Estrichmangel führt zu komplexem Baurechtsstreit vor Gericht
Der Fall des OLG Hamm (Az.: I-24 U 30/14) betrifft die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mangelbeseitigung an einem Estrich sowie zur Deckung der Privatgutachterkosten, nachdem die Berufung der Streithelferin der Beklagten teilweise erfolgreich war und das vorherige Urteil des Landgerichts Münster abgeändert wurde. Wesentlich ist hierbei, dass die mangelhafte Sanierung des Estrichs durch die Beklagte für die entstandenen Schäden am Fliesenbelag (mit-)ursächlich war, wobei ein Mitverschulden der Klägerin zu 40 % berücksichtigt wurde.
Übersicht
- Estrichmangel führt zu komplexem Baurechtsstreit vor Gericht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- Rechtsstreit um mangelhaften Estrich führt zu umfassender juristischer Auseinandersetzung
- OLG Hamm präzisiert Verantwortlichkeiten und Schadensersatzpflichten
- Juristische Bewertung des Schadens und der Verantwortung
- Rolle des Mitverschuldens und seine Auswirkungen auf die Schadensregulierung
- Ergebnisse und Bedeutung des Sachverständigengutachtens
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-24 U 30/14 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das OLG Hamm hat die Beklagte zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 3.600 EUR für die Sanierung eines mangelhaften Estrichs sowie zusätzlich zu 451,18 EUR für Privatgutachterkosten verurteilt.
- Das Gericht bestätigte die Mitverursachung der Schäden durch fehlerhafte Sanierungsarbeiten am Estrich, jedoch wurde der Klägerin ein Mitverschulden von 40 % zugeschrieben.
- Die Beklagte ist ebenfalls für weitere, über die genannten Kosten hinausgehende Schäden im Rahmen von 60 % haftbar.
- Die Entscheidung betont die Bedeutung einer fachgerechten Ausführung und die finanziellen Folgen von Baumängeln.
- Die Rechtsstreitkosten wurden zwischen Klägerin und Beklagter aufgeteilt, wobei die Klägerin 40 % und die Beklagte 60 % der Kosten tragen muss.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Berufung der Streithelferin der Beklagten wurde im Wesentlichen zurückgewiesen.
- Der Fall illustriert die Bedeutung sachverständiger Bewertungen in Baurechtsfällen, insbesondere bei der Beurteilung von Ursachen und der Ermittlung von Schadensursachen.
- Die Entscheidung unterstreicht auch die Rolle des Mitverschuldens nach § 254 BGB bei der Schadensentstehung und Kostenverteilung.
- Die nicht fachgerechte Sanierung des Estrichs führte zu umfassenderen Schäden, inklusive Rissen in den Fliesen, was eine vollständige Sanierung notwendig machte.
Haftung für Baumängel und Folgeschäden
Beim Hausbau und bei Sanierungen sind Baumängel keineswegs selten. Oft führt ein mangelhaftes Gewerk zu weiteren Schäden an darauf aufbauenden Bauleistungen anderer Unternehmen. Die Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen sind in solchen Fällen komplex und umstritten.
Für Auftraggeber, Handwerker und Baufirmen ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu Baumängeln, Mängelbeseitigung, Beweislast und Kostenerstattung zu kennen. Eine genaue Prüfung des Einzelfalls ist unerlässlich, denn die Rechtsprechung zeigt, dass die Urteile stark von den jeweiligen Umständen abhängen.
➜ Der Fall im Detail
Rechtsstreit um mangelhaften Estrich führt zu umfassender juristischer Auseinandersetzung
Im Zentrum des Falles steht ein Baumangel am Wohnzimmerboden eines Hauses, konkret ein nicht fachgerecht sanierter Estrich, der zu weiteren Schäden am Fliesenbelag führte.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten einen Kostenvorschuss für die Sanierung des Schadens. Das ursprüngliche Urteil des Landgerichts Münster wurde nach Berufung der Streithelferin der Beklagten vom OLG Hamm teilweise revidiert. Dieser komplexe Fall beinhaltet mehrere juristische und technische Details, die durch Beweisaufnahmen und Sachverständigengutachten beleuchtet wurden.
OLG Hamm präzisiert Verantwortlichkeiten und Schadensersatzpflichten
Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Beklagte der Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 3.600 Euro für die Beseitigung des Estrichschadens zahlen muss. Zusätzlich wurden 451,18 Euro für bereits entstandene Privatgutachterkosten zugesprochen. Die Beklagte ist darüber hinaus verpflichtet, 60 % weiterer Kosten, die über diese Beträge hinausgehen, zu tragen. Diese Entscheidung fußt auf detaillierten Feststellungen eines Sachverständigen, der die mangelhafte Sanierung des Estrichs und daraus resultierende weitere Schäden am Fliesenbelag bestätigte.
Juristische Bewertung des Schadens und der Verantwortung
Der Sachverständige Dipl.-Ing. T. erläuterte im Verfahren, dass der Estrichriss aufgrund einer nicht sachgerechten Behandlung zu weiteren Fliesenrissen führte. Ein wichtiger Punkt in der Argumentation war, dass neben dem Estrichriss weitere „kreuzende Risse“ existierten, die jedoch nicht auf den Estrichriss zurückzuführen, sondern durch die unzureichende Belegreife des Estrichs vor der Fliesenverlegung entstanden waren. Dieser Umstand führte zu einer teilweisen Mitverantwortung der Klägerin am Gesamtschaden, die das Gericht mit 40 % bewertete.
Rolle des Mitverschuldens und seine Auswirkungen auf die Schadensregulierung
Die Anwendung des § 254 BGB spielte eine entscheidende Rolle in der Urteilsfindung, da sie die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Klägerin und Beklagter regelt. Das Gericht führte aus, dass die Klägerin nicht die vollen Kosten für eine Mängelbeseitigung fordern könne, da sie teils durch das Verhalten der Klägerin mitverursacht wurden. Dies reflektiert die Komplexität von Baumängelfällen, in denen oft mehrere Faktoren zur Schadensentstehung beitragen.
Ergebnisse und Bedeutung des Sachverständigengutachtens
Das Gutachten von Dipl.-Ing. T war ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts. Es stellte fest, dass die mangelhafte Sanierung des Estrichs wesentlich zur Entstehung der Schäden beigetragen hatte. Die Feststellungen des Sachverständigen untermauerten die Notwendigkeit einer vollständigen Sanierung und widerlegten die Möglichkeit einer einfacheren Teilsanierung, was die finanziellen Ansprüche der Klägerin stützte.
Die Entscheidungen des Landgerichts Münster und des OLG Hamm illustrieren, wie technische und rechtliche Aspekte in Bau- und Werkvertragsrecht eng miteinander verwoben sind und wie bedeutend detaillierte technische Analysen für die juristische Beurteilung sind.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was sind typische Baumängel und wie werden sie rechtlich definiert?
Typische Baumängel sind laut den Quellen:
- Feuchtigkeit im Kellergeschoss, Risse an der Außenfassade, mangelhafte Wärmeisolierung
- Mängel, die die bestimmungsgemäße Nutzung nicht nur unerheblich beeinträchtigen, das Straßen- oder Ortsbild beeinträchtigen oder bei erneuerungsbedürftigen Gebäuden mit städtebaulicher, geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung auftreten
Rechtlich werden Baumängel definiert als Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Ein Bauwerk ist mangelfrei, wenn es die Beschaffenheit aufweist, die im Vorfeld vertraglich vereinbart war.
Die rechtliche Definition orientiert sich an den §§ 633 ff. BGB zur Sachmängelhaftung. Danach liegt ein Mangel vor, wenn die Bauleistung nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet.
Es wird unterschieden zwischen Baumängeln, die bereits bei Fertigstellung vorliegen, und Bauschäden, die sich erst später als Folge von Mängeln zeigen. Gegen Baumängel kann der Bauherr Gewährleistungsansprüche geltend machen, die in der Regel 5 Jahre ab Abnahme verjähren.
Welche Ansprüche hat ein Bauherr bei Vorliegen eines Baumangels?
Laut den §§ 634 ff. BGB hat der Bauherr bei Vorliegen eines Baumangels folgende Ansprüche:
- Nacherfüllung in Form der Mängelbeseitigung durch den Unternehmer. Der Bauherr kann dem Unternehmer dafür eine angemessene Frist setzen. Ist der Unternehmer dazu nicht bereit oder in der Lage, kann der Bauherr die Mängel auf Kosten des Unternehmers selbst beseitigen lassen (Selbstvornahme).
- Minderung der Vergütung, wenn der Mangel nicht vollständig beseitigt werden kann. Die Höhe der Minderung richtet sich nach dem Verhältnis des Werts des mangelhaften Werks zum Wert des mängelfreien Werks.
- Rücktritt vom Vertrag, wenn der Mangel erheblich ist und eine Nachbesserung fehlgeschlagen oder nicht zumutbar ist. Der Rücktritt führt dazu, dass der Vertrag rückabgewickelt wird.
- Schadensersatz, wenn dem Bauherrn durch den Mangel ein Schaden entstanden ist, den der Unternehmer zu vertreten hat.
Diese Mängelrechte verjähren in der Regel 5 Jahre ab Abnahme des Bauwerks. Der Bauherr muss die Mängel innerhalb dieser Frist gegenüber dem Unternehmer rügen. Ausnahme: Bei Arglist des Unternehmers oder bei Mängeln an einem Bauwerk gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Wie wird die Beweislast im Rahmen von Baumängeln gehandhabt?
Die Beweislast bei Baumängeln hängt entscheidend davon ab, ob die Abnahme des Bauwerks bereits erfolgt ist oder nicht:
Vor der Abnahme trägt der Unternehmer die Beweislast. Er muss beweisen, dass sein Werk frei von Mängeln ist und die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Verlangt der Unternehmer die Abnahme, muss er die Mangelfreiheit für alle in Diskussion befindlichen Mängel nachweisen.
Mit der Abnahme findet eine Beweislastumkehr statt. Ab diesem Zeitpunkt muss der Auftraggeber beweisen, dass Mängel bereits bei der Abnahme vorlagen oder zumindest ihre Ursache hatten. Für später entstandene Mängel und Schäden haftet der Unternehmer nicht.
Hat der Auftraggeber bei der Abnahme bestimmte Mängel gerügt und im Abnahmeprotokoll festgehalten, bleibt es für diese „Abnahmeprotokollmängel“ bei der Beweislast des Unternehmers bis zu einer Nachabnahme.
Offenkundige Mängel, die typischerweise erst nach der Abnahme auftreten, wie z.B. Schimmelschäden, müssen meist nicht bewiesen werden. Hier geht es dann eher um die Frage der Verursachung durch Werkmängel.
Die Beweislastverteilung wirkt sich vor allem bei unklaren Beweisergebnissen aus. Derjenige, der die Beweislast trägt, muss dann die Folgen tragen. In Gerichtsverfahren beeinflusst die Beweislast auch, wer den Kostenvorschuss für Sachverständigengutachten zu leisten hat.
Was versteht man unter dem Gewährleistungsrecht im Baurecht?
Das Gewährleistungsrecht im Baurecht umfasst die Rechte und Pflichten von Auftraggeber und Auftragnehmer bei Mängeln an der Bauleistung. Grundsätzlich bedeutet Gewährleistung, dass das Bauwerk zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln sein muss und den vertraglichen Vereinbarungen entspricht.
Die Gewährleistung erstreckt sich auf alle Bauten und Einbauten, die für den Betrieb des Hauses notwendig sind und mit dem Unternehmer vereinbart wurden, wie z.B. auch Heizung oder Elektroinstallation. Nicht abgedeckt sind Mängel durch verbrauchsbedingten Verschleiß nach der Abnahme.
Die Gewährleistungsfristen dienen dazu, auch bei Abnahme noch nicht erkennbare Mängel später rügen zu können. Sie betragen:
- 5 Jahre für Bauwerke nach BGB
- 4 Jahre für die meisten Bauleistungen nach VOB/B
Innerhalb der Fristen hat der Auftraggeber Ansprüche auf Mangelbeseitigung durch den Auftragnehmer. Reagiert dieser nicht, kann sich der Auftraggeber nach Fristsetzung an ein anderes Unternehmen wenden.
Weitere Rechte sind Minderung der Vergütung und Schadensersatz. Die Beweislast liegt nach Abnahme beim Auftraggeber.
Das Gewährleistungsrecht sichert somit umfassend die Rechte des Auftraggebers bei mangelhafter Leistung und ist fundamental für die Durchsetzung von Mängelansprüchen im Baurecht.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
§ 633 BGB – Sachmangel Regelt die Voraussetzungen eines Sachmangels am Bauwerk. Der Estrich, der nicht den vereinbarten Qualitätsanforderungen entspricht, ist als mangelhaft zu bewerten. Dies ist entscheidend für die Feststellung der Mangelhaftigkeit und der daraus resultierenden Ansprüche.
§ 634 Nr. 2 BGB – Nacherfüllung Erlaubt dem Besteller, Nacherfüllung zu verlangen, was im Kontext des Baumangels bedeutet, dass die Beklagte zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist. Dies bildet die Grundlage für den Anspruch auf einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung.
§ 637 Abs. 3 BGB – Kostenvorschuss Ermöglicht es dem Besteller, einen Vorschuss für die erforderlichen Aufwendungen zur Mängelbeseitigung zu verlangen. Hier konkret bezogen auf die Beseitigung des mangelhaften Estrichs.
§ 254 BGB – Mitverschulden Bestimmt, dass bei einem Mitverschulden des Geschädigten der Schadenersatz entsprechend zu kürzen ist. Dies wird angewendet, um das Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung der Schäden zu berücksichtigen.
§ 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung Dient der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen neben der Leistung aufgrund einer Pflichtverletzung. Dies bezieht sich auf die Erstattung der Privatgutachterkosten, die durch den mangelhaften Estrich entstanden sind.
§ 291 Satz 2 BGB und § 288 Abs. 1 BGB – Verzugszinsen Regeln die Verzinsung von Geldschulden im Verzug. Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen für den Kostenvorschuss und die Privatgutachterkosten, was zeigt, dass finanzielle Forderungen auch Zinsansprüche nach sich ziehen können.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-24 U 30/14 – Urteil vom 31.03.2015
Auf die von der Streithelferin der Beklagten geführte Berufung wird das am 30.01.2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az. 2 O 469/10) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Kostenvorschuss zur Beseitigung des mangelhaften Estrichs im Wohnzimmer des Hauses der Klägerin (Grundstück Gemarkung G, Flur …, Flurstück …, Grundbuch von G Blatt …, G-Straße 3, G) in Höhe von 3.600,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Privatgutachterkosten in Höhe von 451,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2011 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten in Höhe von 60 % zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der Beseitigung des mangelhaften Estrichs im Wohnzimmer ihres Hauses (Grundstück Gemarkung G, Flur …, Flurstück …, Grundbuch von G Blatt …, G-Straße 3, G) entstehen, soweit sie über die oben genannten Beträge hinausgehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die durch die Nebenintervention der Streithelferin der Beklagten verursachten Kosten tragen die Klägerin zu 40 % und im Übrigen die Streithelferin der Beklagten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO)
A.
Die zulässige, von der Streithelferin der Beklagten geführte Berufung ist teilweise begründet.
I. Kostenvorschussanspruch der Klägerin zur Beseitigung des mangelhaften Estrichs
Der Klägerin steht gegen die Beklagte nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme gemäß §§ 633, 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB ein Kostenvorschussanspruch zur Beseitigung des mangelhaften Estrichs im Wohnzimmer ihres Hauses in Höhe von 3.600,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2011 zu. Im Senatstermin am 10.03.2015 hat die Klägerin ausdrücklich klargestellt, mit der Klage insofern einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen.
1. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.11.2009 des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens (Landgericht Münster, Az. 2 OH 38/08 = BA) und im Senatstermin am 10.03.2015 ist der von der Beklagten durch ihre Streithelferin im Wohnzimmer des Hauses der Klägerin eingebrachte Estrichboden deswegen i.S.d. § 633 Abs. 2 BGB mangelhaft, weil der im Estrich vorhandene Riss nicht fachgerecht saniert worden ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. T hat hierzu im Senatstermin am 10.03.2015 (ebenso in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.11.2009, S. 13 = Anlage d.BA lose) festgestellt, dass die notwendige v-förmige Aufweitung des Estrichrisses fehle, was dazu führe, dass der Rissquerschnitt nicht vollfugig und deswegen letztlich nicht kraftschlüssig verbunden worden sei. Dagegen wenden die Beklagte bzw. ihre Streithelferin nichts Erhebliches ein. Sie bestreiten im Wesentlichen allein die Kausalität dieses Umstandes für den Schadenseintritt (Rissentstehung).
2. Der von der Beklagten durch ihre Streithelferin nicht fachgerecht sanierte Estrichriss war nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme (mit-)ursächlich für die Rissentstehung.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. T hat im Senatstermin am 10.03.2015 gut nachvollziehbar erläutert, dass die von der Beklagten durch ihre Streithelferin nicht fachgerecht vorgenommene Sanierung des Estrichrisses mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zum Auftreten der Fliesenrisse im dortigen Bereich geführt habe. Das ist für den Senat aufgrund der nicht ausreichenden Verklebung des Estrichrisses und der deswegen nicht erreichten kraftschlüssigen Verbindung sowie der unmittelbaren räumlichen Nähe des Fliesenrisses zu demjenigen im Estrich sehr gut nachvollziehbar und überzeugend.
An der Kausalität der mangelhaften Sanierung des Estrichrisses für die Schadensentstehung ändert der Umstand nichts, dass zusätzlich zu diesem Riss sog. „kreuzende Risse“ vorhanden sind, die nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T im Senatstermin am 10.03.2015 nicht auf den Estrichriss zurückzuführen sind, sondern ihre Ursache in der nicht vorhandenen Belegreife des Estrichs vor der Fliesenverlegung haben. Dieser Aspekt wird innerhalb des Mitverschuldens der Klägerin an der Schadensentstehung entsprechend § 254 BGB relevant [dazu unten: A. I. 3. c)], ändert aber schon deswegen an der Kausalität des mangelhaft sanierten Estrichrisses für die Schadensentstehung nichts, weil nach allgemeiner Meinung bereits eine Mitursächlichkeit ausreicht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB (74. Aufl.), Vorb v § 249 Rdnr. 34 mwN; Kniffka, in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts (4. Aufl.), 6. Teil Rdnr. 241 f.).
3. a) Die voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der Risse in den Fliesen und das fachgerechte Sanieren des Estrichrisses hat der Sachverständige Dipl.-Ing. T in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.11.2009 überzeugend und von den Parteien – was die vom Sachverständigen ermittelte Kostenhöhe angeht – im Übrigen auch unbeanstandet mit insgesamt rund 6.000,- EUR brutto berechnet (vgl. S. 19 des Gutachtens vom 24.11.2009 = Anlage d.BA lose).
b) Entgegen der Ansicht der Streithelferin der Beklagten ist dieser Betrag nicht deswegen zu kürzen, weil die Mangelbeseitigung durch eine Teilsanierung des Fliesenbelags vorgenommen werden könnte. Einerseits ist schon nicht ersichtlich, dass eine Sanierung tatsächlich durch eine teilweise Entfernung der Fliesen vorgenommen werden kann. Andererseits erreicht auch der auf die mangelhafte Estrichrisssanierung zurückzuführende Fliesenriss eine ganz beträchtliche Länge; er reicht nahezu durch das gesamte Wohnzimmer. Danach hat der Senat an der Feststellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. T in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.11.2009 (S. 19 = Anlage d. BA lose), zur Mangelbeseitigung müssten alle Fliesen im Wohnzimmer aufgenommen werden, keine Zweifel.
c) Die Klägerin kann von der Beklagten jedoch keinen Vorschuss für sämtliche vom Sachverständigen ermittelten Kosten verlangen. Zu Lasten der Klägerin ist entsprechend § 254 Abs. 1 BGB ein anspruchsminderndes Mitverschulden an der Schadensentstehung im Umfang von 40 % zu berücksichtigen.
aa) Im Ausgangspunkt steht der Klägerin ein Kostenvorschussanspruch zur Mangelbeseitigung in voller Höhe gegen die Beklagte zu. Das würde im vorliegenden Fall jedoch dazu führen, dass im Zuge der Sanierung des mangelhaften Estrichs auf Kosten der Beklagten zwangsläufig an den Fliesen vorhandene weitere Risse mit beseitigen würden, die nicht durch den mangelhaften Estrich verursacht worden sind. Dieses unbillige Ergebnis ist durch eine Anwendung (des Rechtsgedankens) von § 254 Abs. 1 BGB zu korrigieren (vgl. ausführlich dazu: Langen, BauR 2011, S. 381 [386 f.]). Es entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, dass den Auftraggeber eine Mitverantwortung an der Schadensentstehung nach § 254 BGB treffen kann, wenn er auf dem Gewerk des Auftragnehmers aufbaut und selbst weitere Bauleistungen erbringt (vgl. BGH, BauR 2013, 1213, juris Rdnr. 17).
bb) Nach der im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T im Senatstermin am 10.03.2015 fest, dass die sog. „kreuzenden Risse“ in den Fliesen nicht auf den von der Streithelferin der Beklagten mangelhaft sanierten Estrichriss zurückzuführen sind. Ursächlich für diese Risse ist vielmehr, dass die Fliesen zu einem Zeitpunkt verlegt worden sind, zu dem noch keine Belegreife des Estrichs gegeben war.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts spricht die von dem Zeugen X im Rahmen einer CM-Messung festgestellte Feuchtigkeit des Estrichs von unter 2 % nicht dafür, dass der Estrich vor Beginn der Fliesenverlegung belegreif gewesen ist. Der Zeuge X hat im Senatstermin am 10.03.2015 noch einmal die Stelle beschrieben, an der er die Probe für die CM-Messung entnommen hat. Hierzu hat der Sachverständige Dipl.-Ing. T jedoch bereits zu Beginn seiner mündlichen Anhörung im Senatstermin überzeugend ausgeführt, an der Geeignetheit dieser Probeentnahme bestünden schon deswegen erhebliche Zweifel, weil die Probe nicht – wie von den Fachrichtlinien vorgesehen – in einem Abstand von ca. 10 cm zu den Rohren der Fußbodenheizung entnommen worden sei. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Estrich im Bereich der Probeentnahme zwar ausreichend trocken, in den Zwischenräumen aber noch eine höhere Feuchtigkeit vorhanden gewesen sei.
Es kommt hinzu, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. T im Senatstermin am 10.03.2015 überzeugend ausgeführt hat, dass das Vorhandensein von Rissen außerhalb des Bereichs des mangelhaft sanierten Estrichrisses (sog. „kreuzende Risse“) ein untypisches Schadensbild sei, wenn allein der Estrichriss ursächlich gewesen sein soll. Als Ursache für die „kreuzenden Risse“ komme – so der Sachverständige Dipl.-Ing. T – aus seiner Sicht nur eine nicht ausreichende Belegreife des Estrichs in Betracht. Das vorhandene Schadensbild sei typisch („klassisch“) und ein Beleg für eine nicht gegebene Belegreife des Estrichs.
Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein Teil der Fliesenrisse („kreuzende Risse“) nicht auf den mangelhaft sanierten Estrichriss, sondern auf die nicht vorhandene Belegreife des Estrichs zurückzuführen ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T im Senatstermin am 10.03.2015 ist dies die Hauptursache für das Entstehen der „kreuzenden Risse“. Den weiteren handwerklichen Fehlern bei der Fliesenverlegung (nicht ordnungsgemäß verlegte Randfugen, keine ausreichende Verklebung zwischen Fliesen und Untergrund) kommt nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T dabei nur ein untergeordnetes Gewicht zu.
cc) Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles – insbesondere der Tatsache, dass der Bauleiter der Beklagten (Herr U) den Estrich trotz der mangelhaften Sanierung des Risses der Klägerin bzw. dem Zeugen M gegenüber bei ausreichender Trockenheit für belegreif erklärte – sieht der Senat die Verursachung der Fliesenrisse durch die Beklagte als leicht überwiegend an und bewertet das der Klägerin nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Mitverschulden mit 40 %.
Der Klägerin steht demzufolge gegen die Beklagte ein Kostenvorschussanspruch in Höhe von 3.600,- EUR brutto zu (60 % von 6.000,- EUR brutto).
4. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus vorgenanntem Betrag kann die Klägerin gemäß §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB seit dem 20.01.2011 verlangen (vgl. Bl. 72 R d.A.). Ein vorheriger Zinsbeginn – insbesondere aus Verzugsgesichtspunkten – lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Das Schreiben der Tochtergesellschaft der Beklagten (Fa. F) vom 09.06.2008 (Bl. 66 f. d.A.) belegt noch keine endgültige Ablehnung der Schadensbeseitigung durch die Beklagten. Darin wird eine solche lediglich von der Reaktion der Streithelferin der Beklagten abhängig gemacht. Es lässt sich auch nach der sonstigen Aktenlage nicht feststellen, wann die Beklagte und/oder ihre Streithelferin eine Schadensbeseitigung gegenüber der Klägerin endgültig abgelehnt haben. Hierzu hat die Klägerin auch nach einem entsprechenden Hinweis des Senats im Senatstermin am 10.03.2015 nichts vorgetragen. Insgesamt kann sie daher allein die eingangs genannten Prozesszinsen verlangen.
II. Erstattungsanspruch hinsichtlich der Privatgutachterkosten
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 633, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zudem ein Anspruch auf Erstattung der Privatgutachterkosten in Höhe von 451,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2011 zu.
1. Die der Klägerin durch die Beauftragung des Privatsachverständigen Peters entstandenen Privatgutachterkosten sind unter dem Gesichtspunkt des Mangelfolgeschadens erstattungsfähig (vgl. ausführlich dazu und zur Rechtsprechung: Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess (15. Aufl.), Rdnr. 159 m.w.N.). Die Anspruchsvoraussetzungen liegen dabei unproblematisch vor.
Auch hinsichtlich dieses Anspruchs ist das der Klägerin anzulastende und bereits oben dargestellte Mitverschulden an der Schadensentstehung gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu beachten. Die Klägerin kann daher von der Beklagten Zahlung in Höhe von 451,18 EUR verlangen (60 % der Privatgutachterkosten von 751,96 EUR [vgl. die Rechnung: Bl. 68 f. d.A.]).
2. Auch im Hinblick auf diesen Betrag kann die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB lediglich seit dem 20.01.2011 verlangen. Ein weitergehender Zinsanspruch ist – wie bereits oben dargelegt (A. I. 4.) – nicht ersichtlich.
III. Feststellungsklage
Da nicht auszuschließen ist, dass im Zuge der Mangelbeseitigung tatsächlich höhere als die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. T ermittelten Kosten entstehen werden, ist die Feststellungsklage zulässig und mit der Einschränkung begründet, dass die Beklagte der Klägerin etwaige über die bereits oben dargestellten Kosten hinausgehende Mangelbeseitigungskosten im Umfang von 60 % zu ersetzen hat.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
C.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 7.751,96 EUR festgesetzt (6.000,- EUR [Klageantrag zu 1.] + 751,96 EUR [Klageantrag zu 2.] + 1.000,- EUR [Klageantrag zu 3.]).