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Bauvertrag – Mehrvergütung wegen Änderung des Transportweges

Ungeeignetes Material und Mehrkosten: Baufirma verliert Rechtsstreit um Werklohnforderungen

In einem komplexen Fall, der vor dem Landgericht Landshut verhandelt wurde, ging es um die Klage einer Baufirma, die Werklohnforderungen geltend machte. Die Klägerin hatte den Auftrag für eine Baumaßnahme erhalten, bei der ein Deich errichtet werden sollte. Der Streit entzündete sich an der Frage, ob das während der Baumaßnahme ausgehobene Material für den Wiedereinbau geeignet war oder nicht. Die Klägerin hatte Mehrkosten angemeldet, da sie das Material für ungeeignet hielt und zusätzliches Material beschaffen musste. Das Gericht wies die Klage jedoch ab.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 54 O 2031/19 >>>

Die Kernproblematik: Eignung des Materials

Die Klägerin hatte den Zuschlag für die Baumaßnahme auf Grundlage einer Ausschreibung und eines Bietergesprächs erhalten. In der Ausschreibung und im Bietergespräch wurde die Möglichkeit der Wiederverwendung des ausgehobenen Materials thematisiert. Die Klägerin ging davon aus, dass 90% des Materials wiederverwendbar seien. Nach Baubeginn stellte sie jedoch fest, dass das Material für den Wiedereinbau ungeeignet war, was zu Mehrkosten führte.

Uneinigkeit über Mehrkosten und Fortführung der Arbeiten

Die Klägerin meldete die Mehrkosten beim Wasserwirtschaftsamt an, konnte sich jedoch nicht mit dem Beklagten einigen. Der Beklagte bestand darauf, dass die Arbeiten fortgeführt werden und etwaige Mehrkosten später gerichtlich geltend gemacht werden sollten. Zusätzlich entstanden weitere Mehrkosten, da die Stadt die Nutzung einer Zufahrtsstraße untersagte und die Lastwagen Umwege fahren mussten.

Die Position des Beklagten: Keine Grundlage für Mehrkosten

Der Beklagte argumentierte, dass die Wiederverwendung des Materials nie zugesichert wurde und die Klägerin dies nur spekulativ eingeplant hatte. Zudem sei die Qualität des auszuhebenden Bodens in der Baubeschreibung nicht festgelegt worden. Auch bezüglich der Zufahrtsstraße sah der Beklagte keine Grundlage für Mehrkosten, da die Klägerin die Zufahrt frei wählen konnte.

Gerichtliche Entscheidung: Kein Anspruch auf Zusatzvergütung

Das Gericht kam nach Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zusatzvergütung hat. Die Klage wurde abgewiesen, und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, und der Streitwert wurde auf 776.880,18 € festgesetzt.

Mit dieser Entscheidung bestätigte das Gericht die Auffassung des Beklagten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Zusatzvergütung für die entstandenen Mehrkosten hat. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die Wiederverwendung des Materials vertraglich zugesichert wurde oder dass sie aufgrund der Ausschreibung davon ausgehen konnte.

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Das vorliegende Urteil

LG Landshut – Az.: 54 O 2031/19 – Endurteil vom 16.10.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 776.880,18 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Werklohnforderungen geltend.

Nach vorhergehender Ausschreibung wurde die Klägerin vom Beklagten mit Vergabeschreiben vom 25.01.2018 mit der Baumaßnahme „S.“. Grundlage für den Auftrag war das Angebot der Klägerin vom 18.12.2017 sowie das Bietergespräch vom 12.01.2018. Die Einbeziehung der VOB/B wurde vereinbart.

Im Leistungsverzeichnis, welches dem Angebot zugrunde lag, heißt es in der Positionsnummer 05.02.0010 (Anlage K4):

Boden lösen und entsorgen (Deichaufstandsfläche)

Boden profilgerecht oder nach Unterlagen des AG lösen, laden, fördern.

(…) Boden der Klassen 3 bis 5,

aus „Deichhinterweg, Deichaufstandsfläche und bestehendem Deichkörper, Böschungen mit einer Neigung bis 1 : 1,5 und flacher“

Boden lösen und in Eigentum des AN übernehmen und einer Verwertung nach Wahl des AN zuführen.

Unter der Positionsnummer 05.02.0120 (Anlage K3) war die Lieferung und der Einbau von Deichschüttmaterial nach konkreten geologischen und bodenmechanischen Eigenschaften des eingebauten Schüttmaterials gefordert.

In der Baubeschreibung, welche Teil der Ausschreibung war, heißt es unter Ziffer 11 (Anlage K5):

Im Planungsbereich des rückverlegten Deichneubaus sind keine Bodenaufschlüsse vorhanden. Entlang des bestehenden Deichs, parallel zum gegenständlichen Bauabschnitt, wurden im Jahr 2010 zwei Baugrunderkundungen (siehe Anlage 7) in einem Abstand von ca. 600 m durchgeführt. Diese dienen als Planungsgrundlage und geben den Bodenaufbau incl. bestehender Deichauffüllung wieder.

(…)

Ergänzende Baugrunderkundung 2017

Im Mai 2017 wurden ergänzend, im Abstand von ca. 100 m, insgesamt 19 Schürfe zur Erkundung der Deckschichten in Deichaufstandsfläche der neu gebauten Trasse durchgeführt. Unter einer Oberbodenschicht von ca. 30 cm bis 35 cm steht in den Ackerflächen größtenteils eine sandige teils schluffige Schicht mit einer Mächtigkeit von 20 cm bis 130 cm an. Darunter folgt die anstehende Kiesschicht.

Am 12.01.2018 nahm der Zeuge P für die Klägerin an einem Bietergespräch im Wasserwirtschaftsamt L. teil, an welchem auch die Zeugin W und der Zeuge E teilnahmen. Ausweislich des Protokolls wurde auf die genannten LV-Positionen wie folgt eingegangen (Anlage K7):

Zu LV-Pos. 05.02.0010 „Boden lösen und entsorgen (Deichaufstandsfläche)“ gibt Herr P an, dass der vergleichsweise günstige Einheitspreis in der Wiederverwertung des gelösten Bodens begründet ist der Kalkulation des EP’s ist das lösen [sic] des Sandes und das Einmischen in das gelieferte Deichschüttmaterial berücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass nur 10% des gelösten Sandes entsorgt werden müssen. Die hierfür anfallenden Entsorgungskosten sind in dem EP enthalten.

Zu LV-Pos. 05.02.0120 „Deichschüttmaterial liefern, einb., verdicht.“ gibt Herr P an, dass als Schüttmaterial eine Mischung von Liefermaterial und dem anstehenden Sand vorgesehen ist. Dem vorgesehenen Liefermaterial, welches sich an der gröberen Grenze des vorgebebenen [sic] Körnungsbandes befindet, wird der zuvor gelöste Sand mittels Schubraupen mit Aufreißern beigemischt. Die Eignungsprüfung des gemischten Materials erfolgt anhand von Probefeldern im Baufeld mit angemessener Vorlaufzeit vor Beginn der Deichschüttung in Abstimmung mit dem AG. Ein gemeinsamer Termin von Eigen- und Fremdüberwacher ist vorgesehen. Falls das gemischte Material nicht die geforderten Eigenschaften erfüllt, ist Liefermaterial verfügbar, welches ohne die Beimischung von Sand alle geforderten Eigenschaften erfüllt. (…) Die Grube, aus der das Deichschüttmaterial entnommen wird, ist noch nicht bekannt und wird vom Bieter nachgereicht. Die Kornvertellung des vorgesehenen Materials sowie die Bodenkennwerte erfragt der Bieter bei seinem Lieferanten und reicht diese ebenfalls nach. Darüber hinaus findet sich im Protokoll eine Überprüfung der Kalkulation aus der Urkalkulation der Klägerin hinsichtlich der beiden genannten Positionen.

Dem Angebot der Klägerin lag somit zugrunde, dass die Klägerin 90% des auszuhebenden Materials wieder zum Einbau bei Herstellung des Deichs benützen konnte.

Beginn der Arbeiten war am 09.02.2018, am 23.10.2018 wurden die Arbeiten durch das WWA abgenommen.

Nach Baubeginn stellte die Klägerin fest, dass das vorhandene Material für den Wiedereinbau ungeeignet war. Daraufhin meldete die Klägerin mit Schreiben vom 13.03.2018 Mehrkosten an, was auch Gegenstand einer Besprechung mit dem WWA am 20.03.2018 war. Eine Einigung hinsichtlich etwaiger Mehrkosten gab es nicht. Der Beklagte bestand auf Fortführung der Arbeiten und einer gegebenenfalls gerichtlichen Geltendmachung der Mehrkosten im Nachgang.

Weitere Folge des nicht geeigneten Materials war auch, dass die Klägerin nunmehr Material auf die Baustelle zufahren musste. Diese Zufahrt erfolgte über die B im Westen von L. Die Stadt L untersagte der Klägerin nach Anwohnerbeschwerden die Nutzung dieser Straße per Email vom 30.07.2018 (Anlage K27). Die Lastwagen mussten daraufhin Umwege fahren. Mit Schreiben vom 10.08.2018 meldete die Klägerin insoweit Mehrkosten an, was seitens des WWA abgelehnt wurde.

Die Klägerin behauptet, dass sie aufgrund der Angaben in der Ausschreibung und der Ergebnisse der Bodengutachten davon ausgehen konnte, dass das auszuhebende Material tatsächlich zum Wiedereinbau benutzt werden könne. Nachdem das Protokoll des Bietergesprächs vom 12.01.2018 nach dessen eindeutigem Inhalt zum Vertragsbestandteil werden sollte, sei es auch zur Geschäftsgrundlage gemacht worden. Der Mehraufwand für die Anlieferung des Materials berechne sich auf 736.675,56 €. Bezüglich des Nachtrags 3 führt die Klägerin an, dass sich die Baubeschreibung die Zufahrt zur Baustelle auf der Ostseite über die B und Flutmulde hätte erfolgen können. Bei der Arbeitsvorbereitung habe das WWA per E-Mail vorgegeben, dass im Osten die Zufahrt über die B erfolgen solle. Deswegen ergäben sich Mehrkosten in Höhe von 40.204,62 € netto.

Die Klägerin beantragt, der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 776.880,18 netto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der D BK hieraus seit dem 15.02.2019 zu bezahlen.

De Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Leistungsverzeichnis allein die Entsorgung des Materials vorgesehen hätte, nicht aber die Wiederverwendung. Weil das Deichschüttmaterial konkrete bodenmechanische Eigenschaften aufweisen solle, habe es ausdrücklich geliefert werden müssen. Auch eine Eignungsprüfung des Materials sei erforderlich gewesen, weswegen ein Anteil von 90% wiederverwendbaren Materials reine Spekulation der Klägerin gewesen sei. Das WWA habe die Wiederverwendbarkeit ausdrücklich in Frage gestellt und nachgefragt, wie die Klägerin bei Ungeeignetheit des Materials vorgehen wolle. Die Klägerin habe dann auf den Zukauf hingewiesen und angegeben, dies sei bereits einkalkuliert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergäbe sich aus der Baubeschreibung gerade nicht, welche Qualität der auszuhebende Boden habe. Bezüglich des Nachtrags 3 habe die Klägerin die Zufahrten frei wählen können, Vorschriften des Beklagten habe es insoweit nicht gegeben. Es sei auch schließlich die Klägerin gewesen, die ihrer eigenen Genehmigung, welche sei bei der Stadt L beantragt habe, zuwider gehandelt habe. Ein Einwirken des Beklagten habe es insoweit nicht gegeben.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen P, E und W. Für die Einzelheiten wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 22.09.2020 (Bl. 128 ff. d.A.).

Zur Vervollständigung des Tatbestands wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zusatzvergütung kann die Klägerin nicht beanspruchen.

I. Ein weiterer Werklohnanspruch der Klägerin besteht nicht auf Grundlage des § 2 Abs. 5 VOB/B.

II. Die Parteien haben sich durch den Zuschlag vom 25.01.2018 (Anlage K1), welcher auf die Ausschreibung vom 24.11.2017 (Anlage B1) und das Bietergespräch vom 12.01.2018 (Anlage K7) basierte, vertraglich verbunden. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

III. Eine Auslegung von Baubeschreibung und Leistungsverzeichnis ergibt, dass eine Wiederverwertung des in der Deichaufstandsfläche ausgehobenen Materials nicht Gegenstand der vom Beklagten ausgeschriebenen Arbeiten gewesen ist. Im Falle einer Ausschreibung nach der VOB/A, wie hier vorliegend, ist für die Auslegung der Leistungsbeschreibung die Sicht der möglichen Bieter als Empfängerkreis maßgebend. Das Verständnis nur Einzelner kann nicht berücksichtigt werden (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 21. A., § 2 Abs. 5, Rn. 5). Bei der Auslegung kommt dabei dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung besondere Bedeutung zu. Nicht im Wortlaut enthaltene Einschränkungen können nur zum Tragen kommen, wenn sie von allen gedachten Empfängern in gleicher Weise verstanden werden mussten (Ingenstau/Korbion, a.a.O.).

Der Zeuge E hat nachvollziehbar und plausibel angegeben, dass abgesehen von der Klägerin kein weiterer Bieter für die hier streitgegenständliche Baumaßnahme die Idee hatte, das Aushubmaterial aus der Deichaufstandsfläche für die Aufschüttung des Deiches wiederzuverwerten und durch Einmischung des Aushubs Material einzusparen. Bereits dies ist ein Hinweis darauf, dass aus Sicht eines möglichen Bieters das Leistungsverzeichnis in Position 05.02.0010 in Verbindung mit der Einbauposition 05.02.0120 nicht zwingend so verstanden werden konnte, dass das Material für das Aufschütten des Deichs aus der Deichaufstandsfläche entnommen und mit eingemischt werden kann. Dies umso mehr, als sich zumindest aus der Positionsnummer 0010 nicht ergibt, welche genauen bodenmechanischen Eigenschaften das Material hat, während hingegen Position 0120 sehr konkrete Eigenschaften vorgab, um eine Haltbarkeit des Deiches im Hochwasserfall zu gewährleisten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der Baubeschreibung in Ziffer 11 (Anlage K5) gerade kein Hinweis darauf, dass das Material in der Deichaufstandsfläche zum Wiederverwenden für den Deich geeignet ist. Gleich der erste Satz stellt klar, dass im Planungsbereich keine Bodenaufschlüsse vorhanden sind. Die nachfolgend aufgeführten Bohrprofile, die allesamt aus dem Jahr 2010 stammen, basieren aus Baugrunduntersuchungen beim parallel verlaufenden bestehenden Deich, geben also die Bodenverhältnisse in einem anderen Bereich wieder. Abgesehen von der örtlichen Differenz zeigen die Bohrprofile auch nicht den ursprünglich anstehenden Boden, sondern den Bodenaufbau nach Fertigstellung des Deiches, also nach Aushub des Originalbodens und ggf. Austausch der Aufstandsfläche und Aufschüttung des Deiches selber. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Bohrprofile aus dem Paralleldeich geeignet sein sollten, das natürlich anstehende Material in der hier streitgegenständlichen Deichaufstandsfläche des Bauvorhabens widerzuspiegeln und Rückschlüsse auf den gewachsenen Boden zuzulassen. Dies trägt die Klägerin nicht vor und konnte auch der Zeuge P auf Nachfrage nicht erklären. Für ihn war die Angabe in der Baubeschreibung „bei der Kalkulation ausreichend“, obwohl sich der Abschnitt zu den ergänzenden Baugrunderkundungen im Jahr 2017 in einer ungefähren Angabe zu Mächtigkeit und Zusammensetzung der Schicht unterhalb der Ackerflächen erschöpft. Die Mächtigkeit soll zwischen 20 cm und 130 cm schwanken, ohne dass sich aus dem Text der genaue Verlauf ergibt, insbesondere ob die 130 cm über weitere Strecken anzutreffen sind. Immerhin umfasst die ergänzende Erkundung einen Bereich von fast zwei Kilometern Länge. Die Zusammensetzung des Materials bleibt völlig im Ungefähren, wobei entgegen der Auffassung des Zeugen P gerade keine „größtenteils sandige teils schluffige Schicht“, sondern „größtenteils eine sandige teils schluffige Schicht“ vorgefunden wurde. Die sandige teils schluffige Schicht (deren Verhältnis zwischen Sand und Schluff schon nicht definiert ist!) soll also den größten Teil ausmachen, wobei dies rein semantisch einen Bereich zwischen 50% und 100% umfasst (und damit unklar bleibt, woraus der Rest des Materials besteht, das nicht „sandig teils schluffig“ ist). Die Baubeschreibung war in dieser Hinsicht gerade nicht geeignet, Rückschlüsse auf das Material zu ziehen. Dies hat der Zeuge P eingangs der Erörterung der Baubeschreibung auch zugegeben, als er angab, „per Baubeschreibung war beschrieben, dass unter dem Oberboden eine Sachschicht vorhanden ist, die für den Einbau nicht geeignet ist“ (Protokoll S. 3). Wie dann aber eine Wiederverwertung des prinzipiell ungeeigneten Materials mit einer Quote von 90% möglich sein sollte, blieb das Geheimnis des Zeugen. Bereits hier ist festzuhalten, dass die Klägerin weder während der Ausschreibung noch beim Bietergespräch eine Rückfrage diesbezüglich für nötig befunden hat, nicht einmal, als die Zeugen E und W im Bietergespräch unstreitig (s. Aussage P) die Klägerin auf die aus ihrer Sicht Ungeeignetheit des Aushubmaterials für den Deichbau hinwiesen.

Weitere Bohrprofile oder ähnliche genauere Angaben gibt es für die Fläche des Deichneubaus nicht und werden auch von der Klägerin nicht behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Baubeschreibung und dem eindeutigen Text im Leistungsverzeichnis ist für den möglichen Bieter somit (lediglich) ausschlaggebend, dass er das Material lösen muss und damit verfahren kann, wie er möchte.

Entgegen der Auffassung des Beklagten schließt das Leistungsverzeichnis nicht aus, dass eine Wiederverwertung des Bodens ausgeführt wird. Allerdings kann das Leistungsverzeichnis auch nicht so verstanden werden, dass eine Wiederverwertung des gelösten Bodens auch sicher möglich ist, um die in Position 0120 geschilderten bodenmechanischen Eigenschaften des neuen Deichs zu erreichen. Erst recht nicht mit einer Quote von 90%. Eine solche Wiederverwertung hätte sicherlich positive Nebeneffekte im Sinne einer Ressourcenschonung und der Vermeidung unnötigen Lkw-Verkehrs gehabt. Aus den Vergabeunterlagen ergibt sich aber kein Hinweis, dass ein Bieter mit solch einer Möglichkeit rechnen konnte.

IV. Die Beweisaufnahme hinsichtlich des Bietergesprächs vom 12.01.2018 hat ergeben, dass es keine Vertragsgrundlage zwischen den Parteien gegeben hat, die in der Deichaufstandsfläche entnommenen Bodenschichten seien für die Wiederverwertung im neu herzustellenden Deich geeignet. Schon aus dem Protokoll ergibt sich keine Billigung eines solchen Vorgehens. Im Protokoll ist nur festgehalten, dass der Zeuge P die Grundlage der Kalkulation erläutert. Alle Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass eine Nachfrage erfolgte, weil die Klägerin in der Hinsicht deutlich günstiger war als die anderen Bieter. Auch waren sich alle drei Zeugen einig, dass das WWA im Zuge des Vergabeverfahrens davon ausgegangen ist, dass das ausgehobene Material in der Deichaufstandsfläche zum Wiedereinbau ungeeignet ist. Dies erklärt auch die Nachfrage zur Position 0120, in welchem sich das WWA versicherte, dass die Klägerin im Falle eines Zuschlags auch Material zur Verfügung hat, mit welchem sie den Deich im Wege der Zulieferung aufschütten kann. Auch dies wurde seitens der Klägerin bestätigt. Wie die Zeugin W überzeugend und auch nachvollziehbar ausgeführt hat, konnte der Zuschlag erst erteilt werden, als die Klägerin die Bodenkennwerte, welche im letzten Absatz auf Seite 7 des Bietergesprächprotokolls festgehalten sind, nachreichte. Als diese zur Zufriedenheit des WWA ausfielen, konnte der Zuschlag am gleichen Tag noch erteilt werden. Daraus ergibt sich, dass es für das WWA essentiell wichtig war, dass die Aufschüttung die im LV genannten bodenmechanischen Eigenschaften einhält, da die Klägerin den Zuschlag nur erhalten konnte, wenn das Zulieferungsmaterial die Vorgaben auch einhält. Es ergibt sich daraus aber gerade nicht, dass eine Wiederverwertung des Materials für das WWA relevant gewesen wäre. Dann wäre naheliegend gewesen, dass sich das WWA auch die Eigenschaften des Aushubmaterials nachweisen lässt.

Außerdem hat keiner der drei Zeugen auf ein irgendwie geartetes Einverständnis des Beklagten zu einer Wiederverwertung Angaben gemacht. Auch der Zeuge P hat eingeräumt, dass das WWA auf nicht geeignetes sandiges Material hingewiesen hat. Ebenso hat er ausgesagt, der Auftraggeber (also der Beklagte) habe die vermutete Folge einer Wiederverwertung des Aushubmaterials, nämlich eine Reduktion des Lkw-Verkehrs, zur Kenntnis genommen. Eine Billigung dieses Vorgehens ist dies nicht. Die Zeugen E und W hingegen sind für die relevanten LV-Positionen eindeutig davon ausgegangen, das Material werde aus dem Boden gelöst und anschließend weggefahren. Diese beide Zeugen gaben an, man habe auf die Ungeeignetheit des abzufahrenden Materials für den Deichaufbau hingewiesen. Der Zeuge E hat angegeben, man habe Bedenken an der Vorgehensweise der Klägerin geäußert, allerdings der Klägerin dieses Vorgehen auch nicht untersagt. Auch dies ist keine Billigung dergestalt, dass man von einer einvernehmlichen Vertragsgrundlage der Wiederverwertung des ausgehobenen Bodens ausgehen konnte.

Daraus folgt allerdings, dass zum Zeitpunkt des Bietergesprächs und damit auch des Zuschlags beide Seiten nicht von einer übereinstimmenden Vertragsleistung ausgegangen sind, die später anders ausgeführt wurde, was aber Grundvoraussetzung für einen Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B wäre (Ingenstau/Korbion, Rn. 6). Insbesondere der Beklagte hat zwar zur Kenntnis genommen, dass die Klägerin eine Wiederverwertung plane, allerdings hat die Klägerin auch die Lieferung von neuem Material zugesagt, sollte sich das Material (wie später tatsächlich der Fall) für den Wiedereinbau nicht tauglich sein. Ausgeführt wurde ausweislich der Auslegung von Leistungsverzeichnis und Baubeschreibung gerade diejenige Leistung, welche ursprünglich auch Grundlage der Ausschreibung gewesen ist.

V. Daraus ergibt sich hinsichtlich es hier geltend gemachten Nachtrags 2 (Lieferung von geeignetem Material für den Deich) keine Änderung der Preisgrundlagen aufgrund eines Eingriffes des Beklagten, mithin also kein Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B.

Denn von § 2 Abs. 5 VOB/B sind gerade diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen die angeblich geänderte Leistung bereits vom bisher bestehenden vertraglichen Leistungsumfang erfasst ist (Ingenstau/Korbion, Rn. 16). Wie oben ausgeführt war der vertragliche Leistungsumfang in der Ausschreibung mit einer Neulieferung von Deichmaterial ausgeschrieben. Das Risiko einer Fehlkalkulation trägt dann die Klägerin als Auftragnehmerin, wenn sie sich vor Abgabe ihres Angebots nicht nach den Einzelheiten der geplanten Ausführung erkundigt hat, die sie weder dem Leistungsverzeichnis noch den damals überlassenen Planungsunterlagen hinreichend entnehmen konnte, die sie aber für eine zuverlässige Kalkulation hätte kennen sollen (Ingenstau/Korbion, Rn. 17; BGH, Urteil vom 25.06.1987, Az. VII ZR 107/86; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.02.2013, Az. 12 U 120/12). Unklarheiten darf die Klägerin als Auftragnehmerin nicht einfach akzeptieren und durch für sie günstige Kalkulationsannahmen ausfüllen, sondern muss Zweifel bereits vor Abgabe des Angebots ausräumen. Ein damit einhergehender Kalkulationsirrtum kann von der Klägerin nicht auf den Beklagten abgewälzt werden, vor allem, wenn dies wie vorliegend auf einer erkennbaren Fehleinschätzung der Baubeschreibung durch die Klägerin beruht:

Der Zeuge P hat auf Nachfrage des Beklagtenvertreter eingeräumt, dass er Bautechniker ist, aber keine geologische Ausbildung hat. Die Frage, woher er seine Annahme einer 90%igen Wiederverwertungsquote des ausgehobenen Materials für den Deichneubau nahm, konnte der Zeuge nicht beantworten. Er gab zu, dass er die Wiederverwertungsquote selber geschätzt hatte und dies mit seiner Erfahrung aus anderen Aufträgen begründet. Auf welcher Tatsachenbasis er diese Quote bestimmt hat, nachdem die Baubeschreibung so unklar formuliert hat, blieb offen. Er verwies zwar auf die Baubeschreibung, konnte aber nicht erklären, woraus sich daraus Grundlagen für die Schätzung ergeben haben sollen. Vielmehr „ging er davon aus“, dass „sandschluffiges Material“ einen Anteil von 15% Schluff hat. Wie er darauf kommt, einen solchen Anteil hier anzunehmen bleibt unerfindlich, weil in der ganzen Bauschreibung für die hier relevante Fläche „sandschluffiges Material“ nicht erwähnt wird.

Nachdem es nicht auf subjektive Auslegung der Leistungsbeschreibung durch die Klägerin ankommt, sondern auf die Sicht aller möglichen Bieter (siehe oben), die Baubeschreibung und das Leistungsverzeichnis sich zur Geeignetheit des Materials gerade aber nicht verhalten (siehe oben Ziffer 2), hätte die Klägerin entweder eine Wiederverwertung ihrem Angebot nicht zugrundelegen dürfen oder sich aber um weitere Informationen hinsichtlich des Aushubmaterials bemühen müssen. Genau dies hat sie allerdings unterlassen, sodass das Kalkulationsrisiko gerade sie trifft. Dies ändert sich auch nicht durch die Tatsache, dass die Klägerin Eigentümerin des Aushubmaterials wird. Denn allein aus diesem Eigentumsübergang konnte die Klägerin nicht zu Recht auf eine Möglichkeit der Wiederverwertung hoffen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.08.2018, Az. 2 U 2188/17, Rn. 3 – juris).

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Angaben der Parteien, also des Zeugen P für die Klägerin und der Zeugen E und W im Bietergespräch vom 12.01.2018 nicht geeignet, die von der Klägerin angeblich avisierte Wiederverwertung des Bodens zur Vertragsgrundlage zu machen. Der BGH hat im Urteil vom 10.09.2009 (Az. VII ZR 82/08) eindeutig entschieden, dass die Kalkulationsgrundlage nicht einmal dann Geschäftsgrundlage des Vertrags wird, wenn sie gegenüber dem Auftragsgeber offengelegt wird. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, welche die Annahme rechtfertigen, der Auftraggeber habe die Kalkulation in seinen Geschäftswillen ungeachtet dessen aufgenommen, dass es grundsätzlich Sache und Risiko des Unternehmers ist, wie er kalkuliert (Rn. 25 – juris). Es reicht entgegen der Auffassung der Klägerin also nicht aus, dass im Bietergesprächprotokoll unter Ziff. 1 festgehalten wird, dass „das vorliegende Protokoll des Bietergesprächs im Fall einer Auftragserteilung Bestandteil des Auftragsschreibens wird“ und in der Schlussformel bestimmt wird, dass „im Falle der Auftragsvergabe dieses Protokoll und alle Inhalte uneingeschränkt Vertragsbestandteil werden.“ Nachdem der Zeuge E zur Überzeugung des Gerichts eindeutig angegeben hat, man habe ein entsprechendes Vorgehen der Klägerin nicht gebilligt und darüber hinaus das Aushubmaterial zum Wiedereinbau für ungeeignet gehalten, ist ein entsprechender Geschäftswille seitens des Beklagten nicht anzunehmen, da Geschäftswille des Beklagten war, für die Standsicherheit des Deiches die erforderlichen bodenmechanischen Eigenschaften des Aufschüttmaterials zu gewährleisten. Was mit dem Aushub passierte, war dem Beklagten egal. Aus diesem Grund sollte der Aushub auch in das Eigentum des Bieters übergehen. Aus dem Protokoll ergibt sich eine entsprechende Billigung jedenfalls nicht.

Dies wird durch die eindeutige Aussage der Zeugin W gestützt, man habe seitens des WWA ausdrücklich nachgefragt, ob die von der Klägerin in der Kalkulation genannten Preise auch für den Fall gelten, dass man Material neu zuliefern müsse, sich also die Kalkulationsgrundlage der Klägerin als Irrtum erweist. Dies wurde nach Aussage der Zeugin W eindeutig bejaht. Wie die Zeugin richtig angegeben hat, konnte die Klägerin den Zuschlag auch nur deswegen erhalten, eben weil sie für den Fall der Anlieferung des Materials den gleichen Preis zusicherte. Andernfalls hätte sie gemäß § 15 Abs. 2 und 3 VOB/A den Zuschlag nicht erhalten dürfen. Eine Nachverhandlung über den Preis hätte nicht stattfinden dürfen. Wäre also die Wiederverwertung des Aushubs auch seitens des Beklagten Vertragsgrundlage geworden, hätte diese Nachfrage nicht erfolgen müssen/dürfen (dann wäre die Vergabe aber rechtswidrig gewesen).

Daran ändert auch nichts, dass man seitens der Zeugen E und W die Kalkulation hinsichtlich der beiden hier streitigen Positionen 0010 und 00120 im Einzelnen dahingehend überprüfte, ob sie sich aus der Urkalkulation richtig ergeben hatte. Der Zeuge E hat angegeben, dies habe nur zum Inhalt gehabt, ob die Berechnung an sich richtig ist. Eine Billigung oder anderweitige Überprüfung, ob das Aushubmaterial tatsächlich zum Aufbau des neuen Deichs geeignet ist, auch dass der Beklagte dies für zulässig und richtig erachte, war damit gerade nicht verbunden. Es handelte sich vielmehr nur um eine rein mathematische Prüfung. Selbst wenn dies anders gewesen wäre, ist ein öffentlicher Auftraggeber in der Regel nicht verpflichtet, die Angebote der Bieter auf mögliche Kalkulationsirrtümer zu überprüfen (BGH, Urteil vom 07.07.1998, Az. X ZR 17/97). Vorliegend wurde seitens des Beklagten sogar ausdrücklich nachgefragt, ob eine Lieferung zum gleichen Preis möglich ist, was der Zeuge P, auch welchen Gründen auch immer, bejaht hat. Der Zeuge P hat diesbezüglich keine Angaben getätigt, was dazu passt, dass man sich bei der Klägerin (aus welchen Gründen auch immer) keine näheren Gedanken zur wahren Zusammensetzung des Aushubmaterials gemacht hat und ohne genaue Angaben und geologische Kenntnisse eine Wiederverwertungsquote von 90% annimmt.

Darüber hinaus scheitert ein Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B auch daran, dass eine rechtsgeschäftliche Anordnung des Beklagten (dazu Ingenstau/Korbion, Rn. 21) nicht vorliegt. Bereits aus dem Bietergespräch ergibt sich (siehe oben) keine Vertragsgrundlage, dass eine Wiederverwertung des Aushubmaterials Vertragsgrundlage gewesen sein soll und zwingend von der Klägerin so vorgegangen werden soll. Auch aus dem Leistungsverzeichnis ergibt sich dies nicht. Wie man Anlage K20 außerdem entnehmen kann, lag ein Einverständnis des Beklagten für eine Änderungsanordnung gerade nicht vor, da der Beklagte bereits damals der Auffassung war, dass ein Neueinbau von Material vertraglich geschuldet war.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass geänderte Bodenverhältnisse, die üblicherweise einen Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B auslösen (zum Ganzen Ingenstau/Korbion, Rn. 27) gerade nicht vorliegen, weil die Ursache für die Preismehrung hier auf Fehlern in der Angebotserstellung durch die Klägerin selber beruht.

Deswegen geht auch der Verweis der Klägerin auf die „Baugrundrisikorechtsprechung“ des BGH (Anlage K22) fehl. Der BGH begründet seinen Anspruch auf Mehrvergütung gerade damit, dass „bestimmte Bodenverhältnisse“ beschrieben werden, welche sich nachher als falsch oder weitgehend unzutreffend herausstellen. Dies ist hier aber, wie bereits ausführlich dargelegt, gerade nicht der Fall, da die Baubeschreibung nicht nur ausdrücklich festhält, dass im Planungsbereich „keine Bodenaufschlüsse“ vorhanden sind (deutlicher geht es wohl kaum), vielmehr ist auch die ergänzende Untersuchung aus 2017 denkbar ungenau. Von einem „Bodengutachten“ kann nicht ansatzweise die Rede sein. Auch der Hinweis, die Baugrunderkundungen im Paralleldeich würden als „Planungsgrundlage“ dienen, ändert daran nichts. Denn damit kann man vielleicht kalkulieren, wie viel Material benötigt wird. Da diese Profile aber nicht gewachsenen Boden wiedergeben, kann kein Rückschluss auf das Aushubmaterial gezogen werden.

I.Ebenso wenig besteht ein Anspruch nach § 2 Abs. 5 für den Nachtrag 3, den die Klägerin für Mehrkosten beim Transport des Anlieferungsmaterials auf Grund geänderter Straßenführung geltend macht.

Ein Mehranspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B kommt dann in Betracht, wenn sich die Bauumstände gegenüber den ausgeschriebenen Gegebenheiten auf der Baustelle ändern. Ist also in der Ausschreibung für die erforderlichen Erdtransporte ein bestimmter Transportweg vorgeschrieben und vorgesehen worden und hat sich dieser Transportweg nach Vertragsschluss dahingehend geändert, dass er für den Schwerlastverkehr gesperrt wird und werden dadurch längere Transportwege hervorgerufen, kann ein solcher Anspruch geltend gemacht werden (Ingenstau/Korbion, Rn. 10). Anders ist dies allerdings, wenn der Vertrag die Regelung enthält, dass die Wahl der Transportwege dem Auftragnehmer obliegt und er die erforderlichen Informationen einzuholen hat (a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus den Vergabeunterlagen, dass Vorgaben seitens des Beklagten für die zu benutzenden Straßen und Wege nicht erfolgten. Bereits die Formulierung in Ziffer 7 der Baubeschreibung (Anlage K23) trifft keine Festlegung, da dort unverbindliche Vorschläge für die Zufahrten gemacht werden (“kann … erfolgen“). Relevant ist jedenfalls die Schlussbestimmung in Ziffer 7, nach welcher die Überprüfung sämtlicher möglicher Zufahrten und die Erholung möglicher Genehmigungen Sachen des Auftragnehmers sind. Auch im Leistungsverzeichnis (Anlagen B9 Pos. 01.01. und B10 Allgemeine Hinweise) ist eine Verpflichtung der Klägerin enthalten, sich vor Abgabe eines Angebots vor Ort über die vorhandenen Zufahrtsmöglichkeiten zu informieren. Ein darauf aufbauender Kalkulationsirrtum, der insbesondere mittelbar auch daraus resultiert, dass man einem Kalkulationsirrtum hinsichtlich des wiederverwertbaren Aushubmaterials unterliegt (siehe oben) geht allein zu Lasten der Klägerin (BGH, Urteil vom 25.06.1987, Az. VII ZR 107/86).

Hinzu kommt, dass die Beschwerden der Anwohner sich auf die B bezogen, die verkehrsrechtliche Anordnung der Stadt L. vom 17.04.2018 (Anlage B14) die B aber gar nicht enthalten hat und darüber hinaus diese Anordnung auf dem eigenen Antrag der Klägerin beruht. Aus diesem Grund ist in der E-Mail der Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamts der L. vom 30.07.2018 an den Beauftragten der Klägerin, Herrn H (Anlage K27), auch nicht die Rede davon, dass die B benutzt werden darf. Vielmehr müsse eine andere Route beantragt und ausschließlich diese genutzt werden. Das ist auch der Grund, warum im Änderungsbescheid der Stadt L. vom 30.07.2018 (Anlage K29) wörtlich die Feststellung enthalten ist, man habe entgegen der Anordnung vom 17.04.2018, die allein auf den Antrag der Klägerin zurückgeht, die B angefahren. Eine Änderung der Anfahrroute wird darin nicht vorgenommen. Auch die E-Mail der Zeugin W an den Herrn H von der Klägerin vom 26.02.2018 (Anlage K25) spricht lediglich von möglichen Zufahrtswegen, die auch nur ein „Angebot“ des WWA seien. Eine Anordnung des Beklagten oder eine Änderung der Leistungsbeschreibung gibt es schlicht nicht.

Darüber hinaus kann ein Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B wohl kaum darauf gestützt werden, dass die Klägerin entgegen ihrer selbst beantragten verkehrsrechtlichen Anordnung, für welche sie ausweislich des LV selbst verantwortlich war zuwider handelt und dann Mehraufwendungen zu tragen hat, die wiederum auf einem Kalkulationsirrtum beruhen, den sie selbst verschuldet hat. Nachdem also eine vertragliche Vereinbarung diesbezüglich gar nicht vorhanden ist (OLG Brandenburg, Urteil vom 17.10.2007, Az. 4 U 48/07), konnte der Beklagte auch den Vertrag insoweit gar nicht ändern. Die Auffassung der Klägerin würde im Gegenteil dazu führen, dass der Beklagte für das Fehlverhalten von Subunternehmern der Klägerin haften würde, was der Beklagte aber gar nicht beeinflussen kann. § 278 BGB weist das Risiko dieses Fehlverhalten aber allein der Klägerin als der Vertragspartnerin der Subunternehmer zu.

II. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 6 VOB/B besteht nicht. Eine zusätzliche Leistung liegt nicht vor, eine solche wurde von der Klägerin auch nicht behauptet. Denn nach dem Vortrag der Klägerin wurde vom Beklagten gerade keine neue, vom bisherigen Vertragsinhalt nicht erfasste zusätzliche Leistung gefordert (Ingenstau/Korbion, Rn. 8). Vielmehr beruhte die „geänderte“ Leistung der Klägerin darauf, dass sich das Aushubmaterial eben nachfolgend nicht wiederverwerten ließ. Dass die Klägerin das Material lösen und anschließend (mit diesem oder anderem Material) den Deich aufschütten musste, ist zwischen den Parteien gar nicht streitig. Auch nach der Auffassung der Klägerin, die sich aus der Aussage des Zeugen P hinreichend ergibt, war die Wiederverwertung eine Option, ebenso wie die Zulieferung. Das Bietergesprächsprotokoll offenbart, dass man zumindest über die Zulieferung von Material gesprochen hat. Eine irgendwie geartete Erweiterung des Leistungsinhalts liegt somit gar nicht vor.

III. Ein Anspruch aus § 313 BGB ergibt sich nicht, da die Wiederverwertung auf der streitgegenständlichen Baustelle gerade nicht Vertrags- bzw. Geschäftsgrundlage geworden ist (siehe oben).

IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin gemäß § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert folgt der Klageforderung.

Mehrvergütung im Bauvertrag kurz erklärt

Eine Mehrvergütung im Bauvertrag kann in verschiedenen Situationen relevant werden. Sie kann beispielsweise bei Mehrmengen anfallen, die im Rahmen eines Bauvertrags nach VOB oder eines Werkvertrags nach BGB entstehen. In solchen Fällen kann die Vergütung angepasst oder neu vereinbart werden. Nach der Rechtsprechung gilt bereits bei Mehrkosten in Höhe von 15 Prozent eine beträchtliche Überschreitung des ursprünglichen Kostenvoranschlags, die der Auftragnehmer dem Auftraggeber unverzüglich anzeigen muss.

Der Auftragnehmer muss seinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung in der Regel vor der Ausführung der Mehrleistung anmelden. Dies gibt dem Auftraggeber die Möglichkeit, die Kosten und die Notwendigkeit der zusätzlichen Leistungen zu überprüfen. Bei Verträgen, die auf der Grundlage der VOB/B vereinbart wurden, kann der Bauunternehmer gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen verlangen.

Auch beim Pauschalpreisvertrag gibt es Möglichkeiten für Mehrvergütungsansprüche. Diese können für zusätzliche oder geänderte Leistungen entstehen, die Mehrkosten verursachen. Es ist jedoch wichtig, dass solche Mehrvergütungsansprüche klar im Vertrag definiert oder nachträglich eindeutig vereinbart werden.

Mit dem Einzug des Bauvertragsrechts ins BGB wurde auch die Regelung des § 650c Abs. 3 BGB eingeführt, die unter bestimmten Umständen eine Nachvergütung von mindestens 80 Prozent vorsieht. Dies ist besonders relevant, wenn es zu Änderungen im Bauverlauf kommt, die eine Anpassung der Vergütung notwendig machen.

§ 650c Abs. 3 BGB

Der § 650c Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist Teil des deutschen Bauvertragsrechts und regelt die Vergütung bei Änderungsanordnungen und zusätzlichen Leistungen. Der Absatz 3 dieses Paragraphen besagt, dass wenn der Unternehmer dem Besteller einen Vorschlag für die Vergütung der geänderten oder zusätzlichen Leistung macht und der Besteller nicht unverzüglich widerspricht, die Vergütung nach diesem Vorschlag zu bemessen ist. Der Unternehmer muss den Besteller jedoch in Textform darauf hinweisen, dass sein Vorschlag als vereinbart gilt, wenn der Besteller nicht unverzüglich widerspricht.

Dieser Paragraph ist besonders relevant, wenn es zu Änderungen im Bauverlauf kommt, die nicht im ursprünglichen Vertrag vorgesehen waren. Er bietet eine rechtliche Grundlage für die Anpassung der Vergütung bei Änderungsanordnungen und zusätzlichen Leistungen und schafft damit Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien.

Die Regelung soll sicherstellen, dass der Unternehmer für zusätzliche oder geänderte Leistungen angemessen vergütet wird, während sie dem Besteller die Möglichkeit gibt, den Vorschlag des Unternehmers zu prüfen und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Unternehmer den Besteller in Textform auf die Bedeutung seines Schweigens hinweisen muss. Andernfalls kann der Vorschlag nicht als vereinbart angesehen werden.

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