Skip to content

Werklohnanspruch trotz Mängeln: Ohne Abnahme fällig, späte Aufrechnung zählt nicht

Ein Erbe lehnte den Werklohnanspruch trotz Mängeln ab, nachdem er die geerbte Balkonsanierung wegen angeblicher Wertlosigkeit selbst korrigierte. Trotzdem musste das Gericht die zentrale Verteidigung des Erben ignorieren, weil die Kosten für die Mängelbeseitigung erst im Berufungsverfahren genannt wurden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 U 214/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
  • Datum: 19.12.2022
  • Aktenzeichen: 13 U 214/21
  • Verfahren: Beschluss im Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Erbrecht, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Eine Baufirma forderte vom Erben der Auftraggeberin offene Zahlungen für Balkonsanierungsarbeiten. Der Erbe weigerte sich, da er die Leistung als mangelhaft ansah und mit sehr hohen Kosten für die Mängelbeseitigung aufrechnen wollte.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Erbe die ausstehenden Forderungen der Baufirma bezahlen, obwohl er die Arbeiten als unbrauchbar und mangelhaft betrachtet und hohe eigene Kosten zur Reparatur hatte?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht beabsichtigt, die Entscheidung der Vorinstanz zu bestätigen und die Berufung des Erben als aussichtslos zurückzuweisen. Die Baufirma hat Anspruch auf den vollen Werklohn, weil die Gegenforderungen des Erben zu spät in den Prozess eingebracht wurden und deshalb nicht berücksichtigt werden durften.
  • Die Bedeutung: Wer im Rahmen eines Bauprozesses mit Mängelbeseitigungskosten aufrechnen will, muss diese Forderungen detailliert und rechtzeitig in der ersten Instanz vortragen. Nachträglich in der Berufung eingebrachte, neue Forderungen werden in der Regel als unzulässig zurückgewiesen.

Muss ein Erbe für mangelhafte Handwerkerleistungen zahlen?

Ein Erbe anzutreten bedeutet oft mehr als nur die Übernahme von Vermögenswerten. Manchmal erbt man auch die ungelösten Probleme des Verstorbenen – wie eine offene Handwerkerrechnung für eine nur halbfertige und scheinbar mangelhafte Balkonsanierung. Genau diese Situation führte zu einem Rechtsstreit, der vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde.

Erben haften für Mängel des früheren Auftraggebers: OLG Stuttgart prüft Werklohn bei unvollendeten Bauarbeiten. | Symbolbild: KI

In seinem Beschluss vom 19. Dezember 2022 (Az. 13 U 214/21) mussten die Richter eine zentrale Frage klären: Kann ein Handwerker seinen vollen Werklohn für erbrachte Teilleistungen verlangen, wenn der Erbe des Auftraggebers die Arbeit für unbrauchbar hält und seinerseits hohe Kosten für die Mängelbeseitigung geltend macht? Die Entscheidung beleuchtet die scharfen Linien zwischen Mängelrechten, der Fälligkeit von Zahlungen und den strengen prozessualen Regeln eines Berufungsverfahrens.

Was genau war passiert?

Die Geschichte beginnt mit einem Auftrag: Eine Hauseigentümerin beauftragte ein Unternehmen mit der Sanierung ihres Balkons. Der Auftrag umfasste unter anderem das Aufbringen von Abdichtungs- und Schutzschichten sowie die Montage einer neuen Kaminabdeckung aus Edelstahl. Zusätzlich bestellte das Unternehmen im Namen der Kundin bei einem Baustoffhändler den Oberbelag samt Zubehör.

Noch bevor die Arbeiten vollständig abgeschlossen und abgenommen werden konnten, verstarb die Auftraggeberin. Ihr Sohn trat als alleiniger Erbe in ihre Fußstapfen und wurde damit auch zum neuen Vertragspartner des Handwerksbetriebs, wie es das Gesetz in § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsieht.

Nach einer Prüfung der Baustelle kam der Erbe zu dem Schluss, dass die bisherigen Leistungen des Unternehmens nicht nur unvollständig, sondern auch gravierend mangelhaft seien. Er weigerte sich, die gestellten Rechnungen über insgesamt mehr als 24.000 Euro zu bezahlen. Stattdessen ließ er die Arbeiten von anderen Firmen fertigstellen und teilweise korrigieren. Die Kosten dafür sowie für Gutachter und Anwälte beliefen sich seiner Darstellung nach auf über 75.000 Euro. Er war der Meinung, nicht nur nichts zahlen zu müssen, sondern sogar eine erhebliche Überzahlung geleistet zu haben.

Das Handwerksunternehmen sah das naturgemäß anders und zog vor das Landgericht Tübingen. Dort bekam es im Wesentlichen Recht. Das Gericht verurteilte den Erben zur Zahlung des geforderten Werklohns für die erbrachten Leistungen und zur Erstattung der Materialkosten. Gegen dieses Urteil legte der Erbe Berufung beim Oberlandesgericht Stuttgart ein.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, muss man das Zusammenspiel mehrerer juristischer Konzepte verstehen. Im Zentrum steht der Werkvertrag nach § 631 Abs. 1 BGB, bei dem ein Unternehmer die Herstellung eines versprochenen Werkes und der Besteller die Entrichtung der vereinbarten Vergütung schuldet.

Normalerweise wird der Werklohn erst mit der sogenannten Abnahme fällig. Die Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert. Was aber passiert, wenn es gar nicht zur Abnahme kommt, weil der Vertrag vorzeitig endet und der Auftraggeber die Mängel selbst beseitigen lässt? Hier kommt das juristische Konzept des Abrechnungsverhältnisses ins Spiel. Sobald ein Bauvertrag endgültig beendet ist und der Auftraggeber nur noch auf Geld gerichtete Ansprüche hat (etwa Schadensersatz für die Mängelbeseitigung), wandelt sich das Vertragsverhältnis. Der Handwerker hat dann einen Anspruch auf Bezahlung für den Wert seiner bis dahin erbrachten, brauchbaren Leistungen. Eine förmliche Abnahme ist dafür nicht mehr erforderlich.

Eine weitere entscheidende Hürde in diesem Fall waren die prozessualen Regeln des Berufungsverfahrens. Eine Berufung ist keine komplette Wiederholung des ersten Prozesses. Neue Tatsachen oder Beweismittel dürfen nach § 531 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur in sehr engen Ausnahmefällen vorgebracht werden. Auch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ist in der Berufungsinstanz nur unter den strengen Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig. Dies soll verhindern, dass eine Partei strategisch Argumente für die zweite Instanz zurückhält.

Warum entschied das OLG Stuttgart zugunsten des Handwerkers?

Das Oberlandesgericht Stuttgart stufte die Berufung des Erben als „offensichtlich aussichtslos“ ein und beabsichtigte, sie ohne mündliche Verhandlung per Beschluss zurückzuweisen. Die Richter folgten in allen wesentlichen Punkten der Argumentation des Landgerichts. Ihre Begründung stützt sich auf vier zentrale Pfeiler.

Warum war der Werklohn auch ohne Abnahme fällig?

Der Erbe hatte argumentiert, er habe die Arbeiten nie abgenommen, weshalb die Forderung des Handwerkers gar nicht fällig sei. Diesem Argument erteilte das Gericht eine klare Absage. Indem der Erbe die Mängel selbst durch Drittfirmen beseitigen ließ, hatte er die ursprüngliche Vertragsbeziehung beendet und ein Abrechnungsverhältnis geschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in einem solchen Fall die Abnahme keine Voraussetzung mehr für die Fälligkeit des Werklohns für die bereits erbrachten Teilleistungen. Der Handwerker durfte also abrechnen, was er bis zur Beendigung des Vertrags geleistet hatte.

War die erbrachte Leistung wirklich komplett wertlos?

Der Kern des Protests des Erben war die Behauptung, die Arbeit des Unternehmens sei so schlecht gewesen, dass sie für ihn keinerlei Wert habe. Ein vollständiger Ausschluss des Vergütungsanspruchs kommt nach der Rechtsprechung jedoch nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht – nämlich dann, wenn das Werk für den Auftraggeber Objektiv völlig unbrauchbar ist. Die Beweislast hierfür liegt vollumfänglich beim Auftraggeber.

Dieser hohen Hürde wurde der Erbe nach Ansicht des Gerichts nicht gerecht. Seine Mängelrügen bezogen sich hauptsächlich auf eine fehlende Gefälledämmung und diverse Beschädigungen. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Gefälledämmung nicht Teil des Auftrags an das klagende Unternehmen war. Die entscheidende Leistung – die erste Abdichtungsebene aus Bitumen – wurde vom Erben nicht substantiiert als völlig unbrauchbar dargelegt. Solange das Werk nicht wertlos ist, behält der Unternehmer seinen Anspruch auf den anteiligen Lohn, auch wenn Mängel vorliegen. Dem Auftraggeber bleiben dann nur noch Schadensersatzansprüche, die er aber gesondert geltend machen muss.

Weshalb scheiterte der Erbe mit seinen Gegenforderungen?

Hier wurde dem Erben die Prozessordnung zum Verhängnis. Seine detaillierte Aufstellung der angeblichen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von über 52.000 Euro sowie weiterer Kosten für Gutachter und Anwälte brachte er erst im Berufungsverfahren vor. Mit diesen Forderungen erklärte er die Aufrechnung gegen den Werklohnanspruch des Handwerkers.

Das Gericht ließ diesen neuen Vortrag jedoch nicht zu. Gemäß §§ 529, 531 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden, es sei denn, es liegen konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vor. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur in engen Grenzen zulässig. Auch eine Aufrechnung ist nach § 533 ZPO nur dann erlaubt, wenn sie auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin zugrunde legen muss. Da der Erbe seine Gegenforderungen in der ersten Instanz nicht beziffert und zur Aufrechnung gestellt hatte, waren diese Tatsachen für das OLG neu und damit unzulässig. Der Versuch, den Prozess in der zweiten Runde mit einer massiven Gegenforderung zu drehen, scheiterte an den prozessualen Spielregeln.

Was war mit den anderen Posten – Kaminabdeckung und Material?

Auch bei der Kaminabdeckung und den Materialkosten folgte das OLG den Feststellungen des Landgerichts. Der Erbe hatte zwar in der Berufung behauptet, eine andere Firma sei mit allen Metallarbeiten beauftragt worden, konnte dies aber nicht ausreichend untermauern, um die Feststellungen der ersten Instanz zu erschüttern. Ebenso bestätigte das Gericht den Erstattungsanspruch für das bestellte Material nach § 670 BGB, da die Bestellung nachweislich über das klagende Unternehmen abgewickelt wurde.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieser Fall liefert über den konkreten Anlass hinaus wichtige Erkenntnisse für Bauherren und deren Erben im Umgang mit Handwerkerleistungen und Mängeln.

Die erste Lehre ist die weitreichende Konsequenz der sogenannten Selbstvornahme. Wenn Sie als Auftraggeber Mängel feststellen und diese – ohne dem ursprünglichen Handwerker eine Frist zur Nachbesserung zu setzen – selbst beseitigen oder durch Dritte beseitigen lassen, verändern Sie die rechtliche Grundlage fundamental. Sie beenden den Vertrag und schaffen ein reines Abrechnungsverhältnis. Das hat zur Folge, dass der ursprüngliche Handwerker seinen Lohn für die erbrachten Teilleistungen sofort abrechnen kann, ohne dass es auf eine Abnahme ankommt. Ihr Recht, die Zahlung komplett zurückzuhalten, wird dadurch erheblich geschwächt.

Zweitens macht die Entscheidung den Unterschied zwischen „mangelhaft“ und „wertlos“ deutlich. Nicht jeder Mangel, auch kein gravierender, macht ein Werk automatisch wertlos und berechtigt zur Verweigerung der gesamten Zahlung. Um einen Werklohnanspruch auf null zu reduzieren, müssen Sie als Auftraggeber beweisen, dass die Leistung für Sie objektiv keinen Nutzen hat. Dies ist eine extrem hohe Hürde. In der Praxis bleibt dem Auftraggeber bei Mängeln meist nur der Weg über Schadensersatz oder Minderung, was aber den grundsätzlichen Zahlungsanspruch für die erbrachte Leistung nicht beseitigt.

Die dritte und vielleicht wichtigste Erkenntnis liegt im Prozessrecht: Ein Gerichtsverfahren ist kein fortlaufendes Gespräch, sondern ein streng strukturiertes Verfahren. Insbesondere die erste Instanz ist der Ort, an dem alle Fakten, Beweise und Forderungen auf den Tisch gelegt werden müssen. Wer hier entscheidende Argumente oder bezifferte Gegenforderungen zurückhält, um sie strategisch in einer möglichen Berufung einzusetzen, wird in der Regel scheitern. Die Berufung dient der Fehlerkontrolle des ersten Urteils, nicht der Führung eines gänzlich neuen Prozesses.

Die Urteilslogik

Wer als Auftraggeber Mängel durch Dritte beseitigen lässt, beendet damit den ursprünglichen Bauvertrag und schafft die Grundlage für die sofortige Fälligkeit des Werklohnanspruchs des Handwerkers.

  • Selbstvornahme des Mangels macht Abnahme überflüssig: Sobald der Auftraggeber beschließt, Mängel selbst oder durch Drittfirmen zu beheben, wandelt sich der Bauvertrag in ein Abrechnungsverhältnis, wodurch die formelle Abnahme als Voraussetzung für die Fälligkeit des Werklohns entfällt.
  • Mängel begründen keine automatische Zahlungsverweigerung: Ein Unternehmer behält seinen Anspruch auf Vergütung für erbrachte Teilleistungen, solange das Werk nicht objektiv und vollständig unbrauchbar ist; gewöhnliche Mängel berechtigen lediglich zur Geltendmachung von Schadensersatz oder Minderung, nicht zur kompletten Verweigerung der Zahlung.
  • Neue Forderungen scheitern im Berufungsverfahren: Parteien müssen alle relevanten Tatsachen und bezifferten Gegenansprüche bereits in der ersten Instanz vollständig vorbringen, da das Prozessrecht die strategische Geltendmachung neuer Aufrechnungsansprüche in der Berufungsinstanz strikt unterbindet.

Die konsequente Einhaltung der prozessualen Regeln und die genaue Abgrenzung zwischen Mangel und objektiver Wertlosigkeit definieren den Umfang der finanziellen Haftung im Werkvertragsrecht.


Benötigen Sie Hilfe?


Droht Ihnen der Verlust der Aufrechnungsrechte wegen Baumängeln in der Berufung? Klären Sie Ihre Möglichkeiten und fordern Sie eine professionelle Ersteinschätzung an.


Experten Kommentar

Viele Bauherren glauben, die Berufung sei die zweite Chance, um endlich alle Rechnungen und Argumente zu präsentieren. Dieses Urteil zeigt konsequent: Wer seine massiven Mängelbeseitigungskosten erst in der zweiten Instanz zur Aufrechnung gegen den Werklohn stellt, wird an den strengen prozessualen Hürden der Zivilprozessordnung scheitern. Ein Gerichtsprozess ist kein Wunschkonzert; sämtliche Fakten, Gutachten und bezifferten Gegenforderungen müssen bereits im ersten Anlauf wasserdicht dargelegt werden. Für Auftraggeber ist das eine klare rote Linie: Wer mit seinen Forderungen zu spät kommt, zahlt trotz Mängeln den vollen Werklohn, weil die Gegenrechnung schlicht nicht mehr berücksichtigt wird.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich den Werklohn auch dann zahlen, wenn ich Baumängel selbst beseitigen ließ?

Viele Bauherren fühlen sich ungerecht behandelt, wenn sie nach teurer Korrektur mangelhafter Arbeit auch noch den ursprünglichen Handwerker bezahlen sollen. Die Antwort überrascht oft: Ja, in der Regel müssen Sie den Werklohn zahlen. Indem Sie Mängel eigenmächtig durch Dritte beseitigen lassen, beenden Sie den ursprünglichen Vertrag, selbst wenn noch keine formelle Abnahme stattfand.

Diese eigenmächtige Selbstvornahme wandelt das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein sogenanntes Abrechnungsverhältnis um. Das bedeutet, dass die formelle Abnahme keine notwendige Voraussetzung mehr für die Fälligkeit der Vergütung ist. Der Handwerker erhält nun einen Anspruch auf Bezahlung für den Wert aller bis dahin erbrachten, verwendbaren Teilleistungen. Die Gerichte vermeiden damit, dass sich Auftraggeber ausschließlich auf die fehlende Abnahme berufen, um jegliche Zahlung zu verweigern.

Im Abrechnungsverhältnis sind Ihre Gegenansprüche strikt von der Werklohnforderung getrennt. Sie müssen den Lohnanspruch für die brauchbaren Leistungen zunächst begleichen. Ihre eigenen Korrekturkosten laufen dann nur noch über Schadensersatzforderungen oder eine Minderung der ursprünglichen Vergütung, die Sie gesondert geltend machen müssen. Der Handwerker ist berechtigt, den Wert seiner bis zur Vertragsbeendigung erbrachten Leistungen sofort abzurechnen.

Dokumentieren Sie lückenlos, an welchem Datum Sie die Selbstvornahme angeordnet haben, da dies den genauen Zeitpunkt der Lohnfälligkeit definiert.


zurück

Wann gilt eine Handwerkerleistung als wertlos und ich muss gar keinen Werklohn bezahlen?

Sie können die Zahlung des Werklohns nur dann komplett verweigern, wenn die Leistung des Handwerkers objektiv völlig unbrauchbar ist. Die juristische Hürde für eine solche Wertlosigkeit ist extrem hoch. Es genügt nicht, dass Sie die Arbeit subjektiv als „Schrott“ empfinden oder die Mängelbeseitigung sehr hohe Kosten verursacht.

Der vollständige Ausschluss des Vergütungsanspruchs setzt voraus, dass das fertiggestellte oder unfertige Werk für Sie keinerlei Nutzen hat. Gerichte prüfen dabei nicht primär die Kosten für die Nachbesserung, sondern den tatsächlichen Wert der erbrachten Teilleistungen. Wenn beispielsweise eine erste Abdichtungsebene zwar mangelhaft, aber als Untergrund für weitere Schichten noch nutzbar ist, bleibt ein anteiliger Anspruch auf Werklohn bestehen. Die Beweislast dafür, dass das Werk absolut wertlos ist, liegt immer beim Auftraggeber.

Nehmen wir an, die Beseitigung schwerer Mängel kostet 75.000 Euro, der ursprüngliche Werklohnanspruch beträgt aber nur 25.000 Euro. Selbst in diesem Fall dürfen Sie die Zahlung nicht pauschal ablehnen. Sofern die Arbeit nicht vollständig rückgebaut werden muss – etwa weil ein Fundament komplett falsch gegossen wurde – gilt die Leistung nicht als wertlos. Ist das Werk lediglich mangelhaft, müssen Sie den Lohn bezahlen und Ihre Ansprüche (Minderung oder Schadensersatz) gesondert verrechnen.

Bevor Sie die vollständige Zahlung verweigern, beauftragen Sie einen vereidigten Sachverständigen, der den tatsächlichen Restwert und die Wiederverwendbarkeit der Bauteile feststellt.


zurück

Wie muss ich meine Gegenforderungen wegen Mängeln im Gerichtsverfahren richtig anmelden?

Wenn Sie vom Handwerker verklagt werden, müssen Sie Ihre Gegenansprüche taktisch und formal korrekt anmelden. Tragen Sie alle Forderungen (etwa für Mängelbeseitigungskosten, Gutachter oder Anwälte) vollständig beziffert und detailliert bereits in der Ersten Instanz vor. Diese Ansprüche müssen Sie aktiv als Mittel zur Aufrechnung gegen den Werklohnanspruch des Handwerkers verwenden. Wer hier entscheidende Argumente zurückhält, riskiert den Verlust dieser Ansprüche.

Das Gericht benötigt eine lückenlose und bezifferte Auflistung jeder Position, die Sie zur Verrechnung bringen möchten. Dies schließt alle Fremdkosten ein, die zur Korrektur der Baumängel notwendig waren, sowie entstandene Anwalts- und Gutachterkosten. Fehlt diese detaillierte Darlegung der Gegenforderungen in der Klageerwiderung, können spätere Instanzen diese Tatsachen als verspätet abweisen und nicht mehr berücksichtigen.

Das Gericht der Berufungsinstanz ist primär zur Fehlerkontrolle des erstinstanzlichen Urteils da und an die dort festgestellten Tatsachen gebunden. Werden Gegenforderungen erst jetzt nachgereicht, droht das Scheitern gemäß § 533 ZPO. Konkret scheiterte der Erbe im Stuttgarter Fall, weil er seine detaillierte Kostenaufstellung für Mängelbeseitigung erst vor dem Oberlandesgericht vorlegte. Diese späte Vorlage wurde als unzulässiges neues Verteidigungsmittel betrachtet und nicht mehr berücksichtigt.

Erstellen Sie umgehend eine exakte Kostenübersicht aller bisherigen Ausgaben, die Sie zur Aufrechnung nutzen möchten, und übergeben diese vollständig Ihrem Anwalt.


zurück

Was passiert, wenn ich meine Beweise für Mängel erst in der Berufung vor Gericht zeige?

Wenn Sie Beweismittel oder Tatsachen erstmals im Berufungsverfahren vorbringen, wird das Gericht diese in der Regel nicht zulassen. Die Berufung dient primär der Fehlerkontrolle des erstinstanzlichen Urteils, nicht der Führung eines gänzlich neuen Prozesses. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind daher nach § 531 ZPO stark eingeschränkt. Das prozessuale Risiko, das Sie hierbei eingehen, nennt sich Präklusion.

Das Berufungsgericht ist zumeist an die Tatsachenfeststellungen gebunden, die in der ersten Instanz getroffen wurden (§ 529 ZPO). Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass Parteien den Prozess unnötig in die Länge ziehen oder strategisch wichtige Informationen zurückhalten. Neue Beweise sind nur in sehr engen Ausnahmen zugelassen, etwa wenn die erste Instanz einen formalen Verfahrensfehler begangen oder einen Sachverhalt übersehen hat.

Wenn Sie beispielsweise Ihr detailliertes Mängelgutachten oder bezifferte Gegenforderungen strategisch für die zweite Runde zurückhalten, werden diese als verspätet abgewiesen. Dieses Zurückhalten strategisch wichtiger Fakten wird als unzulässiger Versuch gewertet, den Prozess künstlich zu verlängern. Die Konsequenz ist, dass Ihre Gegenansprüche trotz ihrer materiellen Berechtigung unberücksichtigt bleiben und Sie im Verfahren scheitern.

Verlangen Sie von Ihrem Anwalt eine detaillierte Überprüfung der Akten der ersten Instanz, um sicherzustellen, dass jeder Mängelbeweis fristgerecht vorgetragen wurde.


zurück

Welche Konsequenzen hat es, wenn ich geerbte Baumängel sofort selbst behebe?

Wenn Sie einen unvollendeten Bauvertrag erben, übernehmen Sie automatisch alle Rechte und Pflichten des Erblassers. Beheben Sie die Baumängel sofort selbst, ohne dem ursprünglichen Handwerker zuvor eine Nachbesserungsfrist zu setzen, beenden Sie damit den Vertrag. Diese sogenannte Selbstvornahme löst die sofortige Fälligkeit des Werklohns für die bis dahin erbrachten Teilleistungen aus, auch wenn die Leistung noch nicht abgenommen wurde.

Der Grund liegt in der Erbenstellung: Sie treten nach § 1922 BGB vollständig in den ursprünglichen Werkvertrag ein und sind neuer Vertragspartner. Durch die Beauftragung einer Drittfirma zur Mängelbeseitigung signalisieren Sie dem ursprünglichen Unternehmen, dass es das Werk nicht mehr fertigstellen soll. Die Gerichte werten dies als endgültige Vertragsbeendigung, wodurch das Verhältnis in ein reines Abrechnungsverhältnis umgewandelt wird.

Die größte praktische Konsequenz dieser schnellen Reaktion ist der Verlust Ihres Druckmittels: Sie verlieren das Zurückbehaltungsrecht. Normalerweise könnten Sie die Zahlung des Werklohns verweigern, bis der Mangel behoben ist. Nach der Vertragsbeendigung müssen Sie jedoch den Lohnanspruch des Handwerkers für die erbrachten, nicht völlig unbrauchbaren Leistungen begleichen. Ihre eigenen Kosten für die Korrektur der Mängel müssen Sie dann gesondert als Schadensersatzforderung beweisen und gegenrechnen.

Um Ihre Rechtsposition zu sichern, suchen Sie sofort die vollständige Korrespondenz und alle Verträge des Erblassers mit dem Handwerker zusammen.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abrechnungsverhältnis

Das Abrechnungsverhältnis beschreibt jenen rechtlichen Zustand, der eintritt, sobald ein Bauvertrag vorzeitig und endgültig beendet wird und die Parteien nur noch Geldforderungen (Werklohn, Schadensersatz) gegeneinander haben. Dieser Wandel beseitigt die Notwendigkeit einer förmlichen Abnahme und erlaubt es dem Unternehmer, sofort den Wert seiner bis dahin erbrachten Leistungen abzurechnen. Das Gesetz stellt damit sicher, dass eine Vertragsbeendigung nicht zur ewigen Hängepartie wird.

Beispiel: Im vorliegenden Streitfall entstand das Abrechnungsverhältnis dadurch, dass der Erbe die Mängelbeseitigung selbst in die Hand nahm und den Vertrag damit faktisch beendete, wodurch der ursprüngliche Handwerker sofort abrechnen durfte.

Zurück

Abnahme

Die Abnahme ist die formelle Erklärung des Bestellers im Werkvertragsrecht, dass er das fertiggestellte Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert. Erst mit der Abnahme wird der Werklohnanspruch des Handwerkers fällig und gleichzeitig beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu laufen. Die Abnahme kennzeichnet somit den rechtlichen Übergang von der Herstellungs- zur Gewährleistungsphase.

Beispiel: Solange keine Abnahme stattgefunden hatte, argumentierte der Erbe im ersten Prozess, dass die Handwerkerforderung über 24.000 Euro rechtlich noch gar nicht bezahlt werden müsse.

Zurück

Aufrechnung

Juristen nennen die Aufrechnung die Verrechnung zweier gegenseitiger Forderungen, wodurch diese im Umfang der kleinsten Forderung als erfüllt gelten. Dieses Prozessmittel dient der vereinfachten Abwicklung von Forderungen und ist ein wichtiges Verteidigungsmittel im Zivilprozess, um eine Klage des Gegners abzuwehren oder zu reduzieren. Wer eine Aufrechnung in der Berufungsinstanz geltend machen will, muss die strengen prozessualen Regeln des § 533 ZPO beachten.

Beispiel: Der Erbe versuchte, seine Mängelbeseitigungskosten von 52.000 Euro gegen den Werklohnanspruch des Handwerkers zur Aufrechnung zu stellen, scheiterte aber an der verspäteten Vorlage in der Berufungsinstanz.

Zurück

Beweislast

Die juristische Beweislast regelt im Gerichtsverfahren, welche Partei das Risiko trägt, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache unbewiesen bleibt. Da Gerichte nicht ewig warten können, bis ein Sachverhalt geklärt ist, bestimmt die Beweislast, wer die negativen Folgen (den Verlust des Prozesses) tragen muss, wenn die notwendigen Fakten nicht ausreichend dargelegt werden können.

Beispiel: Weil der Erbe die angebliche Unbrauchbarkeit der Bitumenabdichtung nicht substantiiert beweisen konnte, blieb er auf seiner Beweislast sitzen und verlor den Anspruch auf vollständige Zahlungsverweigerung.

Zurück

Objektiv völlig unbrauchbar

Ein Werk ist objektiv völlig unbrauchbar, wenn die erbrachte Leistung für den Auftraggeber keinerlei Nutzungswert hat und damit den Vergütungsanspruch des Unternehmers vollständig entfallen lässt. Der Gesetzgeber setzt diese Hürde extrem hoch an, um zu verhindern, dass Auftraggeber bei Mängeln, die teuer zu beseitigen sind, die gesamte Zahlung verweigern können. Solange ein Restwert oder eine Verwendbarkeit der Teilleistungen besteht, bleibt der Anspruch auf anteiligen Lohn bestehen.

Beispiel: Das OLG Stuttgart stellte fest, dass die erste Abdichtungsebene nicht objektiv völlig unbrauchbar war, auch wenn sie mangelhaft war, weshalb der Handwerker seinen Werklohnanspruch behielt.

Zurück

Selbstvornahme

Als Selbstvornahme bezeichnet man die Handlung, Baumängel eigenmächtig durch eine Drittfirma beseitigen zu lassen, anstatt dem ursprünglichen Handwerker zuvor eine Frist zur Nachbesserung zu gewähren. Dieses Vorgehen beendet den ursprünglichen Werkvertrag und wandelt das Verhältnis in ein Abrechnungsverhältnis um, wodurch der Auftraggeber sein starkes Zurückbehaltungsrecht verliert.

Beispiel: Nachdem der Erbe die Korrektur der Balkonsanierung selbst in die Wege leitete, verlor er das Recht, die Zahlung des gesamten Werklohns für die bis dahin erbrachten Leistungen komplett zu verweigern.

Zurück



Das vorliegende Urteil


OLG Stuttgart – Az.: 13 U 214/21 – Beschluss vom 19.12.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Baurecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Baurecht. Von der Baugenehmigung über Leistungsverzögerungen bis hin zu Baumängel.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Baurecht

Urteile aus dem Baurecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!