherweise nie zu laufen.

Denken Sie an die Situation eines Autokaufs. Haben Sie ein defektes Neufahrzeug und der Händler weigert sich monatelang, es zu reparieren, können Sie nicht später zur Kasse gebeten werden, weil Sie nun eine nagelneue Bremse statt der ursprünglich defekten erhalten. Ihr Anspruch auf ein funktionstüchtiges Auto bestand von Anfang an. So ähnlich verhält es sich auch mit Mängeln am Bauwerk.

Setzen Sie Ihrem Bauträger schriftlich und nachweisbar eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Kündigen Sie unmissverständlich an, dass Sie bei untätigem Verstreichen dieser Frist rechtliche Schritte einleiten werden. Dazu gehört gegebenenfalls auch die Beauftragung eines Sachverständigen und eines Fachanwalts, um Ihre Ansprüche durchzusetzen und die Verjährung zu verhindern.


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Kann mein Verwalter für eine unwirksame Abnahme haftbar gemacht werden?

Ja, Ihr Verwalter kann unter bestimmten Umständen für eine unwirksame Abnahme haftbar gemacht werden. Dies gilt insbesondere, wenn er seine Pflichten zur unabhängigen Prüfung oder zur Wahrung der Interessen der Eigentümer grob verletzt hat. Ein vom Bauträger eingesetzter Verwalter bietet nämlich keine Gewähr für eine objektive Prüfung, da hier ein Interessenkonflikt vorliegt. Eine fehlerhafte Abnahme kann gravierende finanzielle Folgen haben.

Grundsätzlich trägt Ihr Verwalter die Verantwortung, die Belange der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gewissenhaft zu vertreten. Dazu gehört auch die Sicherstellung einer formal korrekten und rechtlich haltbaren Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Dies ist ein zentrales Recht der Käufer, das nicht einfach beschnitten werden darf.

Das Problem entsteht oft, wenn der Verwalter direkt vom Bauträger eingesetzt wurde und seine Abnahmevollmacht auf einer pauschalen Klausel im Bauträgervertrag basiert. Solche Klauseln sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung oft unwirksam. Warum? Weil ein solcher Verwalter eben nicht die nötige Distanz für eine kritische Mängelprüfung mitbringt. Er ist nicht unabhängig. Wenn durch eine solche fehlerhafte oder gar unwirksame Abnahme der WEG oder einzelnen Eigentümern finanzielle Schäden entstehen – zum Beispiel, weil Gewährleistungsfristen unbemerkt verstreichen oder Mängel nicht rechtzeitig gerügt werden können –, dann kann der Verwalter für diese Pflichtverletzung zur Rechenschaft gezogen werden. Seine Sorgfaltspflicht wurde verletzt.

Denken Sie an die Situation, als Sie Ihr Auto zur Reparatur bringen: Sie würden doch niemals den Mechaniker beauftragen, selbst zu überprüfen, ob er gute Arbeit geleistet hat, und gleichzeitig Ihre Garantieansprüche absegnen, richtig? Genau dieser Interessenkonflikt entsteht bei der Bauträger-Verwalter-Konstellation.

Fordern Sie umgehend vom aktuellen oder ehemaligen Verwalter alle Protokolle und Unterlagen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums an. Prüfen Sie genau, wann und wie diese formal erfolgt ist. Akzeptieren Sie niemals eine Abnahme durch einen Verwalter, der vom Bauträger eingesetzt wurde und nur aufgrund einer pauschalen Formularvertragsklausel handelt. Nur mit einer spezifischen, bewussten Bevollmächtigung durch die Eigentümergemeinschaft ist der Verwalter legitimiert. Handeln Sie jetzt, um Ihre Rechte zu sichern.


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Wie schütze ich mich vor solchen Klauseln im Bauträgervertrag?

Der effektivste Schutz vor unwirksamen oder nachteiligen Klauseln im Bauträgervertrag ist eine umfassende juristische Prüfung des Vertrags vor der Unterzeichnung. Insbesondere Klauseln zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen Verwalter gelten rechtlich als unwirksam und bergen große Risiken. Ein spezialisierter Anwalt kann diese Fallstricke frühzeitig erkennen.

Die Regel lautet: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ein Bauträgervertrag ist ein komplexes juristisches Dokument mit weitreichenden finanziellen Folgen. Viele Klauseln, die auf den ersten Blick harmlos oder praktisch erscheinen, können sich später als unwirksam erweisen und Sie als Käufer massiv benachteiligen. Ein zentraler Punkt betrifft die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Dieses grundlegende Recht steht Ihnen als Eigentümer zu. Es markiert den Beginn der Gewährleistungsfrist. Eine Klausel, die diese wichtige Aufgabe einem Erstverwalter überlässt – oft vom Bauträger eingesetzt – schafft einen klaren Interessenkonflikt. Juristen nennen das eine unangemessene Benachteiligung. Eine unabhängige Prüfung ist in solchen Fällen schlicht nicht gewährleistet. Aus diesem Grund sind solche Klauseln höchstrichterlich oft als unwirksam eingestuft worden. Ohne wirksame Abnahme beginnen die Gewährleistungsfristen jedoch nicht zu laufen, was erhebliche Risiken birgt.

Ein passender Vergleich ist der Kauf eines Neuwagens. Sie würden ihn nie ungesehen und ungetestet übernehmen. Genauso wenig sollten Sie bei Ihrer größten Investition die Prüfung und Abnahme des Werks anderen überlassen, deren Loyalität vielleicht nicht allein Ihnen gilt. Ein externer Experte prüft unabhängig.

Der wichtigste Ratschlag: Vereinbaren Sie noch heute einen Termin bei einem Fachanwalt für Bau- und Immobilienrecht. Lassen Sie Ihren Entwurf des Bauträgervertrags sorgfältig prüfen, bevor Sie jegliche Unterschrift leisten. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Rechte von Anfang an gewahrt bleiben.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abnahme des Gemeinschaftseigentums

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist der wichtige Moment, in dem die Wohnungseigentümer das vom Bauträger errichtete Werk – also das Gebäude selbst und seine Anlagen – offiziell als vertragsgemäß akzeptieren. Mit dieser Erklärung bestätigen die Käufer, dass die Bauleistung im Wesentlichen den Vereinbarungen entspricht. Das Gesetz knüpft daran den Beginn zentraler Fristen, wie der Gewährleistung.

Beispiel: Im vorliegenden Fall versuchte der Bauträger, eine durch den Verwalter durchgeführte Abnahme des Gemeinschaftseigentums als gültig darzustellen, obwohl die zugrunde liegende Klausel unwirksam war.

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„Neu für Alt“-Abzug

Einen „Neu für Alt“-Abzug fordern Parteien, um bei der Behebung eines Mangels einen finanziellen Vorteil abzuschöpfen, der durch die Werterhöhung einer Sache infolge der Reparatur entsteht. Das Gesetz soll eine ungerechtfertigte Bereicherung verhindern, wenn die Reparatur oder der Ersatz eines beschädigten Gegenstands zu einem deutlich besseren Zustand führt als dem ursprünglichen, vor dem Mangel bestehenden.

Beispiel: Der Bauträger forderte im vorliegenden Fall einen „Neu für Alt“-Abzug, da die Sanierung der Balkone nach fast 20 Jahren deren Lebensdauer verlängern und somit einen Vorteil für die Eigentümer bedeuten würde.

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Gewährleistungsfrist

Die Gewährleistungsfrist ist der Zeitraum, innerhalb dessen ein Käufer seine Ansprüche wegen Mängeln am Bauwerk gegenüber dem Bauträger geltend machen kann. Sie sichert dem Erwerber das Recht auf ein mangelfreies Werk. Innerhalb dieser Frist muss der Bauunternehmer für Fehler geradestehen. Für Bauwerke beträgt diese Frist üblicherweise fünf Jahre ab der Abnahme.

Beispiel: Die fünfjährige Gewährleistungsfrist hätte im Fall des Bauträgers erst mit einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu laufen begonnen, weshalb die Mängelrüge der Eigentümergemeinschaft von 2012 nicht verfristet war.

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Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum

Im Wohnungseigentumsrecht unterscheidet man zwischen Sondereigentum, das ausschließlich einem Eigentümer gehört, und dem Gemeinschaftseigentum, welches allen Wohnungseigentümern gemeinsam gehört und der Nutzung des gesamten Gebäudes dient. Diese rechtliche Trennung klärt, wer für welche Teile des Gebäudes zuständig ist, wer die Kosten trägt und wer Mängelansprüche geltend machen kann. Sie ermöglicht das Zusammenleben und die Verwaltung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Beispiel: Die Richter klärten im vorliegenden Fall, dass die tragenden Kragplatten der Balkone zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören, da sie für die Statik des Gebäudes entscheidend sind und nicht wie der bloße Balkonbelag als Sondereigentum gelten.

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Sorgfaltspflicht

Die Sorgfaltspflicht verpflichtet jemanden, sich in einer bestimmten Situation mit der gebotenen Umsicht und Achtsamkeit zu verhalten, um Schäden zu vermeiden oder Interessen anderer zu wahren. Mit dieser Pflicht stellt das Recht sicher, dass Akteure ihre Aufgaben verantwortungsvoll und zum Wohle der ihnen anvertrauten Personen oder Güter ausüben. Eine Verletzung kann zu Haftungsansprüchen führen.

Beispiel: Wenn der vom Bauträger eingesetzte Erstverwalter die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ohne unabhängige Prüfung durchführte, verletzte er seine Sorgfaltspflicht gegenüber der Eigentümergemeinschaft.

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Unwirksame Klausel

Eine unwirksame Klausel ist eine vertragliche Bestimmung, die trotz ihrer Aufnahme in den Vertrag rechtlich keine Gültigkeit entfaltet und daher nicht angewendet werden kann. Das Gesetz schützt Vertragsparteien, insbesondere Verbraucher, vor unangemessener Benachteiligung durch vorformulierte Klauseln. Solche Bestimmungen sollen keine Wirkung entfalten können, um die Gerechtigkeit im Vertragsrecht zu gewährleisten.

Beispiel: Die Klausel in den Kaufverträgen war unwirksam, da sie dem Verwalter die zentrale Abnahme des Gemeinschaftseigentums übertrug und somit die Käufer unangemessen benachteiligte.

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Verjährung

Verjährung bedeutet, dass ein Anspruch nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden kann, auch wenn er ursprünglich bestand. Dieses Prinzip schafft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Es verhindert, dass Parteien unbegrenzt mit alten Forderungen konfrontiert werden und fördert eine zügige Klärung rechtlicher Angelegenheiten.

Beispiel: Der Bauträger argumentierte, die Mängelansprüche seien verjährt, weil die Gewährleistungsfrist seiner Meinung nach bereits mit der angeblichen Abnahme durch den Verwalter begonnen habe.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei unangemessener Benachteiligung (§ 307 BGB)

    Klauseln in vorformulierten Verträgen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Vertragsklausel, die dem vom Bauträger eingesetzten Erstverwalter die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erlaubte, wurde als unangemessene Benachteiligung der Wohnungseigentümer angesehen und war daher von Anfang an unwirksam.

  • Abnahme des Werks im Werkvertragsrecht (§ 640 BGB)

    Der Besteller muss das vertragsgemäß hergestellte Werk abnehmen, sobald es fertiggestellt wurde.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Abnahme ist ein zentrales Recht des Käufers, das den Beginn wichtiger Fristen, wie der Gewährleistungsfrist, markiert; da die Übertragung dieses Rechts auf den Verwalter unwirksam war, gab es keine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Eigentümer.

  • Verjährung von Mängelansprüchen bei Bauwerken (§ 634a BGB)

    Ansprüche wegen Mängeln an einem Bauwerk verjähren grundsätzlich fünf Jahre nach der Abnahme des Werks.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Weil es keine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums gab, hatte die fünfjährige Verjährungsfrist nie zu laufen begonnen, weshalb die Mängelrüge der Eigentümergemeinschaft von 2012 nicht verjährt war.

  • Unterscheidung zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum (§ 1 WEG, § 5 Abs. 2 WEG)

    Tragende und statisch wichtige Gebäudeteile sind zwingend Gemeinschaftseigentum, während Teile, die ausschließlich dem individuellen Gebrauch dienen, Sondereigentum sein können.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlerhaften Kragplatten der Balkone wurden als für die Statik des gesamten Gebäudes bedeutsam eingestuft und sind somit Gemeinschaftseigentum, wodurch die Eigentümergemeinschaft zur Klage befugt war.


Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 28 U 3253/23 Bau – Beschluss vom 19.12.2023


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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